Ein Jahr nach der russischen Invasion in der Ukraine lautet die Parole aller Kriegsparteien: „Frieden durch Sieg!“ Die menschlichen Kosten des Krieges sind dramatisch, doch keiner der imperialistischen Räuber will nachgeben.
„Die Russen in der Ukraine zu schlagen, ist derzeit das Wichtigste. Das spart uns langfristig enorm viel Geld, wenn die Ukraine erfolgreich ist. Sie fragen nicht nach Soldaten, sie fragen nur nach Geld“, (bisher 144 Mrd. $ ausbezahlt) untermauert der republikanische Senatsführer McConnell die Position der US-Herrschenden. Es gilt, auf Weltebene die dominante Stellung der amerikanischen Konzerne ökonomisch und militärisch zu verteidigen: gegen das aufstrebende China, gegen Russland aber auch gegen die Verbündeten in Europa.
Die Abkoppelung Europas von billigen Energielieferungen Russlands steht seit langem auf der To-Do-Liste der US-Politik. Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im September 2022 ist damit bisher der solideste Kriegserfolg der USA. Der liberale Starreporter und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh recherchierte, dass dieser Schlag gegen Russlands und Deutschlands Industrie auf direkten Befehl Joe Bidens erfolgte.
Die Aufrechterhaltung der europäischen Unterstützung für die Ukraine ist gleichzeitig ein wichtiger Hebel der USA, ihre Dominanz zu konsolidieren. Auf diplomatische Freundlichkeiten gegenüber den traditionellen EU-Machtzentren Berlin und Paris verzichtet Washington dabei. Im Jänner orchestrierte es eine Koalition der Panzer-Willigen gegen den zögerlichen deutschen Kanzler (nur um ihn dann im Regen stehen zu lassen), im Februar trommelt Biden auf seinem Europa-Besuch nur seine Marionette in Kiew und die osteuropäischen EU-„Frontstaaten“ um sich.
Die Absetzung einer pro-westlichen Regierung durch eine pro-westliche Präsidentin (!) in Moldawien (am 10.2.), um einem angeblichen russischen Putschversuch zuvorzukommen, erinnert an CIA „Regime-Change“ Operationen, wie sie bereits 2014 in Kiew umgesetzt wurden. Die NZZ kommentiert: „Die Putschgerüchte könnten für Sandu (die Präsidentin, Anm.) also auch ein Vorwand gewesen sein, um die Amtsinhaberin loszuwerden. Gavrilița ließ bei ihrem Abschied erkennen, dass sie wohl gerne noch weiter regiert hätte.“
Der neue, stärker „sicherheitspolitisch orientierte“ Premier des Armenhauses Europas, Dorin Recean, legt sein Programm offen: „Wir befinden uns in einer Zeit geopolitischer tektonischer Verschiebungen, und daher bin ich sicher, dass alle Parteien verstehen werden, dass die Entmilitarisierung des linken Ufers des Dnjestr angegangen werden muss“. Damit stellt er die Ausweitung des Ukraine-Krieges auf Südosteuropa in Aussicht.
Vizepräsidentin Harris (USA) und Premier Sunak (GB) erklärten auf der Münchner Sicherheitskonferenz, einen „globalen Krieg“ zu führen. Hauptsächlich ist es derzeit ein Handelskrieg, ein direktes Ergebnis der „Finanzkrise“ von 2008, einer klassischen kapitalistischen Krise der Überproduktion. Der Widerspruch einer weltweiten Arbeitsteilung und der privaten Aneignung des Profites in immer konzentrierteren Monopolen (siehe Seite 2 & 8) bringt die Nationalstaaten in Konflikt um Ressourcen und Einflussgebiete. Prioritär ist die Kontrolle fossiler und erneuerbarer Energiequellen, Technologien sowie der Kampf um den Werkstoff „Daten“ und die Waren (Chips), um diese zu verarbeiten. Die Nationalstaaten streben danach, die gesamte Lieferkette zu kontrollieren und so wird jede Ware zur Waffe: Sanktionen, Zölle, Exportverbote, Subventionsprogramme für Kapitalisten und wenn es sein muss, eben militärische Konfrontation.
Dem Ukraine-Krieg sind bisher etwa eine Viertelmillion Menschen zum Opfer gefallen. In den letzten Wochen ist der Blutzoll besonders hoch, ein entscheidender Durchbruch ist der russischen Armee, die wieder die Initiative übernommen hat, bisher nicht gelungen.
