Heute beginnen die Kollektivvertragsverhandlungen für die Metallindustrie. Die Industrie will die Arbeitszeit flexibilisieren, die Gewerkschaft fordert Arbeitszeitverkürzung. Von Manuel Reichetseder.
Nachdem bei den Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst vor einem Jahr die Aufweichung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Metallbranche verhindert werden konnte, fanden Anfang dieses Jahres Gespräche zwischen Gewerkschaft und den ArbeitgeberInnen statt. Diese Gespräche wurden einseitig seitens der Unternehmer „wegen Sinnlosigkeit“ abgebrochen (wir berichteten in Ausgabe 96). Bereits im April war klar, dass sich bei den kommenden Lohnverhandlungen für die Metallindustrie und Bergbau, die Ende September beginnen werden, die Fronten beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung verhärten werden.
Die Wünsche des Kapitals liegen klar auf dem Tisch. Zum Wohle weiterer Profitmaximierung sollen die Rechte der Ware Arbeitskraft noch weiter aufgeweicht werden. Zum Beispiel soll der Durchrechnungszeitraum für Überstunden ausgeweitet werden, was de facto einer Lohnkürzung gleichkommt. Unter anderem soll auch eine tägliche Normalarbeitszeit von 10 bzw. 12 Stunden bei Schichtarbeit möglich gemacht werden. Ende August wagte Wirtschaftminister Mitterlehner einen Vorstoß und forderte eine 60-Stunden-Woche. Doch laut WIFO liegt Österreich bereits jetzt bei Arbeitslänge und -flexibilität im europäischen Spitzenfeld – trotz Wirtschaftskrise sind allein 2009 satte 313 Millionen Überstunden angefallen. Für Rainer Wimmer, den Bundesvorsitzenden der PRO-GE, ist das „ein Generalangriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Anstatt weitere Flexibilisierungen anzustreben, die in Wahrheit Lohnkürzungen und längere, krankmachende Arbeitszeiten für die Beschäftigten bedeuten, ist es Zeit für ein Umdenken in Richtung kürzere Arbeitszeiten. Der Minister verwechselt Wirtschaftspolitik mit einem Wunschkonzert für die Arbeitgeber.“
Bereits vergangenen April zeigte sich eine Betriebsrätekonferenz mit 700 BetriebsrätInnen der Metallindustrie und des Bergbaus in Vösendorf kämpferisch und erteilte den Forderungen der Unternehmer eine Absage. In der Folge führte die PRO-GE eine Umfrage unter BetriebsrätInnen in ganz Österreich durch. Laut dem Ergebnis der rund 900 ausgewerteten Fragebögen treten 96 Prozent der Befragten für eine Arbeitszeitverkürzung ein. Nachdruck wurde dieser Forderung verliehen durch eine Ende Mai stattfindende Arbeitszeitkonferenz und letztendlich mit einem Beschluss des Bundesvorstands der PRO-GE vom 9. Juni das Thema Arbeitszeitverkürzung bei der kommenden Herbstlohnrunde in die KV-Verhandlungen einzubringen.
Verhärtete Fronten
Ziel der Gewerkschaft ist es durch eine Verkürzung der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit die vorhandene Arbeit aufzuteilen um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Vollzeitbeschäftigte leisteten 2008 laut Eurostat im Durchschnitt 44 Wochenstunden und dabei wurden geschätzte 30 % dieser Überstunden weder finanziell noch in Form von Zeitausgleich abgegolten. Laut PRO-GE würde die Umwandlung dieser Stunden in neue Arbeitsplätze einen Zuwachs von rund 60.000 Vollzeit-Jobs bedeuten. Da aber für 2011 eine offizielle Arbeitslosigkeit von 350.000 erwartet wird, muss unserer Meinung nach die Arbeitszeit soweit reduziert werden, dass sie auf alle Lohnabhängigen aufgeteilt wird. Zudem ist die Produktivität in den letzten Jahren enorm gestiegen, was niedrigere Stückkosten für die Unternehmen bedeutet und dieses Vorhaben noch erleichtert. „Es kann nicht so weiter gehen, dass jene, die Arbeit haben, überlastet sind und enorm viele Überstunden leisten, während andere im Regen stehen und arbeitslos sind“, so Wimmer.
