Der 19. Mai war ein weiterer Wendepunkt in der algerischen Revolution, die von Tag zu Tag stärker wird. Zehntausende von StudentInnen gingen auf die Straßen von Algier, um echte Veränderung zu fordern.
Hintergrundartikel:
Die Versammlung der StudentInnen fand vor der Zentraluniversität in Algier statt. Dort beschlossen die StudentInnen, einen Marsch zum Hauptquartier der Nationalen Volksversammlung (dem algerischen Parlament) zu organisieren. Die Sicherheitskräfte griffen jedoch brutal ein, um sie daran zu hindern. Dabei gab es viele Verletzungen und Verhaftungen.
Die StudentInnen gingen dann zum „Zentralen Postplatz“, dem Treffpunkt aller Kundgebungen seit Beginn der revolutionären Bewegung. Dort hielten sie einen Sitzstreik ab und skandierten Parolen, die die Repressionen verurteilten und den Sturz der Diktatur, das Abdanken aller Vertreter des alten Regimes sowie die Machtübernahme durch das Volk forderten.
Revolutionäre Traditionen
Dieser Protest ist nicht der erste seiner Art. Seit Beginn der gegenwärtigen revolutionären Bewegung am 22. Februar demonstrieren die algerischen StudentInnen jeden Dienstag. Was den 19. Mai jedoch auszeichnete, war das Zusammentreffen mit dem „Nationalfeiertag des algerischen Studenten“, der eine wichtige Entwicklung in der Geschichte Algeriens darstellt und an die massenhafte und organisierte Teilnahme der StudentInnen an der algerischen Revolution 1963 erinnert. Dies bedeutet, dass die StudentInnen begonnen haben, die Fäden der Geschichte neu zu verbinden, um die Gegenwart mit der Vergangenheit zu verknüpfen.
Die algerischen StudentInnen haben eine entscheidende Rolle in der Revolution gegen die französische Kolonialherrschaft gespielt. Besonders als sie am 19. Mai beschlossen, zu streiken, ihre Universitäten und Schulen verließen und sich den Revolutionären in- und außerhalb Algeriens angeschlossen haben.
Ihr wichtigster Beitrag zur Revolution bestand aus Ideen. Durch ihre Teilnahme verhalfen sie den revolutionären Medien zu einem qualitativen Schritt nach vorne. „Die Studenten übernahmen die Verantwortung für den Mediendienst während der Revolution – darunter das Radio, die Herausgabe von Zeitungen und Broschüren wie ‚die Revolution‘, ‚die Stimme des Berges‘, ‚der Krieg‘, ‚der Widerstand Algeriens‘, ‚Al-Mujahid‘ und andere“, schreibt Ahmed Mariouche in seiner Studie über die algerische Studentenbewegung (S. 352).
In ‚Al-Mujahid‘ wurde darauf hingewiesen, dass der algerische Student entweder als Soldat, politischer Kommissar, Krankenpfleger oder Lehrer in den Kampf gezogen sei, dass er den Bürgern allgemeine Regeln für das Leben, von Gesundheitsfragen bis hin zum Lesen und Schreiben, vermittelt habe. (S.367)
Leutnant Mohammed Saiki behauptet in seinen Memoiren, dass „der Streik der Studenten am 18. Mai 1956 die Fortsetzung der Revolution erst ermöglichte“ (S. 335).
Genau das braucht gegenwärtige revolutionäre Bewegung jetzt von den StudentInnen. Ideen, ein revolutionäres Programm und eine internationalistische Haltung. Die revolutionären Massen wissen heute genau, was sie nicht wollen: Sie wollen nicht, dass die herrschende Clique an der Macht bleibt, sie wollen keine Diktatur, Korruption, Sparmaßnahmen, Armut und Arbeitslosigkeit. Dies zeigt sich in den Slogans der Demonstrationen. Aber sie wissen nicht genau, was sie wollen: Sie wissen nicht, was die Alternative ist, und sie haben kein klares Programm zur Umgestaltung der Gesellschaft. Und hierin liegt die entscheidende Rolle, die die Studentenbewegung spielen kann.
Studenten und Arbeiter: Vereinigt euch und kämpft!
Damit die heutigen algerischen StudentInnen sich ihrer ruhmreichen Geschichte als würdig erweisen, um den Erwartungen der revolutionären Bewegung und den historischen Aufgaben, mit denen sie heute konfrontiert sind, gerecht zu werden, müssen sie sich demokratisch organisieren, damit die Studentenmassen die Möglichkeit haben, ihre Vertreter zu wählen und zu kontrollieren. Es ist notwendig, an allen Universitäten und Gymnasien Studentenräte und Streikkomitees zu bilden und diese auf lokaler und nationaler Ebene zu koordinieren.
