Die kika/Leiner-Pleite bedeutet für sehr viele Menschen den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Das Vermögen der ultrareichen Verantwortlichen trifft dieser Verlust freilich nicht. Das „unternehmerische Risiko“ tragen allein die Beschäftigten. Eine Beschäftigte berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen.
Vom Verkauf des Unternehmens haben wir durch die Medien erfahren. Am 1.6. haben wir dann neben den Schlagzeilen auch eine E-Mail der Geschäftsführung erhalten. Wir haben das nicht kommen sehen, konnten auch auf die Fragen der Kunden nur antworten: „Ja es gibt einen neuen Eigentümer, aber es läuft weiter wie bisher.“ – falsch gedacht.
Die Geschäftsführung hat sich verabschiedet bzw. wurde verabschiedet und die Neuen haben sich vorgestellt. Es werde ein schwieriger Weg werden und man werde sich die Zahlen jetzt genau ansehen, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden.
Am Freitag (02.06.) wurde die Führung der Gastro verabschiedet. Wir standen ohne Führung und ohne Informationen da. Werden die Aktionen weiterlaufen, wer übernimmt die Gastro, was passiert mit den Gebietsleitern? etc. Das Wochenende verbrachten wir in der Luft hängend.
Am Dienstag (06.06.) wurden wir in den Besprechungsraum geholt und uns wurde mitgeteilt, dass unsere Filiale, wie auch einige andere mit Ende Juli schließen werden. Wenn es die eigene Filiale ist, trifft es dich, auch wenn du damit gerechnet hast. In der nächsten Stunde kam auch die Mail der Geschäftsleitung: 23 Filialen mitsamt Personal werden fallen.
Außerdem die Info, dass für die von der Kündigung betroffenen Beschäftigten mit den Betriebsräten ein Maßnahmenpaket beschlossen wurde. Auch andere Anbieter aus Handel und Gewerbe können interessierten MitarbeiterInnen Jobangebote machen, über eine eigene Jobplattform. Auch genannt wurde ein Fonds zur Abfederung von Härtefällen, der aus privaten Mitteln der Geschäftsführung finanziert wird.
Es ist so absurd, wie man der Willkür einzelner Personen ausgeliefert ist. In diesem Bewusstsein haben einige Kollegen das Unternehmen bereits vor den Schließungen verlassen. Ein Kollege von mir, selbst Betriebsrat:
„Ich war der Firma gegenüber mehrere Jahrzehnten lang loyal und jetzt verfahren sie so mit uns… Was mich aber am meisten schockiert ist, dass es so aussieht als hätte Signa gar kein Interesse daran gehabt, das Geschäft am Laufen zu halten. Aber ständig Druck wegen der Zahlen: verkaufts mehr, beratets mehr, etc. es interessiert mich nicht mehr.“
Bei uns brach dann das Chaos des Abverkaufs (-30% auf alle lagernden Waren) aus. Wir wurden überrannt. Mehrere Tage lang bis zu 12 Stunden Arbeit, die Bude hat jeden Abend ausgesehen. Auch die Umgangsformen mancher KundInnen haben Spuren bei uns hinterlassen. Die Stimmung ist gedrückt und viele wollen nur noch raus aus der Dienstleistung.
Am 07.06. kam die Mail: „Sanierungsverfahren“, die Fortführung des Unternehmens sei gesichert.
Eine Stunde später – der Zentralbetriebsrat mit derselben Headline. Wir sollen Ruhe bewahren und auf die Experten der Arbeiterkammer vertrauen, die für uns eine Hotline für dringende Fragen eingerichtet hat. Desweiteren werden in allen Schließungshäusern Betriebsversammlungen abgehalten, mit Leuten der Arbeiterkammer, bei denen die Belegschaften informiert und alle unsere Fragen beantwortet werden sollen.
Die Kollegen berichten, dass die Betriebsversammlung irritierend war, da die AK Leute immer wieder gesagt haben: „…sollte Ihr Haus schließen, dann“, „wenn der Fall eintritt, dann“ – es stand doch schon fest, dass wir schließen, deshalb seid ihr ja da…
Beim Thema Gehalt gab es dann viel Verwirrung und niemand hat sich getraut nachzufragen. Es gab unterschiedlichste Vermutungen, wie sich das Gehalt zusammensetzen wird. Tatsache ist, dass von 01.06.–13.06 das Gehalt, zusätzlich aliquotem Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus dem Insolvenzfonds kommt, den 14.06–30.06. zahlt die Firma.
Heute (28.06.) hat mir ein Kollege berichtet, auf seinem aktuellen Lohnzettel, der bereits der zweite ist, weil der erste nicht korrekt zusammengesetzt war, bezahlt ihm die Firma 900,- € für dieses Monat für seine Vollzeittätigkeit, auf den Rest aus dem Insolvenzfonds muss er noch warten. Es ist zermürbend.
(Funke Nr. 215/05.07.2023)