Am 5. Juli fand ein „Linker Ratschlag“ statt, an dem rund 70 KollegInnen aus mehreren Bundesländern und einer Vielzahl von linken Zusammenhängen teilnahmen. Welche Perspektiven hat diese Initiative?
Die erste Frage, die sich „die Linke“ aus unserer Sicht zu stellen hat, lautet: Was wollen wir überhaupt? MarxistInnen beantworten diese Frage in aller Kürze folgendermaßen: Ziel muss eine Überwindung des Kapitalismus und die Beseitigung von allen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung sein. Alle historischen Erfahrungen zeigen, dass dies nur auf revolutionärem Wege möglich ist.
Alle Formen eines rein auf Sozialreformen ausgerichteten Herumdokterns an diesem System führen zu kurz und lassen die Wurzeln des Problems unberührt. Abgesehen von den klassischen Organisationen der Linken, die ihre Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung haben (Sozialdemokratie, KP) ist diese Strömung auch in jüngeren linken Bewegungen (ASF, ATTAC,…) dominant. Das Versagen der reformistischen Linken und die Enttäuschung über das Agieren vieler linker Organisationen haben viele Menschen zu dem Entschluss kommen lassen, dass nur individuelles Handeln Veränderung bringen kann. Diese Ideologie treibt eine Vielzahl von Blüten: Fair Trade, „anders leben“, bewusst konsumieren, reisen usw. All diese Formen des bewussten Handelns bleiben jedoch in den Grenzen dieses Systems und können keine Perspektive für eine Überwindung der Ursachen für die sozialen und ökologischen Probleme der Menschheit liefern.
Die gegenwärtige Krise der Linken ist aus unserer Sicht vor allem eine Krise der Ideen, der Programmatik und der Methoden.
Die Linke zwischen Krise und Potential
Dass die Linke in einer schweren Krise steckt, ist mehr als deutlich. Was nicht heißen soll, dass es kein gesellschaftliches Potential für linke Ideen und Organisationen gibt. Ganz im Gegenteil. Die apokalyptischen Thesen vom unaufhaltsamen Rechtsruck entbehren – allen Wahlerfolgen rechtsextremer und populistischer Parteien und Gruppierungen zum Trotz – jeglicher materieller Grundlage. Die allgemeine Krise des Kapitalismus und die damit verbundene ökonomische, soziale, politische und ideologische Krise liefern prinzipiell einen sehr fruchtbaren Boden für alle Kräfte, die eine positive Veränderung der Gesellschaft anstreben. Auch hierzulande. Selbst die bürgerliche Meinungsforschung gibt dem Recht, wenn sie einer Linkspartei in Österreich ein beachtliches WählerInnenpotential zugesteht. Die Kluft zwischen Potential und realer Stärke der Linken ist jedoch eklatant.
Die These vom Zeitfenster
Die These, die für die Bildung eines Linksprojekts und ein linkes Wahlbündnis jetzt herangezogen wird, lautet: „Es gibt ein einzigartiges Zeitfenster, das wir nutzen müssen.“ Worin besteht dieses Zeitfenster? In der Krise der Sozialdemokratie, die in den letzten eineinhalb Jahren in der Großen Koalition ihre eigene Basis im Regen stehen hat lassen. Daran besteht kein Zweifel. Der Entfremdungsprozess zwischen der SPÖ-Spitze und der sozialdemokratischen Basis war noch nie so groß wie heute, der Loyalitätsverlust ist unbeschreibbar. Die Unzufriedenheit in der Sozialdemokratie ist die Grundlage für den Wunsch nach einer glaubhaften politischen Alternative – was nicht unbedingt zu verwechseln ist mit dem Wunsch nach einer neuen Organisation.
Zweifelsohne gibt es aber sehr wohl auch eine Schicht in der Sozialdemokratie, die z.B. nach Deutschland blickt und die dortige Linkspartei mit großem Interesse verfolgt und eine derartige Partei sich auch für Österreich wünschen würde.
