Eines Tages im Jahre 1953 erlitt Josef Stalin einen Schlaganfall und starb. Doch bis heute ist er offensichtlich für Einige politisch noch nicht gestorben. Von Sandro Tsipouras.
Unter Stalins Führung – er war seit 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewesen – wurde die Sowjetmacht, die revolutionäre Selbstorganisation der Massen, erwürgt und durch ein bürokratisches Theater ersetzt. Gleichzeitig wurde um Stalin ein beispielloser Personenkult errichtet, in dem er zu einem nahezu göttlichen Wesen verklärt wurde. Um sich der verbleibenden Revolutionäre zu entledigen und das bürokratische Regime abzusichern, organisierte man eine Terrorkampagne gegen den „Trotzkismus“, der hunderttausende aufrichtige KommunistInnen zum Opfer fielen.
Man möchte es nicht glauben, aber es gibt immer noch Leute, die auf die unverschämt-verlogene Stalin-Propaganda hereinfallen. Darunter etwa die Landesorganisationen Tirol und Salzburg der Kommunistischen Jugend Österreichs, die im Dezember 2020 in ihrem „Adventskalender“ auf Instagram allerlei abenteuerliche Behauptungen aufstellen.
Am 1. Dezember öffnete sich beispielsweise ein Kalendertürchen über Sergei Kirow, der im Jahr 1934 ermordet wurde. Der Verantwortliche ist schnell benannt. So gab es „in der Sowjetunion eine trotzkistische Terrorganisation, die sich aus ehemaligen Sozialrevolutionären, Menschewiki, Berufsmördern und früherer Agenten der zaristischen Ochrana (Geheimpolizei) zusammensetzte. In den Randgebieten der Sowjetunion wurden hierfür noch allerhand sowjetfeindliche Nationalisten und Faschisten angeworben. Der Mord an Kirow dürfte auf das Konto dieser konterrevolutionären Terrororganisation gehen.“
Diese Begründung diente in den 1930er Jahren als Ausrede zur Ermordung beinah aller Oppositionellen in der Sowjetunion. Sie klang damals nicht weniger absurd als heute: Während fast ausnahmslos alle alten Bolschewiki, die die Revolution angeführt hatten, unter ähnlichen Begründungen wie zitiert ermordet wurden, führte mit dem Generalstaatsanwalt Wyschinski ein ehemaliger Menschewik die Anklage, der während der Revolution 1917 als Chef der Miliz (Polizeitruppe) eines Moskauer Stadtbezirkes Lenins Haftbefehl unterschrieben hatte.
In der UdSSR wurde man mit Waffengewalt davon abgehalten, Einspruch zu erheben. Dass aber heute eine Jugendorganisation, die von sich behauptet, den Kapitalismus revolutionär überwinden zu wollen, uns diesen alten Wein in neuen Schläuchen präsentiert, ist allerdings eine besondere Kuriosität.
Am 18. Dezember betrat dann der große Held die Bühne des Adventskalenders. Josef Stalin, so erfahren wir, „wird 1912 Mitglied des Zentralkomitees der Bolschewiki.“ Er „erwarb sich im Bürger- und Interventionskrieg viele Verdienste, übte bereits damals Leitungsaufgaben in der KPR(B) aus und vertrat Lenin bei Parteitagen, wenn dieser nicht beiwohnen konnte.“
Welche Verdienste? Was für Aufgaben? Das weiß der Himmel. Doch zu behaupten, Stalin habe bei Parteitagen einfach Lenin „vertreten“, ist eine besondere Unverschämtheit. Jede Parteikonferenz und jeder Parteitag, an denen Lenin nicht teilnehmen konnte, wurde von der sich bildenden bürokratischen Kaste unter Führung Stalins als Gelegenheit genutzt, ihre Positionen zu festigen. Beispielsweise wurde auf der 12. Allrussischen Konferenz der KPR(B) Ende 1922 erstmals festgehalten, dass ca. 15.000 Personen, die von der Partei bezahlt wurden und ihre Familien einen privilegierten Status hinsichtlich des Wohnraums, der medizinischen Versorgung und der Kinderbetreuung erhalten sollen.
In der Russischen Revolution 1917 erkämpften sich die Frauen das Recht auf Abtreibung und Scheidung. Unter Stalins Regime wurden ihnen diese Rechte wieder massiv eingeschränkt. Die KJÖ Tirol geht in einem Kommentar tatsächlich so weit, dieser frauenfeindlichen Politik ein Lob für „die Gleichstellung der Frau“ auszusprechen und diese noch als „unauslöschliche Errungenschaft“ zu bezeichnen.
Ohne den Stalinismus als schweren Rückschlag für die Revolution zu verstehen und aus diesen Erfahrungen zu lernen, ist es unmöglich, sich auf die zukünftigen Klassenkämpfe und Revolutionen vorzubereiten. Doch gerade diese Vorbereitung, deren wichtigste der Aufbau einer revolutionären Organisation ist, ist entscheidend, um den Kapitalismus tatsächlich zu überwinden. Es ist diesem Zweck nicht dienlich, seine Zeit mit stalinistischer Propaganda zu verschwenden. Wir rufen daher alle, die sich als KommunistInnen oder RevolutionärInnen verstehen, dazu auf, sich uns in diesem Kampf anzuschließen.
(Funke Nr. 190/20.1.2021)