Kommentar zur Rolle der SPÖ-Führung unter Faymann nach dem Bruch der Koalition.
Nachdem die Parteiführung sich wie Budenfiguren im Wiener Wurschtlprater umschießen ließ, stellt sie sich nun wieder auf die Beine, um zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder zu Boden zu gehen. Mitleid hat die Parteiführung nicht verdient – aber uns kann die absolute Kapitulation vor den Bürgerlichen nicht egal sein. Harte Zeiten für die Arbeiterbewegung brechen an – die Zeit des Abwartens muss vorbei sein.
Von Anfang an war klar, dass das alleinige Interesse der ÖVP darin besteht, die SPÖ maximal zu schädigen. Dies wird nun bis zur Spitze offen zugegeben (das bekannte Spiel: im Nachhinein dürfen die Kritiker recht bekommen). Die SPÖ als politischer Ausdruck der Arbeiterbewegung massiv zu schädigen – dies ist besser und schneller gelungen als es sich Schüssel-Molterer erträumt haben.
Auch als im März bekannt wurde, dass die ÖVP in minutiöser Planung auf einen Regierungsbruch anlegt – hatte die Spitze nichts weiter zu tun als wie ein Kaninchen vor der Schlange sitzen zu bleiben. Die Beharrungskräfte an der Parteispitze waren stärker als jeder politische Realitätssinn. Dies ist nur aufgrund zweierlei Faktoren möglich: einerseits hat die Parteiführung einer bürgerlichen Politik nichts entgegen zu setzen (siehe Regierungsprogramm), andererseits wollte man solange wie möglich die gerade eroberten gemütlichen Parlamentssitze, Sekretärsposten etc. keinesfalls aufs Spiel setzen. Nun hat der Klassengegner präzise zugeschlagen.
Die Antwort: Vom Regen in die Traufe
Als am Montag erste Berichte in Parteikreisen und später in Medien herumgeisterten, dass Abgeordnete und Minister der SPÖ den Koalitionsbruch nützen wollen, um im Parlament Mehrheiten für Sozialreformen im Sinne der Jugend und ArbeiterInnen zu suchen, drehte die Spitze der Partei diese Initiativen sofort ab: Mit „Anstand“, „humanistisch“ und „pakttreu“ über den Tod hinaus soll diese Legislaturperiode zu Ende gehen. Der Grund ist einfach: sowohl in internen Versammlungen als auch über die Presse wird als strategisches Ziel dieser Wahlen ausgegeben: Die Wiederaufnahme der Großen Koalition. Wenn am Montag im ÖVP-Klub und den Ministerien die schwarzen Sekt- und Champagnerkorken noch knallten, kann man heute schon das schallende Lachen der Bürgerlichen vernehmen.
Wie soll die „Wahlschlacht“ geführt werden?
Bei einer SPÖ-Veranstaltung in Wien-Leopoldstadt haben Ex-Bundesparteigeschäftsführer Kalina und Harry Kopietz folgende Linie vorgegeben:
1. Als großer Vorteil der SPÖ wird die „Unbeschriebenheit“ und „Freundlichkeit“ des designierten Vorsitzenden gesehen. Ein Politiker ohne Eigenschaften als Vorteil – dies allein löst Heiterkeit aus. Als erstes also sind die Parteimitarbeiter angehalten den netten, vernünftigen Werner mit den Autofähnchen ins sympathische Licht zu rücken.
2. Hier gibt es zwei Varianten:
2a) Man gibt zu, dass man einen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten hat, und tut Buße. Daraus folgend versucht man die meiste Zeit des Wahlkampfes dazu zu verwenden, vergessen zu machen, was man versprochen und nicht gehalten hat. Sinngemäß in den Worten des abgesetzten Parteisekretärs: „A Nix kann ma ned positiv kommunizieren“.
2b) Man ruft sich und den potentiellen Wähler und Wählerinnen in Erinnerung was diese Regierung alles Positive gestaltet hat. Das Wiener Parteisekretariat arbeitet schon fest an dieser Liste, damit wir die Segnungen von Rot-Schwarz fest im Gedächtnis haben: die Pendlerpauschale (2,5 Liter Benzin im Monat), die Deckelung der Medikamentenkosten (die noch nicht schlagend wurde), die Pensionserhöhung (unter der Inflationsrate), die schrittweise Einführung eines Mindestlohnes von 1000 Euro brutto (die noch nicht in Kraft ist), die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 (die in jeder öffentlichen Schule deutlich überschritten wird) – kurz und gut wir reden alles schön und schöner und schweigen über: Studiengebühren, fortgesetzte Umverteilung zu den Reichen (Abschaffung der Erbsteuer, Senkung der Eingangssteuer für Stiftungsgelder, fehlende Steuerreform zugunsten der ArbeitnehmerInnen), Eurofighter, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Pleite der Krankenkassen, Aushungern der Arbeitslosenversicherung (durch die Senkung der Beiträge von Beziehern niederer Einkommen).
3. Hier ist man sich wieder einig: Wir versprechen nichts außer, dass die Sozialdemokratie der Schutzschild gegen die Verarmung der Mittel- und Unterschichten ist. Wir fordern nur Sachen, die realistisch sind, sprich, Dinge die man mit der ÖVP wieder umsetzen kann – also Nichts in unserem Sinne.