Schwacher subjektiver Faktor
Somit spricht doch alles für dieses neue Linksprojekt, oder? Die Wahrheit ist jedoch immer konkret. Und an dieser Stelle kommt dem subjektiven Faktor eine sehr wichtige Rolle zu. Unter dem „subjektiven Faktor“ wollen wir hier die bereits existierende organisierte und tatsächlich aktive Linke verstehen, die zum Träger eines solchen Prozesses werden müsste. Im Großen und Ganzen haben wir es mit einer Vielzahl an linken Kleingruppen und EinzelkämpferInnen zu tun, die wenig mehr als sich selbst repräsentieren. Sie sind großteils Überbleibsel oder Restbestände der „Neuen Linken“, die sich nach 1968 in Österreich formiert und die in den „Neuen Sozialen Bewegungen“ der 1970er und 1980er einen gewissen Rückenwind verspürt hat, aber schon damals über keine wirkliche Massenverankerung verfügten (schon gar nicht in der ArbeiterInnenklasse). In der Periode der neoliberalen, rechtskonservativen Gegenoffensive ist sie aber in eine schwere Krise geraten. Leo Gabriel und Herrmann Dworczak, die in den Medien aufgrund ihrer zweifelhaft vorhandenen Selbstdarstellungskünste als Vertreter dieses Linksprojekts gelten, sind die besten Beispiele dafür. Sie erlangten durch ihr Engagement in der Antiglobalisierungsbewegung (speziell in den Sozialforen) eine relative Bedeutung in der Linken, repräsentieren aber nicht mehr als sich selbst.
Diese österreichische Linke ist seit ihren Anfängen charakterisiert durch einen fehlenden Bezug zur ArbeiterInnenklasse. Dies mag nicht verwundern. In den 1960ern bis Mitte der 1980er Jahre, wo sich diese Linke formierte, war die österreichische ArbeiterInnenklasse fest im Griff der sozialdemokratischen Bürokratie aus SPÖ und ÖGB. Der Reformismus hatte in dieser Phase eine materielle Basis, seine Dominanz über die Klasse war fast uneingeschränkt (wenn man von wenigen Ausnahmen, wie die „wilden Streiks“ in den 1970ern absieht).
Selbst die Teile der Linken, die bewusst auf die ArbeiterInnenklasse orientierten, konnten unter diesen Bedingungen keinen realen Einfluss auf die Klasse bekommen. In der gesamten Denkweise und im Handeln der Linken spielte die ArbeiterInnenklasse in der Folge keine besondere Rolle, auch wenn sich dies aus der heutigen Perspektive als folgenschwerer Fehler beweist. SPÖ und ÖGB wurden vielmehr nicht selten als Kräfte wahrgenommen, die auf der anderen Seite der Barrikade stehen (z.B. in der Umweltbewegung), was dann ja auch die Bildung der Grünen mit einem anfänglich nicht ganz unbedeutenden links-alternativen Flügel, der heute mehr oder weniger entsorgt wurde, begünstigte.
Hauptwiderspruch Kapital und Arbeit
Hierin liegt jedoch der Kardinalfehler großer Teile dieser Linken. Sie hat den Hauptwiderspruch in dieser Gesellschaft, jenen zwischen Arbeit und Kapital, aus den Augen verloren. Es fehlt hier der Platz, um diesen Aspekt genauer auszuführen. Für uns MarxistInnen ist jedoch dies der Ausgangspunkt für unsere gesamte Perspektive, Strategie und Taktik. Aus unserer Sicht kommt der ArbeiterInnenklasse aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess die zentrale Bedeutung im Kampf für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu. Dieses System würde ohne die tägliche Arbeit von Millionen Lohnabhängigen in Österreich und weltweit nicht funktionieren. Eine zukünftige Gesellschaft kann nur aufgebaut werden, wenn die ArbeiterInnenklasse an der Spitze dieses Prozesses steht und diesen in der Produktion wie in der Verwaltung trägt.
Es geht nicht um einer Verklärung der ArbeiterInnenklasse als Heerschar edler Menschen. Uns ist natürlich bewusst, dass die ArbeiterInnenklasse unter dem Einfluss herrschender Ideen, nicht zuletzt eben des Reformismus, steht, der in Österreich vor allem durch die Sozialdemokratie verkörpert wird. Uns ist bewusst, dass die ArbeiterInnenklasse in Österreich derzeit keine führende Rolle im Kampf um eine Gesellschaft, wie wir uns diese wünschen würden, einnimmt. Zu schwer wiegen die Erfahrungen jahrzehntelanger Sozialpartnerschaft und eben die immer noch vorhandene Dominanz des Reformismus (SPÖ und vor allem ÖGB).
