Wir sprachen mit Christian Kempinger, FSG-Betriebsrat der Agrolinz Melamin.
Funke: Könntest Du uns etwas über Deinen Betrieb und über die derzeitige Stimmung berichten?
Kempinger: Agrolinz ist aus der ehemaligen Chemie Linz heraus entstanden, mit ca. 1700 Arbeitsplätze in Österreich und Italien. Am Standort haben wir vor 5 Jahren noch 908 Arbeiter gehabt, seitdem hat sich der Personalstand bei den Arbeitern auf 450 reduziert. Das waren nicht lauter Kündigungen und Pensionierungen, sondern überwiegend Ausgliederungen. Dahinter steht eines: dass man auch die Köpfe reduziert. Der zweite Effekt ist der, dass meistens andere Dienstgeber oder zumindest andere Kollektivverträge zum Einsatz gekommen sind, was zum Teil für die Kollegen die Auswirkung gehabt hat, dass sie Einkommensverluste bis zur Hälfte gehabt haben. Da ist schon der eine oder andere in Existenznöte gekommen. Und wenn du jetzt hörst was die Regierung noch zusätzlich vorhat…
Das größte Problem haben wir damit, dass die Regierung die „Pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit“ streichen will. Für unsere Kollegen, die mit 57 alle schon so kaputt sind, bedeutet das, nicht mehr mit 57 in Pension gehen zu können. Wer längere Zeit Schichtarbeit gemacht hat weiß, dass das, was da von den Kollegen abverlangt wird, eine unmögliche Sache ist. Maßnahmen von Seiten der Firma werden keine gesetzt, weil alles eine Kostenfrage ist. Der Vorstand, der dem Eigentümer die größtmögliche Rendite verspricht, kriegt die längstmögliche Vertragsverlängerung – das heißt ganz brutaler Shareholder Value, Kapitalismus pur.
F: Wie ist die Ausgliederung abgelaufen?
Im Prinzip ist das Memorandum of Understanding nichts anderes als ein Sozialplan. Es sind im Vorfeld von der Belegschaft Kampfmaßnahmen angekündigt worden, als der Vorstand das ganze angekündigt hat entsprechend des Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz. Wir wollten, dass sie zumindest das kriegen, was ihnen zusteht, dass heißt, die gesetzliche Abfertigung. Wie das ausgemacht war, haben wir dem zustimmen können, bei allem Für und Wider. Im Bereich der Feuerwehr ist es dann im Jänner zu Streikmaßnahmen gekommen, als der Vorstand das MoU nicht einhalten wollte. Wir haben zwei Betriebsversammlungen gemacht, für zwei Tage Teile der Verladung still gelegt und angedroht, dass wir das ganze steigern. 50-, 55-jährige haben auf einmal zum Transparente-Malen angefangen, waren mit Leib und Seele dabei. Das ganze hat sich aufgeschaukelt, dass es eine Freude war.
Mitarbeiter sind in der Freizeit reingekommen, insgesamt waren wir 80 Leute. Jeder hat gesagt: „Das organisier ich, das mach ich.“ Aus meiner Sicht haben genau die Maßnahmen dazu beigetragen, dass von Seiten des Vorstandes ein Einlenken gekommen ist. Wir haben nicht erreicht, dass das MoU eingehalten wird, sondern dort ist es uns als Betriebsrat gelungen, dass die Kollegen in der Feuerwehr bei uns in der Agro bleiben können. In Zukunft sollen aber neue Kollegen in die neu gegründete Feuerwehr GmbH aufgenommen werden, wobei aus meiner Sicht da auch noch rechtliche Probleme kommen werden. Die Firma will in Wahrheit die Feuerwehr ganz streichen. In Zukunft sollen die Kollegen aus der Produktion die Feuerwehrtätigkeit übernehmen, wobei ich, der ich lange Zeit in der Produktion war, weiß: wenn ein Störfall ist, kann keiner so schnell von seinem Arbeitsplatz weg. Und gerade bei einem Störfall ist entscheidend, dass in kürzester Zeit Erstmaßnahmen eingeleitet werden. Außerdem werden Arbeitsplätze nicht mehr besetzt bzw. nur mehr durch Leasing-Personal, dem die fachliche Qualifikation abgeht, ersetzt.
F: Wie ist die Situation bei den Lehrlingen?
Wir fordern als Betriebsrat, dass die Lehrlingsaufnahme wesentlich erhöht wird. Ich meine, dass die doppelte Anzahl der Lehrlinge locker verkraftbar wäre, aber da sagt die Firma: Das sind Kosten, die soll der Staat übernehmen.
Wir haben aus meiner Sicht eine ausgezeichnete Lehrwerkstatt gehabt – das staatliche Wappen. Der Vorstandsdirektor hat die Lehrlingsausbildung, zack, zugedreht. Die hochqualifizierte Lehrlingsausbildung – neben der beruflichen Ausbildung und der Ausbildung im Betrieb hat es bei uns Ausbildner gegeben, die sich speziell um die innerbetriebliche Ausbildung bemüht haben – ist vorbei. Bei uns wars früher so, dass mindestens die Hälfte der Lehrlinge mit Auszeichnung abgeschlossen haben. Und jetzt, wo auch im Betrieb kaum Zeit ist, dass sich jemand um die Lehrlinge annimmt, wo sie de facto als Hilfsarbeiter angesehen werden, haben wir Probleme, dass die Lehrlinge das Lehrziel erreichen.
