„Dass die Parteikämpfe gerade einer Partei Kraft und Leben geben, dass der größte Beweis der Schwäche einer Partei das Verschwimmen derselben und die Abstumpfung der markierten Differenzen ist, dass sich eine Partei stärkt indem sie sich purifiziert, davon weiß und befürchtet die Behördenlogik wenig!, (F. Lassalle in einem Brief an Marx vom 24. Juni 1852)
Der Mini-Verbandstag stellt ein außerordentlich bedeutsames, fast schon einzigartiges Ereignis in der Entwicklung der Sozialistischen Jugend dar. Das erste Mal seit langem standen politische Ideen im Vordergrund der Debatte. Dies ist deshalb so wichtig, weil die Ideen, Theorien und Prinzipien das Fundament einer jeden politischen Organisation bilden. Eine politische Organisation, die über kein festes theoretisches Fundament verfügt, ist gezwungen, sich rein auf die Erfahrung zu verlassen, auf den politischen Instinkt oder Hausverstand. Die Welt verändert sich beständig, manchmal unter der Oberfläche und kaum wahrnehmbar, manchmal sprunghaft und katastrophenartig. In Perioden, die durch plötzliche Sprünge und jähe Wendungen gekennzeichnet sind, verwandelt sich unser politischer Hausverstand, der uns sonst gute Dienste leistet, in einen zu unsicheren Zeitgenossen.
Die reine Erfahrung ist abgekoppelt von einem festen theoretischen Fundament wie ein haltloses Fähnlein im Wind. Sie lässt sich von jedem oberflächlichen Phänomen beeindrucken und gibt in opportunistischer Art und Weise jedem äußeren Druck der Ereignisse nach, ohne deren innere treibende Kräfte zu verstehen.
Kurzfristig mag eine politische Organisation auch ohne in ihrer Strategie auf einem festen theoretischen Fundament aufzubauen Erfolg haben. Beim ersten Sturm wird sie aber wie ein auf Sand gebautes Haus in ihre Einzelteile auseinander fallen.
Das große Verdienst von Karl Marx besteht darin, dass er die Arbeiterbewegung mit einer wissenschaftlichen Theorie ausgestattet hat. Sein Ziel war es durch ein wissenschaftliches Studium der vor unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung, theoretische Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate dieser Bewegung zu gewinnen. Auch Marx ging von den tatsächlichen Verhältnissen aus, von der Erfahrung des Klassenkampfes. Er blieb aber nicht dort stehen, sondern versuchte zu den inneren Triebkräften des Klassenkampfes vorzustoßen, versuchte zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammen hält. Auf diese Weise versuchte er die Arbeiterbewegung mit einer wissenschaftlichen Perspektive auszustatten. Marx betrachtete die Theorie als die größte Waffe der sozialistischen Bewegung. Nur mittels einer wissenschaftlichen Methode kann sie die Kräfte erkennen, die letztlich die Geschichte verändern. Nur wenn sich die Strategie der sozialistischen Bewegung mit diesen Kräften im Einklang befindet, kann der Lauf der Geschichte verändert werden. Marx glaubte an die Macht der Ideen, die Ideen waren für ihn aber kein schöngeistiger Zierrat, sondern die Waffe, von deren Qualität alle Politik abhängt. Daraus erklärt sich auch die Unversöhnlichkeit, die Marx in theoretischen Auseinandersetzungen an den Tag legte. Ein inhaltlicher Kompromiss auf dem Gebiet der Theorie, eine Verwässerung der Ideen musste schwerwiegende Folgen für die strategische Ausrichtung der sozialistischen Bewegung haben, musste die Waffe stumpf machen. Auseinandersetzungen um grundlegende theoretische Fragen bedeuteten für Marx keine Belastung sondern eine Stärkung der Bewegung, weil dadurch die Ideen geschärft und immer aufs Neue überprüft werden – auf dass sich letztlich die besten Ideen durchsetzen mögen. Die theoretische Auseinandersetzung, das Ringen mit den Ideen führt zu einem gefestigten theoretischen Verständnis der gesamten Bewegung, ihr Fundament befestigt sich. Karl Marx und Ferdinand Lassalle schafften es mit dieser unversöhnlichen Haltung die Sozialdemokratie zur Massenpartei zu machen. Sie kämpften auch gegeneinander unversöhnlich, obwohl sie sich gleichzeitig als Kampfgenossen betrachteten. Erst ihre Schüler leiteten mit den Gründungsparteitagen in Gotha und Hainfeld eine Verwässerung der Ideen ein, in dem sie einen Kompromiss aushandelten, der die entscheidenden Fragen der Bewegung unbeantwortet ließ. Dies trug wesentlich zum Bankrott der Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg bei.
