Die aktuelle Covid19-Krise stellt einen historischen Wendepunkt dar. Gerade für uns KrankenpflegerInnen gibt es kein „Zurück an den Start“. Die Folgen werden uns noch lange beschäftigen und daher müssen wir schauen, dass wir unsere Arbeitsbedingungen verteidigen und verbessern. Ein Kommentar von Martin Gutlederer.
Im Gesundheitswesen hatten wir die letzten Wochen die ständige Ruhe vor dem Sturm. Hier hat sich gezeigt, zu welch großartigen Leistungen die arbeitenden Menschen fähig sind und welche Kapazitäten für den Notfall geschaffen werden konnten.
Nichtsdestotrotz haben einige Krankenhaus-Leitungen in Österreich unverblümt versucht, Arbeitsrechte zu untergraben und KollegInnen die Schuld an ihrem eigenen Führungsversagen zu geben. Es wurde versucht, Betriebsräte zu entlassen und freiwillige Zustimmungserklärungen zur Überschreitung der durchschnittlichen gesetzlichen Wochenarbeitszeit zu erzwingen. Führende GewerkschafterInnen haben unsere Interessen verraten und schlagen angesichts der Perspektivenlosigkeit ihrer Politik wild um sich. Das zeigt sich am völligen Ausverkauf bei den SWÖ- Verhandlungen durch das kleine Verhandlungsteam ebenso wie an den erratischen Wortsalven der FSG-Younion in Wien, die kritische KollegInnen mundtot machen sollen.
Die gesamte Bundesregierung hat mit ihrer Gesetzgebung gezeigt, dass es ihr mit dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und erst recht mit dem Schutz der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich nicht ernst ist. Wie sonst lässt sich erklären, dass die KollegInnen in unserem Bereich explizit davon ausgenommen sind, als Angehörige von Risikogruppen von der Arbeit an PatientInnen fernbleiben zu können. Ich sage es unverblümt: Ich ziehe es vor, viele Überstunden machen zu müssen, als bei der Intubation einer Kollegin mit Covid19 zu assistieren oder sie in eine Bauchlage bringen zu müssen, weil sie an akutem Lungenversagen leidet.
Der Mangel an Schutzausrüstung – vielfach dokumentiert und politisch anerkannt – ist kein Naturereignis, das über uns hereingebrochen ist, sondern die notwendige Konsequenz des ständigen Sparens in unserem Gesundheitssystem.
An unserer Situation wird sich, nur weil wir in der Krise „brave Helden an der Gesundheitsfront“ sind, von selbst nichts ändern. Außer einem feuchten Händedruck und leeren Worten ist von der Wirtschaft und der Regierung rein gar nichts als „Danke“ zu erwarten. Arbeitsrechtliche und finanzielle Verbesserungen wird uns niemand schenken.
Wenn wir unsere Interessen durchsetzen wollen, müssen wir für unsere Forderungen kämpfen. Die derzeitige Politik der Gewerkschaftsführung ist dabei ein Hindernis, da sie auf Sozialpartnerschaft setzt. Nicht einmal die monatealte öffentliche Zusage des Bürgermeisters, die Optierungsmöglichkeit in ein für viele Beschäftigte besseres Besoldungsschema kann so eingelöst werden. Wir haben dem Bürgermeister dieses Versprechen in einem monatelangen Arbeitskampf abgerungen, aber die younion kann den Ball nicht versenken. Weil wir der Meinung sind, dass wir nur auf unsere eigene Stärke vertrauen können, haben wir die „Liste Solidarität“ gegründet.
Unser Ziel bleibt es, dass wir, die Belegschaften in den Krankenhäusern, streikfähig werden. Ein Weg, den wir schon seit längerer Zeit vorgeschlagen haben, ist die Umsetzung eines streikhaften Notbetriebs. Dass so ein Notbetrieb als Höhepunkt einer Eskalationsspirale in einem Arbeitskampf ungefährlich und gut umgesetzt werden kann, haben die Erfahrungen der letzten Wochen gezeigt. Was es aber braucht ist es, dass wir selbst uns in die Lage versetzen einen solchen Notbetrieb aktiv durchzusetzen. Dafür müssen wir uns auf unseren Stationen organisieren.
Dafür wird es ein enges Netz von Vertrauensleuten auf allen Stationen brauchen, die sich regelmäßig und organisiert austauschen und in einem engen Kontakt mit ihren KollegInnen stehen und die Grundlage dafür legen, die Politik der Gewerkschaften zu verändern oder diese dazu zu zwingen, unsere Interessen tatsächlich zu vertreten. Wir sagen daher: Werdet selbst aktiv und helft uns gemeinsam mit der „Liste Solidarität“ ein Fundament für künftige Kämpfe um Verbesserungen im Gesundheitsund Sozialbereich zu legen. Meldet euch bei uns unter kontakt@solidaritaet-wien.at !
Der Autor ist Gesundheits- und Krankenpfleger im Aufwachraum des Wilhelminenspitals und Personalvertreter der Liste Solidarität.
(Funke Nr. 183/27.4.2020)