Anfang Mai findet ein richtungsweisender Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österreich (SJÖ) statt. Die Funke-Strömung präsentiert folgenden Antrag über die Aufgaben der Organisation in der kommenden Periode.
ANTRAG SJ VORARLBERG, RÖMERBERG, ALSERGRUND
Die Krise seit 2008 ist ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte des Kapitalismus. Der Traum, dass die Globalisierung Wohlstand und Demokratie für alle Menschen bringt, ist geplatzt.
Für uns MarxistInnen kam diese Krise nicht überraschend. Wer Augen hatte, konnte sehen. Überall türmte der Kapitalismus gewaltige Widersprüche auf. Vor 2007/8 vermieden die Bürgerlichen mehrfach größere Krisen, indem sie noch größere Spekulationsblasen aufpumpten. Die Finanzmärkte wurden enorm aufgebläht und dereguliert, um neue Anlagemöglichkeiten für immer größere Profite zu schaffen. Ein wichtiger Faktor dabei war die immense Ausdehnung des Kredits, was zu einer historisch noch nie dagewesenen Verschuldung von Privatpersonen, Unternehmen und Staaten führte. Außerdem wurde der Welthandel enorm ausgedehnt: In der Peripherie wurden Märkte (oft auch gewaltsam) geöffnet, die Zerstörung der schwachen Industrien und Landwirtschaften dieser Länder und gewaltiges soziales Elend waren und sind die Folge. Gleichzeitig wurden hunderte Millionen von ArbeiterInnen in vielen dieser Länder zu unmenschlichen Bedingungen zum Profit der großen Konzerne in die Fabriken getrieben.
Doch selbst die Eroberung der Welt reichte nicht, um den großen Konzernen genügend Absatzmöglichkeiten zu schaffen. Durch die Konkurrenz werden die Löhne erbarmungslos gedrückt und die Produktion durch Technisierung enorm gesteigert. Jeder Konzern versucht sich durch billigere Massenproduktion einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen, insgesamt entsteht so aber eine gewaltige Überproduktion an Waren und Dienstleistungen, die zwar oft benötigt werden würden, aber keinen Käufer finden, der sie sich leisten könnte. Man denke etwa an die enorme Vernichtung von unverkauften Lebensmitteln, während gleichzeitig Menschen hungern! Man denke an die Unzahl leerstehender Häuser und Wohnungen bei gleichzeitiger Obdachlosigkeit!
Die KapitalistInnen haben die enorme Verschuldung eingesetzt, um die Krise immer weiter hinauszuzögern und den Boom vor 2007 zu finanzieren. Jetzt verhindert aber genau das eine Erholung der Wirtschaft: Staaten und Privathaushalte müssen (sinkende) Löhne und Steuereinnahmen dafür verwenden, die sich weiter ausdehnende Schuldenepidemie zu bedienen. Laut einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich liegt der weltweite Schuldenstand heute bei 100.000 Milliarden Dollar, das sind um 30 % mehr als beim Ausbruch der Krise 2007. Allein diese Entwicklung belegt, dass der Kapitalismus weiter in einer tiefen Krise steckt und immer parasitärere Züge annimmt.
Gleichzeitig sitzen einige wenige auf Bergen von Reichtum, den sie nicht in neue Fabriken investieren, weil die KäuferInnen schon für die vorhandenen Kapazitäten fehlen. Stattdessen beginnt wieder das alte Spiel von vorne: Es finden sich keine profitablen Anlagemöglichkeiten in der Realwirtschaft? Stecken wir das Geld in Spekulationen an den Finanzmärkten! Die Börsenkurse explodieren, obwohl die Wirtschaft stagniert. Es werden schon wieder gewaltige Blasen aufgepumpt, die jederzeit platzen und die Weltwirtschaft in eine neue tiefe Rezession stürzen können. Die Kosten der geplatzten Investments werden dann wieder in Form von Massensteuern und Kürzungen von der Allgemeinheit gezahlt werden.
So steht dem immensen Reichtum auf der einen Seite steigendes Elend und verhinderte Lebensperspektiven auf der anderen Seite entgegen. Oxfam berichtet, dass die 85 reichsten Menschen auf der Welt genauso viel Reichtum angehäuft haben wie 4 Milliarden Menschen. Noch nie in der Geschichte war der Graben zwischen den Herrschenden und den Beherrschten so tief wie heute.