Orientierung auf die ArbeiterInnenklasse
Die Linke, die jedoch eine Orientierung auf die ArbeiterInnenklasse im Grunde aufgegeben hat bzw. kategorisch ablehnt, und stattdessen auf eine Addition „der Linken“ setzt, ist zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn „die Linken“ noch so richtige Ideen und Programme hätten. Eine neue Linkspartei wird mehr noch als Führungsfiguren eine soziale Basis benötigen. Wenn diese Partei eine historische Funktion erfüllen soll, dann kann sie das nur, wenn diese soziale Basis in der ArbeiterInnenklasse liegt. Eine Linkspartei, die über keine Verankerung in der ArbeiterInnenklasse verfügt, ist genauso wenig ein Instrument zur Gesellschaftsveränderung wie jetzt schon die Sozialdemokratie. Daran wird auch nichts ändern, wenn dieses Linksprojekt auf dem Papier ein besseres Programm (ja selbst ein formal sozialistisches Programm), ehrlichere RepräsentantInnen vorzuweisen hätte oder sich unmissverständlich von rechtsextremen, populistischen Kräften abgrenzt. Das heißt nicht, dass sie dadurch nicht den einen oder anderen Wahlerfolg landen könnte. Das ist sehr wohl denkbar, und es gibt dafür Beispiele. Aber sie kann nur dann zu einem neuen, besseren Werkzeug werden, welches das alte, stumpfe Werkzeug Sozialdemokratie ersetzt, wenn es Ausdruck breiter Schichten von Lohnabhängigen in den Betrieben, Gewerkschaften und Arbeiterbezirken ist.
Das Parlament als Selbstzweck?
In der aktuellen Debatte fallen zwei Dinge auf: einerseits wird die Programmatik einer Linkspartei als etwas völlig zweitrangiges behandelt. Im Mittelpunkt der Diskussion steht: Wahlantritt ja oder nein, sowie die Frage wie ein demokratischer Entscheidungsfindungsprozess aussehen könnte. Demgegenüber sind wir der Überzeugung, dass Programm, Ideen und Methoden im Mittelpunkt eines jeden erfolgreichen politischen Projektes stehen müssen. Selbst wenn diese Frage positiv beantwortet werden würde (was wir angesichts der Heterogenität des „Linksprojektes“ ausschließen) scheint sich niemand die Frage zu stellen, was man mit einer Parlamentspräsenz überhaupt anfangen will. Wir sind der absoluten Überzeugung, dass eine „Linke“, die über keinerlei organisierte Verankerung in der ArbeiterInnenklasse verfügt, im Parlament vereinsamen und politisch degenerieren muss, daher dort auch nichts verloren hat. Eine Kandidatur von Linken sollte unseres Erachtens nur dort stattfinden, wo diese über eine organisierte Basis in der Klasse verfügt. Diese KandidatInnen müssen sich als ArbeiterkanditInnen verstehen, was heißt, dass sie sich in ihrer Arbeit als Sprachrohr und Instrument dieser organisierten KollegInnen und der Interessen der Klasse an sich verstehen (und daher selbst nicht mehr als einen Fachabeiterlohn verdienen dürfen). Nur unter dieser Voraussetzung kann die Parlamentsarbeit die Interessenslage der Lohnabhängigen befördern. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gesetzgebung nur einen gewissen Teil der Lebensfragen der Lohnabhängigen beantwortet. Höhere Löhne, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, Privatisierungsstopp usw. müssen unter heutigen Bedingungen in erster Linie von der ArbeiterInnenbewegung in der außerparlamentarischen Auseinandersetzung errungen werden. Ein klassenkämpferischer Politikansatz wird zuerst versuchen in gemeinsamer Praxis konkrete Lebensfragen wie die kommende Lohnrunde, die Stärkung der Gewerkschaftsbewegung durch Gründung von Betriebsgruppen, die betriebs- und branchenübergreifende Vernetzung von erprobten und kämpferischen AktivistInnen usw. vorantreiben, und so einen organischen Zusammenschluss der besten KlassenkämpferInnen dieses Landes forcieren. Die Bildung einer solchen Initiative kann leisten wozu isolierte Abgeordnete nicht imstande sind: die Herausbildung eines erprobten Pools an KlassenkämpferInnen, der fähig ist, aktiv in die Entwicklung der österreichischen Politik einzugreifen.
Ehrliche Entrüstung, ABER…
Wir können das ABER schon hören…“Aber, wir müssen doch JETZT ein linkes Zeichen setzen“, „Aber, wir müssen JETZT doch schauen, dass die vielen Unzufriedenen nicht zu den Rechtsextremen abwandern.“, „Aber, die SPÖ hat doch gezeigt, dass sie keine soziale Politik macht und sich jetzt der ‚Krone‘ auch noch unterworfen hat.“
Alle diese Argumente haben natürlich einen wahren Kern. Sie sind Ausdruck ehrlicher Entrüstung über gesellschaftliche Missstände, die Gefahr von rechts und das Versagen der Sozialdemokratie. So weit, so gut. ABER…
Letztlich ist es ein sehr moralisierender Zugang. Was in dieser Herangehensweise völlig fehlt, ist ein Verständnis für die Bewegungsgesetze im Denken und Handeln der ArbeiterInnenklasse. Die Linke – sofern sie dies überhaupt als ihre zentrale Aufgabe sieht – kann sich nur dann in der ArbeiterInnenklasse verankern, wenn sie diese theoretische Schwäche überwinden kann. Ansonsten verbleibt sie zwangsläufig in einer idealistischen Träumerei. Linkssein muss sich dann auf utopistische Konzepte im luftleeren Raum beschränken, und hat letztlich recht wenig praktische Bedeutung für die ArbeiterInnenklasse.