Die Debatten des Miniverbandstages um das Programm sind demnach ein Ereignis von größter Wichtigkeit für die Zukunft der Sozialistischen Jugend. Aus diesem Grund sollen sie im Folgenden ausführlich dargestellt und kommentiert werden.
Ein Grundsatzprogramm mit dem alle können?
Der Miniverbandstag begann und endete mit einem Appell des Vorsitzenden der SJÖ, dass das Grundsatzprogramm die Organisation stärken und nicht schwächen sollte.
Andreas Kollross drückte dabei seine Sorge aus, die verschiedenen Strömungen und Bundesländer könnten sich in der Diskussion um das Programm zerstreiten. Sein Wunsch sei es, dass am Schluss der Debatte alle vereint hinter einem gemeinsamen Programm stehen.
Nun ist es aber so, dass in den letzten Monaten in der Debatte verschiedene Meinungsverschiedenheiten aufgetaucht sind. Einige davon sind bloße Fragen der Formulierung oder des Geschmacks, manche Fragen sind aber von prinzipieller Natur. Prinzipielle Meinungsverschiedenheiten haben es an sich, dass jede der verschiedenen konträren Ansichten zu prinzipiell verschiedenen Schlüssen für die Strategie der Organisation führt. Eine Einigung ist in diesem Fall nur durch einen Kompromiss möglich, der die Folge hätte, dass die Strategie der Organisation nicht mehr in der wissenschaftlichen Perspektive sondern in einem inhaltslosen Kuhhandel wurzelt. Eine solche Strategie mag zwar kurzfristig alle hinter sich versammeln, würde aber aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit langfristig in eine Sackgasse führen und der Organisation erheblichen Schaden zufügen.
Eine andere Möglichkeit wäre es, einer Debatte um strittige Punkte durch allgemein formulierte Gemeinplätze aus dem Weg zu gehen. Auch in diesem Fall blieben wichtige strategische Fragen einfach unbeantwortet und vom theoretischen Fundament völlig losgelöst. Nur wenn Ideen als Zierrat betrachtet werden, ist es möglich mit ihnen zu feilschen. Wer wirklich an die Richtigkeit seiner Ideen glaubt, wird sie nicht tauschen wollen; Ideen haben eine innere Logik und können nicht mit beliebigen anderen Ideen kombiniert werden ohne ihre Kraft zu verlieren.
In Wirklichkeit sind es Kompromisse in prinzipiellen Fragen und eine Verwässerung der markierten Differenzen, und nicht theoretische Kämpfe, die eine sozialistische Organisation in den Bankrott treiben.
Gleichzeitig mit den theoretischen Auseinandersetzungen müssen ein freundschaftliches Verhältnis und die Einheit in der Aktion bestehen bleiben.
Am Schluss appellierte der Verbandsvorsitzende noch an die Minderheiten, ihre niedergestimmten Anträge beim Verbandstag im Herbst nicht mehr zu stellen, nachdem die Machtverhältnisse ohnehin klar geworden sind. Dies wäre ein grober Fehler. Zum einen müssen die Ideen immer wieder aufs Neue überprüft werden. Zum anderen kommen zum Verbandstag doppelt so viele Delegierte wie zum Miniverbandstag. Sie alle sollen die verschiedenen Argumente kennen lernen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können!
Ein Gefühl des Unwohlseins unter den Delegierten
Nach dem wir mit den Worten des Vorsitzenden begonnen haben, wollen wir uns mit der Stimmung unter den Delegierten befassen, bevor wir zur eigentlichen Programmdiskussion vordringen. Was jedem Beobachter auffallen musste, ist, dass die meisten Delegierten immer mit ihren Bundesländerstrukturen abgestimmt haben. Anscheinend verlaufen die Demarkationslinien in der Sozialistischen Jugend nicht nach ideellen, sondern regionalen Kriterien. Das ist verwunderlich. Würden sich die GenossInnen unvoreingenommen mit allen Ideen auseinandersetzen, müsste es zumindest ein paar Wiener geben, die die Meinung der Niederösterreicher vertreten oder umgekehrt. Was ist das Geheimnis hinter dieser Einheit in den einzelnen Bundesländern? Vielleicht gelang es den SJ-Landesbüros in langen theoretischen Vorbereitungstreffen alle Delegierten ihrer Landesorganisation von der Qualität ihrer Argumente zu überzeugen? Das ist unwahrscheinlich. Bei den landesweiten Vorbereitungstreffen in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich erschien nur ein kleiner Teil der Delegierten, die beim Verbandstag anwesend waren. In den Bezirksstrukturen und Gruppen hat die intensive Auseinandersetzung mit dem Programmentwurf und den Abänderungsanträgen noch nicht einmal begonnen. Bei den Vorbereitungstreffen in Oberösterreich und Wien gab es viele Enthaltungen, was die Unsicherheit bei vielen TeilnehmerInnen beweist. Folglich ist es so, dass die meisten Delegierten sich vor dem Miniverbandstag nicht tiefer mit dem Programmvorschlag und den Abänderungsanträgen auseinandergesetzt haben. Im Endeffekt stimmten sie instinktiv ab, viele enthielten sich, die meisten stimmten aber nach der Linie der Landessekretariate.
