Die Schulen versinken im Chaos zwischen Lockdowns und Öffnungen, Präsenz- und Onlineunterricht. Die Omikron-Welle gibt dem unterfinanzierten Schulsystem den Rest. Von der Funke-Redaktion.
Die positiven Fälle greifen um sich und die Testkapazitäten brechen zusammen. Selbst im bis dato stabilen Wien gibt es immer wieder Klassen, wo 2-3 Mitschüler aufgrund eines zu späten Testergebnisses zuhause bleiben müssen. Und wer in Quarantäne ist, ist auf sich allein gestellt. Die Schulpflicht wurde aufgehoben. Lernmaterialien für zu Hause gibt es nur, wenn die Lehrer noch Energie und Zeit haben, also meist gar nicht. Inzwischen gibt es Klassen, die aufgrund von zu viel sitzengeblieben Neuzugängen nicht mehr ins Klassenzimmer passen. Selbst Informationen gibt es kaum, Pressekonferenzen werden als Klasse mit den Lehrern gemeinsam geschaut, da „offizielle“ Informationen vom Ministerium erst 3 Tage später kommen.
„Plan Polaschek“
In diese Situation des absoluten Chaos trat der neue Bildungsminister Polaschek (ÖVP) mit seinem „Plan“ zur Abhaltung der dritten Pandemie-Matura an die Öffentlichkeit. Doch hier von einem besonderen „Plan“ zu sprechen ist übertrieben: Wie immer in den letzten Jahren lautet das Motto „individuelle Verantwortung“ – abgewälzt auf die Schüler-Innen und LehrerInnen.
So soll es potentielle Erleichterungen geben, die aber schulautonom angewandt werden sollen: Für die mündliche Matura können an der AHS nach Gutdünken der Direktion einzelne Themengebiete gestrichen werden, oder eben nicht. Andere „Zugeständnisse“ gehen völlig an der Realität des Schulalltags der letzten beiden Jahre vorbei, etwa die Verlängerung der Frist für die Abgabe der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA). Das Problem im Bildungssystem in den letzten beiden Jahren ist sicher nicht gewesen, nicht genügend Zeit für selbstverantwortliches Arbeiten daheim gehabt zu haben! Dafür gießt Polaschek in völliger Verkennung der realen Stimmung noch mehr Öl ins Feuer. So sieht sein Erlass zum Beispiel auch vor, dass die Matura wenn nötig auch im Spital geschrieben werden kann!
So ist es ein wichtiger Schritt, dass sich nun ein gemeinsamer Widerstand gegen den ständig steigenden Leistungsdruck formiert. Eine Petition von etwa 100 SchülervertreterInnen und die aks (Aktion kritischer Schüler_innen) stellte sich öffentlich gegen die ministeriellen Pläne. Die wichtigste Forderung ist die nach einer nochmaligen Aussetzung der mündlichen Matura.
Am 18.1. hat die aks an fünf Schulen zu einem Warnstreik aufgerufen. Doch die Ereignisse haben eine eigene Dynamik bekommen, letztendlich beteiligten sich hunderte SchülerInnen von verschiedensten Schulen in ganz Österreich daran. Mittlerweile hat die aks für den 26.1. zu den nächsten Streiks aufgerufen. Dieser Tag hat das Potential, zum ersten Höhepunkt der Bewegung zu werden.
Kapitalismus – ein harter Gegner
Das Potential ist auf jeden Fall da, dass aus diesen ersten Protesten eine kraftvolle bundesweite Schülerstreikbewegung wird, die reale Zugeständnisse erkämpfen kann. Ohne diese massenhafte Beteiligung (und ein bisschen Ausdauer) wird es nicht gehen. Denn die Regierung wird es den Schülerinnen und Schülern nicht leicht machen. Wir müssen es deutlich sagen: Ein „bisschen Druck machen“, um dann im Ministerium zu verhandeln, wird hier nicht ausreichen.