Als Antwort hören wir oft: Der Neoliberalismus sei gescheitert, seine Politik seit den 1980er Jahren habe die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs geführt, und die jetzt betriebene Austeritätspolitik mit Lohnkürzungen und Sparpaketen vertiefe noch mehr die Krise. Die Finanzmärkte müssen daher wieder reguliert, die Wirtschaft mit Großinvestitionen wieder in Gang gebracht werden, die Sparmaßnahmen gestoppt und die Löhne erhöht werden. Die KeynesianerInnen haben in gewisser Weise recht: Die Weltwirtschaft wird nicht in Gang kommen, wenn die Kaufkraft durch Sparpakete und Lohnkürzungen noch weiter gesenkt wird. Die Frage, die wir uns stellen müssen ist aber: Warum hören die EntscheidungsträgerInnen dann nicht auf sie und wann es gibt einen Kurswechsel in diese Richtung?
Die Antwort ist einfach: Weil es nicht in ihrem Interesse liegt! Für die Weltwirtschaft wäre es vielleicht gut, wenn die Löhne steigen. Für den einzelnen Kapitalisten (oder die KapitalistInnen eines Landes/Wirtschaftsblockes) ist es jedoch keine Option, den ArbeiterInnen mehr Löhne zu zahlen: Für sie wäre der Effekt einfach, dass die produzierten Waren teuer werden würden, sie auf dem Weltmarkt an Konkurrenzfähigkeit einbüßen und ruiniert würden. Die Sparpolitik ist nicht die Folge einer ideologischen Verirrung, sondern die folge knallharter Verdrängungskonkurrenz in Zeiten der Krise! Jeder Appell an die „Vernunft“ der EntscheidungsträgerInnen ist unter den heutigen Bedingungen pure Utopie. Wir müssen es ganz klar sagen: Gescheitert ist nicht die Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus, sondern das System des Kapitalismus!
Sozialismus oder Barbarei
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie diese Krise überwunden werden kann: Auf kapitalistischer Grundlage sind dafür Jahrzehnte an brutalen Sparpaketen, mörderischer Konkurrenz, internationalen Konflikten und Stellvertreterkriegen, Vernichtung von Arbeitsplätzen und ganzen Volkswirtschaften, Vernichtung von demokratischen Rechten nötig.
Der zweite Weg ist die Überwindung des Kapitalismus und seine Ersetzung durch eine sozialistische Gesellschaft. Das ist keine Aufgabe für die ferne Zukunft, sondern eine Frage der Erhaltung der menschlichen Zivilisation. Rosa Luxemburg hat inmitten des 1. Weltkrieges, ebenfalls ein Produkt der kapitalistischen Widersprüche, in ihrer Broschüre mit dem denkwürdigen Namen „Die Krise der Sozialdemokratie“ geschrieben: „Friedrich Engels sagte einmal: die bürgerliche Gesellschaft steht vor einem Dilemma: entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei. Was bedeutet ein, Rückfall in die Barbarei´ auf unserer Höhe der europäischen Zivilisation? Wir haben wohl alle die Worte bis jetzt gedankenlos gelesen und wiederholt, ohne ihren furchtbaren Ernst zu ahnen.“
Die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der Linken haben viel von ihrer einstigen Stärke verloren. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sie mit dem herrschenden System ihren Frieden geschlossen haben und sich darauf beschränkt haben im Rahmen des Kapitalismus im Sinne einer angeblichen „Realpolitik“ kleine Reformen durchsetzen zu wollen. Natürlich geht es auch uns um jede noch so kleine soziale oder demokratische Verbesserung. Der Kampf um solche Reformen ist aber in der Krise immer mehr an die engen Grenzen gestoßen, die durch die kapitalistische Profitlogik gesetzt werden. Die Spitzen der Sozialdemokratie beschränken sich seit langem schon, und ganz besonders seit Ausbruch der Krise, rein auf die Verwaltung des Systems und der Krise. Ihr Reformismus führt zu keinen Reformen mehr, sondern Konterreformen im Sozialstaat, Privatisierungen und Sozialabbau.
In dieser Krise bekommt der Kampf um kürzere Arbeitszeit, höhere Löhne usw. schnell einen systemsprengenden Charakter. Die von uns angestrebte Befreiung und die Beseitigung der Ausbeutung von Menschen durch Menschen sind jedoch nur in der Überwindung des Kapitalismus zu schaffen.
