Seit der Krise 2008 – und insbesondere in den vergangenen zehn Jahren – kommt es auf der ganzen Welt immer häufiger zu revolutionären Situationen: Beginnend mit dem Arabischen Frühling 2011, danach unter anderem in Katalonien, Hongkong, Honduras, Ecuador, Chile, dem Sudan und Sri Lanka. Wir hielten schon 2019 fest, „dass wir uns inmitten einer der größten revolutionären Wellen der modernen Geschichte befinden.“ Von Sandro Tsipouras.
Seit Mitte Juni entwickelt sich eine revolutionäre Situation in Kenia. Ausgelöst wurde sie durch die „Finance Bill 2024“, mit der die Regierung unter Präsident Ruto die Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfüllt. Diese Institution finanziert weltweit verschuldete Staaten und zwingt sie im Gegenzug dazu, massive Angriffe auf den Lebensstandard der Armen, der Arbeiterklasse und der Jugend durchzuführen. Die „Finance Bill“ sollte die Steuern auf Brot, Pflanzenöl, Motorroller und sogar Krebsbehandlungen massiv erhöhen – und, vielleicht am empörendsten, auch auf Menstruationsprodukte.
Ohne dass Einzelpersonen oder politische Organisationen die Führung übernommen hätten, zogen ab dem 16. Juni hunderttausende Menschen, überwiegend Jugendliche, durch Nairobi und andere Städte.
„Kenia ist nicht die Laborratte des IWF“, stand auf einem Plakat. Diese Generation hat keine direkte Erinnerung an die Schuldenkrise der 1980er und 1990er Jahre, in der der IWF den Massen brutale Sparmaßnahmen aufzwang, aber klar ist: Sie würde eher eine Revolution anzetteln, als die Diktate des IWF ohne Widerrede zu akzeptieren. Die Bewegung bezeichnet sich als Gen-Z-Revolution und stellt klar, dass sie sich nicht so einfach unterkriegen lassen will, wie ihre Eltern: „Wir werden euch fertigmachen.“
Unter dem massiven Druck der Straße sah sich Präsident Ruto gezwungen, die „Finance Bill“ nicht zu unterschreiben. Der Rückzug Rutos hat das Vertrauen der Massen in ihre eigene Macht gestärkt und sie ermutigt, weiterreichendere Forderungen zu stellen – nach dem Rücktritt der ganzen parasitären Regierung.
Diese Bewegung ist nicht nur ein Aufschrei gegen spezifische wirtschaftspolitische Maßnahmen, sondern Ausdruck tiefgreifender Unzufriedenheit mit einem korrupten, nutzlosen Regime. Die traditionelle Annahme der herrschenden Klasse, die Jugend sei politisch desinteressiert, hat sich als fatales Missverständnis herausgestellt. In einem Bericht der „Tagesschau“ wird auf den Punkt gebracht, wo der Hass der Massen herkommt:
„Kaum ein Land auf der Welt gibt, gemessen am Durchschnittseinkommen, so viel für Diäten von Parlamentsabgeordneten aus. Die Präsidentengattin erhält jedes Jahr fünf Millionen Euro und niemand weiß so recht wofür. Und während das ganze Land den Gürtel enger schnallen muss, zeigt sich Ruto mit einem 2.800-Dollar-Gürtel in der Kirche.“
Am 2. Juli wurde von der Polizei scharf geschossen, als erneut Demonstrationen im ganzen Land abgehalten wurden und klar wurde, dass es längst nicht mehr nur um ein einzelnes Gesetz geht. Gleichzeitig sehen wir Ansätze einer Spaltung des Staatsapparats. Auf der Plattform X kursieren Videos, die zeigen, wie Polizisten zu den Demonstranten überlaufen oder sich durch politische Argumente überzeugen lassen, Festgenommene freizulassen.
Die Situation in Kenia drückt aus, was wir weltweit beobachten: Die Jugend hasst das System und hat kein Vertrauen zu irgendeiner etablierten politischen Kraft. Doch um siegen und die Gesellschaft wirklich verändern zu können, braucht sie ein revolutionäres Programm.
Durch die Organisation von Komitees in jeder Gemeinde, in jeder Schule und an jedem Arbeitsplatz könnten breitere Schichten der Massen systematisch in den Kampf miteinbezogen werden. Wenn sie sich auf regionaler und nationaler Ebene vernetzen, könnten solche Komitees eine alternative Macht zum Staat darstellen. Durch solche Organe könnten die Massen einen echten Kampf um die Macht beginnen, um den alten Staatsapparat zu zerschlagen, der hinter einem verräterischen Deckmantel der „Demokratie“ verbirgt, dass er nichts als eine Diktatur der Reichen ist. Dann könnten die Schulden gestrichen, Großunternehmen und ausländisches Kapital enteignet und die Gesellschaft auf der Grundlage eines sozialistischen Wirtschaftsplans umgebaut werden.
Eine revolutionäre Partei ist notwendig, um diese Ideen zu propagieren und ihre Umsetzung zu organisieren – um die Revolution zum Sieg zu führen. Die Massen können immer wieder in den Kampf ziehen, eine Regierung nach der anderen stürzen, aber solange der Kapitalismus und der bürgerliche Staat intakt bleiben, ändert sich nichts an ihrer Situation. Das hat der Arabische Frühling eindrücklich bewiesen. Deshalb bauen wir die Revolutionäre Kommunistische Internationale und Revolutionäre Kommunistische Parteien auf der ganzen Welt auf. Schließ dich uns an!
(Funke Nr. 225/8.07.2024)