Ein weiterer Vorteil der sinkenden Arbeitzeit ist die geringere Belastung am Arbeitsplatz. Vor allem psychische Krankheiten unter Beschäftigten nehmen deutlich zu. Jeder 16. Krankenstandstag ist hierzulande darauf zurückzuführen – das ist fast dreimal so viel wie noch vor 20 Jahren. Zwei Drittel der wegen psychischer Probleme Krankgeschriebenen sind Frauen. ÖGB-Frauenvorsitzende Brigitte Ruprecht beklagt, dass „obwohl 40 Prozent der Frauen ihre Invaliditätspension wegen psychischer Krankheit zuerkannt bekommen, wird die psychische Gesundheit der MitarbeiterInnen noch immer als individuelles Problem gesehen.“ Laut einer IFES-Befragung sind vor allem regelmäßige Nachtarbeit und überlange Arbeitszeiten Schuld am erhöhten Krankheitsrisiko. Dabei gibt es auch zahlreiche Studien, die belegen, dass kürzere Arbeitszeiten die Produktivität steigern. Weitere Vorteile, die auf der Hand liegen, sind mehr Zeit für das Privat- und Familienleben, Freizeit, Sport und Weiterbildung.
Doch Doppelmayr-Manager Christoph Hinteregger, neuer Verhandlungsführer der Kapitalseite, kann den Forderungen der Gewerkschaft naturgemäß nichts abgewinnen: „Damit wird jede weitere Flexibilisierung genommen, das erschwert den globalen und europäischen Wettbewerb.“ Genau hier liegt die Krux des Problems. Dem kapitalistischen Wettbewerb und somit den Gewinnen einiger weniger werden Menschenleben von Millionen Lohnabhängiger einfach hintangereiht. Dem Altar des Mammons muss alles geopfert werden – selbst die eigene Gesundheit. Deshalb müssen wir im Herbst als Gewerkschaftmitglieder dicht hinter unseren Verhandlern stehen, damit diese keinen Millimeter nachgeben. Unserer Meinung nach ist es zusätzlich erforderlich, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu fordern, damit sich die finanzielle Lage der Beschäftigten nicht noch weiter verschlechtert.
Unternehmen greifen immer mehr auf LeiharbeiterInnen zurück. Hier wurde ein riesiger flexibilisierter Billiglohnsektor geschaffen. Die Gewerkschaft fordert „die Übernahme möglichst vieler überlassener Arbeitskräfte in Stammarbeitsverhältnisse.“ Um dieses Druckmittel auf Löhne endgültig zu beseitigen sollten wir fordern, dass dies nicht nur mit „möglichst vielen“, sondern mit allen Leiharbeitskräften geschehen soll.
Doch wie können wir erreichen, dass die Arbeitszeitverkürzung auch tatsächlich umgesetzt wird? Ein Aspekt wurde bereits angesprochen: die Verankerung der Verkürzung der tatsächlichen Arbeitzeit im Kollektivvertrag. Ein weiter Vorschlag des PRO-GE Vorstandes ist es, Überstunden durch Abgaben und Zuschläge für den/die ArbeitgeberIn „unattraktiver“ zu machen. Obwohl sich Unternehmer bei solchen Forderungen bereits lautstark Sorgen um den „Produktionsstandort“ machen, greift diese Losung zu kurz. Hier möchten wir Bezug nehmen auf eine weitere Forderung des PRO-GE Vorstandes, nämlich jene, „die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen bei der Gestaltung der Arbeitszeit auszubauen“. Die Entscheidung darüber, ob Überstunden geleistet werden – selbst wenn diese höher versteuert werden – sollten wir nicht jenen überlassen, die sie anordnen. Die Einhaltung der Arbeitsstunden und sonstiger arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen muss vom Betriebsrat bzw. von Mitarbeiterversammlungen oder –komitees in den jeweiligen Fabriken und Unternehmen überwacht und kontrolliert werden. Nur durch eine echte demokratische Mitbestimmung unsererseits am Arbeitsplatz können wir Arbeitsverhältnisse schaffen von denen wir finanziell Leben können, die unsere Gesundheit nicht gefährden und wo uns am Ende des Tages noch genügend Zeit für unser Privatleben bleibt.
Über den Sommer hinweg haben sich BetriebsrätInnen in der Metallbranche in diversen Seminaren der Gewerkschaft auf Arbeitskämpfe bis hin zu Streiks vorbereitet. Aufgrund der diametral entgegengesetzten Interessen von Beschäftigten und Unternehmern ist ein Konflikt bereits vorprogrammiert. Diesem müssen die KollegInnen gut vorbereitet entgegentreten und wir dürfen dabei keine Zeit verlieren. Wir sollten schon jetzt damit beginnen, die MitarbeiterInnen in den Betrieben durch Versammlungen über den jeweiligen Informationsstand regelmäßig am Laufenden zu halten und durch die aktive Einbindung der KollegInnen mit der Bildung demokratischer Kampfstrukturen an der Basis beginnen. Nur mit einem entschiedenen und geeinten Auftreten, Aktionen in den Betrieben und auf der Straße und einer im vorhinein geplanten Eskalationsstrategie wird es uns möglich sein, genügend Druck aufzubauen, um unsere Forderungen zu Arbeitszeit und -recht gegenüber den Arbeitgeberverhandlern durchzusetzen.
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