Ein Film über die Zustände in einem Gefängnis in der Türkei nach dem Militärputsch 1980 erregt derzeit in Vorarlberg die Gemüter. Ein Bericht von Florian Keller und Ali Gül.
Nachdem am 12. September 1980 das Militär in der Türkei putschte, wurden 650.000 Menschen verhaftet und viele von ihnen unter Folter, Schikane bis hin zu Mord in Gefängnissen in der ganzen Türkei festgesetzt. Der Film Kanli Postal (dt.: Blutige Stiefel) beschreibt die Zustände in einem Gefängnis in Diyarbakir, der größten Stadt im kurdischen Teil des Landes. Dort wurden auch viele Gründungsmitglieder der PKK (Kurdische Arbeiterpartei) inhaftiert und gefoltert.
Auf Initiative und unter Mithilfe einiger austro-kurdischer Funke-UnterstützerInnen organisiert der Rat der kurdischen Gesellschaft in Vorarlberg diesen Sonntag eine Filmvorführung in der Kinothek Lustenau. Türkische Nationalisten rund um den Safak-Verein in Dornbirn (der Verein der rechtsradikalen „grauen Wölfe“ in Vorarlberg“) organisierten daraufhin eine Kampagne gegen diese Aufführung unter dem haltlosen Vorwurf, der Erlös des Filmes ginge an die PKK. Zuerst wurden in ihrem Umfeld hunderte SMS verschickt, später dann eine Facebookveranstaltung durch dessen Jugendsektion erstellt. Der Name der Veranstaltung ist bezeichnend: „Sehitlerine Sahip Cik !!!!“, auf deutsch grob zu übersetzen mit „Stehe den gefallenen Märtyrern bei“. Dort wurde dazu aufgerufen, e-mails mit nur leicht verdeckten Drohungen an den Kinobesitzer zu schicken. Der Film solle abgesagt werden – „Um Vorfälle wie z. B. einer Messerstecherei (Demonstration Oktober 2014 in Bregenz) zu vermeiden und komplett aus Vorarlberg zu verbannen, sollte gemeinsam gegen diese Leute gehandelt werden.“ Hunderter solcher Briefe gingen beim Kinobesitzer ein.
Unsere UnterstützerInnen organisierten daraufhin Widerstand gegen diesen offensichtlichen Angriff auf die Meinungsfreiheit durch die Faschisten. Wir nahmen Kontakt mit dem Regisseur des Filmes auf, der daraufhin ein Video mit einer Solidaritätsbotschaft schickte. Außerdem nahmen wir Kontakt mit der Presse auf, der ORF und Vol.at berichteten breit. Auch eine ganze Reihe von Parlamentsabgeordneten, vor allem die Vorarlberger Landtagsabgeordnete Vahide Aydin und die Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan (Beide von den Grünen) erklärten daraufhin ihre Unterstützung für die Filmvorführung und solidarisierten sich mit dem Kinobesitzer. Die SPÖ Vorarlberg konnte sich nicht zu einer öffentlichen Unterstützung durchringen. Stattdessen wurde kurz zuvor in Dornbirn eine Distanzierung der Partei von einer gemeinsamen Demonstration der marxistisch geführten Sozialistischen Jugend und der kurdischen Jugend verteilt, die unter dem Slogan „Kurdistan und Türkei – Sozialismus gegen Barbarei“ stattfand. Ein solches opportunistisches Nachgeben auf den Druck von Nationalisten ist ein Zeichen für den schlechten Zustand der Partei und eine gefährliche Sackgasse, gegen die Linke mit aller Macht kämpfen müssen.
Dem öffentlichen Druck gaben schließlich auch die türkischen Nationalisten nach. Der Ersteller der Facebookveranstaltung veröffentlichte eine offizielle Stellungnahme, in der der Verein sich ausdrücklich gegen Provokationen aussprach und sich von allen Aktionen vor dem Kino und beim Film selbst distanzierte. Viele der NationalistInnen drückten darüber ihren offenen Unmut aus. Deswegen ist nicht auszuschließen, dass einzelne Provokateure weiterhin die Aufführung stören wollen.
Wir rufen dazu auf, eine friedliche Vorführung des Filmes zu gewährleisten. Eine angebliche Spaltung von „Türken und Kurden“, die auch in den Medienberichten unreflektiert transportiert wurde, hilft in Wirklichkeit nur den rechtsradikalen Agitatoren. Eine Filmvorführung über Folterungen in einem Gefängnis in der Türkei richtet sich nicht gegen TürkInnen, sondern zeigt in Wirklichkeit die grausamen Methoden eines kapitalistischen Staatsapparates auf, der ArbeiterInnen und Jugendliche aller Nationen unterdrückt. Wir stehen gegen eine Spaltung anhand nationaler Grenzen und für einen gemeinsamen Kampf aller türkischen, kurdischen und österreichischen ArbeiterInnen und Jugendlichen gegen die Ausbeutung und Unterdrückung! Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Nationen, sondern zwischen den Klassen!
Kommt zahlreich zu den Filmvorführungen in der Kinothek Lustenau!