Wie bringen nun die LO- Führungen ihre Delegierten dazu, so zu stimmen, wie sie es wollen? Offensichtlich nicht durch intensive theoretische Überzeugungsarbeit. Nimmt man sich nicht die Zeit für theoretische Auseinandersetzung mit den gegnerischen Ideen, muss man zu anderen Mitteln greifen, um die gegnerischen Ideen zu bekämpfen. Das beliebteste Mittel ist das der Entstellung der gegnerischen Ideen. In gewissen Kreisen der SJ gehört es z.B. zum guten Ton, über den „Trotzkismus, Witze oder Schauermärchen zu erzählen und Trotzkisten als Spinner darzustellen. Keiner dieser zahlreichen ErzählerInnen von schlechten Witzen und Gruselgeschichten kann wohl von sich behaupten, das Ideengebäude des Trotzkismus intensiv studiert zu haben. Bewusst oder aus Dummheit werden aber grobe Entstellungen in Umlauf gebracht. Einem Genossen aus der SJ Mauthausen ist beispielsweise erzählt worden, Trotzkis Theorie der permanenten Revolution besage, dass die Revolution permanent möglich sei, also zu jeder Zeit in jedem Land. Da erübrigt sich wohl jeglicher Kommentar. Wir werden noch sehen, wie die Methode der billigen Verunglimpfung gegnerischer Ideen in den einzelnen Debatten immer wieder auftaucht, auch wenn die LO-Führungen untereinander Meinungsverschiedenheiten haben. Leider trägt der theoretische Kampf, wenn er auf unehrliche Weise geführt wird, nicht zu einer Stärkung der Organisation bei, weil keiner daraus etwas lernen kann. Die Abstimmungsergebnisse spiegeln nicht die theoretische Überzeugung der Delegierten, sondern die Dominanz der Apparate wider.
Die Stimmung der Delegierten ist dementsprechend von Unsicherheit geprägt. Viele, auch solche GenossInnen, die sich nicht ihrer Stimme enthielten, fühlten sich nicht allzu wohl bei den Abstimmungen. Sie fühlten, dass sie sich noch zu wenig mit allen Meinungen beschäftigt hatten. Es war das erste Mal, dass sie wirklich mit allen Meinungen konfrontiert worden waren. Viele Delegierte betrachten den Miniverbandstag erst als den Beginn der wirklichen Debatte und haben das Bedürfnis, sich bis zum Verbandtag noch einmal mit den entschiedenen Fragen in ihren Bezirken und Gruppen auseinander zu setzen. Wir können diese Haltung nur begrüßen. Holen wir nach, was wir bisher nicht wirklich getan haben. Starten wir auf Ebene der Bezirke und Gruppen eine theoretische Vorbereitungsarbeit für den Verbandstag im Herbst! Beschäftigen wir uns mit dem Programmentwurf und den Abänderungsanträgen in aller notwendigen Tiefe! Lernen wir die Argumente und Theorien aller Strömungen wirklich kennen und starten wir einen freundschaftlichen Diskurs! Nur so kann die Programmdebatte eine wirkliche Politisierung und Stärkung der SJ einleiten.
In welcher Welt leben wir?
Kommen wir nun zur eigentlichen Debatte. Die begann mit einer Diskussion über die Welt, in der wir leben und wie sie einzuschätzen ist. Wir wollen hier nicht die ganze Diskussion neu aufrollen, sondern nur die prinzipiellen Unterschiede zwischen den beiden Anträgen herausheben. Die prinzipielle Frage in der Diskussion war nicht ob wir für kleine Reformen des Kapitalismus, wie eine höhere Besteuerung der Reichen, eintreten sollen oder nicht. Darüber sind wir uns alle einig. Die zentrale Frage war: Ist die heutige Weltordnung ebenso stabil wie in den 1950er, 1960er Jahren, oder befinden wir uns heute in einer wesentlich instabileren und krisenhafteren Epoche des Kapitalismus? Werden die nächsten 20 Jahre so wie die letzten 20 Jahre verlaufen oder werden sie mehr und mehr der Epoche der Zwischenkriegszeit, also einer Epoche von Revolution, Konterrevolution und Krieg, ähneln? Das sind die entscheidenden Fragen, um die es geht. Je nachdem, welcher Ansicht wir in diesen Fragen sind, ergeben sich folgenschwere Schlüsse für unsere Politik.
