Gleichzeitig mit den Metallern wurden auch im privaten Sozialbereich (SWÖ) die Kollektivvertrags-Verhandlungen eröffnet. Eine Wiener Betriebsrätekonferenz des Bereichs beschloss am 27. September, folgende Anträge. Darin wird gefordert, dass man einen Arbeitskampf um +750€ und keinen Abschluss unter +500€ führen soll – und dass man dafür auch streikbereit ist.
Wie wir berichteten, fand im Mai auf Initiative einer Gruppe von Betriebsräten (BR) eine BR-Konferenz des Wiener Sozialbereichs (WB 17) statt. Als einziges Bundesland wurde dort über Forderungen abgestimmt, die für diese Herbstlohnrunde als notwendig empfunden werden.
Die Forderungen, mit denen das gewerkschaftliche Verhandlungsteam letztendlich in die Kollektivvertrags-Verhandlungen ging, waren jedoch sehr unkonkret gehalten. Es wird darin eine „deutliche Erhöhung der Realeinkommen unter Berücksichtigung der Inflationsrate und unter der besonderen Berücksichtigung niedriger Einkommen“ gefordert.
Aus Sicht der KollegInnen in Wien ist dies nicht ausreichend, um einen Kampf um das zu führen, was die Beschäftigten in diesem Bereich wirklich brauchen. Außerdem sollten die Beschäftigten selbst in einer Urabstimmung darüber entscheiden können, ob sie ein Verhandlungsergebnis akzeptieren, oder bereit sind, weiterzukämpfen. Wir veröffentlichen hier die bei der Betriebsrätekonferenz in Wien beschlossenen Anträge.
Antrag zur Wirtschaftsbereichskonferenz für Betriebsrät*innen in den Bereichen Gesundheit, Soziale Dienstleistung, Kinder- und Jugendhilfe
Die Wirtschaftsbereichskonferenz am 27.9. 2022 möge beschließen:
Die Forderung nach einer „deutlichen Erhöhung der Realeinkommen unter Berücksichtigung der Inflationsrate und unter der besonderen Berücksichtigung niedriger Einkommen“ stehen aktuell im Zentrum der Forderungen zu den SWÖ-KV-Verhandlungen. Die Wirtschaftsbereichskonferenz bekräftigt alle Beschlüsse des Landesausschuss Wien des WB 17 vom 30. Mai 2022, sowie die Forderung nach einer Urabstimmung am Ende der KV-Verhandlungen.
Wir fordern daher das Verhandlungsteam auf die Forderungen folgendermaßen zu konkretisieren:
- Erhöhung der Grundgehälter um 750 Euro Fixbetrag bei Vollzeit für alle Verwendungsgruppen. Kein Abschluss unter 500 Euro.
- Erhöhung der Zulagen und Zuschläge um die doppelte Inflationsrate
- 35 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich ab 1. Jänner 2023.
Begründung:
Die große Mehrheit der Kolleg*innen der Branche stehen angesichts der Teuerung vor enormen finanziellen Problemen. Für viele ist das Abrutschen unter die Armutsgrenze eine große Gefahr. Ein Teil der Kolleg*innen leben bereits darunter. Kolleg*innen in der VG 6 und den VGs darunter, deren Entgelt sich im Wesentlichen aus Grundgehalt und SEG-Zulage zusammensetzt, spüren schon jetzt einen enormen Druck und die Teuerungswelle ist noch lange nicht am Höhepunkt. Für Kolleg*innen die nur Teilzeitverträge haben und ohne Chance auf Mehrarbeit (mit den entsprechenden Zulagen und Zuschläge), verschärft sich die Situation noch mehr. Die % Abschlüsse der letzten Jahre haben auch die Kluft zwischen uns gefördert. Eine Kollegin in der Verwendungsgruppe 4 hat nach 36 Dienstjahren 2587 Euro und 10 Cent Grundgehalt bei Vollzeit. Eine Kollegin in der Verwendungsgruppe 8 hat im ersten Jahr der Beschäftigung 2661 Euro und 20 Cent. 36 Jahre Berufserfahrung führen zu einem niedrigeren Einkommen, als in Verwendungsgruppe 8 ganz am Anfang. Ein Fixbetrag wäre ein großer Schritt, um diese Ungleichheit abzuschwächen. Dazu kommt: Die Erfahrung in vielen Betrieben zeigt, dass die Mobilisierung besser funktioniert, wenn es für die Belegschaften konkrete und greifbare Forderungen gibt, für deren Durchsetzung Aktionen und Streiks organisiert werden. Dass konkrete Forderungen durchaus üblich sind, zeigt auch ein Blick auf andere, gleichzeitig verhandelnde Branchen: die Metaller fordern +10,6%, die Eisenbahner wollen in vorgezogenen KV-Verhandlungen einen Fixbetrag von +500€ und unser Verhandlungspartner vida fordert für die Ordensspitäler ebenfalls ein Plus von 500€.
