Jüngst geriet der ehemalige kroatische stellvertretende Verteidungsminister und Verantwortliche für Waffenbeschaffung Vladimir Zagorec in die Schlagzeilen, nachdem ihm in Kroatien Diebstahl vorgeworfen wurde. Die kroatische Öffentlichkeit ist entsetzt über die Vorwürfe, dass sich die „Vaterlandsverteidiger“ der 1990er schamlos persönlich am Krieg bereichert und ihr Geld ins Ausland – und hier v.a. nach Österreich – geschafft haben sollen. Dabei waren diese Machenschaften längst kein Geheimnis, wie der Vorsitzende der SJ Kroatien Nikola Vukobratović berichtet.
Anmerkung der Red.:
Dieser Artikel wurde uns von der Sozialistischen Jugend Kroatiens zugesandt. Sie ist eine Jugendorganisation, die mit der „Sozialistischen Arbeiterpartei Kroatiens“, einer Nachfolgeorganisation der ehemaligen KP, verbunden ist. Ein Vertreter hatte am jüngsten bundesweiten Funke-Treffen teilgenommen und über die Situation am Balkan berichtet. Wir freuen uns, dass wir mit dieser Organisation in Zukunft enger zusammenarbeiten können. GenossInnen der SJ werden am diesjährigen Pfingstseminar teilnehmen und einen eigenen Workshop gestalten. Da die LeserInnen mit den Hintergründen des Artikels vielleicht nicht vertraut sind, eine kurze Einleitung unsererseits.
Der österreichische Imperialismus und der Fall Zagorec
Das österreichische Kapital betrachtet den Balkan als seinen eigentlichen Hinterhof. Südosteuropa ist der wichtigste Wachstumsmarkt für den hiesigen Imperialismus. Dies gilt gerade auch für Kroatien, das die hiesigen Finanzmarktnachrichten in ihrer Ausgabe vom Oktober 2005 unumwunden als „erweiterten Heimmarkt“ bezeichneten. Rund um die Unabhängigkeitsbestrebungen Anfang der 1990er erkannte das österreichische Kapital seine Chance: Um jeden Preis versuchte man die Spaltung Jugoslawiens voranzutreiben und das traditionelle Einflussgebiet zurück zu gewinnen. Dass man dabei keine allzu strengen ethischen Maßstäbe anlegen konnte, rechtfertigte schon das hehre Ziel der wirtschaftlichen Expansion.
Rund um den Fall des kroatischen Ex-Generals und ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsministers Vladimir Zagorec, dem Geldwäsche und Millionen-Veruntreuung vorgeworfen werden, ist dieses dunkle Kapitel wieder ins öffentliche Interesse gerückt. Und die Spur führt auch nach Österreich.
Medienberichten zufolge soll sich Zagorec bei seinen Geschäften der Hypo-Alpe-Adria-Bank mit ihrer Zentrale in Klagenfurt bedient haben. Die kroatische Justiz hat nun in dieser Causa ein Rechtshilfe-Ansuchen gestellt, worauf in Kärnten Vorerhebungen eingeleitet wurden. Darlehen in Höhe von 250 Millionen Euro soll die international agierende Bank Zagorec bzw. dessen Unternehmen gewährt haben. Die Bank streitet dies ab und spricht von vier Millionen an Darlehen und „lediglich“ 70 Millionen zur Finanzierung von Immobilienprojekten.
In Kroatien hat unterdessen ein Verfahren gegen Zagorec begonnen. Ihm wird vorgeworfen, nach seinem Abtritt als Minister aus einem Safe des Ministeriums jenen Schmuck in Wert von mehreren Millionen Euro entwendet zu haben, den er 1993 von einem deutschen Waffenhändler als Bürgschaft für fünf Millionen US-Dollar erhalten haben soll. Das Geld soll das Verteidigungsministerium für den Kauf von Waffen verwendet haben.
Der einst enge Vertraute des ehemaligen kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman war während des jugoslawischen Bürgerkrieges mit der Beschaffung von Waffen beauftragt. Er soll unkontrolliert über Millionenbeträge verfügt haben. Seither hat sich zu einem der reichsten Männer Kroatiens gemausert. Auch in Österreich hat er in den vergangenen Jahren Geschäftsbeziehungen geknüpft und mehrere Firmen gegründet.
