Die von der Regierung angedachten Angriffe auf die Arbeitszeiten werden für ArbeiterInnen enorme Belastungen bedeuten. Doch schon jetzt haben die Arbeitszeiten für die Lohnabhängigen in den verschiedensten österreichischen Betrieben nur selten etwas mit einer würdigen Existenz zu tun. Wir dokumentieren diese Realität anhand einer Reihe von Berichten unserer UnterstützerInnen
Krankenpflege
In meinem Bereich (Gesundheitsbereich, als Krankenpfleger) ist der 12 Stunden Arbeitstag üblich. Vor allem in der Nachtarbeit sind 12 Stunden noch die vorgezogene Dienstform, am Tage dauern Dienste mittlerweile zwischen 10 und 12 Stunden. Gerade in der Nachtarbeit besteht, vor allem im Behindertenbetreuungsbereich, die Möglichkeit von Bereitschaftsnachtdiensten. Dies bedeutet, dass man 16 Stunden anwesend ist am Arbeitsplatz, jedoch nur 12 Stunden bezahlt bekommt und die 4 Stunden „Bereitschaft“, als Ruhezeit (auch Schlaf) nutzen könnte, wenn keine Arbeitstätigkeit zu vollrichten wäre (was durch geforderte Vorbereitungstätigkeiten auf den Tag oder der Betreuung von Klienten, die nicht schlafen können kaum der Fall ist). Durch die letzten Kollektivvertragsverhandlungen ist es nun dem Dienstgeber auch möglich, durch eine Betriebsvereinbarung, die Ruhezeit nach einem Nachtdienst von 12 Stunden, auf 8 Stunden herab zu setzen. Was bedeutet, dass man um 10:00 Uhr nach 14 Stunden aus dem Dienst geht und um 18:00 wieder im Dienst erscheinen muss.
Alleine dies ist schon eine enorme Belastung für Körper und Psyche. Viele meiner Kollegen haben bleibende und fortschreitende Erkrankungen an Gelenken und Wirbelsäule. Sie schleppen sich durch Dauereinnahme von Schmerzmitteln, jahrelangen Physiotherapien und Heilbehelfe (Schienen für Gelenke, Bandagen für Rücken, orthopädischen Schuhen, etc.) in die Arbeit. Auch tragen diese unregelmäßigen und langen Dienstzeiten am Tage wie in der Nacht dazu bei, anfälliger zu sein für ein gestörtes Ein- und Durchschlafverhalten. Auch ein Umstand der nicht förderlich ist für die vorherrschende psychische Belastung.
Eine weitere Problematik ist die permanente, geforderte Bereitschaft einzuspringen. Klar ergeben sich mehrere freie Tage im Monat, wenn mehr Stunden am Tag gearbeitet wird. Jedoch ist einerseits die Tätigkeit mit schwer kognitiv und körperlich beeinträchtigten Menschen schon anfällig für Krankenstände und andererseits ist die Arbeit von 12 Stunden in unregelmäßigen Zeiten, am Tag wie in der Nacht eine zusätzliche signifikante Einwirkung, dass es zu einer Häufung an Krankenständen kommt. Eine Freizeitplanung für ein bis zwei Monate im Voraus ist ohne Urlaubskonsum nahezu unmöglich, da es kaum Zeiten im Jahr gibt, wo Kollegen nicht im Krankenstand sind oder Urlaub konsumieren und man nicht gebeten wird einzuspringen. Hier kann auch noch erwähnt werden, dass es kaum Einrichtungen gibt, wo ausreichend Personal bereitgestellt ist, um eine ordentliche Betreuung zu gewährleisten. Die gesammelten Überstunden werden in einem Durchrechnungszeitraum ausbezahlt oder es besteht die Möglichkeit auf Zeitausgleich, zumindest in der Theorie.