F: Wie ist der Streik der Linzer Schüler bei euch angekommen?
Wir haben uns sehr gefreut, als die Schüler das gemacht haben! Das Engagement der Jugendlichen ist wirklich toll. Wir alle sehen uns Angriffen der Regierung ausgesetzt, also müssen wir uns auch gemeinsam wehren. Wir Arbeitnehmer müssen die Forderung der Schüler nach einer guten öffentlichen Bildung auch zur unseren machen. Es ist der gleiche Kampf, wenn wir Sozialleistungen verteidigen und uns für die Ausbildung unserer Kinder einsetzen. Den Schülern kann ich nur sagen: Weiter so! Gemeinsam sind wir stark!
F: Was kann man konkret gegen Schwarz-Blau machen?
Mit dem was uns der Verzetnitsch gesagt hat, mit dem kann ich nicht recht leben. Wenn ich der Regierung nur Nadelstiche versetze, dann wird sie nicht umdenken. Die Regierung muss etwas spüren. Da sage ich ganz einfach: Die Regierung sagt, der Flughafen Wien soll verselbständigt werden. Okay, dann blockieren wir die Start- und Landebahn einmal eine Stunde. Dann ist ein Aufschrei da. Weiters sperre ich bei der Chemie in Linz den Kreisverkehr. Dann muss man die Autobahn in Linz, Wien, Graz und Salzburg absperren. Solche Aktionen, also wirklich radikale Aktionen, wie sie auch in Frankreich passieren, können die Regierung aus dem Sessel heben. Soweit muss die SPÖ kommen, dass sie solche Aktionen macht. Meine Leute erwarten ganz was anderes als dieses Herumreisen. Die wollen, dass man sagt: „Das lassen wir uns nicht bieten.“ Ich trau mich wetten, wenn man sagt: „Da machen wir was“, dass die Arbeitnehmer immer mehr für einen Generalstreik zu haben sind. Wenn ich einmal für eine Stunde den Flughafen und die Autobahnen sperre, ÖBB, Post und Telekom stehen, dann ist das erledigt, die Regierung tritt zurück!
Ich hoffe, dass die Arbeitnehmer einen Druck auf Betriebsräte und Gewerkschaft ausüben werden, die Führung in die richtige Richtung zu bringen. Wenn ich mit Kampf verliere, dann habe ich drum gekämpft. Wenn ich aber kampflos untergehe, dann laufen mir die Leute davon.
Wenn die SPÖ gekämpft hat, war sie stark, wenn sie sich die Themen vorgeben hat lassen, ist sie abgesackt. Ich warne davor, nicht zu kämpfen.
Bericht des Schulstreiks in Linz
Trotz massiver Einschüchterungsversuche der DirektorInnen streikten am 14. April 400 Linzer SchülerInnen gegen die Angriffe der neuen Regierung. In den Wochen zuvor hatten die „Aktionskomitees gegen Bildungs- und Sozialabbau“, die auf Vorschlag des Funke gegründet worden waren, Flugblätter vor und in den Schulen verteilt. Damit der Streik auch etwas bewirke, beschlossen die SchülerInnen auf einem gemeinsamen Streikkomitee-Treffen, vors VOEST-TOR zu marschieren und Betriebsräten der ÖIAG Betriebe eine Petition (siehe Kasten) zu übergeben. Gesagt, getan: Die Betriebsräte waren vom Engagement der SchülerInnen begeistert und versprachen, sich bei ihrem Kampf gegen die Privatisierungspläne auch für den Erhalt der öffentlichen Bildung einzusetzen.
Petition an die ArbeitnehmerInnen der VOEST:
Liebe KollegInnen der VOEST
Das Programm der blau-schwarzen Regierung ist ein Programm der UnternehmerInnen. Es richtet sich gegen Jugendliche und ArbeitnehmerInnen. Es richtet sich auch gegen uns SchülerInnen. Das öffentliche Bildungssystem soll durch Elitenbildung ersetzt werden. Studiengebühren und Schulautonomie machen Bildung zu einem Privileg der Reichen. Nationale Leistungsstandards machen aus der allgemeinbildenden Schule eine Auswendiglernfabrik.
Durch die Pensionsreform wird es schwierig für uns Jobs zu finden. Insbesondere weil die weitere Ausbildung nach der Matura immer kostspieliger wird.
Wir Linzer SchülerInnen haben uns in Aktionskomitees organisiert und sind bereit, durch Streiks, Demonstrationen und Aktionen an den Schulen die öffentliche Bildung zu verteidigen. Auch ihr habt in Betriebsversammlungen gezeigt, dass ihr bereit seid, gegen das unsoziale Regierungsprogramm zu kämpfen. Wir wissen, das SchülerInnen alleine nicht viel bewirken können.
Wir Linzer SchülerInnen erklären uns solidarisch mit euch in eurem Kampf gegen die Privatisierung der VOEST. Wenn ihr Kampfmaßnahmen ergreift, werden wir zu einem Generalstreik der österreichischen SchülerInnen aufrufen. Euer Kampf ist auch unser Kampf. Die einzige Macht, die die Pläne der Unternehmer und ihrer Regierung verhindern kann, ist die organisierte Arbeitnehmerschaft. Ihr nehmt durch euren Organisationsgrad und durch eure traditionelle Stärke eine Schlüsselrolle ein. Die Linzer Schülerschaft richtet ihre Augen auf euch. Von Euch hängt unsere Zukunft ab.
Die Linzer SchülerInnen