Sie müssen auch eine effektive und dauerhafte Verbindung zur Arbeiterklasse herstellen. Sie sollten zur Arbeiterklasse an den Arbeitsplätzen und in den armen Vierteln gehen und ihre Kämpfe verbinden. Sie müssen ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen zu Universitäten und Studentenversammlungen einladen, um von ihnen zu lernen und sie zu lehren. Die Arbeiterklasse ist letztendlich die einzige revolutionäre Klasse, die die Macht hat, das bestehende System überwinden. Sie ist die wahre Produzentin des Reichtums. Ohne ihre Arbeit dreht sich kein Rad und bewegt sich keine Maschine.
ReformistInnen sprechen gerne von „Ziviler Regierung“, „politischer Freiheit“ und so weiter. Aber sie sagen kein Wort darüber, wer den Reichtum monopolisiert und wem die großen Unternehmen, Banken, Grundstücke, Öleinnahmen usw. gehören. Unsere Antwort darauf wurde von Lenin vor langer Zeit schon ausgesprochen: „Die Freiheit der kapitalistischen Gesellschaft bleibt immer ungefähr die gleiche, die sie in den antiken griechischen Republiken war: Freiheit für die Sklavenhalter.“ (LW 25,474) Und: „Keine [politische] Freiheit … vermag die Massen zu befriedigen, die Hunger leiden, weil es an Lebensmitteln fehlt, weil sie falsch verteilt werden, weil, was die Hauptsache ist, die Gutsbesitzer und Kapitalisten sie mit Beschlag belegt haben.“ (LW 23,302f.)
Daher darf die Revolution nicht bei der Einführung einiger Reformen des kapitalistischen Systems halt machen. Sie muss es beseitigen, indem die Banken, Großunternehmen, Minen, der Großgrundbesitz verstaatlicht werden. Diese müssen unter demokratischer Kontrolle der Räte der ArbeiterInnen und armen Bauern geleitet werden.
Die eigentliche Ursache für Armut, Arbeitslosigkeit und Diktatur ist der Kapitalismus. Wenn wir diese Ungerechtigkeiten wirklich beseitigen und die Lebens- und Arbeitsbedingungen des algerischen Volkes radikal und nachhaltig verändern wollen, brauchen wir ein revolutionäres, sozialistisches Programm.
Für die sozialistische Revolution in Algerien
Die ArbeiterInnen der Welt und insbesondere die ArbeiterInnen des Sudan, Marokkos, Tunesiens, Ägyptens und des Nahen Ostens stehen der algerischen Revolution sehr positiv gegenüber und nehmen Anteil an ihren Erfolgen. Die Studentenbewegung sollte der internationalen Dimension die Bedeutung geben, die sie verdient, und internationale Aufrufe an die Arbeiter der Region und der Welt richten, um Solidarität mit der algerischen Revolution zu zeigen und ihrem Beispiel zu folgen.
Zu guter Letzt müssen sie aus den revolutionären Erfahrungen der Region in den letzten Jahren lernen, insbesondere aus Ägypten. Dort wurden die revolutionären Bewegungen trotz des großen Heldentums der Arbeiterklasse und der revolutionären Jugend besiegt. Der wichtigste Grund für diese Niederlagen war das Fehlen einer revolutionären Führung, wie die Partei, die vor 100 Jahren die russische Revolution zum Sturz des mächtigen zaristischen Regimes geführt hat, um in der Folge den ersten Arbeiterstaat der Geschichte zu errichten.
Vor der Revolution von 1905 empfahl Lenin den russischen Studenten, „erstens, in den Vordergrund ihrer Tätigkeit zu rücken die Erarbeitung einer einheitlichen und konsequenten sozialistischen Weltanschauung unter ihren Mitgliedern und das ernste Studium … des Marxismus“ und „zweitens, sich in acht zu nehmen vor jenen falschen Freunden der Jugend, die sie von der ernsten revolutionären Erziehung ablenken“. (LW 6,470)
Sie müssen nun unverzüglich damit beginnen, marxistische Zirkel aufzubauen, die eng mit den Kämpfen der Jugend und der ArbeiterInnen verbunden sind, damit die algerische Arbeiterklasse die Partei bekommt, die sie verdient. So und nicht anders wird die algerische Studentenbewegung heute in der Lage sein, die aktuelle revolutionäre Bewegung auf dem Weg zum endgültigen und vollständigen Sieg über das Cliquenregime und den Kapitalismus entscheidend voranzubringen.