Wir, die Funke-UnterstützerInnen, gehen von einer Epoche aus, die geprägt sein wird von einer strukturellen weltweiten Krise des Kapitalismus. Demnach kämpfen wir zwar für Reformen, wir erwarten uns von diesen Reformen jedoch nicht, dass sie die Krise des Kapitalismus überwinden können und beispielsweise einen Konjunkturaufschwung herbeiführen können. Dazu ist unserer Meinung nach eine revolutionäre Umwälzung der Eigentumsverhältnisse notwendig. Weil wir von einer Epoche der Instabilität ausgehen, halten wir revolutionäre Prozesse auch in Europa, ja auch in Österreich, zukünftig für möglich.
Zu ganz anderen Schlüssen müssen GenossInnen kommen, die zwischen den 1960er Jahren und heute keine wesentlichen Unterschiede sehen. Sie kämpfen nicht nur für eine Besteuerung der Reichen und für Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums (das tun wir auch), sie erwarten sich durch eine solche Umverteilungspolitik auch eine Ankurbelung der Nachfrage und damit einen wirtschaftlichen Aufschwung. Demgegenüber glauben wir, dass eine hohe Besteuerung der Kapitalisten in der Epoche des Wirtschaftsaufschwungs zwar bis zu einem gewissen Grad möglich ist, in der Krise des Kapitalismus jedoch auf den aggressivsten Widerstand der Kapitalisten durch Investitionsstreik und Kapitalflucht stoßen würde. Gleichzeitig würde der bürgerliche Staatsapparat einer linken Regierung angesichts einer solchen Reformpolitik den Dienst verweigern. Eine linke Regierung müsste, um überleben zu können, einen Schritt zurück machen oder zur Enteignung der Kapitalisten und zum Sturz des bürgerlichen Staatsapparats übergehen, daher zur Revolution.
Wir lehnen den Kampf für Reformen nicht ab, wir wollen ihn entschlossen führen, wir denken aber, dass dieser Kampf unmittelbar mit dem Kampf für eine Revolution verbunden werden muss. Der Kampf für Reformen ist für uns in erster Linie eine Schule des Klassenkampfs, nicht ein Mittel zur Überwindung der kapitalistischen Krisen. Die GenossInnen, wie der Landesvorsitzende der SJ Wien Ludwig Dvorak, die die neue Weltsituation nicht wesentlich instabiler als in den 1960er Jahren einschätzen, halten einen revolutionären Prozess in der kommenden Periode in Österreich für unmöglich. Für sie ist die Revolution eine Angelegenheit, die vielleicht einmal in 200 Jahren aktuell wird, am St. Nimmerleinstag, wie Rosa Luxemburg es auszudrücken pflegte. Bis dahin kann es sich bei ihnen nur darum handeln, dem Kapitalismus durch Reformpolitik ein menschliches Antlitz zu geben.
Die Einschätzung des Staates
Wir wollen hier nicht sämtliche Fragen des Geschmacks und der Formulierung kommentieren, deshalb gehen wir gleich zur nächsten prinzipiellen Frage über, der Frage nach dem Charakter des Staates. Diese Frage ist besonders wichtig für die österreichische ArbeiterInnenbewegung, weil sich die Niederlage im Kampf gegen den Faschismus in der Zwischenkriegszeit auf eine falsche Einschätzung des Staates zurückführen lässt. Karl Renner und Otto Bauer entwickelten nach dem Ersten Weltkrieg die Theorie vom Kräftegleichgewicht der Klassen. Sie meinten, die ArbeiterInnenklasse und das Bürgertum seien gleich stark, deshalb könne keine Klasse die politische Herrschaft ausüben. Dieses Kräftegleichgewicht würde dazu führen, dass der Staat eine neutrale Rolle im Klassenkampf einnehmen würde. Der Klassenkampf müsse nunmehr auf der Ebene der Wahlen, der Gerichtsbarkeit und des Parlaments geführt werden, die Sozialdemokratie müsse sich streng an die Gesetze des angeblich neutralen Staates halten, da sonst ein selbst zerfleischender Bürgerkrieg die Folge wäre. Durch parlamentarische und juristische Geschicklichkeit und der Mobilisierung immer größerer Wählermassen könne die Sozialdemokratie den neutralen Kampfboden Staat für sich gewinnen und in ein Instrument sozialistischer Politik verwandeln.
In Wirklichkeit standen der Beamtenapparat, Justiz, Bundesheer und Polizei die gesamte Zwischenkriegszeit lang unmissverständlich auf der Seite des Kapitals, mit dem sie durch unzählige Fäden verbunden waren. Das Kapital hielt sich von Anfang an nicht an das Gesetz, brach es, wenn immer es ihm vorteilhaft erschien und befand sich in einem Bündnis mit faschistischen Terrorbanden. Der Sozialdemokratie waren im Kampf gegen die immer aggressivere Offensive der Bürgerlichen die Hände gebunden, da sie sich streng an den legalen Rahmen hielt. Was legal war und was nicht, entschied aber wiederum der vom Kapital kontrollierte Staat. Fatalerweise setzte die Sozialdemokratie im Kampf gegen das Kapital auf eine Einrichtung, die sich selbst die ganze Zeit im festen Griff des Kapitals befand. (1)
Nun, was hat das alles mit der Diskussion auf dem Verbandstag zu tun?
