In den USA suchen viele Menschen verzweifelt nach einer Alternative zum verheerenden Kurs der Bush-Administration – manche wollen sie im Demokraten Barack Obama gefunden haben. Tatsächlich ist Obama durch und durch Repräsentant der herrschenden Klasse. Ein Statement unserer US-amerikanischen GenossInnen der Workers‘ International League.
Obwohl er sich als Kandidat präsentiert, der für einen Politikwechsel steht, ist er ein Verteidiger des Kapitalismus und des Imperialismus und damit der Ausbeutung und Unterdrückung. In den Grundfragen steht er Bush wesentlich näher als dass er für die arbeitende Bevölkerung eine echte Alternative darstellt.
Als jemand, der ohne Wenn und Aber an das kapitalistische System glaubt, ist er weit davon entfernt, die Ausbeutung zu beenden. Zusammen mit Gesinnungsgenossen wie Joe Lieberman, der ihn politisch und finanziell unterstützt und den Obama als seinen „Mentor“ bezeichnet, macht er deutlich, dass die Demokratische Partei eine Partei der UnternehmerInnen ist: „Das letzte, was ich verstanden habe, ist, dass John Kerry an die Überlegenheit des Militärs glaubt und Hillary Clinton an die Tugenden des Kapitalismus…“
Obama kritisiert die Demokratische Partei sogar von rechts: „Die Demokraten sind verwirrt. Es gibt diejenigen, welche die althergebrachte Religion verfechten, die jedes New-Deal- oder Great-Society-Programm gegen die Angriffe durch Republikaner verteidigen und sich dafür von liberalen Interessengruppen beglückwünschen lassen. Aber diese Anstrengungen scheinen überholt zu sein, ein ständiges Verteidigungsspiel, das die Energie raubt. Es braucht neue Ideen, um sich mit den sich ändernden Verhältnissen der Globalisierung oder städtischen Ghettos zu befassen.“
Obama, der im letzten Jahr etwas weniger als eine Millionen Dollar verdiente, unterstützt das Hamilton-Project, eine Gruppe, die von Robert Rubin, dem früheren Finanzminister und jetzigem Vorsitzenden der Citigroup (des größten Unternehmens weltweit, das ein Vermögen von 2,02 Billionen Dollar besitzt) gegründet wurde. Als Senator stimmte Obama gegen ein Gesetz, dass den Höchstzinssatz auf Kreditkarten festlegen sollte, was es vielen Arbeiterfamilien in den USA erleichtert hätte, die hohen Zinssätze zu zahlen. Auch stimmte er für eine Reform des Deliktrechts, das die Rechte der ArbeiterInnen, die um Rechtshilfe und Entschädigungen ersuchen, wenn sie von ihren Arbeitgebern ungerecht behandelt wurden, einschränkt.
Bei der Frage der Gesundheitsvorsorge ist Obama gegen die einheitliche nationale Krankenversicherung, weil diese die Beschäftigten der privaten Krankenkassen wie Kaiser und BlueCross BlueShield arbeitslos werden ließe! Das ist nur zu vordergründig: Er gibt vor, für die ArbeiterInnen zu sein, während er in Wirklichkeit die Interessen des Großkapitals gegen die arbeitende Bevölkerung verteidigt. Er ist ein Befürworter „freiwilliger Lösungen“, die er gegenüber „Regierungsverfügungen“ vorzieht. Jedoch wissen die Werktätigen, dass die UnternehmerInnen uns niemals „freiwillig“ Lohnerhöhungen oder andere Zuwendungen zugestehen. Die superprofitablen privaten Krankenversicherungen werden ihre Profite nicht opfern wollen. Obama geht dieser Frage einfach aus dem Weg. Er könnte genauso gut die Wahrheit sagen und zugeben, dass er kein Verfechter grundlegender Änderungen ist.
