Budget: Das militaristische Sparzeitalter ist eröffnet – Jugend- und Arbeiterbewegung müssen kämpfen lernen

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der führende keynesianistische Ökonom des Landes, Markus Marterbauer, eröffnet Österreichs Ära des Sparens und der Aufrüstung. Im Auftrag der Bundesregierung präsentiert er ein Doppelbudget 2025/26 und ein Finanzrahmengesetz bis 2029, die die Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum hin zu Kapital und Militarismus beschleunigt fortsetzen. Erstmals wird mehr Geld fürs Bundesheer als für Universitäten ausgegeben werden. Von Emanuel Tomaselli.
Marterbauer eröffnet:
„Ich hätte heute gerne ein Budget vorgelegt, das umfangreiche Investitionen in Wirtschaftsstandort und Forschung, Klima- und Naturschutz, Pflege und Gesundheit, Ausbildung und Qualifizierung, Arbeitsmarkt und Armutsvermeidung oder innere und äußere Sicherheit umfasst. Kurzum: Ein Budget, das den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt mit großen Schüben vorantreibt und gerecht finanziert.“
Aber:
„Doch die Umstände sind nicht so. Wir müssen zunächst die Staatsfinanzen in Ordnung bringen. Und das ist ein harter Weg. Wir sanieren das Budget nicht aus Jux und Tollerei.“
Der zentrale wirtschaftspolitische Gedanke Marterbauers ist dabei ganz richtig: der Staat soll nicht unter Druck der Finanzmärkte und der „unproduktiven“ Zinszahlungen an private Geldbesitzer kommen. Seine Lösung ist aber ganz falsch: um dem ökonomischen Druck der Geldbesitzer zu entgehen, muss man sich dem politischen Druck der Märkte beugen und das Budget „freiwillig“ zulasten der Massen sanieren. Tatsächlich: Das Budget ist frei von nachhaltigen Belastungen der Geldbesitzer.
Der Hauptbestandteil der „Sanierung“ erfolgt durch Steuer- und Abgabenerhöhung zulasten der Massen: Abschaffung des Klimabonus (der als Ausgleich für höhere Energiesteuern eingeführt wurde, es bleibt eine neue Massensteuer), Gebühren werden erhöht, die kalte Progression bei den Lohnsteuern greift wieder, die Krankenversicherung für Pensionisten wird erhöht, etc. Ministerien sparen weitere 1,1 Mrd. an Ermessensausgaben. Besonders betroffen davon sind Investitionsstopps im öffentlichen Verkehr, besonders bei der Bahn. Ansonsten bleiben die Auswirkungen dieses Postens unklar und die Darstellung der Maßnahmen entspricht gar nicht der deklarierten „Transparenz“.
Für das Verteidigungsbudget etwa sind „Einsparungen von 162 Mio. € für 2025 und 2026“ ausgewiesen. In Wirklichkeit wird die Landesverteidigung jedoch jährlich mit annährend 10 % mehr dotiert als im Vorjahr und im kommenden Jahr erstmals mehr als 5 Mrd. € betragen und mit dem Budget für Universitäten gleichziehen. Denn neben dem ausgewiesenen Budget von 3,15 Mrd. € (2026) bleibt auch der Fördertopf („Aufbauplan 2032+“) von 17 Mrd. für Kriegsgüterinvestitionen bis zum Jahr 2032 aufrecht. Das Ziel der Bundesregierung, das Verteidigungsbudget bis 2032 auf zwei Prozent des BIP zu verdreifachen, wird konsequent verfolgt.
Eine finanziell unmittelbar schlagende werdende Strukturreform bei den Ausgaben ist die Abschaffung der Bildungskarenz für Arbeitnehmer. Charakteristisch für das politische Kräfteverhältnis: der als „Coronahilfeersatz“ von der Regierung Kurz eingerichtete „Waldfonds“, ein mit 450 Mio. € dotierter Fördertopf für Waldbesitzer und Holzverarbeiter, bleibt unangetastet.
