Koloman Wallisch gehört zu den bekanntesten Märtyrern des Februar 1934. Weniger bekannt ist seine Rolle in der ungarischen Räterepublik. Ein historischer Rückblick von Gernot Trausmuth.
Koloman Wallisch wurde am 28. Februar 1889 in Lugos (im Banat) geboren. Schon im Alter von 11 Jahren begann er als Maurerlehrling zu arbeiten. 1905 tritt er der Gewerkschaft und der Sozialdemokratie bei. Nach seinen Wanderjahren in Österreich und Deutschland wird er zum Militärdienst eingezogen. Im Ersten Weltkrieg ist er anfangs in Szegedin, der drittgrößten Stadt Ungarns, stationiert. Seine politische Aktivität ist den Behörden jedoch ein Dorn im Auge und er wird an die russische und dann an die italienische Front abkommandiert. Mit Kriegsende kehrt er Anfang November 1918 nach Szegedin zurück und wird Sekretär der Stadtparteiorganisation der Sozialdemokratie (SDP). Seine Frau Paula hat seine Rückkehr nach Szegedin später so beschrieben:
„Sofort nach der Ankunft in Szegedin berief Koloman für einen der nächsten Tage eine Sitzung aller Vertrauenspersonen der Partei und für den Abend eine Versammlung ein, zu der er einen Vertreter des Budapester Parteivorstandes erbat. Schon in der Sitzung war es als Wunsch aller ausgesprochen worden, dass er die Leitung des Parteisekretariats übernehme (…). Ein Herzenswunsch Kolomans war in Erfüllung gegangen. Nicht versorgt wollte er werden. In seiner Heimatstadt hätte er nicht nur sofort eine Arbeitsstelle gefunden, sondern auch mit Hilfe seines Schwagers, der Baumeister war, sich nach Ablegung der Meisterprüfung bald selbständig machen können. Ein ruhiges, behagliches Leben, eine auskömmliche Existenz wäre ihm sicher gewesen. Aber Koloman wollte in der Arbeiterbewegung wirken, er wollte dem Sozialismus dienen.“
Die Ungarische Revolution
Wallisch war in den kommenden Monaten auch aktiv im Szegediner Arbeiterrat und kämpfte dort mit den Kommunisten für die Sozialisierung der Produktionsmittel und die entschädigungslose Aufteilung des Grundbesitzes.
Ähnlich wie in Österreich war auch die ungarische Arbeiterbewegung 1917/18 von der Nachricht des Sieges der russischen Revolution nachhaltig geprägt worden. Eine Streikwelle, Antikriegsdemonstrationen und Landbesetzungen erschütterten das Land. Noch im Oktober 1918 kam es zu einem Aufstand, die Regierung stürzte und es wurde die ungarische Republik ausgerufen. Doch der liberale Premier Karolyi, der auch die Unterstützung der Führung der SDP hatte, war außerstande die Fragen der bürgerlich-demokratischen Revolution geschweige denn die soziale Frage zu lösen. Unter dem Druck der streikenden ArbeiterInnen und der meuternden Soldaten einerseits und der Entente-Mächte, die sich große Teile des ungarischen Staatsgebietes einverleiben wollten, trat er am 20. März 1919 zurück und wollte die Regierungsgeschäfte an die SDP abtreten. Die revolutionäre Gärung war allerdings bereits zu sehr fortgeschritten. Der Weg war frei für die Ausrufung der ungarischen Räterepublik nach russischem Vorbild. Koloman Wallisch erlebte diese Ereignisse in Budapest und nahm an den Leitungssitzungen der SDP teil, wo die weiteren Schritte beschlossen werden sollten. Wallisch zählte zum linken Parteiflügel, der eine Zusammenarbeit mit der erst im November 1918 gegründeten, aber rasant wachsenden Kommunistischen Partei (KMP) durchsetzte. Die SDP wollte anfangs eine Koalitionsregierung mit der KMP bilden, doch in der Arbeiterklasse war die Idee bereits vorherrschend, man müsse es „so machen wie in Russland“. Die Druckergewerkschaft weigerte sich das Zentralorgan der SDP zu drucken, dieser Streik verwandelte sich binnen Stunden in einen Generalstreik. Und am 21. März 1919 wurde die Diktatur des Proletariats proklamiert.