Wie alle guten PolitikerInnen, die die Interessen des Großkapitals vertreten, wird Obama zu deren politischen Schutzengel, wenn diese ihm Geld und Geschenke zukommen lassen. Er ist z.B. ein loyaler Verteidiger des Nuklear-Konzerns Exelon, der ihm mit einer Wahlkampfspende in Höhe von 74.000 Dollar bedacht hat. Exelon ist die Muttergesellschaft von ComEd, dem Energiekonzern, der erst kürzlich mit einer Preiserhöhung die Menschen in Illinois abgezockt hat. Die Agrar-Kapitalisten Archer Daniels Midland haben ihm Berichten zufolge ihre Privatjets für seinen Wahlkampf zur Verfügung gestellt. Einige Monate nach seinem Einzug in den Senat kaufte Obama für über 50.000 Dollar Aktien der AVI BioPharma, einem Arzneimittelkonzern, der von den von Obama unterstützten Gesetzesvorhaben profitieren würde. Der berühmte Milliardär George Soros, Experte in Sachen Finanzspekulation, unterstützt Obama, obwohl er angekündigt hat, auch Hillary Clinton im Falle ihrer Nominierung als Demokratische Präsidentschaftskandidatin zu unterstützen. Auf jedem Fall ist er davon überzeugt: Seine Milliarden werden nicht angetastet werden.
Obama hat wegen seiner Gegnerschaft zum Irak-Krieg viel Zuspruch erfahren, was sehr gut nachzuvollziehen ist, da der Krieg täglich von immer mehr ArbeiterInnen als vollständiges Desaster betrachtet wird. Viele von ihnen suchen nach einer echten politischen Opposition gegen diesen Krieg. Aber was meint Obama, wenn er sich „gegen den Krieg“ ausspricht? Er ist weit davon entfernt, diesen Krieg als Krieg gegen die ArbeiterInnen in den USA und im Ausland zu betrachten. Er hätte es lieber gesehen, wenn dieser besser präsentiert und vorbereitet worden wäre. Er steht grundsätzlich für eine siegreiche imperialistische Außenpolitik, auch wenn er in die populistische rhetorische Trickkiste greift – wie so viele andere DemokratInnen auch.
Obama ist in Wirklichkeit ein energischer Anhänger des weitreichenden „Kriegs gegen den Terrorismus“. In einer Antikriegsrede im Oktober 2002 sagte er: „Sie möchten einen Kampf, Präsident Bush? Lassen Sie uns den Kampf gegen Bin Laden und die Al-Kaida beenden, indem wir den Geheimdienst effektiv und koordiniert einsetzen, das finanzielle Netzwerk, das den Terrorismus unterstützt, den Hahn abdrehen und ein Programm der inneren Sicherheit schaffen, dass mehr als nur Warnstufen in verschiedenen Farben beinhaltet.“ Obama stimmte für die Verlängerung des Anti-Terror-Gesetz Patriot Act, das von BürgerrechtlerInnen wegen der Beschneidung der Bürgerrechte heftig kritisiert wurde. Er stimmte weiters gegen Anträge, Bush wegen des illegalen Abhörens von Telefonen zu rügen und war für die Ernennung von Condoleezza Rice als Außenministerin.