Wir sehen als Sozialistische Jugend das Vorwort von Rosa Luxemburg in der Schrift „Sozialreform oder Revolution“, als die geeignetste Form an, diese Aufgabe zu beschreiben, indem sie festhielt: „Kann denn die Sozialdemokratie gegen die Sozialreform sein? Oder kann sie die soziale Revolution, die Umwälzung der bestehenden Ordnung, die ihr Endziel bildet, der Sozialreform entgegenstellen? Allerdings nicht. Für die Sozialdemokratie bildet der alltägliche praktische Kampf um soziale Reformen, um die Besserung der Lage des arbeitenden Volkes noch auf dem Boden des Bestehenden, um die demokratischen Einrichtungen vielmehr den einzigen Weg, den proletarischen Klassenkampf zu leiten und auf das Endziel, auf die Ergreifung der politischen Macht und Aufhebung des Lohnsystems hinzuarbeiten. Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist.“
Krise der Sozialdemokratie
Von diesem Konzept hat sich die Spitze der Sozialdemokratie jedoch schon längst entfernt. Sie akzeptiert das kapitalistische System und muss daher nach seinen Spielregeln spielen. Das bestimmt den Charakter der europäischen Sozialdemokratie und macht auch vor der SPÖ nicht halt.
Begraben in einer Großen Koalition mit der ÖVP ist für die Parteispitze die Wahrung der „österreichischen Interessen“ (konkret: der Interessen der großen österreichischen Konzerne!) das wichtigste Ziel. Gerade das Beispiel des Umgangs mit der Pleitebank Hypo-Alpe-Adria (HGAA) enthüllt das wahre Ausmaß ihrer Unterordnung unter kapitalistische Interessen. Nachdem das Geschäftsmodell der HGAA auf dem Balkan und in Kärnten gescheitert ist, werden nun scheibchenweise immer neue Zahlungsverpflichtungen bekanntgegeben, die der Steuerzahler übernehmen soll. Nachdem Investoren der HGAA jahrelang Milliarden durch Spekulationen verdient haben und dies mit den hohen Risiken gerechtfertigt haben, sollen die Bank jetzt mit Steuergeld vor der Pleite gerettet werden. Die nötigen Milliarden sollen wie immer von den ArbeiterInnen, den Jugendlichen und PensionistInnen kommen, die mit Sparpaketen bei Bildung, Gesundheit, Löhnen der öffentlich Bediensteten und Pensionen rechnen müssen.
Diese Politik ist eine Sackgasse und wird in der Katastrophe enden. Auf der ganzen Welt beginnen die ArbeiterInnen, arbeitslose Jugendliche, SchülerInnen und StudentInnen damit, sich gegen die Folgen des kapitalistischen Systems in revolutionären Aufständen aufzulehnen: Sei es im arabischen Raum, der Türkei, in Lateinamerika oder in Südeuropa. In vielen dieser Länder findet sich die Sozialdemokratie mit ihrer prokapitalistischen Politik auf der falschen Seite der Barrikade wieder. Österreich ist keine Insel der Seligen, und die Entwicklungen auf dem Rest der Welt gehen nicht spurlos an uns vorbei. Ohne einen sozialistischen Kurswechsel droht auch der österreichischen Sozialdemokratie ein solches Schicksal. Mit ihrer vorbehaltlosen Unterstützung der Bankenrettung hat die SPÖ in Wirklichkeit diesen Weg bereits beschritten.
Wir unterstützen alle in der Sozialdemokratie, die sich gegen diese bürgerliche Politik der SPÖ-Spitze stellen und streben die Vernetzung aller kritischen Kräfte zu einem organisierten linken Parteiflügel an. Neben den Jugendorganisationen sind dabei unsere wichtigsten AnsprechpartnerInnen kämpferische BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen. Mit ihnen werden wir uns für mehr innerparteiliche Demokratie und eine linke Politik einsetzen.