Die Kommune von Szegedin
Koloman Wallisch kehrte nun nach Szegedin zurück und ging mit János Udvardi, dem lokalen Sekretär der KMP, an den Aufbau des Revolutionären Exekutivkomitees (REK) in der Stadt. In den Kasernen wurde nun eine Rote Armee gegründet (wobei sich diese weitgehend auf die alten Armeestrukturen stützte und in den kommenden Monaten angesichts der Bedrohung durch den Imperialismus nicht zur Verteidigung der Revolution imstande war, Anm.). Vor einer Massenversammlung wurde die Diktatur des Proletariats ausgerufen, die von allen Behörden und Vereinen unterstützt wurde. Vor dem Arbeiterrat referierte Wallisch über die Beschlüsse, die tags zuvor in Budepest gefällt wurden: „Bis jetzt hat sich die (sozialdemokratische, Anm.) Partei nach Westen orientiert und hat die Befreiung von dort erwartet. Jetzt hat es sich aber erwiesen, dass man uns, entgegen jeder demokratischen Auffassung, niederstampfen will. Hierauf haben sich die Sozialisten zusammengefunden und sind auf den Gedanken gekommen, nicht mehr nach Westen zu blicken, sondern nach Osten, und gegen die imperialistischen Staaten die Verbindung mit der Sowjetrepublik zu suchen…und der Sowjetrepublik unsere Allianz anzubieten.“
Wallisch wurde daraufhin auch in das Direktorium des Revolutionären Exekutivkomitees (REK) gewählt, das ab sofort die Macht in der Stadt ausübte.
Szegedin war für die Entente-Mächte strategisch von großer Bedeutung, lag es doch an einem Eisenbahnknotenpunkt und verfügte über wichtige Brücken, die über die Theiß führten. Von hier konnte die Besatzungsmacht Frankreich sowohl nach Rumänien wie auch nach Serbien operieren. Angesichts der revolutionären Entwicklungen versuchte Frankreich die Besatzung Szegedins sogar noch auszubauen.
Trotz dieser Bedrohung ging das REK ab dem 23. März daran Maßnahmen im Interesse des Proletariats zu setzen. Der erste Schritt war eine auch von Wallisch unterzeichnete Verordnung zur Sicherung der allgemeinen Versorgung. Alle Haushalte und Geschäfte mussten eine Auflistung ihrer Vorräte an Lebensmitteln und Kleidung vorlegen. Eine Reihe von Unternehmen wurde in das Eigentum der Stadtgemeinde überführt. Wallisch richtete sich in einer Rede an die Beamten und versuchte sie für die Mitarbeit am Aufbau der revolutionären Ordnung zu gewinnen: „Jeder, der eine Idee hat, hat die Pflicht, damit herauszurücken. Wenn wir von irgendeiner Arbeit hören, die wert ist, in Angriff genommen zu werden, werden wir sie in Angriff nehmen. Wir gehen nicht mehr ins Ministerium, sondern packen selber an. Was wir an kleinen Veränderungen in den letzten Monaten begonnen haben, das setzen wir jetzt mit gesteigertem Elan fort. Wir verfügen dazu über die Vermögen der Szegediner Bourgeoisie.“
Am 25. März wurde der Erlass über die Pflichtversicherung der Arbeiter verabschiedet. Laut einer Anordnung an die „Werktätigen des Unterrichtswesens“ sollte an die Umgestaltung des Schulunterrichts im sozialistischen Geiste geschritten werden. Der Religionsunterricht an den Schulen wurde verboten. Es wurden Fürsorgeämter zur Bekämpfung von TBC, Geschlechtskrankheiten und Zahnerkrankungen eingerichtet. Öffentliche Bäder sollten errichtet werden. Der Kampf gegen die Wohnungsnot wurde angegangen. Und zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit wurden gestützt auf gewerkschaftlich organisierte Soldaten neue Einheiten (Volkswache, Rote Wache) organisiert. Ein weiterer wichtiger Erlass forderte die Landbesitzer auf den Boden zu bestellen, um die Versorgung zu sichern.
