Mehr als 1000 Betriebsräte strömten in die Kürnberghalle/Leonding, um sich zu den Angriffen der Regierung zu informieren und den kommenden Kampf zu beratschlagen. Emanuel Tomaselli berichtet.
In der Eröffnungsmoderation betonte der Kollege vom ÖGB OÖ, dass die Regierung den Beschäftigten „anschaffen“ wolle, und Zustände herbeibringen wolle, die jenen der Epoche der Guts- und Hammerherren gleich seien. In diesem Kampf gehe es um die Würde der Arbeitnehmer im Land. Daher habe sich der ÖGB Oberösterreich auch klar für die Großdemonstration in Wien ausgesprochen.
Sodann ergriff ÖGB-OÖ Präsident Kalliauer das Rednerpult. Er unterstrich die einleitende Analyse und betonte gleich zu Beginn, dass es nicht um diese oder jene Detailfrage gehe, ob „freiwillig“ im Gesetz stehe oder nicht, wie oder ob die Überstunden nun bezahlt würden oder nicht. Vielmehr habe man es mit einer Regierung zu tun, die in einer Salamitaktik die völlige Entrechtung der Arbeitnehmer anstrebe: Kürzungen beim AMS, Einführung von einem schlimmeren Hartz 4 als in Deutschland, das Kapern der Versichertengemeinschaft der Arbeitnehmer durch die Unternehmer, die Straffreiheit für Sozialbetrug, die Zurückdrängung des gesetzlichen Schutzes bei der Arbeitssicherheit, die Rasterfahndung gegen Kranke, etc.
Er betonte, dass dies alles von Anfang an so im Regierungsprogramm stand, dass nun aber klar sei, dass die Regierung es tatsächlich ernst damit meint. „Alles was mit Arbeitnehmern zu tun hat ist ein Problem für die Regierung, und Probleme muss man loswerden.“ Mit der Arbeitszeit sei nur der vorläufige Höhepunkt erreicht, und das ist das Signal die Gegenbewegung zu starten, in den Betrieben zu informieren. Es gelte die „Regierung einzubremsen, und ihr klar zu machen, dass es zwar mühselig sein kann mit den Gewerkschaften zu reden, aber trotzdem einfacher“.
Kollege Rainer Wimmer, Chef der mächtigen ProGe hielt sodann das Hauptreferat. Er betonte, dass es aktuell um die „Kohle, Gesundheit und Mitbestimmung“ der Beschäftigten gehe. Die österreichische Regierung folge dem neoliberalen Trend in Europa, doch hierzulange habe dies eine neue Qualität, da die Industriellen und die Immobilienbranche die Gesetze direkt schreibe. Er unterstich, dass ganze Seiten im Regierungsprogramm eins zu eins, inklusive der Rechtschreibfehler aus den Papieren der Industriellenvereinigung kämen. Er kündigte an, dass man den Herren Neumayer, Knill und Gleitsmann die Party ordentlich versalzen werde. Dafür erntete Kollege Wimmer minutenlangen tobenden, stehenden Applaus.
Er schilderte das Doppelspiel Regierung-Industrielle, und eine hochprofessionelle Maschinerie für Öffentlichkeitsarbeit im Bundeskanzleramt, wo 150 Kreative die Entrechtung der Arbeitnehmer in schöne, aber vollkommenen verlogene Botschaften umarbeiten würden: „Wir aber haben unser Herz als Gewerkschafter, und das reißt uns niemand aus der Brust!“ Die „Wertlosen“ werden sich wehren, mit der Demo und es werde eine heiße KV Runde werden im Herbst, so der Vorsitzende. „In letzter Konsequenz haben die Arbeiter das Instrument in ihrer Hand und wenn man es auch nicht gern tue, aber wenn man uns zwingt, werden wir als letzten Ausweg unsere Arbeitskraft einsetzen“, so schloss Kollege Wimmer unter donnerndem Applaus.
Die darauffolgende Debatte war mit über zehn Rednern und Rednerinnen spannend und einige Beiträge waren klarer indem sie jenes Wort aussprachen, das bisher strikt vermieden wurde: Streik! Gleich der erste Redner setzte den Ton der Mehrheit der Debattenredner. Es gehe hier darum, dass man klar sagen müsse, dass man bis zum Streik gehen wird. „Wir sind Männer, und wir haben Eier in den Hosen, und wir fürchten uns nicht“. Eine Kollegin der AUVA ergriff daraufhin das Wort. Mit viel Wortwitz stellte sie klar, dass sie noch mehr Eier habe, aber halt an einem anderen Ort in der Hose. Sie forderte gemeinsam mit dem Betriebsrat der GKK dazu auf die Demonstration in Linz am kommenden Dienstag zu unterstützen. Sehr anschaulich erklärte die Kollegin, was das Aushungern der AUVA für Arbeiter bedeutet. Durch die Senkung der AUVA-Umlage durch die ehemalige Große Koalition hätte man die Schwerstverbrennungsabteilung im UKH Linz sperren müssen. Als vor zwei Wochen ein junger Voest-Arbeiter mit schwersten Verbrennungen eingeliefert wurde hätte man ihn stundenlang nicht adäquat behandeln können, und erst nach Stunden eine Überstellung nach München bewerkstelligen können. In Österreich gäbe es aktuell kein einziges freies Bett für derartige Schwerstverletzte. Der Kollege Gerhard Ziegler von Bilfinger Shared Services stellte einen Abänderungsantrag an die vorliegende Resolution des ÖGBs. Er kritisierte, dass der Forderungspunkt „Sollte die Regierung diese Pläne tatsächlich umsetzen, werden wir auf allen Eben Ausgleichsmaßnahmen fordern und durchsetzen“ gestrichen und ersetzt werden sollte durch folgenden Text: „Wenn die Regierung nicht bereit ist ihre Angriffe einzustellen, werden wir sie mit Streiks und anderen Maßnahmen bekämpfen, angefangen mit Warnstreiks nach dem 30. Juni“. Er argumentierte ruhig und ohne jeden überschüssigen Pathos: Ein Generalangriff braucht eine Generalantwort“ Ein Kollege aus Ebensee berichtete, dass sie beschlossen hätten in ihrem Betrieb am 2.7. bei der Betriebsversammlung die Maschinen abzustellen.