Eine wirkliche Erneuerung der ArbeiterInnenbewegung ist aber nur möglich, wenn ihr große soziale Bewegungen eine neue Generation von aktiven Mitgliedern zuführen. Das wird aber nur passieren, wenn ArbeiterInnen und Jugendliche die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften und auch die SJ als ihr Kampfinstrument begreifen. Doch dies ist nicht möglich, wenn soziale Kämpfe von der SPÖ nicht unterstützt werden, sondern im Gegenteil in vielen Fällen sogar gegen eine Regierung mit SPÖ-Beteiligung gerichtet ist! Unsere erste und wichtigste Forderung muss somit ein Bruch der Großen Koalition sein. Keine Sekunde länger in der Todesumarmung der ÖVP, auch wenn das bedeutet, in die Opposition zu gehen!
Für uns reicht es nicht aus, „kritische Geister“ gegenüber dem Kurs der SPÖ-Spitze zu sein. Denn es steht viel auf dem Spiel. Griechenland ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass sozialdemokratische Parteien unter Druck des Kapitals bis zur Selbstzerstörung gehen können. Wir müssen deswegen in klarer Opposition zu jedem Sparpaket und jeder Konterreform stehen. Wenn wir uns entscheiden müssen, ob wir auf der Seite der ArbeiterInnen und der Jugendlichen stehen, die durch Sparpolitik bedroht werden, oder auf der Seite einer Regierungskoalition, die Politik im Sinne des Kapitals durchführt, können wir keine „Mittelposition“ einnehmen, sondern müssen uns mit aller Deutlichkeit auf die Seite der ArbeiterInnen und der Jugend stellen.
Das heißt für uns: Wenn die Regierung Sparpakete schnürt, Banken rettet und Massensteuern erhöht, dann ist es für uns nicht mit einem symbolischen Protest oder einer Gegenstimme in Parteigremien getan. Wir müssen vielmehr den Unmut dagegen aktiv aufgreifen und unsere ganze Kraft dafür verwenden, den Widerstand auf der Straße und in den Betrieben breit zu organisieren. Die Sozialistische Jugend muss als Kampforganisation wahrgenommen werden, und nicht als linkes Feigenblatt einer arbeiterInnenfeindlichen Politik der Parteiführung.
Selbstfinanzierung und politische Unabhängigkeit
Damit dies möglich ist, müssen wir uns auch finanziell unabhängiger machen. Wenn die Parteiführung bei jeder politischen Kampagne damit drohen kann, den finanziellen Stecker zu ziehen, kann das schnell dazu führen, dass wir unser politisches Profil abschleifen. Die finanzielle Unabhängigkeit ist deswegen der Schlüssel zur politischen Unabhängigkeit. Das geht aber nur durch ein eindeutiges Bekenntnis zur Selbstfinanzierung. Auch wenn in der österreichischen politischen Landschaft viele unserer besten Traditionen in dieser Hinsicht verlorengegangen sind, ist es doch die einzige Möglichkeit, um dem Druck des Kapitalismus eine professionelle Organisation entgegenzustellen. Eine Dauerauftragskampagne unter kritischen Basismitgliedern der SPÖ und Gewerkschaften kann dabei ein erster Schritt sein. Außerdem spielen jugendkulturelle Veranstaltungen eine wichtige Rolle: Statt Geld zu kosten, müssen Konzerte, Partys und Festivals Geld für die Organisation einspielen! Doch das ist nur möglich, wenn wir diese Veranstaltungen auf Basis einer starken Organisation durchführen, die aus eigener Kraft breit mobilisieren kann und durch ehrenamtliche Tätigkeit finanzielle Spielräume schafft.
Wie die SJ aufbauen?
Gerade in der nächsten Verbandsperiode werden wir damit konfrontiert sein, dass sich immer breiterer Unmut zeigen und auch Widerstand gegen die Auswirkungen der Krise und die Regierungspolitik formieren wird. Genau hier müssen wir mit unserer Organisationsentwicklung ansetzen. Starke Basisstrukturen können wir nur aufbauen, wenn wir in sich entwickelnden Kämpfen nicht nur dabei sind, sondern als die Organisation wahrgenommen werden, die diese Kämpfe vorantreibt und mit sozialistischen Ideen befruchtet. Hier müssen wir uns ehrlich Fehler in der Vergangenheit eingestehen. Die SchülerInnenbewegung im Dezember, die bei der Kritik an der jetzigen Zentralmatura ihren Ausgangspunkt nahm, aber sofort viel breiter das Sparen bei der Bildung kritisierte, war mit insgesamt 20.000 DemonstrantInnen in ganz Österreich die größte seit 2009. Doch als Gesamtorganisation schafften wir es nicht, diese Bewegung vorwärts zu treiben, wie das noch 2009 der Fall war. Wo die SJ eine organisierende Rolle spielte, war das vor allem Initiativen von Landes-, Bezirks oder Ortsorganisationen zu verdanken und nicht einer bewussten Kampagne der Gesamtorganisation. Ähnliches müssen wir auch bei den verschiedensten Arbeitskämpfen und sogar Streiks, die sich trotz der relativen Ruhe entwickelt haben, eingestehen.
