Alle vier Jahre zu den Präsidentschaftswahlen blickt die Welt gebannt auf die USA. Die politische Ausrichtung der größten Supermacht der Erde ist nicht zuletzt ein Barometer für den Zustand des kapitalistischen Systems weltweit. Und der Sieg Donald Trumps zeigt, wie schlecht der Zustand dieses Systems ist.
Das gesamte politische Establishment und die bürgerliche Öffentlichkeit bis hin zu den Gewerkschaftsführungen stellten sich auf die Seite von Clinton. Die gesamte öffentliche Meinungsmaschinerie der Medien wurde mobilisiert: So sprachen sich 243 US-Tageszeitungen für Clinton aus, dagegen nur 19 für Trump. Selbst viele prominente Republikaner verweigerten ihm die Gefolgschaft. Der Grund dafür: Trump mit seiner rechten Demagogie war ihnen einfach zu unkontrollierbar. Dementsprechend sind auch die Reaktionen der Märkte: Schockstarre und Börsenkurseinbrüche sind ein Zeichen dafür, dass Trump den großen Lenkern des Kapitals ein zu großer Unsicherheitsfaktor war und ist. Am Ende werden sie sich aber mit dem Immobilienmilliardär arrangieren, der ja letztendlich einer von ihnen ist – er ist ein Teil des Establishments, nicht dessen Gegner.
In „normalen“ Zeiten hätte so eine Situation einen erdrutschartigen Sieg Clintons zur Folge gehabt. Bei vielen ArbeiterInnen und Jugendlichen waren aber in Wirklichkeit beide KandidatInnen verhasst. In einer Gallup-Umfrage waren die Sympathiewerte für Clinton schlechter als für alle anderen demokratischen Präsidentschaftskandidaten seit 1956. Doch vor allem Trump war schon vor den Wahlen so unbeliebt, wie kein anderer Kandidat der Geschichte. Dass er trotzdem gewinnen konnte, ist ein Ausdruck dafür, dass die Wahl von großen Schichten vor allem gegen das Establishment geführt wurde – und Clinton repräsentierte dieses wie keine andere.
Das Ergebnis der Wahlen ist vor allem ein Schlag gegen das Zweiparteiensystem, das jahrzehntelang für ausgesprochene politische Stabilität stand. So fasste auch der frühere US-Verteidigungsminster William S. Cohen, der unter Bill Clinton diente, vor den Wahlen die Situation so zusammen: Das Land taumelte „auf die beiderseitig garantierte Zerstörung unseres politischen Systems zu“. Donald Trumps Regierung wird von Anfang an mit großen Protesten zu kämpfen haben – vor allem in der Jugend ist er tief verhasst. Sein Programm kann nur ein weiteres der Angriffe auf die Arbeiterklasse sein – Sparprogramme, Abschaffung der Zugeständnisse im Gesundheitssystem, Schuldenreduktion. Er wird so schnell beweisen, dass er die Hoffnungen der vielen, vor allem weißen ArbeiterInnen aus ländlicheren Gebieten, die ihn gewählt haben, enttäuschen wird. Hoffnung wird in Wut umschlagen und den Boden dafür bereiten, dass gewaltige Massenbewegungen die Situation im mächtigsten Land der Welt auf den Kopf stellen werden. Es ist das erste Mal seit 80 Jahren, dass wir klar prognostizieren können: Die USA gehen auf eine vorrevolutionäre Situation zu.