Der Programmteil zum Thema Demokratie enthält einen grundlegenden Widerspruch. Auf der einen Seite steht klar und unmissverständlich drinnen, dass der bürgerliche Staat niemals ein Instrument sozialistischer Politik sein kann. Auf der anderen Seite lesen wir, dass der Staat ein „umkämpftes Terrain, darstellt. Diese Formulierung ist äußerst missverständlich und ähnelt der Theorie vom Klassengleichgewicht. Ein Terrain, oder nehmen wir das deutsche Wort Boden, kann nicht mehr als der Schauplatz des Kampfes sein. Der Boden auf dem eine Schlacht stattfindet, hat sich noch nie in die Schlacht bewusst eingemischt, ihm ist es egal wer gewinnt, der Boden ist sozusagen neutral und unpersönlich. Der Staat ist alles was der Boden nicht ist: er besteht aus Personen, er handelt bewusst, er mischt sich überall ein, er ist unmittelbarer Akteur der Schlacht selbst, er ist vor allem nicht neutral, denn er besteht aus Angehörigen der herrschenden Klasse und hinter ihm steht die herrschende Klasse selbst. Der Staat ist kein Schauplatz des Kampfes, sondern die Waffe einer der beiden Kampfparteien, und noch dazu die gefährlichste, die diese besitzt.
Der Autor des fraglichen Satzes wollte vermutlich ausdrücken, dass durch Druck von unten, durch den Kampf der ArbeiterInnenbewegung die Politik des bürgerlichen Staates beeinflusst werden kann. Diese Aussage wäre zweifellos richtig, macht aus dem Staat jedoch noch lange kein „umkämpftes Terrain“. Auch das Kapital kann durch Druck von unten in seiner Politik beeinflusst werden, deshalb ist es trotzdem kein „umkämpftes Terrain“, sondern ein Hauptakteur im Klassenkampf selbst. Der bürgerliche Staat und das Kapital können beide zwar indirekt, durch Kampf zu Zugeständnissen gezwungen werden, aber niemals direkt als Instrument, als „Terrain, für Politik im Interesse der ArbeiterInnenklasse benutzt werden. Der Satz vom „umkämpften Terrain, muss raus!
UNO und Völkerrecht
Eine der wichtigsten Frage des ganzen Mini-Verbandstages war wohl jene nach der Rolle der UNO und vor allem die Frage: Welche Strategie verfolgt die Sozialistische Jugend in ihrer Antikriegspolitik?
Die Frage lautet, wie können die ArbeiterInnenklasse und die Jugend Kriege verhindern? Alle sind sich darüber einig, dass wir nicht auf den Sozialismus warten können, sondern heute und jetzt praktische Antworten geben müssen.
Unsere Antwort ist folgende: Die ArbeiterInnen können Kriege durch Streiks und Blockadeaktionen verhindern. Wenn sie sich weigern, die Waffen herzustellen oder zu transportieren, lassen sich keine Kriege führen. Auf diese Weise ist der Vietnamkrieg beendet worden, der in den USA selbst verloren worden ist. Aber auch der Erste Weltkrieg wurde durch die ArbeiterInnenklasse beendet.
Die Gegenmeinung kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Die internationale Solidarität der ArbeiterInnenbewegung ist zwar eine wichtige Waffe, für sich alleine jedoch nicht genug, weil sie zu schwach ist. Zusätzlich müssten SozialistInnen versuchen die UNO wie sie jetzt ist, in ein wahrhaftes Friedensinstrument zu verwandeln, das heißt sie zu demokratisieren.
Die alles entscheidende Frage ist demnach, ob die UNO demokratisiert werden kann oder nicht? Tasten wir uns schrittweise durch einfachere Fragen an eine Antwort heran! Was müsste passieren, damit eine Demokratisierung der UNO eingeleitet werden kann?
Der Sicherheitsrat der UNO müsste seine Macht freiwillig an die UN-Vollversammlung abtreten oder aber gewaltsam entmachtet werden. Wie sollen nun aber die 6 mächtigsten Staaten der Erde zu einem Abtreten ihrer außerordentlichen Vollmacht gezwungen werden? Durch einen Krieg aller Staaten gegen den Sicherheitsrat? Allein der Gedanke ist absurd. Die Alternative ist die Eroberung der politischen Macht und der Regierungsgeschäfte durch die ArbeiterInnenbewegung in allen sechs im Sicherheitsrat vertretenen Nationen. Erst dann stünde eine Demokratisierung der UNO nichts mehr im Weg. (Sehr praktisch!!! Sehr realpolitisch!!!)