Nachdem die Kampagne der Gewerkschaft, im letzten Arbeitskampf um den Kollektivvertrag SWÖ, diese Situation und auch jene dass man vorrangig im Teilzeitverhältnis angestellt wird aufgegriffen hat, führte dies zu einer Situation, wo nicht wie im Vorjahr 50-150 Personen auf den Protestmarsch gingen. Es waren tausende Menschen, Kollegen, die in dieser selben elenden Situation sich krank schuften müssen und in diesen Kampf unter jenen Forderungen ihre Chance sahen. In meinem Bereich fühlen sich meine Kollegen enttäuscht mit dem was ihnen, über ihren Kopf hinweg, ausverhandelt wurde. Doch stehen sie weiterhin gegen den 12 Stunden Tag und den Verzicht auf ihre Freizeit, wie Ruhezeit.
Garry
Metall
Das Leben der ArbeiterInnen in meinem Betrieb bewegt sich in dem Zwiespalt, dass sie zwar zu wenig Zeit fürs Privatleben haben, andererseits sich ihren Lebensstandard auch nicht mehr leisten könnten, ohne die vielen Überstunden.
Es gibt bei uns im Betrieb den Witz, dass es mehr Arbeitszeitmodelle als Mitarbeiter gibt. Gleitzeit, 3-Schicht, 2-Schicht, All-In, alles ganz nach den Anforderungen der Effektivität. In einer Abteilung wurde gerade von Normalarbeitszeit auf 2-Schicht umgestellt. Natürlich gab es da großen Protest, bis mit Kündigungen gedroht wurde. Nach dem Motto: Sei flexibel oder sei nicht.
In der Produktion gibt es inzwischen zwei zusätzliche Arbeitszeitkonten mit jeweils 40h. Um einerseits Überstundenzuschläge zu vermeiden, (in ein Konto wird 1:1 eingearbeitet) andererseits bei Autragsspitzen die Maschinen 24/7 durchlaufen zu lassen und in der Nebensaison Stunden wieder abzubauen.
Die FacharbeiterInnen leiden vor allem unter einer steigenden Arbeitsintensität. In den letzten 2 Jahren wurde der Umsatz um 20% gesteigert. Und in meinem Team wurde eine von sechs Stellen nicht einmal nachbesetzt.
Weil unsere Arbeit ökonomisch unproduktiv ist (nicht direkt Mehrwert erzeugt), bilden wir aus Sicht der Unternehmer einen Wasserkopf, den man so weit wie möglich reduzieren muss. So verteilt sich die Arbeit auf immer weniger FacharbeiterInnen, unter denen es folglich zu einer Zunahme von Burn-outs und Krankenständen kommt, was den Druck noch weiter erhöht.
Ich habe auch schon 13 Stunden am Tag gearbeitet, was für das Unternehmen ja kein Problem ist solange sie die Arbeitszeitaufzeichnungen führen und frisieren können. Das ist aber zum Glück nicht die Regel und bringt auch nicht viel im 3-Schicht-Betrieb, wo es vor allem darum geht, dass die Maschinen 24h am Tag ausgelastet sind.
Der 12h Tag ist eine weitere Schraube, an der gedreht wird. Alle hoffen, dass es nicht sie persönlich treffen wird.
Thomas
Ich arbeite als Metallarbeiterin in Dauerfrühschicht. Etwa einmal im Monat mache ich Überstunden und arbeite dann zehn Stunden am Stück. Pausenzeiten werden nicht geklaut. Als Facharbeiterin kann ich es mir auch leisten, etwas mehr Pause zu machen, als eigentlich erlaubt wäre. Die größte Auseinandersetzung in der Frage der Arbeitszeit dreht sich bei uns im Betrieb gerade darum, ob das Ausstempeln für Raucherpausen eingeführt werden soll. Um das zu verhindern, rauchen einige KollegInnen in der Halle, obwohl das seit drei Jahren ausdrücklich verboten ist.
