Am 16.10. riefen die verhandlungsführenden Gewerkschaften Pro-Ge und GPA-djp die BetriebsrätInnen der Metall- und Maschinenbauindustrie dazu auf sich über den bisherigen Stand der Verhandlungen informieren zu lassen. Dieser Schritt wurde gesetzt nachdem sich herauskristallisiert hatte, dass die Unternehmen deutliche soziale Verschlechterungen durchsetzen wollen.
In Vösendorf, Graz, Klagenfurt, Leonding und Innsbruck versammelten sich rund 1200 Betriebsräte und Betriebsrätinnen der FMMI. Die Informationen die sie hier erhielten überraschten nicht schlecht. Nach drei Verhandlungsrunden siehtr es folgendermaßen aus:
* Keine Erhöhung der Mindestlöhne
* De facto Abschaffung der Lohnvorrückungen nach Betriebszugehörigkeit
* Ausgangspunkt der Ist-Lohn-Entwicklung ist eine willkürlich festgesetzte Inflationsrate von 0,5 %
* Freizeitoption nur bei gleichzeitiger Lohnkürzung.
Es überraschte nicht, dass der erste Wortbeitrag eines Betriebsrates auf der Vösendorfer Konferenz darin bestand, nachzufragen, warum die Betriebsräte erst so spät, nämlich nach der dritten Runde, informiert wurden.
Diese Frage wurde auch ehrlich beantwortet: Nachdem es im Vorfeld gelungen ist die Arbeitszeitdebatte aus dem KV herauszunehmen, hat sich die Verhandlungsführung auf eine vernunftgelenkte und sozialpartnerschaftliche Lohnrunde eingestellt, die in einem raschen Kompromiss enden könnte. Diese Idee wurde auch nicht aufgegeben nachdem das Verhandlungsteam der Gewerkschaften bereits in der ersten Runde herablassend vorgeführt wurde. Der Spartenobmann Knill nimmt an der Verhandlung gar nicht teil, stattdessen wurde ein Monolog über Fußballtaktik, I-pads und eine PowerPoint Präsentation zur geopolitischen Lage vor dem 1. Weltkrieg durchgezogen.
Dennoch hielten unsere gewerkschaftlichen Verhandler zwei weiter Runden an der Strategie des Dialogs fest, und hier wurde scheibchenweise der Verhandlungsgegenstand zum jetzigen Ist-Stand verschlechtert.
Kollegen und Kolleginnen berichten über unterschiedliche Tonalitäten auf den regionalen Betriebsratskonferenzen. Rhetorisches Talent und persönliche Präferenzen der vortragenden KollegInnen spielen hier sicher eine gewichtige Rolle mit welchem Gefühl man die jeweilige Konferenz verlassen hat. Inhaltlich entscheidend ist allerdings nur die abschließend beschlossene Resolution. In dieser wird zwar die Vorgangsweise der Unternehmen kritisiert, die bisherige Verhandlungsstrategie aber abgesegnet und somit durch das Votum der Kollegen und Kolleginnen der Betriebsratskörperschaften bestärkt.
In der Resolution heißt es, dass die BetriebsrätInnen erschüttert sind und die der österreichischen Sozialpartnerschaft unwürdige Vorgangsweise zutiefst ablehnen. Als weiterführende Maßnahme wurde beschlossen, vor der kommenden Verhandlungsrunde am 28.10. umfassende Informationsveranstaltungen in den Betrieben abzuhalten. Sollte die nächste Verhandlungsrunde wieder scheitern wurde entschieden die Belegschaften nochmals zu informieren und gemeinsam mit ihnen festzulegen wie unsere Interessen erfolgreich durchgesetzt werden können.
Die Reaktion der FMMI kam postwendend: Knill fordert von der Gewerkschaftsbewegung auf „Theatralik“ zu verzichten und die „Realitäten“ anzuerkennen. Wie es zu befürchten war, haben die Konferenzen vom 16. Oktober nicht jene Stärkung unseres Verhandlungsteams erzielt, die in der jetzigen Situation absolut erforderlich wäre. Die Unternehmer weiten ihre abschätzige Haltung auf die gesamte organisierte Arbeiterbewegung aus. Dass die Spaltung der KVs, und die Spaltung von Gewerkschaften und Belegschaften ihr erklärtes Ziel ist, haben sie bereits im Vorfeld der Verhandlungen unverhüllt klar gemacht.
Versäumnisse und strategische Fehler
Wir haben bereits in früheren Artikeln erklärt, warum die Entscheidung keinen Kampf um den gemeinsamen Metaller-KV zu führen ein strategischer Fehler war, der jetzt Jahr um Jahr schwerer wiegt. Dass es nicht mehr nur um getrennte Verhandlungsrunden geht, sondern diese Gesprächsanordnung auch die Kampfkraft der Gewerkschaften schwächt wurde heuer in der Praxis bestätigt. Die BR-Konferenzen sind auf den FMMI-Bereich beschränkt, die anderen fünf Verhandlungsgruppen verhandeln inzwischen weiter.
