Kommunisten beschäftigen sich nicht nur mit Fragen der Ökonomie und der Politik, sondern auch mit Kultur und Kunst. Denn wir kämpfen für eine Welt, wo Menschen nicht mehr nur ihr tägliches Überleben bestreiten, sondern in der die Menschheit in jederlei Hinsicht ein befreites Leben führt. Von Miriam Schaller.
Als der Mensch den ersten Schritt aus dem Tierreich setzte, brachte er die Kunst mit sich. Von diesen urkommunistischen Gesellschaften, in denen es keine systematische Ungleichheit oder Unterdrückung gab, sind zahlreiche Höhlenmalereien erhalten.
Diese Art der Kunst bildete keinen Gegensatz zur Arbeit, zur Lebenserhaltung, sondern eine untrennbare Einheit mit ihr. Die Tierdarstellungen in den Höhlen waren unmittelbar mit der Jagd verbunden und sollten durch ihre realistischen Formen den Menschen Macht über die Tiere geben. Kunst wurde mit der gesamten Gesellschaft geteilt. Das änderte sich mit der neolithischen Revolution.
Kunst als Mittel zur Unterdrückung
Mit der Entstehung von Privateigentum und in weiterer Folge der Klassengesellschaft wurden die Massen kulturell enteignet. Kunst zu schaffen wurde zu einem Privileg einer Minderheit, die monumentalen Kunstwerke (Statuen, Pyramiden, etc.) sprechen für die herrschende Klasse: „Ich bin alles, du bist nichts.“
Hier zeigt sich auch die komplexe Verbindung zwischen den Produktivkräften einer Gesellschaft und ihrer Kultur. Die Pyramiden von Gizeh wären ohne den Überschuss der hoch entwickelten landwirtschaftlichen Arbeitsteilung, welche die Lebensmittel zur Erhaltung der Sklaven lieferte, nicht möglich gewesen.
Massenbewusstsein in der Kunst
Kultur kann von der herrschenden Klasse als Werkzeug zur Unterdrückung eingesetzt werden. Der Pinsel wird jedoch oft von Individuen geschwungen, die von der Realität des Klassenkampfs nicht unberührt bleiben. In ihren Händen bekamen viele Meisterwerke einen revolutionären Charakter.
Dies galt insbesondere für die Epoche der bürgerlichen Revolution, in der das aufstrebende Bürgertum das verrottete Feudalsystem nicht nur auf dem Feld der Ökonomie und der Politik bekämpfte, sondern ebenso in der Wissenschaft, Religion und Kunst.
Als Pieter Breughel d. Ä. den Selbstmord Sauls (1562) malte, brachte er erstmals den Massencharakter von Bewegungen auf die Leinwand (streng genommen auf die Tafel). Er war ein scharfer Gegner des katholischen Spaniens, das zu der Zeit die Niederlande mit eiserner Hand regierte. Unter dem wachsamen Auge der Inquisition musste er seine Kritik auf subtile Art zum Ausdruck bringen.
Statt dem Protagonisten Saul – wie in den klassischen biblischen Darstellungen üblich – liegt der gesamte Fokus des Bildes auf der massiven Welle an Soldaten, die in das Tal strömen. Der Künstler bringt den schaurigen Gefühlszustand in einem verrotteten System zum Ausdruck, welches schon bald den 80-jährigen Krieg (1568-1648), den Prozess der Reformation und Gegenreformation durchlaufen wird. Das antike Machtverhältnis wird umgedreht: Das herrschende Individuum schwindet vor der Macht der Massen.
Aufleben der Massen in Revolutionen
Gegenwärtig finden grausame Gemetzel wie in Gaza keinen vergleichbaren Ausdruck in der Kunst, die bürgerliche Kunst befindet sich in einer tiefen Krise. Doch wenn die Massen beginnen zu kämpfen, bekommt man einen Einblick in das kreative Potenzial, welches in der Gesellschaft schlummert. Wie etwa in der arabischen Revolution, die von einem Aufschwung revolutionärer Musik begleitet wurde. Beispielsweise wurde das Lied Irhal, welches der Ingenieur Ramy Essam spontan während der Proteste am Tahrir-Platz sang, zur Hymne der ägyptischen Revolution. Millionen von Menschen gingen auf die Straße, demonstrierend und singend. Die arabische Welt durchlief einen Wandel, weit über die politische Sphäre hinaus.
Kunst im Kommunismus
Eine Revolution bedeutet mehr als nur ökonomischen Kampf. Die Arbeiterklasse kämpft nicht nur gegen die Lohnsklaverei, sondern auch für ein harmonisches Leben. Die Türen der Museen, Sammlungen, Theater und Bibliotheken werden sperrangelweit für die Massen geöffnet werden, sodass wahrer Zugang zu Kunst ermöglicht wird.
Die Russische Revolution 1917 gab einen kleinen Einblick in das wirkliche Potenzial dieser für alle zugänglichen Kultur. Die Theater – sowie die Lese- und Kinosäle – waren bis zum Bersten gefüllt, die Besucher folgten jeder Geste und jedem Wort. Eine Anekdote von Stanislawski, einem der prägendsten Theaterschaffenden dieser Zeit, schildert ein Beispiel: Um das gesamte Repertoire des Theaters zu sehen, reiste ein Bauer für einen Monat nach Moskau, wo er nach den Vorstellungen jede Gelegenheit nutzte, um zu diskutieren und anschließend stundenlang durch die Straßen spazierte, um die hinterlassenen Eindrücke zu verarbeiten. Selbst als er wieder in sein Dorf zurückgekehrt war, schrieb er philosophische Briefe an Stanislawski. Das Theater war für ihn so wie für viele andere Bauern und Arbeiter mehr als Unterhaltung. Es war eine Möglichkeit, durch Kunst das Leben selbst tiefer zu verstehen.
Die Revolution umfasst die Gesellschaft als Ganzes. Sie ist ein Prozess, der die Lebensarten, die Art und Weise zu arbeiten und die alltäglichen Gewohnheiten der Menschen tiefgehend verändert. Kunst wird wieder Eigentum der gesamten Menschheit sein, nicht einer Minderheit.
Wenn schließlich die Teilung zwischen Arbeit und Kunst schwindet, wird im Gegensatz zur urkommunistischen Gesellschaft nicht mehr der Mangel definierend sein. Wie Engels schon sagte: Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit.
(Funke Nr. 226/30.08.2024)