Ist die Krise überstanden? Wie stabil ist die Große Koalition? Ein Ausblick auf das vor uns liegende Jahr der Funke-Redaktion.
Nicht nur die heimischen Winterlandschaften sondern auch die österreichische Politik ist von der Jännerstarre ergriffen, und die könnte durchaus auch unter Frühjahrstemperaturen anhalten. Doch vergessen wir nicht, dass die scheinbar starren Dinge so widersprüchlich angelegt sind, dass sie sich früher oder später doch gewaltsam entladen werden müssen.
Das heurige Jahr wird aber vor allem von nervösen Stellungsmatches zwischen dem Bürgertum und der ArbeiterInnenklasse geprägt sein. Das Schlimmste an der Krise sei vorbei, so die Regierung. Das heißt aber nur, dass schön langsam die Diskussion ins Rollen kommt, wer schlussendlich die Kosten der Krise zu zahlen hat. Unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen und der hohen Staatsverschuldung sind politische Weichenstellungen unabdinglich. Die zentrale Frage lautet (wie wir von Anbeginn der Krise gesagt haben): Wer zahlt die Krise? Die Zufriedenheit mit der Großen Koalition, die große Lösungen ermögliche, ist im bürgerlichen Lager ohnedies nicht mehr erkennbar. Zu groß sind die wirtschaftlichen Probleme als dass diese durch einen netten Klassenkompromiss, mit dem beide Seiten leben könnten, zu lösen wären.
Wirtschaftliche Krise
Und ob „das Schlimmste“ tatsächlich vorüber ist, ist die Frage. Der „Aufschwung“ entblößt sich als wackelige Stabilisierung auf niedrigem Niveau, finanziert durch explosive Staatsverschuldung. Der einzige Sektor, der jetzt kurz brummt, sind die Banken. Es ist offensichtlich, dass durch die massiven Subventionen in erster Linie dem von Obama abwärts gegeißelten Casino-Kapitalismus neues Spielgeld zugeführt wurde. So boomen die Börsen und Rohstoffpreise, als ob es keine Krise gegeben hätte. Die Sachgüterproduktion liegt jedoch weiter auf Eis. Die Kapazitätsauslastungen der Industrie liegen im EU-Schnitt unter 80 Prozent, in der automotiven Industrie sogar unter 70 Prozent der installierten Kapazität. Solange diese Situation nicht massiv verbessert wird, werden Investitionen weiter ausbleiben und die Grundlagen eines neuerlichen Aufschwungs fehlen. ÖkonomInnen erwarten, dass das Produktionsniveau vom historischen Höchststand 2007/2008 noch fünf bis zehn Jahre entfernt ist. Es ist reine Geschmacksache ob diese Wirtschaftslage als „Stabilisierung verbunden mit strukturellen Anpassungen und möglichen Rückschlägen“ bezeichnet wird, wie von Industriellen-Vereinigungschef Veit Sorger, oder als „tatsächlicher Beginn der Krise“.
Politische Krise
380.000 Menschen sind derzeit arbeitslos gemeldet, womit ein neuer Höchststand erreicht wurde. Gleichzeitig sanken die Einstiegsgehälter seit Beginn der Krise um durchschnittlich 10 Prozent. Der Druck vor allem auf junge ArbeitnehmerInnen steigt beständig.
Die größte Sorge für Österreichs obersten Industriellen ist jedoch, „dass die Krise bei der Bevölkerung noch gar nicht angekommen ist.“ Eine gehörige Portion Zynismus angesichts der Fakten und der konkreten Lebensrealität.
Doch was er damit meint, ist dass die Regierung und die Wirtschaft endlich daran gehen müssen „strukturelle Defizite“ zu beheben. Darunter werden Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst und bei den Sozial- und Gesundheitsleistungen verstanden. Weiters steht die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse auf dem Wunschzettel ganz oben. Josef Pröll hat mit seinem Vorschlag ein Transferkonto einrichten zu wollen, wurde die Debatte über den Sozialstaat gestartet. Hinter dem schwarzen Polit-Speak steht nichts anderes als der Versuch massiven Sozialabbau ideologisch vorzubereiten.