Zagorec war im Jahr 2000 nach Österreich übersiedelt, wo er seither lebt. Am 14. März war er verhaftet und zwei Tage später gegen Kaution wieder freigelassen worden. Zuvor hatte Zagorec unbehelligt sein Luxusleben in Wien genossen. Er gehört zu jener beträchtlichen Anzahl von KroatInnen, die auf österreichischen Konten mehrere Dutzend oder sogar mehrere hundert Millionen Euro deponiert haben.
Wie die kroatische Zeitung Nacional berichtet, hat der Ex-General sein Vermögen durch dubiose Zahlungen im Zuge von Waffengeschäften verdient. Das Geld legte er in der Folge in Immobilien an. Er und sein Sohn sollen nach Angaben der Zeitung in engem Kontakt zum Billa-Gründer Karl Wlaschek stehen, der ebenfalls im Immobiliengeschäft tätig ist.
Es drängt sich die Frage auf, in wie weit auf Rücksicht auf die EU-Verhandlungen Kroatien bisher auf eine gerichtliche Verfolgung Zagorecs verzichtet hatte bzw. ob die österreichische Justiz auf einem Auge blind gewesen sein könnte. Die Behörden waren erst eingeschritten, als der Entführer von Zagorecs Sohn, Hrvoje Petrac, bei seiner Vernehmung für Zagorec belastende Vorwürfe vorbrachte und die Vorgänge aus den 1990ern wieder ans Tageslicht brachte. Zagorec selbst bestreitet alle Vorwürfe und erklärte gegenüber der österreichischen Polizei, dass in Kroatien eine politische Kampagne gegen ihn lanciert werde. (red)
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Kroatien: Der Schmutz der Neunziger wird neu „entdeckt“
von Nikolai Vukobratović, Vorsitzender der Sozialistische Jugend Kroatien
Nach den jüngsten „Enthüllungen“ rund um die Korruptionsgeschäfte im Verteidigungsministerium während der Zeit des Bürgerkriegs, ist die Debatte über die „schmutzigen Seiten des Kriegs“ entbrannt. Gelder, die ausländische Financiers für die „Verteidigung“ Kroatiens übermittelt hatten, waren in die privaten Taschen von Regierungsangehörigen wie General Zagorec geflossen, der sich zur Zeit in Österreich aufhält. Die kroatische Öffentlichkeit ist im Schockzustand, niemand will es glauben.
Tatsächlich hat es jedE wissen können, der /die dies wollte. Die Regierung Tudjman und ihre FreundInnen aus der Mafia hatten es nie zu verbergen versucht. Das Problem der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals wurde in Kroatien so gelöst, dass das Volkvermögen den 200 Familien zugespielt wurde. Diese konnten sich in der Folge zur herrschenden Elite des Landes aufschwingen und Kroatien aus der „sozialistischen Hölle“ ins Gelobte Land des Kapitalismus führen. All dies gaben die Leute rund um Tudjman offen zu! Der Diebstahl stellt keine Abweichung vom Kurs der 1990er Jahre da, in ihm bestand das ganze Wesen der Politik.
Dennoch scheut die Öffentlichkeit davor zurück, die RäuberInnen zu verurteilen. Sie werden weiterhin als VerteidigerInnen und GründerInnen eines unabhängigen Staats gesehen. Tatsächlich trifft die herrschende Klasse Kroatien genauso viel Schuld an den Kriegshandlungen wie die andere Seite. Sie brauchte den Krieg nicht nur deshalb, um sich im Zuge der Privatisierungen zu bereichern, sondern auch um eine ethnische Säuberung durchzuführen und die so genannten „historischen Grenzen“ Kroatien wiederherzustellen.
Die ausführenden Personen – die Generäle – mögen wegen ihrer Verstrickungen in Kriegsverbrechen, Drogen- und Waffengeschäften und Juwelendeals gerichtlich von der internationalen oder kroatischen Justiz verfolgt werden. Die herrschende Klasse, die aus diesen Verbrechen hervorgegangen ist, bleibt aber intakt. Und wir haben die Konsequenzen davon zu erleiden. Den VerteidigerInnen wird alles verziehen – „es waren eben die Neunziger“, wie es oft heißt.
Unterdessen bleibt die herrschende Klasse Kroatiens als Ganzes weiter am Ruder – und sei es unter der Maske der pro-europäischen Konservativen.