Mit 7,4% (August 2023) bleibt die Inflationsrate in Österreich im Vergleich zur Eurozone (+5,2%) hoch. Alle bürgerlichen Institutionen sind sich einig: Schuld sind hohe Lohnabschlüsse. Warum das nicht stimmt, erklärt Willy Hämmerle.
Bereits im Mai analysierten wir, dass die Unternehmensgewinne hauptverantwortlich für den rasanten Anstieg der Inflation waren. Das bestätigt auch eine im August veröffentlichte Analyse der Österreichischen Nationalbank (OeNB). Neben der anfänglich (2021/22) durch hohe Energie- und Importkosten bedingten Teuerung, erhöhten die Unternehmen ihre Profite im Jahr 2022 enorm. Sie stiegen um 24% und spielten damit eine „maßgebliche und auch historisch außergewöhnlich große Rolle“ (OeNB – „Inflationsschock, Lohnfindungsprozess, Wettbewerbsfähigkeit“) für die Inflation in Österreich.
Insbesondere in den Sektoren Energie-Bergbau-Wasser, Bau, Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Lagerei war die Inflation 2022 „fast zur Gänze auf die Gewinnentwicklung zurückzuführen“. Andere Branchen zogen nach: Gastronomie, Hotellerie und die Finanz- und Versicherungsdienstleister verzeichneten, auch ohne Corona-Hilfen, satte Profite. Im 1. Quartal 2023 verortet die OeNB den Anteil der Unternehmensgewinne an der Inflation bei 40%.
Im Mai argumentierten wir: „Schreien die Bürgerlichen nun nach einer Mäßigung bei den Löhnen, ist dies nichts anderes als der Versuch, ihre Rekordprofite einzuzementieren.“ In den vergangenen Herbst- und Frühjahrslohnrunden kam es aber zu – im Vergleich zur restlichen Eurozone – recht hohen Lohnabschlüssen. Das steckt jetzt hinter der anhaltend hohen Inflationsrate: Zur Aufrechterhaltung der Profitrate steigen die Preise weiter. Im 2. Quartal 2023 waren also laut OeNB die Löhne der „bestimmende Inflationstreiber“.
Die Bürgerlichen sehen darin den Beweis für die allseits beschworene „Lohn-Preis-Spirale“. Tatsächlich zeigt der zeitliche Verlauf, dass es sich, wenn überhaupt, um eine „Profit-Lohn-Spirale“ handelt, wobei die Löhne erstens deutlich zeitversetzt angepasst werden und zweitens bei weitem nicht die gesamte Teuerung ausgleichen. Letztendlich läuft es darauf hinaus, die Profite dauerhaft auf Kosten der Löhne hochzuhalten.
Dazu kommt, dass die Regierung fast vollständig auf direkte Eingriffe in den Markt verzichtet hat und lieber auf die berühmte „Gießkanne“ setzte. Subventionen von privaten Haushalten (z.B. der Klimabonus) und Unternehmen (z.B. der vom Staat finanzierte Strompreisdeckel und die Corona-Förderungen) sicherten kurzfristig die Kaufkraft und die Profite gleichermaßen, wobei die Unternehmen deutlich mehr erhielten. Diese Ausgaben werden in den künftigen Staatsbudgets fehlen, Sparpakete sind damit vorprogrammiert.
Die Chefetagen sind nervös, weil die Perspektive einer drohenden weltweiten Rezession immer greifbarer wird, und sich damit der Standortwettbewerb – also die Konkurrenz zwischen Kapitalisten verschiedener Länder – verschärft. Wenn die Industriellen also über ihre schlimme Situation jammern, entbehrt das nicht einer gewissen Grundlage. Was sie allerdings geflissentlich unterschlagen, sind die fetten Profite, die sie in der jüngeren Vergangenheit aus den Beschäftigten herausgepresst und sich selbst ausgezahlt haben.
Die Losung der Bürgerlichen lautet also: Die Arbeiterklasse muss sich mäßigen! Von Seiten der Unternehmer und ihrer Propaganda-Abteilungen (Industriellenvereinigung, Agenda Austria) sind wir solche Töne bereits gewohnt.
Der „neutrale“ Staatsapparat reiht sich nun in Form der Nationalbank in diesen Chor ein. Sie schreibt im selben Papier, indem sie die Unternehmensgewinne als Inflationstreiber identifiziert hat, dass die Grundlage für die Lohnverhandlungen nicht mehr der Verbraucherpreisindex, also die reale Teuerung, sein soll, sondern die Lohnstückkosten der Unternehmen. Kurz: Höhere Lebenskosten? Pech gehabt, so ist das Leben.
Akzeptiert man die Logik der Märkte und des Kapitalismus, dann hat man tatsächlich Pech gehabt – es geht darum, diese Logik zu durchbrechen. Dazu braucht es eine Gegenoffensive der Arbeiterbewegung. Kurzfristig heißt das: Keine Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate und Preiskontrollen auf alle Güter des täglichen Bedarfs – und zwar auf Kosten der Unternehmensprofite und nicht durch staatliche Subventionen. Wollen wir unseren Lebensstandard aber nachhaltig sichern, führt kein Weg daran vorbei, die großen Banken und Konzerne zu verstaatlichen und die Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten selbst zu organisieren.
(Funke Nr. 217/26.9.2023)