Eines steht jedenfalls fest: Für eine internationale ArbeiterInnenbewegung, die genug politischen Druck erzeugen kann, um den Sicherheitsrat zu entmachten, wäre es ein Leichtes Kriege selbst zu beenden…Wozu wird dann die UNO noch gebraucht?
Jetzt bleibt nur noch die Frage offen, ob eine demokratisierte UNO überhaupt ein friedensschaffendes Instrument sein kann. Auch diese Frage muss mit „Nein!, beantwortet werden. Die Staaten, die nicht zu den militärischen Großmächten der Erde gehören, sind deshalb nicht friedliebender als die Großmächte. Das hat einen einfachen Grund. Die herrschenden Eliten der Dritten Welt und der sogenannten Schwellenländer sind die Lakaien der imperialistischen Großmächte, und um nichts besser als diese. Diese Länder spielen nicht selten auf regionaler Ebene selbst eine imperialistische Rolle, wie die Türkei, Indien, Pakistan oder Indonesien, oder sie fechten die Kriege für die Imperialisten aus, wie in Angola, Kongo, Uganda, Liberia. Wenn alle Länder dieser Erde die Politik der UNO gleichermaßen mitbestimmen könnten, wäre die UNO nicht nur um nichts friedliebender, sondern auch um nichts demokratischer: In welchem Land kann schon das Volk selbst über die Außen- und Sicherheitspolitik mitentscheiden? Kann eine Versammlung der herrschenden Eliten überhaupt als demokratisch bezeichnet werden?
Das einzige Resultat einer solchen reformierten UNO wäre vermutlich, dass sie komplett handlungsunfähig sein würde. Zu viele widersprüchliche Interessen wären nunmehr in der UNO vertreten, als dass man sich überhaupt auf einen Kurs einigen können würde. Die Handlungsunfähigkeit würde jedoch nicht für alle Arten von Konflikten gelten. So verfeindet auch die kapitalistischen Staaten untereinander sein mögen, gegen einen Feind werden sie immer fest zusammen halten, gegen die ArbeiterInnenbewegung und gegen jede Gefahr einer antikapitalistischen Gesellschaftsveränderung. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn alle Staaten der Welt die Politik der UNO bestimmen würden. In der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), sind – wie im Falle einer reformierten UNO – alle Staaten formell gleichberechtigt. Trotzdem richtet sich diese Organisation gegen die sozialen Errungenschaften in Kuba und Venezuela und fordert den Sturz dieser „letzten Diktaturen Lateinamerikas“. Eine militärische Intervention der USA in Kuba oder Venezuela ist in Zukunft unter dem Namen der Organisation Amerikanischer Staaten nicht ausgeschlossen.
Für die Sozialistische Jugend stellt sich nun folgende Frage. Setzen wir in unserer Friedenspolitik auf die Kraft der internationalen Solidarität der ArbeiterInnenbewegung, für die es das große erfolgreiche Beispiel der Anti-Vietnamkriegbewegung und erste Ansätze in der Bewegung gegen den Irakkrieg gibt? Oder setzten wir auf das Instrument einer reformierten UNO? Ein Instrument, für das es keine Ansätze gibt und dessen Eignung als friedenspolitisches Instrument im Sinne der ArbeiterInnenbewegung mehr als fraglich ist.
Auf beides zu setzen ist jedenfalls nicht möglich. Ich kann nicht zu den Menschen sagen: „Den Kampf für den Frieden nimmt euch keiner ab. Den müsst ihr selbst führen!, und im selben Atemzug: „Die reformierte UNO wird das alles für euch machen!, Wenn ich Illusionen in eine reformierte UNO schüre, schwäche ich die Eigeninitiative der internationalen ArbeiterInnenbewegung im Kampf gegen den Krieg. (2)
Der Genosse Reisenbichler meinte, die UNO sei progressiv, weil sie immer wieder Untersuchungen über diverse Missstände publiziert, auf die man sich als Sozialistische Jugend berufen kann.
Zu diesem Argument ist Folgendes zu sagen: wir wollen die UNO nicht erhalten, wir wollen sie aber auch nicht abschaffen. Wir sagen nur, dass SozialistInnen kein Vertrauen in die UNO haben dürfen, dass es ihre Pflicht ist, gegen die Illusionen in die UNO zu kämpfen. Niemand braucht sich davor fürchten, dass die UNO keine Untersuchungen mehr publiziert, wenn ihr die SozialistInnen das Vertrauen entziehen. Wenn diese Untersuchungen brauchbare Ergebnisse liefern, werden wir uns selbstverständlich weiter darauf berufen. Aus ein paar Studien, die Missstände beschreiben, sollte jedoch keineswegs geschlossen werden, dass die Vereinten Nationen selbst einen progressiven Charakter haben. Diese Studien werden von den Großmächten zugelassen, um sich ein progressives Image zu geben. Wir sollten auf so einen billigen Trick nicht hereinfallen!
