Nach schwierigen Monaten mit Lohnverzicht, Kurzarbeit, hohen gesundheitlichen Risken und betrieblicher Umstellungen glühen die Nerven der ArbeiterInnen in der Metallindustrie. Jetzt laufen auch die Maschinen wieder auf Höchsttouren und die Gewerkschaften PRO-GE und GPA sind in einer starken Position den geforderten „gerechten Anteil“ herauszuschlagen. Von Emanuel Tomaselli.
Diesen beziffern die Verhandlungsführer mit einem Lohnnplus von 4,5%. Zusätzlich fordern sie eine hohe Steigerung der Lehr-entschädigung auf 1000 € im ersten Lehrjahr, die Erhöhung der Schichtzulagen und der Verbrauch der Überstunden in ganzen Tagen, anstatt als angeordneter stundenweiser Pausenfüller bei kurzfristigem Arbeitsmangel im Betrieb.
Die Maschinen- und Metallwarenindustrie beschäftigt 130.000 ArbeiterInnen und Angestellte, die für 25% der heimischen Industrieproduktion verantwortlich sind. In den kollektivvertraglich angelagerten Branchen (Stahl, Automotiv, Bergbau und Energie) sind aktuell weitere 60.000 beschäftigt. Die Arbeitsbedingungen und Lohnsteigerungen in diesem Bereich sind traditionell richtungsweisend für alle kommenden Kollektivvertragsverhandlungen.
Voraussetzungen
Nach einem Minus von 18% im Vergleichszeitraum Jänner bis Mai 2020-2021 drehte die Produktion heuer mit einem Wachstum von 21% wieder ins Plus. Über das Jahr hinweg rechnen die Manager der Branche mit einem Produktions-plus von 9,3%. Die Produktivität der Arbeit ist im Durchschnitt um 3,3% gestiegen und die Lohnkosten pro Stück sind gar um 6,3% gefallen. Diese Zahlen spürt jeder Beschäftigte am eignen Leib: Überall muss kräftig zugepackt werden. Die Maschinen werden bis zum Anschlag geführt, weil die Nachfrage weltweit hoch ist.
Trotz der massiven Krise im vergangenen Jahr konnten die Unternehmen ihre Gewinne steigern. Vieles davon ist auch sogleich in die Privattaschen der Eigentümer geflossen. Regelmäßige Funke-LeserInnen sind mit dem Paradoxon steigernder Gewinnentnahmen bei fallender Produktion bereits vertraut. Wie auch die Arbeiterkammer jetzt errechnet hat, sind die Einkommen der Unternehmen im Lockdown um 5,1 Mrd. € gestiegen, die Einkommen der Arbeitnehmer jedoch um 5,5 Mrd. € gefallen. Grund dafür ist, dass die Corona-Förderungen an die Unternehmen besonders üppig geflossen sind, die AK spricht zurückhaltend von einer „dezenten Überförderung“.
Verhandlungsführer, PRO-GE-Chef, Kollege Rainer Wimmer verweist darauf, dass die Gewerkschaften von VolkswirtschaftlerInnen geradezu gedrängt worden seien hohe Forderungen zu stellen. Tatsächlich ist die wachsende Ungleichverteilung zwischen Kapital und Arbeit ein zunehmendes Stabilitätsrisikio für den Kapitalismus an sich. Doch dies ist den Einzelunternehmern egal, der Geiz ist ein Hund wie der Volksmund weiß. Die Metaller-Barone (die sich allesamt als „Familienunternehmen“ darstellen) stehen auch im internationalen Wettbewerb, die „Finanzmärkte“ verlangen ihren Bilanzen hohe Profitraten ab, sie haben also nichts freiwillig herzugeben.