Flucht und Untergrundarbeit
Doch die französische Besatzungsmacht wollte diese soziale Revolution nicht länger dulden. Am 26. März stellte sie dem REK ein Ultimatum, das zwar gegen die im Waffenstillstandsabkommen zugesicherten Rechte verstieß, dem aber angesichts der militärischen Überlegenheit der imperialistischen Heere Folge geleistet werden musste. Hunderte revolutionäre AktivistInnen verließen daraufhin am 27. März Szegedin. Die Kommune von Szegedin musste nach 5 Tagen der Gewalt weichen, die Stadt wurde von nun an zu einem Zentrum der Konterrevolution. Koloman und Paula Wallisch mussten ebenfalls flüchten: „Wir schnürten nun zum ersten Mal unser Bündel, um zu fliehen. Bündel ist nicht symbolisch gemeint, sondern ich hatte tatsächlich nur ein Bündel, in dem etwas Wäsche zusammengepackt war. Kolomans Mutter mussten wir in der besetzten Stadt zurücklassen wir fuhren nachts auf einem Leiterwagen mit Ochsengespann, zusammengekauert, in Tücher gehüllt. (…) Wir waren nun Flüchtlinge und ganz auf die Gastfreundschaft angewiesen.“
Doch auch in Kiskunfelegyhaza, wohin die Mitglieder des REK geflüchtet waren und wo sie bis 16. April bleiben sollten, setzte Wallisch seine revolutionäre Arbeit fort. Es ging nun um die Organisierung der Untergrundarbeit in Szegedin und Umgebung. Wallisch war außerdem für den Kontakt mit der Budapester Räteregierung unter Bela Kun verantwortlich. Unter anderem war Wallisch auch Mitglied des revolutionären Gerichtshofes, am 2. April sogar Vorsitzender desselben. In fünf von sechs Verfahren wurden die wegen konterrevolutionärer Tätigkeiten Angeklagten auch verurteilt (in einem Fall wurde sogar zum Tode), in allen Fällen wurden die Verurteilten jedoch nachher freigelassen. 1929 veröffentlichte eine rechtsgerichtete Zeitung in Wien mit Bezug auf diese Tätigkeit eine Artikelserie unter dem Titel „Die Greueltaten des Koloman Wallisch in Ungarn“. Wallisch klagte den zuständigen Redakteur wegen Ehrenbeleidigung und erhielt 1931 vor Gericht Recht.
Ab Mitte April bemüht sich das REK um die Organisierung der revolutionären Rätebewegung unter den LandarbeiterInnen im Umland von Szegedin. Wallisch wird am 10. Juni in das Präsidium des lokalen Arbeiter-, Soldaten und Bauernrates und als Delegierter zum Rätekongress gewählt. Auch in diesem ländlichen Bezirk zeigten Wallisch und GenossInnen in der Praxis, dass die Revolution konkrete Verbesserungen für die Menschen bringen würde: Lebensmittelversorgung, Schule, Erwachsenenbildung, soziale Unterstützung für Kriegsopfer usw. Die falsche Agrarpolitik der Räteregierung, die im Gegensatz zu den Bolschewiki gegen eine Bodenreform war, erschwerte jedoch Wallischs Bemühungen.
Revolution oder Konterrevolution
Am 12. und 13. Juni nahm Wallisch am Parteitag der vereinigten Arbeiterpartei teil, wo es um die Zukunft der Räterepublik und den Charakter der neuen Partei gehen sollte. In seinem Referat bezieht Wallisch offen Position: „Was den Namen betrifft, bin ich der Ansicht, dass wir aufrichtig sein und offen sagen sollen, was wir sind: Kommunisten.“
Er gehörte somit zu jenem Teil der früheren SDP, die sich im Zuge der Revolution den Positionen der Kommunistischen Internationale, die kurz davor gegründet wurde, weitgehend angenähert hatten.
Wallisch steht in diesen Wochen in engem Kontakt mit den Genossen, die in Szegedin einen Generalstreik gegen die Konterrevolution und die französische Besatzungsmacht versuchen, und er tritt in unzähligen politischen Versammlungen unter den Einwohnern der Gehöfte als Redner auf, wo er die LandarbeiterInnen zur Unterstützung der Diktatur des Proletariats aufruft.
Einen letzten großen Auftritt hat Wallisch im Rahmen des internationalen Aktionstages in Solidarität mit Sowjetrussland, der ungarischen Räterepublik und für die Annullierung des Friedens von Versailles. In dem von ihm eingebrachten Resolutionstext hieß es: „Das Volk des Gebietes von Szegedin warnt gleichzeitig die konterrevolutionäre Regierung, die sich in Szegedin organisiert hat, sie möge nicht mit den Bauern rechnen; sie möge sich fortscheren, ebenso wie die Regierung Gyula Karolyi, und nicht warten, bis man sie mit Sensen und Hacken fortjagt. Hoch die III. Internationale! Hoch das Proletariat der Entente!“
Doch das Ende der ungarischen Räterepublik war zu diesem Zeitpunkt bereits besiegelt. Nach 133 Tagen sah sich Bela Kun gezwungen zurückzutreten. Tschechische, rumänische und französische Truppen besetzten das Land. Die rechten Teile der Sozialdemokratie machten alle Maßnahmen der Räterepublik rückgängig und händigten die Macht den Vertretern der alten Ordnung aus. Die Reaktion verübte ein Blutbad unter der ArbeiterInnenklasse. 5000 RevolutionärInnen wurden ermordet.