Obama hat sich für einen „schrittweisen Abzug“ der US-Truppen und eine Öffnung diplomatischer Gespräche mit Iraks Nachbarn Syrien und dem Iran ausgesprochen. Mit anderen Worten, er glaubt, dass es für den US-Imperialismus das Beste ist, die Niederlage noch irgendwie abzufedern – ein Sieg ist ohnehin ausgeschlossen. Wie andere weitsichtige politischen VertreterInnen der herrschenden Klasse geht er an diese Frage mit der Perspektive heran, den Zusammenhalt und die Einsatzbereitschaft des Militärs zu bewahren, so dass dieses bei anderen imperialistischen Abenteuern wie in Afghanistan oder anderswo eingesetzt werden kann. Obama ist alles andere als ein Befürworter des sofortigen Truppenabzugs aus dem Irak und vertritt die Ansicht, dass weitere Interventionen in der Region stattfinden müssen, u.a. das mögliche Szenario, dass US-Truppen als Ausgangsbasis für eine „längere Zeitdauer“ in einem besetzten Irak bleiben. Das würde eine „reduzierte aber aktive Anwesenheit des US-Militärs“ erfordern, welches „logistische Versorgungsstellen“ und „amerikanische Enklaven wie die Grüne Zone schützen“ soll, um den „Feindstaaten Iran und Syrien die Botschaft zu übermitteln, dass wir ein Schlüsselfaktor in der Region bleiben.“ Im Irak verbleibende US-Truppen würden als „schnelle Einsatzkräfte fungieren, um auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren oder Terroristen zu verfolgen“. Obama will vor allem eine „pragmatische Lösung für den wirklichen Krieg, der uns im Irak noch bevorsteht“ und eine „Niederlage der Aufständischen“. Das sind natürlich Ziele, die sich gegenseitig ausschließen. Der Aufstand ist der Volksaufstand eines besetzten Volkes und die einzige Lösung ist der Abzug der US-Soldaten und der Koalitionstruppen aus dem Irak.
Im März bezeichnete Obama die iranische Regierung als „Bedrohung für uns alle… „[Die USA] sollten keine Option, auch nicht eine Militäraktion, ausschließen“. Er fügte hinzu, dass eine „nachhaltige und aggressive Diplomatie verbunden mit harten Sanktionen „die Hauptwaffe der USA in den Beziehungen zum Iran sein sollte“.
Kurz gesagt, Obama versucht jedermanns Liebling zu sein. Für den einen Teil der herrschenden Klasse spricht er sich für die Fortsetzung des Krieges aus, für den anderen nimmt er eine Antikriegshaltung ein, während er gleichzeitig auf demagogische Weise versucht, Stimmen von KriegsgegnerInnen unter der arbeitenden Bevölkerung zu gewinnen.
Obama, der durchaus zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt werden könnte, relativierte darüber hinaus das Problem des Rassismus in den USA. Der US-amerikanische Kapitalismus basiert in hohem Maße auf die Unterdrückung von Minderheiten als Mittel zur Ausbeutung und Spaltung der ArbeiterInnenklasse. Obama aber glaubt, dass „kulturelle Probleme“ für die Armut der Schwarzen verantwortlich seien – ein Argument, das sich auch viele rechte RassistInnen zu Eigen machen. Nur ein flüchtiger Blick auf die Geschichte der Unterdrückung schwarzer ArbeiterInnen und Gemeinden zeigt, dass diese nichts mit „kulturellen Problemen“ zu tun hat, sondern ausschließlich mit den Sozialstrukturen des US-Kapitalismus.
Sind Polizeibrutalität, Einsparungen bei den Schulen der Innenstädte und der Verkauf öffentlicher Wohnungen ein „kulturelles Problem“? Sollte die brutale Unterdrückung und Ausmerzung einer ganzen Generation schwarzer VorkämpferInnen, wie z.B. Martin Luther King und Malcolm X als „kulturelles Problem“ betrachtet werden? Ist die Tatsache, dass einer von drei 20jährigen Schwarzen im Gefängnis sitzt, auf Kaution frei gelassen, auf Bewährung, unter der Aufsicht der Justiz steht oder gemeinnützige Arbeit leisten muss, ein „kulturelles Problem“? Trotz allem sieht Obama die Diskrepanz zwischen Schwarzen und Weißen als Frage des persönlichen Antriebs oder dem Fehlen jeglichen Ehrgeizes. Er hat behauptet, dass Schwarze nicht am Fortschritt teilhaben, „wenn wir nicht anfangen, unseren Kindern einzuimpfen, dass man sich nicht für Bildungserrungenschaften schämen muss. Ich weiß nicht, wer ihnen erzählt hat, dass Lesen, Schreiben und die Konjugation von Verben etwas „Weißes“ sind.