Was es braucht
Abgesehen von der wichtigen Forderung, dass nach den Arbeitszeitflexibilisierungen der vergangen Jahren Beschäftigte wieder mehr Kontrolle über die eigene Freizeit zurückerstreiten, ist im bisher bekannten Forderungskatalog der Gewerkschaften nichts, was dem Interesse der Unternehmen diametral entgegensteht. Auch den Managern ist klar, dass sie angesichts der aktuellen Konjunktur mehr zahlen müssen, um gute Lehrlinge und ArbeiterInnen zu bekommen und zu behalten. Angesichts der Gesamtlage sind die Forderungen der Gewerkschaften also bescheiden.
Das heißt nicht, dass die Verhandlungen einfach werden. Bereits in den vergangenen Jahren machten die Unternehmer klar, dass sie die Macht der Gewerkschaften zurückdrängen möchten. Sie wollen den ArbeiterInnen beizeiten was geben, aber nicht als solidarisch erstrittenen Anspruch, sondern als milde Gabe. Die ArbeiterInnen sollen sich „bedanken“, wie es der ehemalige Chefverhandler Collini ausdrückte.Gewerkschaftssujet zur Lohnrunde. Aber Achtung: Wer„Bittet“ wird auch nur ein „Danke“ ernten – Jetzt Kampf organisieren!
Jetzt befürchten sie, dass die Gewerkschaften sich in den kommenden Wochen durch eine Wiederaufnahme der Tätigkeit der Betriebsräte in den Hallen und Abteilungen, durch starke Ansagen und kollektive Aktionen stärken werden.
Zumindest das zentrale Kampfziel von 4,5% ist für viele ArbeiterInnen nicht inspirierend. Mieten, Nahrungsmittel, Benzin etc. sind viel teurer geworden als das Geforderte. Durch Kurzarbeit, Wegfall von Überstunden (und den Zuschlägen) hat man gleichzeitig auf viel verzichten müssen.
Das aber wirklich!
Es ist offensichtlich, dass das Forderungsprogramm der Gewerkschaftsführer nicht an der betrieblichen und sozialen Realität der MetallerInnen ansetzt. Wenn die Maschinen so heiß laufen wie jetzt, dann könnte man die Forderungen viel höher ansetzen und damit eine breite Dynamik in Betrieben erzielen.
Stattdessen dominieren volkswirtschaftliche Erwägungen das Verhandlungspaket. Dies ist jedes Jahr so, weil es keine organisierte Kraft in der Gewerkschaft gibt, die konsequent für eine andere Herangehensweise an die KV-Verhandlungen argumentiert und zur Änderung der Herangehensweise Abstimmungen in den Gremien und Konferenzen erzwingt. Die kämpferischen MetallerInnen und Metaller-Betriebsräte, die sich für eine Änderung der Gewerkschaftspolitik stark machten, taten dies nur in Form von unverbindlichen Meinungsäußerungen. Sie ließen sich von der Gewerkschaftsführung einmal unverbindlich einbinden (wenn die UnternehmerInnen auf hart schalteten) und dann wieder in die dritte Reihe abschieben.
Daraus gilt es eine Lehre zu ziehen: Wenn man die Politik der Gewerkschaft verändern will, dann muss man sich zusammenschließen und die Beschlusslage der Gremien verändern, beziehungsweise Beschlussfassungen durch Abstimmungen überhaupt erst mal beharrlich durchsetzen. Eine solche verbindliche Kultur einer gemeinsamen Auseinandersetzung und Festlegung würde schlagartig einiges verbessern.
In der Herbstlohnrunde 2021 kann unser Ansatz jetzt nur lauten in der Praxis alles zu tun, um die erhobenen Forderungen vollständig durchzusetzen. Feuern wir die Kollegen Wimmer und Dürtscher energisch an, sodass sie die selbstgesetzte Latte auch tatsächlich überspringen können. Wichtige Instrumente dafür:
Für die 4,5% – mit Versammlungen, Demonstrationen und Streiks!
Kein Abschluss ohne Urabstimmung über die Verhandlungsergebnisse unter allen Gewerkschaftsmitgliedern!
(Funke Nr. 197/30.9.2021)