Hier darf auch unser Anspruch als Organisation der arbeitenden Jugend kein bloßes Lippenbekenntnis sein. Die Krise drückt sich als erstes in der verstärkten Ausbeutung der Schwächsten im Arbeitsalltag aus: von Lehrlingen und jungen HilfsarbeiterInnen bis hin zu prekär Beschäftigten. Diese Schichten müssen wir wieder vermehrt für die Organisation gewinnen. Dafür brauchen wir Material, das die zur Genüge vorhandenen Probleme aufgreift und aufzeigt, wie sie durch eine Organisierung gelöst werden können. Dafür müssen wir aber viel mehr Zeit dafür investieren, vor Überbetrieblichen Ausbildungszentren, Berufsschulen und Polytechnischen Lehranstalten präsent zu sein. Lieber einmal mehr vor einem Poly, als mit einer Medienaktion vor dem Parlament. Medienpräsenz ist wichtig und gut, aber ersetzt eine Intervention vor Betrieben, Schulen oder Universitäten nicht.
Hier müssen wir gerade auch die historisch gewachsene Spaltung zwischen sozialistischer und gewerkschaftlicher Jugendbewegung in der Praxis wieder überwinden. Die Gewerkschaften als breiteste Organisation der ArbeiterInnenbewegung haben enormes Know-how, was diese Fragen angeht. Wir können hier viel lernen. Gleichzeitig braucht es eine starke Kraft, die in den Gewerkschaften sozialistische Ideen wieder mehrheitsfähig macht. So können beide Seiten von dieser Kooperation profitieren.
Demokratie und Bildung
Eine strukturelle Stärkung der SJ kann nur Hand in Hand mit einer politischen Stärkung geschehen. Die Basis dafür ist eine breite Politisierungskampagne in der SJ selbst, beginnend bei den Basisstrukturen. Doch wie ist es möglich, dass wirklich jedes Mitglied einen kämpferischen Kurs versteht und auch in der Praxis aktiv trägt?
Nur was wir wirklich verstehen, können wir auch bekämpfen. Deswegen braucht es eine breite Bildungsoffensive. Der Marxismus als Grundlage unserer Analyse muss wieder breit in unserer Organisation verankert werden. Das heißt aber nicht, dass nur noch theoretische Diskussionen geführt werden sollen. Stattdessen brauchen wir eine Einheit von Theorie und Praxis. Marxistische Theorie muss die Grundlage bilden, auf der unsere Organisation aufgebaut wird. Der Marxismus ist das beste Instrument zur Analyse für jeden Aspekt der Realität. Das heißt für uns, egal ob es auf einem Seminar eine Diskussion über die Revolution in Lateinamerika, in einem Leitungsgremium eine Diskussion über die EU oder in einer Ortsgruppe eine Diskussion über Faschismus gibt: Wir beginnen mit einer marxistischen Analyse des Themas, die wir auf die Realität anwenden und daraus unsere Forderungen und konkreten Schritte entwickeln. Deswegen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Verbandsführung, geeignete Schulungsmaterialien und Diskussionsgrundlagen bereit zu stellen. Denn nur durch ein tiefes Verständnis kann die Grundlage für eine wirklich demokratische Diskussion und Entscheidungsfindung in der Organisation darstellen.