Verschiedene linke Ansätze
In der Linken gibt es natürlich diverse Ansätze zur Beantwortung dieser Fragestellung. Ein beträchtlicher Teil geht ohnedies davon aus, dass es die ArbeiterInnenklasse nicht mehr gibt, weil wir ja im sogenannten Postfordismus leben. Oft sind damit anarchoide Ideen verbunden, auf die wir hier nicht weiter eingehen wollen, weil sie wahrscheinlich für die weitere Entwicklung des Linksprojekts auch nicht sehr relevant sein dürften.
Dann gibt es jene, die sehr wohl den Gewerkschaften und BetriebsrätInnen eine gewisse Bedeutung zuschreiben, diese aber als gleichberechtigte Partner neben einer Vielzahl anderer „linker“ Initiativen und NGOs in ein gleichberechtigtes Bündnis bringen wollen. Sie gehen davon aus, dass der Fair Trade-Aktivist, einen gleichen Stellenwert haben soll in diesem Bündnis wie eine Betriebsrätin, die für Tausend ArbeiterInnen spricht. In der Realität sind diese Kräfte, die schon in der Anti-Globalisierungsbewegung den Ton angegeben haben, hauptsächlich auf die finanziellen Ressourcen der Gewerkschaftsbewegung aus, um ihre eigenen Projekte auf die Beine stellen zu können.
Und dann gibt es natürlich die Teile der sogenannten „rrrrevolutionären Linken“, die der ArbeiterInnenklasse einen zentralen Stellenwert zuschreiben, die aber mehrfach bewiesen haben, dass sie nicht imstande sind das marxistische Analyseinstrumentarium auf die ArbeiterInnenklasse selbst anzuwenden. Leo Trotzki verwendete für diesen Typus von RevolutionärIn mehrfach den Begriff „Sektierer“. Unter einem Sektierer verstand er jemand, der sich in seinem Kopf sein eigenes Bild von der ArbeiterInnenklasse schaffen will und unfähig ist die Klasse, so wie sie ist, zu begreifen. Dies geht einher mit einem völligen Unverständnis für die Rolle, welche die traditionellen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung (Gewerkschaften, Sozialdemokratie) spielen. Die Tatsache, dass große Teile der Klasse trotz alledem in diesen Organisationen organisiert sind, sie wählen, eine emotionale Bindung zu ihnen haben, und die Sozialdemokratie damit trotz Rechtsruck und bürgerlicher Politik über ein gewaltiges soziales Reservoir in der Klasse verfügt, das immer dann ausgeschöpft werden kann, wenn die Sozialdemokratie auch nur den kleinen linken Finger hebt, bleibt für diese Kräfte ein Buch mit sieben Siegeln, auf das sie entweder mit völligem Pessimismus oder mit moralisierendem, hysterisch anmutenden Appellen, ihrer revolutionären „Partei“ beizutreten, reagieren. Die Sozialdemokratie dann sogar noch als eine von vielen anderen bürgerlichen Parteien zu sehen, verbaut den Blick auf die tatsächlichen Prozesse in der Klasse, vor allem wenn diese unter der Oberfläche ablaufen. Und es sind genau solche Gruppen, die im derzeitigen Linksprojekt eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen.
Alle drei Ansätze führen aus unserer Sicht in eine Sackgasse und werden auch den Aufbau einer Linkspartei in Österreich, die diesem Namen und den damit verbundenen Hoffnungen bei vielen Menschen gerecht wird, unmöglich machen. Die Linke wird deshalb nicht darum herumkommen die Prozesse der politischen Differenzierung innerhalb der Sozialdemokratie im Sinne der Lebensinteressen der Klasse aktiv mitzugestalten. Die Entwicklungen innerhalb der organisierten ArbeiterInnenklasse – in Österreich bedeutet dies: die Entwicklungen in der Sozialdemokratie und vor allem den Gewerkschaften – ist der entscheidende Prozess der österreichischen Innenpolitik. Ob es im Nationalrat linke Abgeordnete gibt oder nicht, ist angesichts der gegebenen Voraussetzungen eine völlig nebensächliche Frage.