Der Sieg Trumps führt der gesamten Weltöffentlichkeit vor Augen, dass das Zeitalter der politischen Stabilität der Nachkriegszeit auch im mächtigsten Land der Welt zu Ende geht. Auch geopolitisch geht die Welt auf eine Phase verstärkter Unsicherheit zu. Europa ist an diesem Punkt schon seit längerer Zeit angekommen – „Brexit“ und die Eurokrise sind die deutlichsten Anzeichen dafür. Auch in Österreich können sich die großen Banken und Konzerne spätestens seit den Bundespräsidentschaftswahlen nicht mehr so sehr auf die traditionellen Parteien stützen, als auf eine wackelige Konstruktion aus Rassismus, „größerem“ und „kleinerem Übel“. Die politische Ordnung der Nachkriegszeit bricht aber auch hierzulande unaufhaltsam zusammen. Die große Koalition ist stehend K.O. – Neuwahlen werden vorerst nur noch durch fehlerhaften Klebstoff von Wahlkuverts verhindert. Jeder Versuch sich an diese Stabilität der Vergangenheit zu klammern, ist zum Scheitern verurteilt.
Ausdruck davon ist auch, dass die Widersprüche in der SPÖ wieder aufbrechen, die durch die Übernahme von Vorsitz und Kanzlerschaft durch Christian Kern gelöst schienen. Der Umfaller bei Ceta, wo die SPÖ mit ihrer Zustimmung in aller Öffentlichkeit eine 180°-Wende vollzog, hat Kern schon wenige Monate nach seiner Angelobung ernsthafte Kratzer zugefügt und für neue Desillusionierungen gesorgt. Während Außenminister Kurz in aller Öffentlichkeit eine Bürgerblockregierung unter seiner Führung vorbereitet, beginnt in der SPÖ die Diskussion über einen „Wertekatalog“ für Koalitionen, der, wenn es nach der Parteirechten geht, eine Öffnung Richtung FPÖ ermöglichen sollte.
An die Stelle der „Sozialpartnerschaft“ und des „politischen Kompromisses“ treten langsam aber sicher die rücksichtslose Durchsetzung der Interessen des Kapitals und die politische Chaotisierung. Vorerst geschieht das auch noch ohne eine Antwort der Arbeiterbewegung, deren Führung fest in die Verwaltung des Status Quo eingebunden ist – sowohl in den USA, als auch in Österreich. Das ermöglicht es dem Kapital, Sparmaßnahmen durchzusetzen, die das Leben von Millionen Menschen zerstören, und gibt so rechten Demagogen erst eine Basis für ihre Hetze. Dieser behaupteten wirtschaftlichen und politischen „Alternativlosigkeit“ muss die Arbeiterbewegung ein klares antikapitalistisches, sozialistisches Programm entgegensetzen, das sich auf die Mobilisierung auf den Straßen und Betrieben stützt und jede Zusammenarbeit und Akzeptanz des „kleineren Übels“ der Bürgerlichen ablehnt. Für diesen klaren Kurs nach vorne stehen wir MarxistInnen. Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit gekommen, mit uns für dieses Programm zu kämpfen und aktiv zu werden!
Wien, 9. November 2016
Weitere Themen der neuen Ausgabe:
- Österreich
- Austro-Imperialismus am Scheideweg
- Metaller-KV: Wie wir jetzt weitermachen müssen
- Zumtobel: Klassenkampf im Ländle?
- Betrieb & Gewerkschaft
- Pflege: Den Versorgungsauftrag erfüllen
- Post: Offener Brief eines Briefträgers
- Theorie
- „Das Kapital verstehen“ Teil 6: Handel, Banken und Spekulanten
- Schwerpunkt: Krise in Europa und die Grenzen des Reformismus
- Spanien: Umwälzungen
- Griechenland: Selbstaufgabe
- GB: Hoffnung?
- Wir über uns
- Das war M.I.A.U. – Marxistische Initiative an Unis
- Linz stellt sich quer!
- Das war Join the Party 2016
- International
- Kolumbien: Strategiewechsel im Klassenkampf?
- Unsere revolutionäre Tradition: Larissa Michailowna Reissner
- USA: Eine schrecklich nette Familie
- Naher Osten: Das Schlachtfeld der Zyniker
- Marokko: Wir zerquetschen hier Leute!
- Uniproteste in Südafrika
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