Faschings-Koalition hebt ab (Leitartikel Funke Nr. 231)
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Nach der Dreierkoalition (ÖVP, SPÖ, Neos) scheiterte der FPÖ-ÖVP Versuch. Jetzt gruppieren sich ÖVP, SPÖ und Neos erneut, Grüne signalisieren parlamentarische Unterstützung. Zur Drucklegung dieser Zeitung ist (Zustimmung der NEOS-Mitgliederversammlung am 2.3. vorausgesetzt) bekannt, dass die kommende Regierung mit 14 Minister- und sieben Staatssekretärsposten die größte seit 1983 sein wird. Der gefüllte Futtertrog ist und bleibt die Basis eines jeden demokratischen Kompromisses! Die Regierungs-Programmatik wird den Posten nachgereicht, dies ist nur konsequent. Man muss verstehen: Die Regierungsgeschäfte werden in den kommenden Jahren mehr noch als zuvor von den Krisen diktiert werden.
Von Emanuel Tomaselli
Befragt nach dem „vermittelnden Gesamtbild der Politik in Österreich“ antworten 58 % daher mit „nicht genügend“ und niemand mit „sehr gut“ (IFDD für Puls 4). Klarer vermittelt es nur ein Passant im ORF-Straßeninterview: „Wenn man alle Politiker in einen schwarzen Sack stecken und mit einem Knüppel auf den Sack einschlagen würde, würde man niemand falschen erwischen.“
Es wäre aber falsch die handelnden Politiker alleinverantwortlich zu machen. Der Kapitalismus ist ein absolutes Hindernis für das Vorankommen der Menschheit, wer ihn verteidigt, strudelt in die Krise. Die herrschende Klasse in all ihren Schattierungen und Spaltungen hat keinen Plan, keine Kontrolle über die Krisen, Märkte, Kriege und keine Ahnung was sie tun sollte. Trump zieht aus, um gute Deals für die US-Oligarchie zu machen, und die Kapitalisten in Europa zittern. Österreich ist überhaupt ein Provinzstaat und kann dementsprechend auch nur Politik dieses Formats hervorbringen. Groß sind nur die Probleme: Österreichs Industrie erlebt den stärksten Einbruch in ganz Europa, die Raiffeisenbank droht ihre hochprofitable Russlandtochter zu verlieren, und mit welchem Gas und zu welchem Preis die Gasspeicher im Sommer gefüllt werden, ist völlig unklar.
Das rasch nach Brüssel gemeldete blau-schwarze Budget offenbarte Anfang Jänner zügigen Einigungswillen. Die Sanierung des Staatshaushaltes (minus 6,4 Mrd. € für 2025) erfolgt zu über 2/3 aus Massenbelastungen. Der Rest ist auf 220 Seiten dokumentiert. Der Leitgedanke der gescheiterten blau-schwarzen Einigung ist Staatsbürgerschafts-Rassismus. Alle politische Materie wurde unter dem Motiv der „Leitkultur“, der Einschränkung demokratische Rechte und des Anti-Islams abgehandelt. Das Eintreten für exklusive Zweigeschlechtlichkeit, Bargeld, die Seilbahnwirtschaft, ein Museum des Skisports überrascht ebenso wenig wie eine starke Dotierung der Landesverteidigung – finanziell und „geistig“. Beide Parteien protokollierten auch betont wirtschaftsfreundliche Maßnahmen, wie Senkung der Lohnabgaben, niederere Unternehmenssteuern, „Hilfe statt Strafe“ für Betriebe. Politische Uneinigkeit ist in Fragen der EU dokumentiert. Die FPÖ wollte eine betont nationalistische Außenpolitik, die u.a. die Zustimmung zu EU-Initiativen junktimieren wollte. Also Erpressungs-Diplomatie Marke Orban. Solches Aufpudeln sieht man in Deutschland nicht gern, vor „österreichischen Verhältnissen“ wurde dort öffentlich gewarnt. Sicherlich wurde dies der ÖVP auch abseits der Bühne buchstabiert.
Gescheitert ist der Bürgerblock nicht an konträren Idealen zu Europa, Rechtsstaat und Medienpolitik, sondern an der Machtfrage: Welche Partei kontrolliert den Sicherheitsapparat von Polizei und Geheimdiensten? Daran ist schon die Regierung Kurz-Strache 2019 zerbrochen und nun auch Kickl-Stocker. Die Notwendigkeit für die ÖVP, heikle Materien ganz in der eigenen Familie zu halten, ist seither nicht unwesentlicher geworden. Polit-Aufdecker Peter Pilz vertritt in Leitmedien (u.a. Der Spiegel, ORF) die These, dass der verstorbene Justizchef Christian Pilnacek (1963-2023) kaum durch die amtlich festgestellte Selbsttötung umgekommen sein könne. Zur Einordnung: über Plinaceks Schreibtisch gingen alle wichtigen Korruptionsakten vom Eurofighter-Kauf (2003) bis Benkos Signa-Kartenhaus. Nicht „Leuchtturmprojekte“ sind die zentrale Frage jeder Regierungsbildung, sondern die tatsächliche Kontrolle und Macht über den Staatsapparat.