Die Sozialdemokratie betont „den gerechten Charakter der Sanierung“. Doch schon im Jahr 2027 laufen jene Sondersteuern aus, die laut SPÖ den „gerechten Charakter“ der laufenden Massenbelastungen ausmachen: erhöhte Bankenabgabe, und Übergewinnsteuer für Energieunternehmen. Auch die Mietpreisbremse ist dann schon wieder Geschichte. Das „Recht auf einen Arzttermin“, zentrale Forderung des SPÖ-Wahlkampfes wird jetzt als „Ausbau der Gesundheitsberatung unter der Telefonnummer 1450 ebenso wie der Telemedizin“ verwirklicht, also als Reduktion des persönlichen Zuganges zu einem Arzt.
Auch Vermögens- und Erbschaftssteuer bleiben weiter als Evergreen sozialdemokratischer Wahlkampfschmähs erhalten. Die Rücknahme der letztjährigen Unternehmenssteuersenkung (Entlastung von Unternehmen um 1 Mrd.) war gar kein Thema.
Das gesellschaftliche Problem ist tiefer. Sogenannte „Offensivmaßnahmen“, etwa 10 Mio. für die Ausbildung von mehr Kindergartenpädagoginnen, lösen das Problem in keiner Hinsicht. Hier und in allen öffentlichen Jobs steigt die Arbeitsbelastung ständig und die Flucht aus den Bildungsjobs reißt ständig neue Personallücken auf. Nur eine gesamthafte Trendumkehr, Investitionen und zumutbare Arbeitsbelastungen können öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser stabilisieren. Dafür wird nichts getan.
Im Gegenteil, aussagekräftiger als die Diskussion der fiskalischen Einzelmaßnahmen sind die eingeleiteten gesellschaftspolitischen Umschichtungen.
Nachdem Pensionen jetzt über 2 Mrd. zur Budgetsanierung beitragen, vereinbarte die Regierung auch eine Evaluation des Antrittsalters, das in eine Erhöhung des Antrittsalters münden soll.
Und schon beginnt die nächste Diskussion, die der Pflegekosten. Marterbauer:
„Die Langfristprognose des Fiskalrates macht uns darauf aufmerksam, dass vor allem die Ausgaben für Pflege und Gesundheit bis 2070 aus demografischen Gründen kräftig steigen werden. Der Fiskalrat rechnet in seinem Szenario mit einem Anstieg um 6,2% des BIP. (…) Wir haben zu viele Menschen in teuren stationären Einrichtungen und kümmern uns zu wenig um Vorsorge und rechtzeitige niederschwellige Behandlung. Wir stimmen uns schlecht zwischen den Gebietskörperschaften ab. Wir orientieren uns zu wenig an den internationalen Vorbildern. Diese Probleme müssen wir noch in dieser Legislaturperiode angehen, auch wenn sich die Erfolge erst in der längeren Frist bezahlt machen.“
Was hier verklausuliert gesagt wird, ist, dass die Pflege der Alten und Kranken noch stärker in Heimarbeit, also von den Töchtern, erbracht werden soll. Was wiegt wohl mehr: die „Förderung der Selbstbestimmung der Frauen durch Umsatzsteuerbefreiung für Menstruationsartikel und Verhütungsmittel“ (SPÖ), oder der steigende politische Druck auf die Frau, sich um die Pflege der Eltern zu kümmern? Die Antwort ist selbsterklärend.
Die Staatsschuldenrate lag im vergangenen Jahr bei 81,4 %, das laufende Budgetdefizit bei 4,7% der Wirtschaftsleistung, 21 Mrd. € neue Schulden wurden aufgenommen. Die Mehrbelastungen für die Gesellschaft des heurigen Jahres belaufen sich auf 6,4 Mrd. € und 2026 werden neue Belastungen in der Höhe von 8,7 Mrd. kommen. Das Budgetdefizit sinkt damit aber nur auf 4,5 % des BIP (2025) und auf 4,2 % (2026). Trotz des aktuellen Massenbelastungen steigt die Staatsschuldenquote prognostiziert weiter an, auf 86,9 % des BIP im Jahr 2029. Auch der Anteil der Steuern und Abgaben am BIP steigt weiter an, um einen Prozentpunkt auf 45,4 % (im Jahr 2029).