Weiters haben wir kritisch angemerkt, dass die pro-aktive Lohnpolitik ab 2011 auf dem vergangenen Gewerkschaftstag nicht eingehend debattiert, verfestigt und verallgemeinert wurde. Heute wird überall anerkannt, dass es diesen Diskussionsbedarf gibt. Viel spielte und spielt sich auf Betriebsebene ab: Einigen Betriebsräten ist es gelungen sich die Chefs so „herzurichten“, dass sie auf eine ungebrochene Gewerkschaftsmacht setzten können. In anderen Betrieben reagierten die Unternehmer auf die Warnstreiks 2011 mit Auslagerungen und nachhaltiger Schwächung der betrieblichen Interessenvertretung. Einige Betriebsräte (gerade im Stahlbereich) haben sich voll auf die Standortlogik eingelassen. In vielen Betrieben wurde und wird durch Entlassungen von Betriebsräten an der Schwächung der Belegschaftsvertretung gearbeitet. Verdichtung der Arbeitsprozesse und betriebliche Arbeitszeitregeln sind heute gang und gäbe. Eine offene Debatte über diese innerbetrieblichen Prozesse und ein breiter Erfahrungs- und Meinungsaustausch hätte uns hier viel gebracht.
Stattdessen setzte man am Gewerkschaftstag, und heute in der Praxis auf eine Verstärkung der Interessenvertretung über die Gesetzgebung und staatliche Institutionen wie das Arbeitsinspektorat. So positiv das verstärkte polizeiliche Vorgehen gegen Lohndumping (wie es bei der vergangen Regierungsklausur beschlossen wurde) ist– nichts kann die starke Interessenvertretung im Betrieb ersetzen. Das gleich gilt für die Lohnsteuerreform, die mit dem schwächst möglichen Mittel – einer Unterschriftenkampagne – begonnen und beendet wurde. Der Ball wurde an die Regierung gespielt, und dort droht er zu verschimmeln. Wie (un)mittelbar diese Strategieänderungen zusammenliegen kann man nur vermuten. Allein, dass heuer im Gegensatz zu den Jahren davor wieder das hohe Lied der Sozialpartnerschaft (wo ist die??) angestimmt wird, zeigt dass hier strategische Neuorientierungen vorgenommen wurden. Wir fügen hinzu, Neuorientierungen die sich von der betrieblichen Realität wegbewegen und die Interessenvertretung daher schwächen.
Trotz alledem: Die Angriffe abwehren!
Debatten über verschüttete Milch klären nicht wie es jetzt weiter gehen kann und muss. Die Orientierung des kleinen Verhandlungsteams, dies wurde klar gesagt, ist ein Abschluss in der kommenden Runde. Aber der bisherige Stande der Dinge und die Reaktionen der Unternehmer auf die Betriebsratskonferenzen lassen es nicht zu daran zu glauben. Was gehen würde ist ein Ausverkauf und das – dies wurde klar manifestiert – kann und will man sich nicht leisten.
Ohne die Belegschaften wird es heuer nicht gehen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass Belegschaften zum Kampf bereit sind, wenn sie wissen worum es geht. „5,5%“, „ein Hunderter für jeden“, mit solch klar formulierten Zielen kann man die Herzen und Hirne der KollegInnen gewinnen.
Insofern sind die Resolutionen der vergangen Konferenz viel zu abstrakt. Es steht schlicht nicht drinnen, was man tatsächlich will, oder zumindest wie hoch die Inflationsrate tatsächlich ist. Eine Aufforderung zu einem Kampf ohne klares Ziel kann nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Jetzt dieses klare Ziel einzufordern ist notwendig. Nach einem Scheitern der vierten Verhandlungsrunde, muss man den Kolleginnen und Kollegen klar sagen warum es geht. Falls diese Klarheit weiter fehlt, sind die Betriebsräte und die Belegschaften gezwungen auf Basis ihrer Einschätzung das Ziel für diese schwierige KV-Runde selbst zu formulieren.
Die Festlegung des Verhandlungsteams darauf, dass ein etwaiger Abschluss jedenfalls einer breiten Abstimmung (am besten im Rahmen einer österreichweiten Betriebsräte-Konferenz des gesamten Metallsektors) unterzogen werden muss, würde die Kampffähigkeit der Gewerkschaftsbewegung schlagartig vergrößern.
Nicht wenige BetriebsrätInnen (und es handelt sich bei ihnen um das Rückgrat der Bewegung) haben die Meinung geäußert, dass in den vergangen zwei Jahren nicht das Maximum erzielt wurde, weil man frühzeitig – noch bevor man gezeigt hat was man kann – einen Kompromiss geschlossen hat. Nicht wenige dieser Kollegen und Kolleginnen tun sich daher jetzt schwer noch einmal vor die versammelte Belegschaft zu treten, da die Streikvorbereitungen der letzten Jahre sich jeweils als unnötig herausgestellt haben.
In dieser schwierigen Situation muss man aber mit der Routine brechen, sonst werden wir von ihr gebrochen werden. Auf, auf Metaller!