Anti-Genozid: Nach Großdemo – Vor politischer Offensive

In Wien gingen am 20.09. 20.000 Menschen gegen den Völkermord in Gaza auf die Straße. Es war die größte Palästinademonstration in der Geschichte Österreichs. Unter den Teilnehmenden mischte sich Wut über die Situation in Gaza und Stolz über diesen historischen politischen Erfolg der Bewegung in Österreich. Von Florian Keller
Die Medien sprechen von „3000 Teilnehmern laut Polizei“ – eine peinliche Realitätsverweigerung. Auch der Vorwurf von angeblichem Antisemitismus durfte natürlich wieder nicht fehlen. Diese Angriffe zeigen nur, dass die Palästinabewegung in unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft an Unterstützung gewinnt. Pauschale Verleumdung und Kriminalisierung wirken nicht mehr, vor allem bei Migranten und Jugendlichen.
Der Völkermord, die Kriegstreiberei Netanjahus und Österreichs Komplizenschaft lassen sich nicht mehr länger totschweigen und schönreden. Zwischen der unverändert pro-israelischen Haltung der Regierung und dem Empfinden der Jugend und Arbeiterklasse reißt ein großer Graben auf. Dieser Prozess ist voller Widersprüche, aber unumkehrbar und kann durch eine richtige Politik der Palästina-Solidarität aktiv vertieft werden.
Der Erfolg der Demos im September in Wien und Bregenz (20.9: 20.000, 27.9.: 250) unterstreicht, dass wir mit unserer Analyse Recht hatten: Die Solidaritätsbewegung für Palästina kann dann erfolgreich sein, wenn sie nicht auf die Regierenden, Institutionen und Bürokraten, sondern auf die Masse der Jugend und Arbeiterklasse orientiert – oder, wie es eine Teilnehmerin im Bündnistreffen ausdrückte, auf die „normalen Menschen in Österreich“.
Der Massenkampf in Italien für die Sumud-Flotilla und das Ende der Waffenlieferungen zeigt den Weg vorwärts: der Massenstreik der Arbeiterklasse und Jugend gegen Völkermord und Krieg. Der Streik am 22.9. war so erfolgreich, dass die Bewegung dort neue Kräfte sammelt und neue Methoden durchsetzen will, etwa die Arbeiterkontrolle über das Transportwesen zur Blockade der Waffentransporte. In Spanien wird Anfang Oktober ein nationaler Schulstreik „Stopp dem Genozid“ durchgeführt und gleichzeitig wird die Antiregierungsmobilisierung in Frankreich anhalten. In diesem Kontext kann und muss auch die Bewegung in Österreich Schritte vorwärts machen.
Es ist daher absolut richtig, dass das Palästina-Bündnis diese Dynamik nutzt, um am 11. Oktober zu einer neuen Großdemo in Wien aufzurufen. An diesem Tag ist bereits die Bündnis-Großdemo in Graz angesetzt, initiiert von der RKP Steiermark. Somit ist möglich, dass dieser Tag den Erfolg vom September bereits in den Schatten stellt. Doch eine Serie von Demos alleine kann Israels Krieg nicht stoppen. Die Frage stellt sich: Was für eine politische Strategie braucht die Palästinabewegung in Österreich, um den nächsten Schritt zu machen?
Es ist klar, dass die wunderbaren und v.a. erfolgsversprechenden Massenkämpfe, die in anderen Ländern stattfinden, in Österreich nicht einfach kopiert werden können. Das Selbstbewusstsein der Jugend und der Arbeiterklasse hinkt hierzulande hinterher. Dafür verantwortlich sind die Reformisten, allen voran die SPÖ und die Gewerkschaftsspitzen, die unsere Klasse in allen Fragen an die Kapitalisten ausliefern. Auch die „Opposition“ in der Linken ist nicht viel besser: Es ist eine Schande, dass die KPÖ systematisch zur rassistischen Hetze in Österreich und der Unterdrückung der Palästinenser durch Israel schweigt. Immerhin: die Sozialistische Jugend Wien und die KPÖ Wien haben sich nach langem Zögern auf die Liste der Unterstützer für die letzte Großdemo setzen lassen (im Fall der KPÖ Wien Stunden davor). Die „Unterstützung“ blieb bisher aber rein passiv. Der Druck ist jedoch groß – auf der Demo waren mehr Mitglieder und Funktionäre reformistischer Organisationen und Gewerkschaften präsent als in der Vergangenheit, wenn auch fast immer als Einzelpersonen.
Auch in Österreich braucht es eine Verbreiterung und Zuspitzung der Palästinabewegung. Die Komplizenschaft der Bundesregierung mit dem Völkermord muss direkt bekämpft werden. Ein Instrument dafür ist eine systematische politische Kampagne der Palästinabewegung, die die Positionierung der Massenorganisationen und Vertretungen der Arbeiterklasse und Jugend herausfordert, d.h. allen voran die Gewerkschaften, die SPÖ und KPÖ, die linken Jugendorganisationen, die AK und die ÖH etc. Ihre Verantwortung ist es:
Wenn die Palästinabewegung mit diesen Forderungen an die Führer und gleichzeitig an die Mitglieder dieser Organisationen herantritt, ist das die beste Grundlage dafür, die Blockade der Bürokratie zu brechen. Das ist der beste Weg, dass die Bewegung wachsen und aus eigener Kraft Siege erringen kann – und letztendlich auch die Völkermordunterstützung aus Österreich beenden kann.