Die Katholische Kirche publiziert immer wieder Untersuchungen und Studien über Missstände. Wir Sozialisten werden uns auf solche Studien berufen, wenn wir es für richtig halten. Nichts desto trotz halten wir die Kirche für eine reaktionäre Organisation, die Illusionen in eine höhere Macht schürt und damit die Eigeninitiative der Menschen abstumpft. Darin und in der scheinheiligen Frömmigkeit, die beinharte Machtinteressen verdecken soll, ist die Kirche den Advokaten der UNO ähnlich.
Es ist kein Zufall, dass genau Genosse Reisenbichler, ein gläubiger Christ, der leidenschaftlichste Verfechter einer reformierten UNO ist (3). Wer an Engel, Heilige und den Herrgott im Himmel glaubt, dem sei es auch vergönnt, an die Friedensmission der reformierten Vereinten Nationen zu glauben – die Sozialistische Jugend tut jedoch gut daran, sich an den bewährten wissenschaftlichen Sozialismus mit materialistischer Geschichtsauffassung und Klassenanalyse zu halten.
Besonders in der Debatte über die Anträge zur UNO wurde klar, dass das Abstimmungsergebnis nicht die feste Überzeugung der Delegierten widergespiegelt hat. RednerInnen beider Meinungen ernteten nahezu gleich viel Applaus. Viele Delegierte haben nach der Abstimmung gemeint, dass sie sich mit dieser Frage bis zum Verbandstag gerne noch einmal auseinandersetzen möchten. Wir können sie zu diesem Vorhaben nur beglückwünschen. Delegierte der Jusos Tirol und der SJ Salzburg unterstützen die Delegierten der Funke-nahen SJ- Gruppen bei der Abstimmung.
Die Debatte über die Faschismustheorie
Die Diskussion über die Faschismustheorie, war die erste Diskussion die sich nicht zwischen der SJ-Führung und Funke-UnterstützerInnen abspielte. Diese Debatte wurde vor allem zwischen den Landesorganisationen Wien und Niederösterreich geführt. Sie übertraf seltsamerweise an Emotionalität alles Bisherige.
Stellen wir wiederum die unterschiedlichen Theorien einander gegenüber: Die SJ Niederösterreich vertritt die klassische Stamokap-Theorie (4) auch bekannt unter dem Namen „Dimitroff-Thesen“: Sie geht davon aus, dass der Faschismus die offene Herrschaft der aggressivsten Teile des Finanzkapitals sei. Schon diese These alleine ist voller Widersprüche. Zum einen ist jedes kapitalistische Industrieland in der Epoche des Imperialismus geprägt von der Herrschaft des Finanzkapitals. Diese Herrschaft des Finanzkapitals passiert unabhängig von der Regierungsform. Nehmen wir die USA, wo eine Hand voll aggressiver Finanzmagnaten und Monopolisten offen die Politik von Bush bestimmt. Ist deshalb die USA faschistisch? Dies anzunehmen wäre nicht besonders wissenschaftlich. Nehmen wir Österreich, auch in Österreich regieren aggressive Teile des Finanzkapitals mehr oder weniger offen. Österreich ist aber noch lange nicht faschistisch. Eine weitere Frage stellt sich: Kann man das Kapital so ohne weiteres in aggressive und friedliebende Teile unterteilen? Ist nicht jedes Kapital, bei allen Unterschieden der Anlage, gleichsam geprägt durch maßlosen, schrankenlosen, unmenschlichen Drang nach Profit? Wie ist es möglich, dass Deutschland 1963 von Sozialpartnerschaft geprägt war und 1933 von Faschismus und trotzdem in beiden Jahren dieselben Teile und auch größtenteils dieselben Repräsentanten des Finanzkapitals an der Macht waren?
Nebenbei ist es so, dass überall dort, wo der Faschismus zur Staatsform erhoben wurde, die Faschisten zuerst nur durch einen kleinen Teil der herrschenden Klasse unterstützt wurden, kurz vor der Machtübernahme jedoch das gesamte Kapital, von der Schwerindustrie bis zur exportorientierten Elektroindustrie hinter dem Faschismus stand.