Antrag zur Wirtschaftsbereichskonferenz für Betriebsrät*innen in den Bereichen Gesundheit, Soziale Dienstleistung, Kinder- und Jugendhilfe
Die Wirtschaftsbereichskonferenz am 27.9. 2022 möge beschließen:
- Die Wirtschaftsbereichskonferenz ruft die Kolleg*innen der Branche dazu auf, im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen des im Wiener Sozialbereich und der privaten Pflege, am 8.9.und 10. November 2022 Streiks bzw. Warnstreiks zur Unterstützung der Forderungen bei den SWÖ-KV-Verhandlungen durchzuführen.
- Die Wirtschaftsbereichskonferenz versucht im Rahmen ihrer Tätigkeit in unserer Gewerkschaft GPA, möglichst gemeinsam mit unserer Partner Gewerkschaft VIDA und in der Zusammenarbeit mit möglichst viele Betriebsrät*innen und Kolleg*innen in den Betrieben Streiks bzw. Warnstreiks im Rahmen der Aktionstage 8., 9., 10., November zu organisieren.
- Die Wirtschaftsbereichskonferenz schlägt außerdem vor bereits Ende Oktober (und nicht erst am 24. November) eine bundesweite BR-Konferenz abzuhalten, bei der die bevorstehenden Kampfmaßnahmen zur Unterstützung der KV-Verhandlungen gemeinsam diskutiert und geplant werden.
- Die Wirtschaftsbereichskonferenz fordert den Landesausschuss Wien des WB 17 der GPA auf, mit dem Bundesausschuss des WB17 und der GPA-Geschäftsführung (insbesondere den GPA-Kolleg*innen im ÖGB-Bundesvorstand) an den ÖGB-Bundesvorstand heranzutreten und dort die Freigabe des Streikfonds zur Auszahlung von Streikgeldern an die Gewerkschaftsmitglieder und die politische Unterstützung der Streiks in der Sozialwirtschaft zu beantragen.
Begründung:
Die große Mehrheit der Kolleg*innen der Branche stehen angesichts der Teuerung vor enormen finanziellen Problemen. Ein Teil der Kolleg*innen insbesondere in den unteren Verwendungsgruppen des SWÖ-KV drohen unter die Armutsgrenze zu rutschen oder leben bereits darunter. Besonders betroffen sind Kolleginnen die auf Grund von Betreuungspflichten ihre Einkommen nicht durch Arbeit an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht bzw. durch Einspringen (Stichwort: „Flexizuschlag“) aufbessern können.
Um Lohn- und Gehaltsabschlüsse, die über der Teuerungsrate liegen durchzusetzten und die Einkommensverluste der letzten Jahre auszugleichen, werden Streiks bereits Anfang November nötig sein. Angesichts der enormen Teuerung ist es ein absolut sinnvolles Ziel die KV-Verhandlungen so abzuschließen, dass eine Lohn– und Gehaltserhöhung tatsächlich schon im Jänner 2023 zutragen kommt. Mit ersten Streiks erst Ende November/Anfang Dezember ist dieses Ziel unrealistisch. Daher braucht es möglichst früh eine bundesweite BR-Konferenz zu der auch Vertreter*innen aus anderen gleichzeitig verhandelnden Branchen eingeladen werden sollen.
Weitere Artikel zum Thema:
- SWÖ: Wir wollen +750€ und sind kampfbereit!
- Heißer Herbst statt kalter Winter: Wir müssen kämpfen!
- Sozialbereich: Gemeinsam kämpfen statt „Alkohol oder Psychopharmaka“
- SWÖ: Für einen allgemeinen Kampfplan!
- Löhne: 500€ mehr für alle – Kein Frieren für den Krieg – Klassenkampf anheizen! (Funke Nr. 207)