Rettung durch SPÖ
Die ÖVP verbrauchte im Jänner 2025 alle politischen Optionen (Grün, SPÖ, NEOS, FPÖ), doch der krampfhaft „ausgestreckte Arm“ der SPÖ rettet die moralisch und politisch kaputte Volkspartei. Der Charakter der Faschingskoalition zeigt sich darin, dass die erste Tat von ÖVP-SPÖ darin bestand, das FPÖ-ÖVP Budget zu bestätigen. „Das Budgetdesaster werde über die Massen finanziert, zudem Pensionist:innen geschröpft und von Frauenarmut Betroffene neuerlich bestraft“, so beurteilte Andreas Babler dieses Budget noch vor über einem Monat (Parlamentskorrespondenz Nr. 18, 22.1.)
Daran ändert sich zwar nichts, in den Augen der SPÖ-Fraktionsführung ist die Massenschröpfung jetzt aber „fair“, weil auch der Bankenprofit (10 Mrd. im Jahr) für zwei Jahre um 3 % geschmälert wird. Das Parlament ist eine große Schaubühne, doch die Arbeiterklasse hat hier keinen Auftritt.
Exakt zeitgleich zum Ende des FPÖ-ÖVP Flirts melden sich auch die „Staatschulden“ via des „Parlamentarischen Budgetdienstes“ wieder öffentlich zu Wort. 19,1 Mrd. neue Schulden hat die Republik im Jahr 2024 aufgenommen und die Märkte beobachten die Republik, so der Hinweis. Schon im Mai wird klar sein, dass die heurigen Einsparungen nicht reichen werden, um das Defizit unter die 3%-Marke zu drücken. Dies allein schon deshalb, weil das Wirtschaftswachstum nicht die aktuell prognostizierten +0,6 % erreichen wird. Die industrielle Krise verfestigt sich und wird zusätzlich durch neue Krisen überlagert.
Um die militärische Aufrüstung Europas zu beschleunigen, wird in Brüssel, Berlin und Paris derzeit an der Lockerung der Schuldengrenzen gearbeitet. Österreichs Experten verstehen sofort und nun sagt WIFO-Felbermayr plötzlich, dass die Drei-Prozent-Defizitgrenze „ökonomisch jeder Logik entbehrt“, und Der Standard sekundiert: „Tatsächlich gibt es keine Studien, wonach es wirtschaftlich besser sei, weniger als drei Prozent an neuen Schulden zu machen.“ (25.2.25) Neuer Tag – neue Wahrheiten. Es gibt keine unabhängige Wissenschaft, es gibt nur Klasseninteressen. Die Bürgerlichen wollen jetzt in die Barbarei investieren, um ihre Profite zu pumpen. Die Reformisten sind dabei ihr trauriges Beiwagerl. Alles was das Leben für die Jugend und Arbeiterklasse zivilisiert und schön macht, wird permanent finanziell unter Druck gebracht werden, dies sollen die Neos garantieren. Für die Interessen und Notwendigkeiten der Kapitalisten wird der finanzielle Rahmen aber erweitert werden. Damit ist die finanzpolitische Orientierung der kommenden Bundesregierung geklärt.
Die FPÖ will die 2. Republik durch die Volkskanzlerschaft Kickls ersetzen. Vorerst nimmt sie wieder auf der Oppositionsbank Platz. Aber dies ist nur eine Atempause. Die Faschingskoalition wird darin versagen einen neuen gesellschaftlichen Optimismus zu entfachen. So wird die FPÖ als einzige Oppositionskraft im Parlament weiter gestärkt werden. Nur eines kann diese Dynamik in das absolute Gegenteil umdrehen: der Klassenkampf in Straßen, Unis, Schulen und Betrieben. Je härter, organisierter und selbstbewusster desto besser. Nur Angst vor der sozialen Revolution wird die Kriegsvorbereitungen beenden, die Demagogen entwaffnen und eine Bresche in zunehmende politische Entfremdung und Pessimismus schlagen. Die Einbindung der Reformisten in die Regierungsgeschäfte ist dabei ein Problem für die Arbeiterklasse. Eine SPÖ in der Regierung wird kein einziges Projekt der Bürgerlichen verhindern, sondern nur den Widerstand der Arbeiterklasse dagegen behindern. Zweifellos wird es der Jugend und Arbeiterklasse letztlich gelingen diese Blockade zu durchbrechen. Wir Revolutionären Kommunisten wollen jetzt schon stärker werden, um sicher zu sein, dass die drohende Katastrophe zum Ausgangspunkt einer erfolgreichen sozialen Revolution wird. Die Türen unserer internationalen Partei stehen jeder und jedem ernsthaften Klassenkämpfer offen.
26.02.2025