Es gibt sicherlich Menschen, die Obama aufgrund seiner Hautfarbe kritisch gegenüber stehen. Wir weisen diesen rassistischen Standpunkt auf das Schärfste zurück. Schwarze ArbeiterInnen betreiben täglich gemeinsam mit ihren KollegInnen aus den verschiedensten Volksgruppen die am höchsten entwickelte Wirtschaft der Welt. Es gibt keinen Grund, warum Menschen schwarzer Hautfarbe keine führende Rolle bei der Gestaltung der Gesellschaft spielen sollten. Für uns MarxistInnen ist es aber die entscheidende Frage, welche Klasseninteressen jemand vertritt. Es muss klar gemacht werden, dass jemand, der den Rassismus wirklich bekämpfen will, bereit sein muss, das kapitalistische System in Angriff zu nehmen. Als Repräsentant der herrschenden Klasse ist Obama weder bereit, noch in der Lage, diesen Angriff zu führen.
Bei der Frage der Immigration hat Obama bei der Aktion die Grenze weiter zu militarisieren, versucht, ImmigrantInnen, die in den USA arbeiten wollen, mit TerroristInnen über einen Kamm zu scheren. Er spielte eine aktive Rolle bei den Bemühungen des US-Senats, in Verbindung mit einem neuen Einwanderungsgesetz die Grenze noch schärfer zu kontrollieren. Seit 2005 ist er einer der FördererInnen des „Secure America and Orderly Immigration Act“, der von Senator McCain eingebracht wurde. Er unterstützte ebenfalls den „Comprehensive Immigration Reform Act“, der im Senat jedoch nicht die nötige Mehrheit erhielt. Im Jahre 2006 unterstützte Obama ein ähnlich gelagertes Gesetz, das 7 Milliarden teure „Secure Fence Act“, welches den Bau von 700 Meilen langen Zäunen, Mauern und anderen Sicherheitsmaßnahmen entlang der mexikanisch-amerikanischen Grenze legitimierte. Präsident Bush unterzeichnete das Gesetz im Oktober 2006 und nannte es „einen wichtigen Schritt in Richtung einer Einwanderungsreform“. Der verantwortliche Staatssekretär für innere Sicherheit Michael Chertoff, dessen Ernennung Obama zustimmte, erklärte, das Gesetz würde „beträchtliche Fortschritte beinhalten, um Terroristen und andere Subjekte, die unsere Grenzen ausnutzen wollen abzuhalten“, womit er implizit die Ansicht zum Ausdruck brachte, ImmigrantInnen und TerroristInnen seien ein und dasselbe.
Obama ist auch ein überzeugter Anhänger von so genannten Gastarbeiterprogrammen und spendete dem am 18. Mai in den Senat eingebrachten Vorschlag begeistertes Lob. Dieses Programm beinhaltet Maßnahmen, bis zu 27.500 ImmigrantInnen täglich zu internieren, 18.000 neue Grenzwächter einzustellen und eine weitere 350 Meilen lange Grenzmauer zu bauen.
Bush & Co repräsentieren sicherlich einen extrem aggressiven Flügel der herrschenden Klasse, der Pläne für die imperialistischen Eroberungen auf der Grundlage seiner spezifischen ökonomischen Interessen ausgearbeitet hat: Öl- und andere Energiegesellschaften, die Waffenindustrie, die großen Baukonzerne und andere Vertragsgesellschaften, wie Halliburton, die von den militärischen Interventionen profitieren. Aber der Unterschied zwischen Bush und Obama ist kein grundsätzlicher. Obama, und mit ihm die weit blickenden Strategen der herrschenden Klasse, versuchen die Exzesse der Bush-Clique, welche die Stabilität des US-Kapitalismus als Ganzes bedrohen, einzuschränken. In diesem Sinne vertritt Barack Obama die Interessen der Kapitalistenklasse heute besser als Bush. Ist Obama also eine Alternative für die Arbeiterklasse? Die Fakten sprechen für sich.