Szegedin war Ausgangspunkt der Konterrevolution unter der Führung von Admiral Horthy. Konterrevolutionäre Sonderkommandos unter dem Antisemiten Pronay begannen im Umland von Szegedin mit einem Femegericht. 4 Genossen von Wallisch wurden gehenkt. Koloman und Paula Wallisch mussten nach Jugoslawien und später in die Steiermark flüchten.
In Bruck/Mur bemüht sich Wallisch weiterhin um die Organisierung der ArbeiterInn. Er wird Gemeinderat der SDAP, später auch Landtagsabgeordneter und Nationalrat. Im Februar 1934 ist er als Parteisekretär in Graz aktiv, als er aber vom Schutzbund in Bruck/Mur gerufen wird, begibt er sich an die Seite seiner Genossen und leitet den Widerstand in der Obersteiermark, obwohl er die Ausweglosigkeit dieses Kampfes erkannt hatte. Auf der Flucht in die Berge wird Wallisch am 18. Februar 1934 verhaftet und am Tag darauf in Leoben vom Standgericht zum Tode verurteilt und gehenkt.
Koloman Wallisch verkörperte die besten Traditionen der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Seinem Leben und Werk gedenken wir am 12. Februar, sein Erbe führen wir in unserem politischen Kampf als revolutionäre SozialistInnen weiter.
„Koloman Wallisch Kantate“
von Berthold Brecht
Fey, der Heimwehrführer
Bekreuzte sich drei Mal und schrie:
Das große Aufräumen
Ist jetzt oder nie:
Her mit den Gewehren
Aus dem Krieg der Monarchie!
Es war an einem Wochenend
Die Befehle gingen aus.
Die Gewehre lagen geölet
In Arbeiterheim und Haus.
Sie lagen unterm Kohlenkeller
In Mauer und Zimmerdeck
Sie lagen neben des Bahnwärters Haus
Unter der Schlehdornheck.
19. Februar 1934: Koloman Wallisch 2 Stunden vor seiner Hinrichtung
Sie lagen da im sechzehnten Jahr
Dass Ruhe im Lande sei
Doch an jenem zwölften Februar
Kam die Dollfußpolizei.
Sie kamen mit Lastwägen
Doch der Eintritt war nicht frei.
Ihr Frieden geht wieder schwanger mit Krieg.
Jenseits der Grenze das Dritte Reich
Ist sich zu klein. Hinter den Rauchfahnen
Der Munitionsfabriken rühren sich die Hände
Die lang ohne Arbeit waren: sie drehen
Munition. Aus den Parteilokalen
Und den Gewerkschaftshäusern der Arbeiter
Kommt kein „Halt!“ mehr, dort
Sitzt der Abschaum im braunen Hemd
Und im schwarzen Hemd
Sitzt der Abschaum jenseits der Alpen. Der Großmäulige
Der Ersatzcaesar im Quirinal
Träumt den abessinischen Traum und verlangt
Das große Aufräumen.
Wenn das Volk entwaffnet ist
Kommt der Krieg.
Sie kamen Gewehre holen
Da gingen Gewehre los
Denn gegen den Stoß des Feindes
Gibt’s nur den Gegenstoß.
Sie kamen in Linz und sie kamen in Graz
Und sie kamen in Bruck an der Muhr
Und es holte sich blutige Nasen
Was gegen Arbeiterheime fuhr.
Den ganzen Montag gingen
Die Kämpfe in Bruck hin und her
Doch am Abend war die Gendarmen-
Kaserne von Gendarmen leer
Denn dort saß Koloman Wallisch
Der Arbeitersekretär.
CHORUS:
Koloman Wallisch, der Kämpfer
Der Zimmermannsohn aus Lugos in Siebenbürgen
Der Bergarbeiter, der Porzellanarbeiter, der Bauarbeiter
Der Soldat, der Verteiler des Grundbesitzs
Des Grafen Palawizzini, der Bauernfreund
Koloman Wallisch, der Kämpfer.