Es führt an der Sozialdemokratie kein Weg vorbei
Sicher ist es so, dass derzeit unzählige Lohnabhängige, auch viele langjährige Mitglieder und selbst eine Schicht von Funktionären, von der Sozialdemokratie so enttäuscht sind, dass sie diesmal sicher nicht der Faymann-SPÖ ein Kreuzerl schenken werden. Einige halten sogar Ausschau nach einer linken Alternative. Und viele mehr würden sich eine Linkspartei wie in Deutschland wünschen.
Entscheidend ist aber, dass es diese linke Alternative nicht gibt. Und unter diesen Umständen wird die überwältigende Mehrheit kritischer und linker SozialdemokratInnen, BetriebsrätInnen vorerst an der SPÖ festhalten, bis sich etwas Besseres auftut. Ein Arbeiter wird nie sein altes Werkzeug wegwerfen, so stumpf es schon sein mag, solange er nicht ein Besseres zur Hand hat.
Zurück von der Werkstatt zur politischen Ebene: Die Sozialdemokratie entstand einst als Kampfpartei der ArbeiterInnenklasse, die über Jahre in Massenkämpfen (Streiks, Bewegung für den 8-Stundentag, Wahlrechtsbewegung usw.) aufgebaut hat. Diese Partei hatte in ihren Anfängen einen klar revolutionären Anspruch. Diese revolutionäre Vergangenheit lebt – wenn auch in völlig verzerrter Form – bis heute in gewissem Maße in den Köpfen wichtiger Schichten der ArbeiterInnenklasse weiter. Das ist die Erklärung dafür, dass die Sozialdemokratie immer noch auf die soziale Karte setzen muss und sich um eine Einbindung der Gewerkschaften bemühen muss. Mitgliederschwund, Wahlverluste usw. zeigen, dass diese Bindung zwischen Sozialdemokratie und ArbeiterInnenklasse zwar lockerer geworden ist als in der Hochblüte des Reformismus. Aber sie existiert zumindest bei den fortgeschrittensten Teilen der Klasse in der einen oder anderen Form weiter. Wer diese Tatsache verkennt, geschweige denn versteht, dass in zukünftigen Bewegungen der sozialdemokratische Reformismus eine zentrale Rolle spielen wird und zum wichtigsten Referenzpunkt einer neuen Generation von KlassenkämpferInnen wird, der wird die Linke nie als neue ArbeiterInnenpartei aufbauen können. Nur so nebenbei: Die Bürgerlichen verstehen dies sehr wohl, und dies erklärt auch ihren ganzen Umgang mit der Sozialdemokratie spätestens seit dem Jahr 2000.
Es reicht nicht das rote Banner hochzuhalten, die neue Partei auszurufen und bei den Wahlen als „Linksprojekt“ zu kandidieren. Wer das glaubt, fügt allen Bestrebungen, die ArbeiterInnenklasse vom Reformismus loszulösen und eine revolutionäre Alternative aufzubauen, schweren Schaden zu. Wer die These von der Zentralität der ArbeiterInnenklasse akzeptiert und über eine korrekte Einschätzung der politischen Kräfteverhältnisse in der Klasse verfügt, der muss zu dem Schluss kommen, dass es gegenwärtig eine Anwendung der Einheitsfronttaktik braucht, die das Ziel hat, die fortgeschrittensten Teile der ArbeiterInnenbewegung für einen Bruch mit dem Reformismus und mit einer sozialpartnerschaftlichen Logik zu gewinnen und in Theorie und Praxis vom Marxismus zu überzeugen. So verlockend alle Vorstellungen von einer politischen Abkürzung sein mögen.
Konkret bedeutet das im Sommer 2008: Bauen wir ein linkes Netzwerk auf, das anhand der brennenden sozialen Fragen, vor allem der Teuerung, aktiven Widerstand zu organisieren imstande ist. Der Erfolg dieses Netzwerkes wird davon abhängen, in wie weit es gelingt, kritische und kämpferische BetriebsrätInnen für dieses Projekt zu gewinnen. Sie sind das Um und Auf, wenn es darum geht effektiven Widerstand gegen die Teuerungswelle, gegen die drohende Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen und gegen die künftigen Pläne einer ÖVP-geführten Regierung (Pensionsautomatik, Gesundheitsreform…) zu organisieren und zu mobilisieren. Wir schlagen vor, am 11. Oktober eine „Konferenz der Linken“ abzuhalten, die entlang dieser Linien den Grundstein zur Bildung eines solchen Netzwerks legt.