Darüber hinaus braucht es Diskussionsfreiheit in allen politischen und methodischen Fragen: Denn nur eine demokratische Organisationskultur kann ein Erstarren der Sozialistischen Jugend verhindern. Die Geschichte der Organisation war immer geprägt von internen politischen Auseinandersetzungen. Mit der Etablierung der linken SJ nach dem Jahr 2000 gelang es, die verschiedenen Strömungen, die sich zu einer marxistischen SJ bekannten, trotz aller Differenzen zusammen in den Dienst des Aufbaus der Verbandsorganisation zu stellen. Das war möglich, weil in einer so komplexen Gesellschaft unausweichlich auftretende politische Konflikte politisch ausgetragen wurden. Organisatorische Mittel wie Ausschlüsse zur Bekämpfung unliebsamer Meinungen und zur Beendigung politischer Diskussionen sind dagegen nicht zu dulden: Ihr einziges Ergebnis ist eine Demoralisierung der Mitglieder und eine Zerstörung der Organisation.
Auf Basis einer so gestärkten Organisation können wir jeden einzelnen Arbeitskampf, jede Unmutsäußerung gegenüber gesellschaftlichen Missständen zum Organisieren von breitem Widerstand und zum Aufbau einer starken SJ nutzen.
Daher fordert der Verbandstag der SJ Österreich:
- Eine Verstaatlichung des gesamten Finanzsystems unter Kontrolle der Beschäftigten und den Kurs auf eine demokratisch geplante Wirtschaft im Interesse der arbeitenden Menschen. Unsere Rolle ist die des Totengräbers und nicht des Arztes am Krankenbett des Kapitalismus. Das Problem sind nicht fehlende Regulierungen der Finanzmärkte oder eine falsche Ideologie der politischen EntscheidungsträgerInnen, sondern das kapitalistische System selbst!
- Den Bruch der Regierungskoalition der SPÖ mit der ÖVP. Diese Forderung werden wir in der Öffentlichkeit, in unseren Medien, in den Parteigremien und durch Pressearbeit (beginnend mit einer Presseaussendung des betreffenden Beschlusses des Verbandtages) verbreiten und wir stellen auf dem nächsten Bundesparteitag der SPÖ einen dementsprechenden Antrag.
- Eure Krise zahlen wir nicht! Die SJ als Massenorganisation wird wieder verstärkt in sozialen Bewegungen gegen Sparpolitik und Gegenreformen wie der SchülerInnenbewegung im letzten Dezember intervenieren. Wo die Möglichkeiten dafür vorhanden sind, werden wir uns an die Spitze solcher Bewegungen stellen und mit einer sozialistischen Perspektive auf eine Ausweitung, Bündelung und Zuspitzung solcher Kämpfe hinarbeiten.
- Wir sind eine Organisation der arbeitenden Jugend. Deswegen werden wir jeden Arbeitskampf nicht nur durch Solidaritätsbotschaften, sondern durch unsere Präsenz vor den Betrieben stärken. Außerdem werden wir eine Kampagne zur Organisierung von Lehrlingen und jungen ArbeiterInnen durchführen.
- Eine demokratische SJ! VertreterInnen der verschiedensten Strömungen müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Meinungen im freien Wettbewerb der Ideen genossenschaftlich gegeneinander abzutesten, damit so die besten Entscheidungen für den Kurs der Organisation getroffen werden können. So legen wir die Grundlage für eine starke Sozialistische Jugend!
Weitere Anträge der Funke-Strömung:
- Raus aus dieser Koalition!
- Demokratie ist unser Sauerstoff – Für einen demokratischen Verbandstag
- „Der Wut Perspektive geben!“ – Für eine sozialistische Lehrlingsarbeit!
- Geld für Bildung statt für Banken!
Alle weiteren Anträge und Wahlvorschläge zum Verbandstag 2014 findest du hier.
Jusos Schweiz machen’s vor
Auf ihrer Jahresversammlung (JV) diskutierten die Schweizer Jusos über Programm und Perspektiven nach der erfolgreichen Abstimmung zu „1:12“. Die marxistische Funke-Strömung verfasste zu diesem Anlass ein Aktionsprogramm. Hier einige zentrale Stellen aus dem Programm, das mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde:
„Es ist die Aufgabe von SozialistInnen, die grundlegenden Widersprüche, welche die bürgerliche Produktionsweise zwingend hervorbringt, aufzuheben. Der enorme gesellschaftliche Reichtum und die technologische Entwicklung, welche die Menschheit hervorgebracht haben, würden eigentlich ein gutes und vernünftiges Leben für Alle ermöglichen. Dies scheitert jedoch daran, dass eine immer kleiner werdende Minderheit diesen Reichtum besitzt und kontrolliert. Daher sehen wir das wichtigste Mittel zur Bekämpfung von Elend, Arbeitslosigkeit und sozialer Ungerechtigkeit in der Überführung der Produktionsmittel, also des gesamten Wissens, der Technologie, der Kommunikationsmittel, des Bodens und der Infrastruktur, aus dem Privatbesitz in den Besitz der Gesellschaft – in der Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und deren Ersetzung durch eine Gemeinwirtschaft auf demokratischer Grundlage.