VORLESER:
In welche Schule ist er gegangen?
CHORUS:
In den Arbeiterverein in Lugos.
VORLESER:
Wer hat ihn gegründet?
CHORUS:
Der Matrose vom Panzerkreuzer Potemkin
Die Arbeiter patrouillieren
Die Kinder patrouillieren mit
Durch Brucks alte Gassen
Hallt der neuen Herren Tritt.
Der Abend ist kalt und es regnet.
Im Lautsprecher redet Wien:
Ruhe in Wiener Neustadt
Und in Graz die Anführer fliehn.
Die Verwundeten horchen und schweigen
Der Regen trommelt gedämpft
Und die Stimme im Lautsprecher meldet:
In Bruck wird nicht mehr gekämpft.
CHORUS:
Sie lügen die die Berge weg!
Ihr Maul hat fünf Zungen:
Eine ist väterlich.
Eine ist lehrhaft.
Eine des gemeinen Manns.
Eine des Seelsorgers.
Eine des Schlächters.
Sie lügen die Berge weg!
Wir haben uns angeblicket:
War’s Freiheit oder Fron?
War Österreichs Volk im Siegen
Oder war es geschlagen schon?
Koloman Wallisch
Ging auf die Bahnstation.
Da war’s eine Nacht wie jede
Da liefen die Züge ein
Da sah Koloman Wallisch
Auf einen Randstein.
CHORUS:
Wir sind wie die Hunde
Die sich raufen um den Knochen.
Wenn wir nichts haben
Beißen wir uns selber zu Tode.
Knurrend und schnappend
Suchen wir uns den besten Platz im Gespann
Während wir dem Feind den Karren ziehn.
Saust die Peitsche nieder
Haßt der Hund den Nebenhund.
Wem der Herr das Fleisch zuerst vorwirft
Der beschützt ihn.
Ach, des wilden Hundes bester Zähmer
Ist der gezähmte Hund.
CHORUS 2:
Wer ist leichter zu betrügen als wir?
Die immer Betrogenen
Betrügt man am leichtesten.
Da legen wir unsere Kupfer zusammen
Und essen nicht zu Abend
Und mieten uns einen, der für uns einsteht.
Aber er setzt einen Hut auf
Und verrät uns den Herrn.
Er kommt herunter zu uns und holt die Kupfer ab
Und erzählt uns etwas
Und lacht laut, wenn er weggeht.
Wir aber glauben ihm
Und essen nicht zu Abend.
Sind wir am End mit unserer Kraft
Sagt man uns, das nächste Jahr
Werdet ihr an die Tische gesetzt.
Und wir schleppen uns weiter
Aber das nächste Jahr
Bleibt immer das nächste.
CHORUS 3:
Wer da gut lebt
Der lebt von uns. Wer da alt wird
Der überlebt uns.
Wer sein Haus auf unsern Rücken baut
Der baut auf Felsen.
Mit seinen Läusen und deren Läusen
Lebt er von uns. Die Felder gefallen ihm.
Die wir bestellt haben. Das Fleisch schmeckt ihm
Das uns fehlt.
Wenn ihm die Peitsche aus den Händen fällt
Weil er krank ist vom Rauben
Sitzen wir an seinem Lager als der Arzt
Und wenn ihm seine Zähne abfaulen
Setzen wir ihm Gold in die Löcher
Damit er fressen kann, damit er schlagen kann.
CHORUS 4:
Wir sehen wie die alten Leute
Die ihre Zeit schon gelebt haben:
Ihre Tagen sind schon verrichtet
Ihre Worte sind schon gesprochen.
Worauf warten sie noch?
Wer wollte hoffen auf sie, die so müde sind?
Die Achse der Welt ist verschoben.
Werden wir sie einrenken?
CHORUS 6 leise:
Die Achse der Welt ist verschoben.
Wir werden sie einrenken.
Die sieben Mal Uneinigen
Werden das achte Mal einig sein.
Die sieben Mal Geschlagenen
Werden das achte Mal siegen.
Die Schutzbundkundschafter melden
Gegen elf einen blutigen Spuck:
Von allen Seiten rollen
Schwere Haubitzen auf Bruck
.
Dollfuß, der christliche Kanzler
Setzt an zum Aderlaß:
Das Kyrie eleison soll wieder
Einmal erschallen im Baß.
Gewehre gegen Haubitzen
Ist Gemetzel und nicht Schlacht.