In Russland und der Ukraine herrschen kapitalistische Diktaturen, die die sozialen, kulturellen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und ihrer besonders unterdrückten Schichten (Frauen, nationale Minderheiten, LBGT-Personen, …) mit Füßen treten. Noch haben beide Regimes eine mehrheitliche Unterstützung in den Massen, die angesichts des Krieges in einen passiven Nationalismus (nicht unähnlich wie im Westen) verfallen sind. Unsere politische Solidarität gilt einzig und allein den internationalistischen Kommunisten Russlands und der Ukraine, die auch jetzt für die Verbrüderung der Arbeiterklasse beider Länder werben. Ihnen gehört die Zukunft.
In Deutschland erheben Sarah Wagenknecht (Die Linke) und die Feministin Alice Schwarzer die Forderungen, eine „Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen“ und „eine starke Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen“ zu bilden. Diese moderaten Forderungen stehen nicht fundamental im Widerspruch zu den Interessen des deutschen Kapitals, das einem „Kompromiss der Räuber“ offen gegenüberstehen würde. Doch der Raum dafür ist im Moment nicht gegeben, und so dreht sich die Eskalationsschraube mit Waffenlieferungen munter weiter. Krieg ist schrecklich, aber wie Lenin angemerkt hatte, vor allem „schrecklich profitabel“.
In Österreich beklagen Liberale aller Parteien fehlende militärische Leidenschaft: „Wir, die Unterzeichner:innen dieses zweiten offenen Briefs zur sicherheitspolitischen Lage Österreichs, müssen mit Besorgnis und Bedauern feststellen: Erstens: Keine genannten Adressaten – Bundesregierung, Nationalrat und die Bevölkerung Österreichs – hat unsere Forderung nach einer ergebnisoffenen Diskussion österreichischer Sicherheitspolitik ernsthaft in Betracht gezogen.“ Unter anderem Rainer Nowak, Freunderl von Ex-Kanzler Kurz und daher Ex-Chefredakteur von Die Presse, versucht uns nochmals im Sinne eines NATO-Beitrittes aufzurütteln, indem der Teufel eines Putin-Angriffes auf Österreich an die Wand gemalt wird.
Österreichs Kapitalisten verdienen gut sowohl in Russland, als auch in der Ukraine und sind am ehesten durch unkontrollierbare Handelskriege, Energieunsicherheit und Sanktionierungsgelüste Washingtons gegen die Raiffeisenbank beunruhigt. Eigenständige Initiative zeigen unsere Herrscher aktuell nur am Balkan, wo sie das Bundesheerkontigent in Bosnien aufgestockt haben.
In Krieg wie „Frieden“ gebärt der Kapitalismus täglich aufs Neue menschliche Barbarei. Die Klassenkämpfe, die er dadurch erzwingt, eröffnen die Perspektive der sozialen Revolution. Die Enteignung der Konzerne macht die Neuorganisation der Arbeit im Sinne der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und einem sinnvollen Leben auf einer intakten Erde möglich. Der Weg dahin beginnt damit, eine von den eigenen Herrschenden völlig unabhängige und ihnen entgegensetzte politische Position zu formulieren – und dafür zu kämpfen.
Das bedeutet in Österreich: Keine Zustimmung zu EU-Kriegskrediten, für das Ende der Sanktionen, für den Abzug der Truppen aus dem Balkan, gegen Aufrüstung und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Nein zu Rettungsaktionen für sich im Wirrwar der Weltpolitik verspekulierende Kapitalisten. Mach mit beim Funke!
Wien, am 21.02.2023
Aus dem Inhalt
- Österreich
- Niederösterreichwahl: Krachende Niederlage für ÖVP und SPÖ
- Warum die Medikamente fehlen
- Wieso will Kocher die Sozialleistungen kürzen?
- Perspektiven des Klassenkampfs. Die Welt im Jahr 2022: Fäulnis und Stagnation
- Jugend
- Nicht die Welt, sondern der Kapitalismus geht unter
- Warum ich aktiv geworden bin
- Betrieb & Gewerkschaft
- Aus dem Kindergarten: Über Bildung, Wertschätzung und Leistungen…
- Leserbrief: Textilindustrie: sinkende Schiffchen
- Warnstreiks in den Privatspitälern
- Geschichte
- 1933: Das Ende der bürgerlichen Demokratie
- Über uns
- Neu: Theoriemagazin Nr. 7. Der blutige Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus
- Komm zu unseren revolutionären Blocks am 8. März!
- Gesellschaft
- Klassenkampf gegen Kapitalismus & Frauenunterdrückung
- Künstliche Intelligenz: Die neue Herrscherin der Welt?
- Proletarische vs. bürgerliche Frauenbewegung: Für eine reinliche Scheidung
- International
- Erdbeben in der Türkei: Nicht Schicksal, sondern Mord!
- Die französische Arbeiterklasse fordert Macron zum Duell heraus
- Der starke Arm der südkoreanischen Arbeiterklasse
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