Damit diese allgemeine Forderung nicht im leeren Raum stehen bleibt, stellt sich für uns die Aufgabe, die Kämpfe für die Verbesserung und die Verteidigung der heutigen Lebens- und Arbeitsbedingungen mit dem Kampf für den Sozialismus zu verbinden. Denn in der Trennung dieser Kämpfe liegt die Krise der sozialistischen Bewegung. (…) Darum wollen wir der Jugend und der arbeitenden Bevölkerung durch ein System von Übergangsforderungen zeigen, dass Sozialismus die Lösung ihrer Probleme ist. “
Nach Festlegung der zentralen Fragen, rund um die die Jusos aktiv sein wollen (Kampf gegen Sozialabbau und sinkenden Lebensstandard, gegen Arbeitslosigkeit und die Machenschaften der Banken, für öffentliche und freie Bildung, für Freiräume und gegen Repression, für internationale Solidarität), wird in einem abschließenden Kapitel noch mal die Rolle der JungsozialistInnen beschrieben: „Die 1:12 Initiative kann nur der Anfang gewesen sein. Das neu entfachte Bewusstsein für Fragen der Lohngerechtigkeit, für die soziale Frage schlechthin, muss unser Ausgangspunkt sein. Die Arbeitenden und die Jugendlichen müssen aktiver Teil der Bewegung werden, nur so kann den Milliarden der Wirtschaft entgegen getreten werden. Für uns bedeutet das konkret, dass wir aktive Mitglieder im Kampf für den Sozialismus gewinnen und die politische Bildung in der Partei vorantreiben müssen.
Unsere Aktionen, Initiativen und Parlamentsarbeit haben sich immer nach dem Aufbau der Partei zu richten. Initiativen und Abstimmungen wie 1:12 sind dabei eine Möglichkeit. Ebenso wichtig ist die Agitation … im Betrieb, in der Schule, in der Universität, im Quartier oder im Dorf. Ob in Personalkommissionen, Schülerräten, Kantigruppen, Studentenvertretungen, Jugendtreffs oder Migrantenvereinen – hier findet tagtäglich Politik statt, hier müssen wir präsent sein und uns organisieren, diese Räume wollen wir mit unseren Forderungen weiter aufbauen. Wir wollen unser Aktionsprogramm in diese Räume, aber auch in die SP tragen. (…) Zur Organisierung der Jugend gehören besonders der Aufbau und die Integration der Gewerkschaftsjugenden in unsere Partei. Da sie momentan der direkteste Konzentrationspunkt des Klassenkampfes sind, ist es notwendig mit und in den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. Kampagnen und Forderungen um die unmittelbaren Interessen der Lernenden und jungen Lohnabhängigen müssen ins Zentrum unserer Politik rücken – die Organisierung der Lernenden und jungen Lohnabhängigen ist heute die Schlüsselfrage für den Aufbau unserer Partei. So werden SchülerInnen und StudentInnen auf den gewerkschaftlichen Kampf ausgerichtet und vorbereitet, während der gewerkschaftliche Kampf eng mit der Perspektive des Sozialismus verbunden wird.
Wir Jungsozialisten wollen zum Zentrum jedes progressiven Protests werden, zur Verkörperung des Widerstands – auch im Kleinen. Wo eine Ungerechtigkeit geschieht, ob abzockende Manager, rassistische Türsteher, sparwütige Stadtpräsidenten oder überharte Polizisten – schreiten wir ein. Wer in diesem Lande an soziale Gerechtigkeit denkt, soll lernen, dabei zuerst an uns zu denken.“
Mit diesem Aktionsprogramm übernahmen die Jusos Schweiz zentrale Positionen der Funke-Strömung und stellen sich auf ein marxistisches Fundament. Die Kooperation zwischen SJÖ und Jusos sollte in der nächsten Phase vertieft werden.