Das Sparen geht also ständig weiter, das ist anhand der Zahlen und der Willensbekundungen im Parlament klar. Alle diese Projektionen basieren zudem auf dem Szenario, dass Österreich im kommenden Jahr aus der Wirtschaftskrise herauskommt (Prognosen die sich seit Jahren als falsch erweisen).
Zentral dafür sei, so der Finanzminister, dass die fallenden Staatsausgaben durch höhere Konsumausgaben und steigende Exporte kompensiert werden. Dafür ist erstens wichtig, dass die Österreicher optimistisch bleiben. Wir fügen hinzu Medien, Politik, Gewerkschaften bemühen sich hier hervorragend. Marterbauer spricht erstmals auf großer Bühne auch von den Segnungen der europäischen (insbesondere deutschen) Aufrüstungspolitik, von der er Wachstumseffekte erwartet.
Das Elend vom Reformismus in der Epoche des kapitalistischen Niedergangs kann man nicht besser auf den Punkt bringen: Tötungsinstrumente und -infrastruktur als internationale Konjunkturlokomotive. Schon bilden Österreichs Tech-Unternehmen ein Cluster um Bundesheer-Satelliten zu bauen und eine Fachkommission wird gebildet zur Anschaffung von Loitering Munitions Systems (LMS), dem jüngsten Schrei der imperialistischen Tötungstechnik.
Die tiefere Ursache dieser Entwicklung ist die parasitäre Entwicklung des Kapitalismus in seiner imperialistischen Epoche. Der Staat übernimmt Investitionskosten, unternehmerisches Risiko und schafft neue Märkte – um die Profite der Geldbesitzer zu wahren. Darum wird der Staatsanteil in der Gesellschaft tendenziell immer größer. Die Rolle des „Sozialstaates“ wird auf die einer Grundversorgung zur Aufrechterhaltung von Stabilität und die Reproduktion von „richtig“ ausgebildeten Arbeitskräften reduziert. Der steigende Anteil der Zinsausgaben für die Staatsverschuldung (2020: 1,4 % des BIP, 2029: 2,4% des BIP) trägt das seine zur permanenten Umverteilung von Vermögen von den Massensteuerzahler zu den Geldbesitzern bei.
Das Motto des ideologischen Lehrmeisters John Maynard Keynes „Auf lange Sicht sind wir alle tot“ wird in der Budgetrede als Österreich-Version einer „faktenbasierten, kompromissbereiten und pragmatischen Sanierung“ vorgetragen. Dazu wird Demokratie neu definiert als die „Anstrengung der konstruktiven Kräfte“. „Gewerkschaften, Kammern, freiwillige Interessensgemeinschaften, NGOs und der einzelne Bürger“ sollen für dieses alternativlose Austeritäts- und Aufrüstungs-Programm politisch arbeiten, dafür werben und den nationalen Schulterschluss ganz dicht machen, Marterbauer betont dies.
Der unnütze und teure Föderal- und Kammerstaat kommt ganz ungeschoren durch die Sparepoche – er ist die Schutzmauer für die Kapitalisten und ihren Staat. Diese Töpfe sind die finanzielle Grundlage der „Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte für die Überwindung der Probleme“. Wen diese Einladung nicht überzeugt, soll nicht mitreden. Die RKP-Studierenden etwa haben dies im ÖH-Wahlkampf erfahren, dass ORF und Rektorat unangenehme politischen Debatten canceln.
Der notwendige gesellschaftliche Konflikt soll durch Powerkuscheln erstickt werden. Dies eine Strategie mit Ablaufdatum.
Die Widersprüche der globalen krisenhaften kapitalistischen Entwicklung deuten hier und überall auf eine Zuspitzung des Klassenkonfliktes. Das ist notwendig, denn die Kapitalisten verwandeln die Welt in eine Wüste und der „Kostenfaktor“ der Jugend und der Arbeiter ist ihnen immer zu hoch.