Die SPÖ-Spitze hat sich mit Haut und Haaren der Großen Koalition verschrieben und ist nicht bereit diesem Verlangen der ÖVP ein prinzipiell anderes Konzept entgegenzuhalten. So steht ein neuerlicher Angriff auf die LehrerInnen ganz oben auf der Tagesordnung von Faymann & Co. Sozialminister Hundstorfer hat auf Druck der ÖVP ein erstes Modell vorgelegt, wonach die Hackler-Regelung auslaufen und das Pensionsantrittsalter auch für Menschen mit langen Versicherungszeiten um weitere zwei Jahre anzuheben. Jeder Rückbau des Sozialstaates wird die Widersprüche in der Sozialdemokratie, v.a. zwischen Parteiführung und der FSG, aber zuspitzen. Angesichts dreier für das Überleben von Faymann lebenswichtiger Landtagswahlen (Burgenland, Steiermark und nicht zuletzt Wien) in diesem Jahr, muss die Parteispitze jedoch verstärkt politisches Profil gegenüber der ÖVP zeigen. Alles andere würde direkt in weitere Wahldebakel führen und die interne Krise weiter zuspitzen. Forderungen wie jene nach einer Bankensondersteuer sind genau in diesem Zusammenhang zu sehen.
Unter diesen Vorzeichen scheint ein absoluter Stillstand einer schon bisher flügellahmen Koalitionsregierung sehr wahrscheinlich. Angesichts der Explosion der Staatsverschuldung auf über 80 Prozent des BIP – die jährliche (!) Einsparungen von 12 Mrd. Euro erzwingt um bis 2022 wieder unter die Maastrichtgrenze von 60 Prozent zu fallen – zehrt die Vorstellung eines weiteren Blockade-Jahres gewaltig an den Nerven des Bürgertums. Provokationen wie jene der Bankensondersteuer werden im bürgerlichen Lager die Kräfte stärken, die der Meinung sind, es brauche möglichst bald eine rein bürgerliche Regierung, die nicht von der SPÖ gebremst wird.
Der Versuch der Regruppierung des Dritten Lagers, durch die Wiedervereinigung des BZÖ Kärnten mit der Strache-FPÖ muss daher als das verstanden werden, was es ist: die Wiederherstellung der Option einer schwarz-blauen Bürgerblock-Regierung. Das auffällige Schweigen der ÖVP zu diesen Vorgängen dürfte dabei im krassen Gegensatz zu ihrer Aktivität hinter den Kulissen stehen. Das Angebot an BZÖ-Obmann Bucher bald schon Minister einer schwarz-blauen Regierung zu sein, soll ihm nach eigenen Aussagen in Namen von VP-Klubobmann Koch überbracht worden sein.
Dieser Politcoup ging nicht so reibungslos über die Bühne wie geplant, hat sich schlussendlich aber durchsetzen können. Uwe „das Taschenmesser“ Scheuch nahm in seiner Großgrundbesitzer-Mentalität zuwenig Rücksicht auf bestehende persönliche Sensibilitäten im nationalen Lager. Insbesondere die Ausdünstungen des Sumpfes rund um die Hypo Alpe Adria verpestet die Neujahrsstimmung bei den Bürgerlichen. Parteinfinanzierung, windige Geschäftspraxen und schnelle Spekulationsgewinne für „Persönlichkeiten aus dem süd-deutschen und österreichischem Raum“ (obengenannter Veit Sorger und der notorische KHG waren mit von der Abzocker-Partie) lautet die Fahndungsliste der (von österreichischen Politik nicht weisungsgebunden) Münchner Staatsanwaltschaft. Hierzulande beschränkt man sich auf die Nominierung eines neuen Aufsichtsrats, das alte Management darf weiter machen…
Und die ArbeiterInnenbewegung?
Während die bürgerlichen RepräsentantInnen und der Geldadel in der Bredouille sitzen, richtet die SPÖ-Spitze ihre Waffen – richtig – auf die AsylwerberInnen. Anstatt die angebliche „Wirtschaftskompetenz“ der Bürgerlichen unter Beschuss zu nehmen, spielt sie lieber in der Asyldebatte mit. Nicht nur in der Diskussion, ob Eberau im Osten oder Süden des Bundesgebietes liegt, hat die Parteiführung jede Orientierung verloren. Die SPÖ-Spitze will neuerliche Wahldebakel verhindern und sieht in der Konfrontation mit der VP-Innenministerin Fekter eine passende Gelegenheit. Nicht aber weil sie das unmenschliche Fremdengesetz endlich beseitigen will. Nein, im Konflikt um den geplanten Bau des Asylzentrums Eberau gibt sie die Schutzheilige gegen „Asylanten“. Ihr einziges Heil vor einer immer stärker werdenden FPÖ sieht die SPÖ kläglicher Weise in einer harten „Ausländerpolitik“.