So beschlossen die Unsern den Rückzug
In der selbigen Nacht.
Und kamen in bergige Gegend
Morgens gegen acht.
Sie laufen zu nachtschlafender Zeit
Und eiliger, wenn es tagt
Sie flüchten in ihrem eigenen Land
Wie das schauderende Wild gejagt.
Flugzeuge über den Bergen
Spähn nach dem Wallisch jetzt:
Es hält der christliche Kanzler
Den Himmel besetzt.
Seine Bauern verkaufen das tägliche Brot
Nicht an den roten Gast.
Der Marsch geht auf Frohnleiden
Der Name hat gut gepasst.
Es war in diesem Februar
Als gäb sich ein Frühling Müh
Früh zu kommen in diesem Jahr
Und kam doch nur zu früh.
Der Dienstag war ein grauer Tag
Mit Regen und kühlem Wind
Und Schuhe gehen aus dem Leim
Die zu lang getreten sind.
Der Dienstag war ein langer Tag
Viele blieben dahint.
Manch einer stellte am Straßenrand
Ab das Maschinengewehr
Die Nachhut musst es sammeln
Und schleppte doppelt so schwer.
VORLESER:
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und lässt andere kämpfen für seine Sache
Der muss sich vorsehen; denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will; denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.
Der Marsch ging zur Hochalb
Dort war die letzte Schlacht
Ein Trüpplein war umzingelt
Von einer Heeresmacht.
Und als sie zum Sturm ansetzten
Machten sie’s uns schwer
Denn sie trieben gefangene
Schutzbündler vor sich her.
Da hoben die unsern seufzend
An die Backe das Gewehr.
Immerfort treiben sie unseresgleichen
Gegen uns, und sogar zum Treiben
Brauchen sie immerfort unseresgleichen.
Wir sind die Henker und wir sind die Opfer
Gießen den Block und legen das Haupt drauf.
„Mutter, wo ist unser Vater?“
„Kind, er kämpft bei den Roten.
Schlaf, Kind, schlaf ein.“
„Mutter, wo sind die Toten?“
„Mutter, wo ist unser Vater?“
„Kind, er schießt auf die Roten.
Schlaf, Kind, schlaf ein.“
„Mutter, wo sind die Toten?“
Als die letzte Kugel verschossen
Zogen sie an die Skier
Konnte der Wallisch nicht skiern
Er war nicht von hier.
Ein Bauer am Hochanger
Gab ihm Milch und drei Brote, doch wiss:
Die Groschen hat er entrichtet
Bevor er ins Brot biß.
Der Autobussschofför Krobart
Hat den Wallisch daran erkannt
Dass der ihn in der Bedrängnis
Genosse hat genannt
Der Mensch hat ihn verraten
Statt dass er ihm beisteh
Dem Wallisch ist kälter geworden
Als bis zur Brust im Schnee.
Und als man telefonierte
Wie Wien zum Wallisch ständ
Da war halt leider Gottes
Auf Urlaub das Parlament.
Und als man wollt des christlichen
Kanzlers Meinung hören
Da war halt der Kanzler beim Beten
Da durfte ihn keiner stören.
In Leoben nah dem Erzberg
Nachts zur elften Stund
Hat man den Wallisch gehänget
Als einen roten Hund.
Er hat Freiheit gerufen
Mit dem letzten Atemzug
Da hängten zwei Henker sich an ihn
Er war nicht schwer genug.
Im Februar vierunddreißig
Der Menschlichkeit zum Hohn
Hängten sie den Kämpfer
Gegen Hunger und Fron
Koloman Wallisch
Zimmermannsohn.
Bruder es ist Zeit,
Bruder, sei bereit
Gib die unsichtbare Fahne weiter jetzt!
Im Sterben nicht anders als einstmals im Leben
Wirst du nicht, Genosse, dich diesen ergeben.
Heut bist du besiegt und drum bist du der Knecht
Doch der Krieg endet erst mit dem letzten Gefecht.
Doch der Krieg endet nicht vor dem letzten Gefecht.
Bruder es ist Zeit,
Bruder, sei bereit
Gib die unsichtbare Fahne weiter jetzt!
Gewalt oder Recht und es schwanket die Waage
Doch der Knechtschaft Tag um, kommen andere Tage.
Heut bist du besiegt und drum bist du der Knecht
Doch der Krieg endet erst mit dem letzten Gefecht.
Doch der Krieg endet nicht vor dem letzten Gefecht.