Auf die drohende Einführung des 12-Stunden-Tages reagieren alle KollegInnen gleichermaßen mit Wut und Ärger. Aber weil niemand etwas genaues darüber weiß, wird nicht sehr viel darüber gesprochen.
Sophia
Zivildienst
Prinzipiell richtet sich die Arbeitszeit im Zivildienst nach “den Erfordernissen der Verwendung des Zivildieners” (d.h. die Einrichtung entscheidet); als Normarbeitszeit sind 45 Wochenstunden gerechnet. Wenn Überstunden jedoch vorab mitgeteilt werden, kann man den Zivildiener aber auch für 60 Wst. einsetzen (“angeordnete Überstunden”), wobei die Maximalarbeitszeit pro Tag bei 15h liegt. Generell sind die Bestimmungen recht dehnbar und willkürlich: Überstunden können “aus zwingenden dienstlichen Erfordernissen” (?) angeordnet werden und es sind “angemessene Pausen” zu gewähren. Einmal pro Woche hat der Zivildiener ein Anrecht auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden. Wenn der Dienst dies “dringend erfordert”, so kann die Ruhezeit auch auf 24 Stunden reduziert werden. Überstunden sind erst auszugleichen, wenn die “zulässigen Obergrenzen jeweils um mehr als zehn Stunden” überschritten werden. In der Praxis entscheidet die jeweilige Einrichtung, wie mit dem Zivildiener verfahren wird. Die staatliche Grundvergütung entspricht jener des Präsenzdienstes (330€), das Verpflegungsgeld steht jedoch weitestgehend im Ermessen der Einrichtung.
Der einzige Sinn des Zivildienstes ist das Stopfen der gröbsten Löcher im österreichischen Sozialsystem. Dabei erweist sich der niedrige Kostenfaktor als ideal: beinah universell einsetzbare, junge Arbeitskräfte für etwa 11€ pro Tag. Der Zivildienst ist damit eine von mehreren Säulen im österreichischen Gesundheitswesen, in denen gesellschaftlich notwendige Arbeit alleinig durch Ehrenamt oder niedrigst entlohnte Arbeitsverhältnisse getragen werden. Das Rettungs-, Gesundheits- und Sozialsystem wird zum größten Teil nur durch durch gnadenlose Ausbeutung der Beschäftigten und durch täglichen Zwang zur persönlichen Aufopferung aufrechterhalten. Um weitere billige Arbeitskräfte für diesen Bereich zu bekommen, haben die Bürgerlichen auch schon den Zivildienst für Frauen gefordert (hier in Person der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, WZ 2013).
Der Zivildienst ist für die österreichische Bourgeoisie eine zentrale Einrichtung zur Aufrechterhaltung v.a. des Rettungswesens, welches ansonsten aus öffentlichen Geldern finanziert werden müsste. Neben der Möglichkeit für die Bürgerlichen, ihre Söhne von der Klassendurchmischung im Heer fernzuhalten, hat die Bourgeoisie in Österreich am Zivildienst v.a. ein wirtschaftliches Interesse.
Die derzeitige Bürgerblock-Regierung hat verstanden, worum es geht: die Generierung von jungen Männern für unbezahlte, aber notwendige Arbeiten. Über ein Viertel (!) der Zivildiener bleiben nach ihrem Zivildienst als Ehrenamtliche in ihrer Einrichtung und verrichten dort weiterhin unbezahlte Arbeit (WU-Studie 2012). Das Regierungsprogramm Schwarz-Blau II analysiert richtig: “Der Einsatz junger Menschen in gemeinnützigen Einrichtungen während des Zivildienstes stellt für viele auch die Basis für ehrenamtliches Engagement über den Zivildienst hinaus dar.” Das österreichische Kapital hat naturgemäß kein Interesse daran, diese Arbeit zu bezahlen, was durch den Ersatz zentraler Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialwesen durch Ehrenamt und Zivildienst entfällt.
Raphael
Diese Artikel erschienen erstmals am 30.5.2018 im Funke Nr. 164