Denn die Regierung steht von einer anderen Seite unter enormem Druck – wir erinnern uns an die treffende Eigenbezeichnung von T. Schmid als die „Hure für die Reichen“. Das dauernde Chaos der Pandemiepolitik ist letztendlich nur ein Ausdruck dafür, dass das gesamte System des Kapitalismus in einer tiefen Krise steckt. Doch die großen Kapitalbesitzer von Banken und Konzernen fordern gerade deswegen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich „wettbewerbsfähiger“ gemacht werden muss.
Für sie ist es inakzeptabel, dass der Standard der Ausbildung ihrer zukünftiger Arbeitskräfte heruntergeschraubt werden könnte, oder mehr Zeit braucht. Wir müssen bedingungslos funktionieren, ob eine Pandemie herrscht oder nicht! Für sie sind wir alle nur Zahlen in einer Gewinnrechnung, und Dinge wie unsere (psychische) Gesundheit, individuelle Wünsche und Träume oder „Kleinigkeiten“ wie die Zukunft des Planeten sind nur unbedeutende Nebensächlichkeiten.
Daher wird es starken Druck von der Regierung auf die Direktionen geben, dass sie Streiks möglichst verhindern. Schon jetzt sind uns trotz der Aufhebung der Schulpflicht (!) eine Reihe von Drohungen gegen streikbereite Schüler bekannt geworden, die sich in Zukunft nur noch verstärken werden.
Was tun, um zu gewinnen?
Eine erfolgreiche Streikbewegung kann also nicht bei symbolischen Aktionen und Warnungen stehen bleiben. Die mündliche Matura wird nicht durch informelle Gespräche mit dem Minister, sondern durch den Druck der Mobilisierungen verhindert werden! Was es braucht, ist eine große, gemeinsame Bewegung von allen Schülerinnen und Schülern – und darüber hinaus. Nur gemeinsam sind wir stark!
So argumentierte der „Funke“ von Anfang an dafür, dass es als ersten Schritt einen Termin für einen bundesweiten Streiktag an den Schulen braucht, an dem bundesweit große Demonstrationen organisiert werden. Dafür haben wir die kursierende Idee des 26.1. aufgegriffen und weiterverbreitet. Mit großen Streikdemos könnte der Individualisierung der Probleme eine mächtige, kollektive Kraftdemonstration entgegengesetzt werden, die wirklich auch die letzten überzeugen könnte dass wir gewinnen können!
Auf dieser Basis könnte eine Schülerbewegung auch an die Organisationen der StudentInnen und ArbeiterInnen appellieren gemeinsam zu kämpfen, angefangen natürlich bei den LehrerInnen, die unter ähnlichen Problemen leiden. Nur über diesen Weg der Verbreiterung und Verallgemeinerung der Kämpfe kann eine Bewegung unter den jetzigen Bedingungen Erfolg haben.
Dabei müssen SchülerInnen nicht auf ein Signal der Führung warten, um aktiv zu werden. Es braucht breite Aktivität und Selbstorganisierung an den Schulen. Alle, die streiken wollen oder mithelfen wollen, einen Streik zu einem Erfolg zu machen, können sich in einem „Streikkomitee“ zusammenschließen, um an der Schule gemeinsam vorzubereiten, zu mobilisieren, zu überzeugen und um SprecherInnen zu wählen. An den Schulen können Vollversammlungen organisiert werden, die einen demokratischen Streikbeschluss fassen können.
Und: Wenn du uns zustimmst, werde selbst beim „Funke“ aktiv! Wir organisieren in ganz Österreich SchülerInnen, ArbeiterInnen und StudentInnen mit dem Ziel, endlich den Kapitalismus zu überwinden. Denn letztendlich ist es notwendig, den unmittelbaren Kampf im eigenen Bereich mit einer breiteren Perspektive zu führen. Weg mit dem Leistungsdruck, weg mit der Regierung und weg mit dem Kapitalismus!
(Funke Nr. 200/20.1.2022)
Weitere Artikel: