Geht es nach Regierung und Kapital, heißt es für die Jugend angesichts von Klimawandel, sozialen Problemen und Partyverboten: Hände falten, Goschn halten. Aber weltweit zeigt die Jugend, dass sie die Generation der Revolution ist.
Politiker und Kapitalisten setzen auf die altbewährte Pädagogik mit dem Knüppel. Über ein Jahr wurde so gut wie jeder Sozialkontakt untersagt, während man weiterhin arbeiten gehen „durfte“, um Profite für die Bosse zu erwirtschaften. Nach Monaten von Polizeikontrollen – die mitunter gezielt als „Aktion scharf“ gegen Jugendliche eingesetzt wurden – können die Beamten jetzt die Sau rauslassen: In Wien etwa am 1. Mai im Votivpark, mit der Sperre des Donaukanals, am Karlsplatz.
Die Regierungen der Reichen und die Polizei tun so, als würden die Städte ihnen gehören. Die Straßen sollen wohl am besten nur noch als Arbeitsweg und zum Einkaufen genützt werden. Die Exekutive kann sich in ihrem Vorgehen gegen zahlungsunwilligen Pöbel auf der Straße auf immer mehr rechtliche Grundlagen stützen. Neben Covid-Gesetzen und Einschränkungen beim Demonstrationsrecht (Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden; Vermummungsverbot) werden auch Alkoholverbote in immer mehr Städten Usus. In Steyr wird ein allgemeines Alkoholverbot auf Innenstadtplätzen eingeführt, in Bregenz erließ der Bürgermeister ein Partyverbot am klassischen Jugendtreffpunkt, der Pipeline, am Bodenseeufer.
Das nächste Herzensprojekt: Skateverbot. Ein FPÖ-Anwalt des „kleinen Mannes“ verhalf der Grazer Stadtregierung dieses Frühjahr zu der Erkenntnis, dass man die Straßenverkehrsordnung auch kreativ so auslegen darf, dass Skaten in der Innenstadt ab jetzt bestraft werden kann. Dass der Innenminister höchstpersönlich die Polizei gegen Jugendliche im Wiener Stadtpark ruft – die allen Bemühungen zum Trotz vor Ort kein Problem feststellen kann – ist selbst für manche Bürgerliche ein wenig peinlich. Außerdem: Lieber Feierlaune und politische Apathie als Klassenkampf und Widerstand, denkt sich so mancher Politiker.
Und so werden einige Stimmen laut, die mitleidsvoll den jugendlichen „Klienten“ sozialarbeiterische Hilfe beim Feiern nahelegen und ein bisschen mehr konsumfreie Räume gut fänden. „Anstatt die Kids in der Innenstadt zu fragen, wie es ihnen geht und ob ihnen etwas fehlt, anstatt mit Sozialarbeiterin hineinzuhören, was zu Hause los ist, werden sie mit einer Repression bedacht“, lamentiert Klenk im „Falter“ (23.3.). Es gehe darum, „den Treffpunkt für Jugendliche dahingehend zu begleiten, um die Sicherheit für die Feiernden zu gewährleisten“, so Wiens Bürgermeister Ludwig.
Der karitative Hilfeschrei im Namen der Jugend stößt auf einfühlsame Ohren: Bildungsminister Faßmann (ÖVP) weiß, was zu tun ist. Ab jetzt wird Spaß ministeriell verordnet. In einem Schreiben hält Faßmann alle SchülerInnen dazu an, am 28.06. zwischen 10:05 und 11:35 via ORF-Liveübertragung gemeinsam zu feiern. „Mit Pizzera & Jaus, DJ Ötzi, Alle Achtung und Tina Naderer treten vier nationale Künstler/innen den Schüler/innen zu Ehre auf.“
Generation Krise?
Die Tragikomödie der herrschenden Politik erreicht täglich neue Tiefen. Indes gibt es immer noch einige, die der Meinung sind, die Jugend „jammere auf hohem Niveau“. Das ist weit gefehlt. Ein paar Schlagworte genügen: Bildungschaos, Jobunsicherheit, Stress. Und alles überschattend ist die tickende Zeitbombe der Klimakatastrophe. Für fast die Hälfte der Jugendlichen in Österreich ist der Klimawandel ein Top-Risiko (Allianz Jugendstudie 2021).
Ein Viertel der Jungen leidet unter psychischen Problemen. Sie fühlen sich müde, gestresst und überfordert. 1,5 Jahre Pandemie liegen hinter uns, in denen diejenigen, die keine Profite erwirtschaften – also z.B. SchülerInnen – in den Augen der Bürgerlichen die geringste Priorität hatten. Am längsten im Lockdown, ganz unten in der Impf-Reihung, kaum Lernfortschritte im Zoom-Dschungel, aber trotzdem Notendruck und Prüfungsstress.
Doch es ist nicht nur die Pandemie, sondern das ganze kapitalistische System. Laut einer Online-Umfrage vom März 2021 sagte ein Fünftel der 16- bis 25-Jährigen in Österreich, dass sie sich in einer schwierigen finanziellen Situation befinden. Ein Drittel macht sich Sorgen über leistbares Wohnen. Ganze drei Viertel befürchten, den Schuldenberg nach der Pandemie allein tragen zu müssen. Zahlen von Eurostat belegen, dass das nicht nur Einbildung ist. Während die offizielle Arbeitslosenquote in der EU bei 8% liegt, beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 17,1% (Stand April 2021). In den letzten 10 Jahren sind die Mietkosten explodiert, in Österreich um +81,4%.
In Großbritannien zeigte eine Umfrage von „Save the Student“, dass sich die Zahl der Studierenden, die im Sexgewerbe tätig sind, um sich ihr Leben zu finanzieren, innerhalb von zwei Jahren (2017-2019) verdoppelt (!) hatte und bei einer von 25 Studierenden lag. Dazu zählt Prostitution genauso wie Dating für Geld oder der Verkauf von Nacktfotos und Unterwäsche.
Während in den USA (ähnlich wie in anderen westlichen Ländern) für die Nachkriegsgenerationen eine über 90prozentige Chance bestand, dass die Kinder mehr als ihre Eltern verdienen würden, ist es heute bestenfalls eine 50:50 Chance (FT, 25.4.).
Rund um den Globus gibt es eine ominöse Vorahnung, was die Zukunft betrifft. Die Financial Times führte kürzlich eine weltweite Umfrage von unter 35-Jährigen durch. „Es ist zermürbend – keiner verlangt eine Sonderbehandlung, aber all meine Freunde haben ihr ganzes Leben so hart gearbeitet und viele verlieren das Vertrauen ins System,“ sagt einer. Ein Bankangestellter Mitte 20 meint: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir auf einen Abgrund zusteuern, oder sogar schon hinabstürzen.“ (FT, 25.4.)
Generation Revolution!
Doch die Jugend ist kein bemitleidenswerter Haufen. Millionen gingen weltweit gegen den Klimawandel und für „Black Lives Matter“ auf die Straße. Die größte Angst hat die Bourgeoisie vor einer Revolution, doch die werden sie nicht aufhalten können. Nigeria, Oktober 2020: Eine beispiellose Massenbewegung der Jugend gegen Polizeigewalt erschüttert das Land. Kolumbien, Mai 2021: Trotz gezielten Morden und Repression durch die Regierung treten die ArbeiterInnen in wochenlange Streiks und erzwingen den Rücktritt des Finanzministers und die Rücknahme einer Steuerreform. Israel/Palästina, Mai 2021: Palästinensische ArbeiterInnen und Jugendliche verbünden sich über die Grenzen hinweg, streiken und entlarven so Netanyahus Strategie, durch Krieg von der eigenen Korruption und Regierungskrise abzulenken. Die Liste ist lang.
Das „Nein“ gegen das herrschende System verdichtet sich, der Druck steigt. Doch was fehlt, ist eine klare, revolutionäre Perspektive, die weiß, wie der „Schrecken ohne Ende“, und nichts anderes ist der Kapitalismus, überwunden werden kann. Der Marxismus bietet genau das und hat das Ziel, all diejenigen zu organisieren, die den Kapitalismus stürzen wollen. Die einzige Kraft, die die Gesellschaft transformieren kann, ist die Arbeiterklasse. Die Jugend ist ihre Vorhut. Wie der russische Revolutionär Leo Trotzki schrieb:
„Die Erneuerung der Bewegung vollzieht sich durch die Jugend, die frei ist von aller Verantwortung für die Vergangenheit. (…) Nur die frische Begeisterung und die Angriffslust der Jugend können die ersten Erfolge im Kampf sichern; nur diese Erfolge können die besten Elemente der alten Generation auf den Weg der Revolution zurückkehren lassen. So war es bisher und so wird es immer sein.“ (Übergangsprogramm)
Wien, am 1.7.2021
Aus dem Inhalt:
- Österreich
- Justiz: „Weitergehen, es gibt nichts zu sehen!“
- Wiener Bildungsreform stößt auf Widerstand
- SPÖ: Eine viel zu stumpfe Waffe
- Nun sag, wie hast du’s mit der Polizei?
- Leserbrief: Mindestsicherung – ständig unter Druck
- Afghanistan ist nicht sicher. Hungerstreik gegen Schubhaft
- Betrieb & Gewerkschaft
- PflegerInnen haben es stt
- Leserbrief: 500€: Geld stinkt nicht, aber eigentlich schon
- Steyr-Arbeiter: Billig verkauft
- Jugend
- Clubkultur und Kommunismus
- Graf Hugo – Die Jugend muss dem Luxus weichen
- Schwerpunkt
- Kapitalisten setzen auf Tricks und Illusionen
- Neues Theoriemagazin der IMT
- International
- Deutschland: Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz?
- Italien: Es war kein Unfall, es war Mord im Namen des Profits
- Die Mingong und die Radikalisierung der chinesischen Arbeiterklasse
- Umwelt
- Seaspiracy: Die Verschwörung heißt Kapitalismus
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