Die verheerende Rolle der SPÖ-Führung ist offensichtlich. In den letzten Monaten sahen wir jedoch auch eine Reihe von Arbeitskämpfen im Zuge von KV-Verhandlungen aber auch auf Betriebsebene. In all diesen Konflikten sah sich die Gewerkschaft genötigt die eigene Basis in den Betrieben, oder zumindest die Betriebsräte, zu mobilisieren. Gleichzeitig akzeptierte die Gewerkschaftsführung aber auch die prinzipielle Logik des Kapitals und war bereit die eigene Basis an die Anfordernisse des Kapitals anzupassen. Bei den KV-Verhandlungen in der Metallindustrie wurde die zentrale Frage – die weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten und die damit verbundenen Lohneinbußen – aufgeschoben um sie in Ruhe ausmauscheln zu können. Bei Shell Lobau wurde der Arbeitskampf zum Erhalt des Werkes in letzter Minute von oben abgedreht. Der einjährige Kampf um den Drucker-KV wurde mit einem vollen Sieg der Unternehmer beendet. Damit wurde der älteste bestehende KV in drei Teile zerschlagen, Lohneinbußen von 150-200 € werden damit ab Jänner 2010 Realität. Dies wird den Appetit der Unternehmer aller Brachen erst so richtig wecken. Franz Bittner wurde trotz alledem als Vorsitzender wiedergewählt, und die kämpferischen Funktionäre der Gewerkschaft, die im Herbst kurz die Oberhand gewannen, wurden mangels einer klaren alternativen, politischen Perspektive wieder zum Schweigen verurteilt. Ähnliche Kämpfe werden wir 2010 aber wohl in wachsender Zahl erleben, denn die Kosten der Krise müssen bezahlt werden – und da kann kein tragfähiger Kompromiss zwischen Arbeit und Kapital sozialpartnerschaftlich auspaktiert werden.
Im kommenden Jahr werden sich die politischen und gewerkschaftlichen Konflikte zuspitzen. Umso notwendiger ist die Herausbildung einer starken Linken in der SPÖ und den Gewerkschaften. Mit der SPÖ-Linke gibt es eine erste Chance diese Aufgabe zu lösen. Wenn sie ihren Namen verdienen will, dann muss sie sich nicht nur programmatisch klar links und gegen die Politik des Klassenkompromisses der Führung stellen, sondern ihr Programm aktiv in die Strukturen der Partei und in die lebendigen Klassenkämpfe tragen. Die bundesweite Konferenz der SPÖ-Linken am 10. April wird die notwendige Reife an den Tag legen müssen zu zentralen Fragestellungen der Lohnabhängigen klare politische Antworten zu formulieren, und diese möglichst organisiert und koordiniert in der ArbeiterInnenbewegung zu verankern.
Die Voraussetzungen um in den kommenden Schlachten bestehen zu können, sind angesichts der Rolle, die die Führungen der ArbeiterInnenbewegung spielen, alles andere als günstig. Weitere Niederlagen auf allen Ebenen des Klassenkampfes sind für 2010 vorprogrammiert, und jede Schlappe wird den „Reformhunger“ der Bürgerlichen befeuern. In diesen Auseinandersetzungen müssen wir jene Elemente des Widerstandes – Betriebsräte und ganze Belegschaften, SPÖ-Mitglieder und SJlerInnen, Uni- und SchulaktivistInnen – zusammenbringen, die einen politischen Kurswechsel nach links als politische Notwendigkeit erkennen.
Der Aufbau einer starken marxistischen Strömung in der ArbeiterInnen- und Jugendbewegung ist die zentrale Aufgabe, vor der wir stehen. Wer diese Perspektiven teilen kann, ist aufgefordert sich bereits heute den „Funke“ durch finanzielle Spenden und aktive Mitarbeit zu unterstützen.
Zum Weiterlesen:
Marxistische Perspektiven – Wohin geht Österreich?
18 Seiten/Preis: 3 Euro
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