Andere Kollegen berichteten über das sich verschlechternde Betriebsklima, oder stellten Fragen ans Podium, wie ob es eine solche Situation in der 2. Republik schon mal gab. Als letzter Redner ergriff voestalpine Konzernbetriebsrat Kollege Schaller das Wort. Angesichts der vorgegangen sachlichen Debatte, musste auch er Stellung zum zentralen Debattenthema beziehen und berichtete, dass er die Geschäftsführung in der voestalpine informiert habe, dass es natürlich Betriebsversammlungen gäbe, und auch Warnstreiks möglich seien. Das Argument der Geschäftsführung, dass dies alles nichts mit der Firma zu tun habe, quittierte er mit beißendem Spott.
Anschließend schritt das Podium rasch zur Abstimmung, doch Kollege Ziegler beharrte auf der Abstimmung über seinen Abänderungsantrag. Dies lehnte die Debattenleitung mit sehr schwachen Argumenten, dass Abänderungen nicht möglich seinen ab. Die vorliegende Resolution wurde dann einstimmig angenommen.
Vor Ort waren sechs Genossen und Genossinnen des Funken, wir verkauften 55 Zeitungen und verteilten unser aktuelles Flugblatt (https://derfunke.at/aktuelles/gewerkschaft/10918-12-stunden-tag-verhindern-ausbeuterregierung-stuerzen). Dabei konnten wir mehrere neue Abonnenten gewinnen und sehr interessante Diskussionen führen. Ein junger Betriebsratsvorsitzender aus dem Innviertel betonte, dass er den Streik jedenfalls auf die Resolution aufnehmen wird, bevor er sie in der Betriebsversammlung zur Abstimmung bringen wird. Er bezeichnete seinen Chef als rabiaten Exzentriker, der „die Bullen holen werde“, wenn sie zur Versammlung schreiten würden. Davon sei er aber völlig unbeeindruckt. Auch andere Kollegen aus großen Betrieben betonten, dass in den kommenden Betriebsversammlungen jedenfalls die Maschinen runtergefahren würden. Andere Kollegen bedauerten, dass das goldene Zeitalter für die Arbeiter vorbei sei, und sie sich darauf freuen würden sich in die Pension zu retten. „In meiner Firma ist es so dicht, dass wir sogar aufgehört haben unsere Kollegen würdig in die Pension zu verabschieden.“ Interessant auch waren Gespräche über unterschiedliche Positionen in den jeweiligen Gremien. „Ich hab meinem Vorsitzenden schon gesagt, diesmal kommst ned durch mit heißen Reden, jetzt müssma handeln“.
Nicht umsonst ist Oberösterreich das Kernland der Arbeiterbewegung in Österreich, dies zeigte auch der heutige Tag. Auch hier gibt es eine Schicht an KollegInnen die hofft, dass die „Gewerkschaft“ es auch diesmal richten wird. Aber hier sind auch viele KollegInnen, die nicht gewohnt sind allzu lange zu warten, und vor allem solide stehen und selbstständig die richtigen Schlüsse ziehen – und dies auch äußern und zur Abstimmung stellen. Die Frage der Klarstellung der Politik durch Abänderungsanträge an Resolutionen ist hier von größter Bedeutung. Auch in den Metallerrunden der vergangen Jahre beeinspruchten Kollegen die vorgelegte Resolution der Führung – und zwar – wie auch in Linz – in jenen Passagen in denen die „Kompromisslösung“ bereits von vorneherein formuliert wird. Ein „guter Kompromiss“ ist in unseren Augen jedoch einer, wo wir das meiste für uns rausgeholt haben, erzielt durch einen Kampf ohne Handbremse. Ein Team das immer auf ein Remis spielt, wird die meisten Matches haushoch verlieren. Dies gilt in den aktuellen Auseinandersetzungen mehr als jemals zuvor.
Der ÖGB ist der Zusammenschluss aller organisierter Beschäftigten – seine Politik muss einer kritischen Überprüfung unterzogen werden und es die Aufgabe eines jeden Einzelnen sicherzustellen, dass er seine Aufgabe als Kampforganisation im Interesse der ArbeiterInnen wahrnimmt. Es gibt im aktuellen Kampf diejenigen, die zufrieden sind, wenn es kleine Zugeständnisse gibt, wenn es „nicht ganz so schlimm“ kommt, wenn es dafür wieder ruhig wird. Es gibt aber, und das ist in der Kürnberghalle deutlich geworden, auch diejenigen, die den Kampf mit voller Energie aufnehmen, zuspitzen und bis zum Ende durchfechten wollen. Wir sind der Überzeugung, dass nur mit diesem Zugang der Angriff der Regierung der Industriebosse abgewehrt werden kann.
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