4. Wir präsentieren uns als die Gegner der ÖVP, insbesondere von Schüssel und Molterer, sagen aber gleichzeitig, dass wir gemeinsam mit ihnen wieder eine Regierung machen werden wollen.
Abwarten ist vergeudete Zeit
Hunderte und Tausende AktivistInnen, BetriebsrätInnen und SektionsmitarbeiterInnen stehen vor einem Dilemma: Wir müssen in den Kampf ziehen, aber mit einer Führung an der Spitze, die uns ArbeitnehmerInnen offen verhöhnt, sich den Bürgerlichen von vorneherein unterwirft, die keine Perspektive anbietet, die kein einziges konkretes Projekt zur Verbesserung der Lebenssituation der arbeitenden Menschen hat. Andererseits wissen wir aber auch, dass jede Schwächung der Sozialdemokratie als Sieg der Bürgerlichen gewertet werden wird, dass jedes Prozent Vorsprung der ÖVP und der kometenhafte Anstieg der FPÖ eine neue „Blut und Tränen“-Politik garantieren wird. Die Bürgerlichen werden noch stärker sein, als dies in der Periode Schüssel der Fall war. 2000 bis 2006 konnte man die Arbeiterbewegung ausgrenzen, heute hat man sie substanziell geschwächt: der ÖGB eiert als Schatten seines einstigen Selbst als Regierungserfüllungsgehilfe in der sogenannten „Sozialpartnerschaft“ herum, und die Partei wurde selbst vom mittelmäßigen Molterer bis auf die Unterhosen ausgezogen. Die Industriellenvereinung wird nach der zu erwartenden Wahlniederlage grünes Licht für einen Generalangriff auf die Lohnabhängigen geben.
Neue Zeiten – neue Maßnahmen!
Der Wahlkampf wird von der Spitze so angelegt sein, dass wir nichts gegen ÖVP und FPÖ in der Hand haben werden. Wollen wir die Bürgerlichen einbremsen, haben wir angesichts der fehlenden Optionen auf dem Wahlzettel nur eine Chance: wenn wir dem Katastrophen-Wahlkampf der Parteiführung einen eigenständigen Wahlkampf für die SPÖ entgegensetzen, der allein die Interessen der ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen zum Inhalt hat. Gleichzeitig müssen wir glaubhaft und sichtbar daran gehen die Diktatur der Parteispitze und die Betondecke der Sozialpartnerschaft zu durchbrechen und für unsere Forderungen aktiv kämpfen.
Der Wunschkatalog der Bürgerlichen
Fast wehmütig blickt heute „Die Presse“ in ihrem Leitartikel auf Gusenbauer zurück:
„Und er hat es gewagt, den schädlichen Einfluss der Gewerkschaften in der SPÖ zu reduzieren. Der sinnlose Widerstand gegen Studiengebühren und Pensionsautomatik war dem Kanzler zu Recht kein Anliegen. Dass mit dem moderaten Gusenbauer nicht das sozialistische Paradies auf Erden anbricht, das konnten oder wollten seine Genossen nicht verstehen.“
Man kann dies als Auftrag für die SPÖ-Spitze sehen, als Vorbedingung für ihre weitere Regierungsfähigkeit – und wie oben geschildert: diesen Weg zu gehen sind Faymann & Co. bereit. Was hier geschieht ist kein Hagelschauer, dem wieder Sonnenschein folgen wird. Klare Verhältnisse sollen in der Arbeiterbewegung geschaffen werden: Die Politik des ehemaligen deutschen Bundeskanzler und Totengräber der SPD Schröder ist konsequent zu verfolgendes Vorbild. Und damit nicht genug. Auch wenn der ÖGB in seiner nicht vorhandenen Kommunikationspolitik so tut, als ob es sich um Vorgänge in einem fernen Land handeln würde: die gesamte Strategie der Gewerkschaftsführung liegt in Trümmern. Unfähig und unwillig hohe Lohnabschlüsse zu erzielen, knöpfte sich Hundstorfer den Gusenbauer vor um ihm die Steuerreform in die Agenda zu schreiben. Dies führte vor Ostern beinahe zum Koalitionsbruch, obwohl die SPÖ-Vorschläge ohnedies extrem gemäßigt sind: das Volumen der vorgeschlagenen Lohnsteuersenkung würde die kalte Progression der letzten zweieinhalb Jahre ausgleichen, nichts Substanzielles – und selbst dies war für die Bürgerlichen zuviel. Angesichts der massiven Teuerung muss der ÖGB von den Betriebsräten heuer im Herbst gezwungen werden, massive Lohnerhöhungen durchzusetzen. Dies ist entgegen der Tradition und der Ideen der österreichischen Gewerkschaftstradition, die immer lieber Wirtschaftspolitik durch die Regierung als durch eine Mobilisierung in den Betrieben machte. Die politische Option ist nun komplett vom Tisch. Wenn wir heuer verhindern wollen, dass Teuerung und Steuerprogression unsere Einkommen weiter dahin schmelzen lassen, müssen die ersten Ansätze zu aktiver Intervention von Betriebsräten und Belegschaften in die Lohnverhandlungen vernetzt und gestärkt werden.
Auf Basis eines eigenständigen Wahlkampfes und selbstständiger Initiativen aus den Betrieben kann und wird es gelingen den Grundstein für eine organisierte Linke zu legen. Dieser Aufgabe haben wir uns verschrieben und wir rufen alle auf, diese Initiative aufzunehmen, mitzugestalten und zu vernetzen.