Letztlich ist die Frage des Faschismus, nicht eine Frage dessen, welcher Teil des Kapitals an der Macht ist, sondern welche Strategie das Kapital in seiner Gesamtheit einschlägt. Diese Strategie ist unter anderem abhängig vom Level des Klassenkampfs. Generell ist es so, dass auch das „aggressivste, Finanzkapital in normalen Zeiten die bürgerliche Demokratie als Herrschaftsform bevorzugt, besonders nach den fatalen Erfahrungen mit Hitler und Mussolini, deren verrückte Politik das deutsche und italienische Finanzkapital nahe an seinen Untergang führte. In der bürgerlichen Demokratie bleiben die Politiker mit Hilfe von Massenmedien und Geldsack brav an der Leine des Finanzkapitals. Zum relativ unkontrollierbaren und instabilen Faschismus geht das Kapital nur über, wenn seine Existenz in Gefahr ist, beispielsweise durch eine soziale Revolution. Der Faschismus, als Form des von Marx analysierten Bonapartismus, stützt sich politisch in erster Linie auf das Schwert. Er handelt zwar letztlich im Interesse des Kapitals, schließt aber die herrschende Kapitalistenklasse selbst weitgehend von der politischen Entscheidungsfindung aus, die alleine beim Führer und seinem Stab liegt. Dadurch erhält die faschistische Diktatur eine Eigendynamik gegenüber dem Interesse der herrschenden Klasse und handelt gelegentlich sogar deren Interesse zuwider. So provozierte Hitlers Taktik der verbrannten Erde, seine Abneigung gegenüber Friedensverhandlungen, obwohl ab 1943 der Krieg für Deutschland klar verloren war und der Holocaust den Unmut breiter Teile des Kapitals, auch des Finanzkapitals. Die Definition des Faschismus als offene Herrschaft der aggressivsten Teile des Finanzkapitals ist unzutreffend und irreführend. Da die faschistische Massenbewegung nicht in die Analyse eingeklammert wird, werden Militärdiktaturen, faschistische Diktaturen und sogar bürgerliche Demokratien in einen Topf zusammengeworfen, ohne dass die Unterschiede wirklich herausgearbeitet werden (5).
Die Theorie führt auch zu falschen Schlussfolgerungen und Strategien.
In dem das Kapital in eine aggressive und eine demokratische Spielart unterteilt wird, entsteht der Eindruck der antifaschistische Kampf bestünde in einem Bündnis der ArbeiterInnenbewegung mit dem demokratischen Kapital gegen das aggressive faschistische Kapital. Eine verheerende Illusion! Welchen Charakter die strategischen Debatten verschiedener Kapitalfraktionen auch haben mögen, eines ist klar: Wenn es um das Eingemachte geht, das heißt um die Besitzverhältnisse, sind alle Kapitalteile gleich aggressiv gegenüber der ArbeiterInnenbewegung. Im Angesicht der sozialen Revolution gehen alle Teile des Kapitals geschlossen ins Lager der Reaktion über. Selbst das Kleinbürgertum ist an sich nicht demokratisch oder antifaschistisch. Es pendelt zwischen Kapital und ArbeiterInnenklasse hin und her und schließt sich dem Teil an, der am entschiedensten auftritt. Der Versuch, der von den Kommunistischen Parteien im Geiste der Dimitroff-Thesen geschaffenen Volksfrontregierungen in Spanien und Frankreich, den Teufel (das aggressive Kapital) mit dem Belzebub (das angeblich demokratische Kapital) auszutreiben, führte geradewegs in den Triumph der faschistischen Diktatur. Weil die Volksfront das „demokratische Kapital, nicht vergraulen wollte, lehnte sie soziale Verbesserungen für die Massen weitgehend ab. Dadurch wurden die Massen passiv bzw. suchte das Kleinbürgertum enttäuscht und auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise im Faschismus eine Alternative.
Die Theorie, die vor allem von der SJ Wien verteidigt wurde, entspricht der Realität bei weitem eher. Die faschistische Diktatur als Staatsform zeichnet sich nach der SJ Wien hauptsächlich durch die faschistische Massenbasis aus. Mit Hilfe dieser Massenbasis versucht das Kapital die organisierte Arbeiterklasse physisch zu vernichten.
Genosse Florian Wenninger, in dieser Causa der Hauptredner der SJ Wien, tendierte zu einer marxistischen Analyse des Faschismus, wie sie auch Leo Trotzki in den 1920er Jahren entwickelt hat. Leider blieb Genosse Wenninger bisher auf halbem Weg stehen und zog nicht die letzten Schlüsse aus seiner Anschauung. Genosse Andi Wolf vom Funke versuchte am Verbandstag anzuknüpfen, wo Genosse Wenninger stoppte. Die zentralen Argumente sollen hier noch einmal angeführt werden
Die Massenbasis besteht aus entwurzelten Kleinbürgern, Beamten und Arbeitslosen, die eine radikale Gesellschaftsveränderung anstreben. Zuerst setzen diese von der kapitalistischen Krise entwurzelten und deklassierten Schichten ihre Hoffnung in die soziale Revolution. Wenn aber die Linke ihre Hoffnungen enttäuscht, werden sie empfänglich für das pseudorevolutionäre Programm faschistischer Agitatoren. In Italien, Deutschland und Österreich, bekamen die Faschisten erst Massenanhang, nachdem die Linke revolutionäre Möglichkeiten ungenutzt vorüber ziehen ließ. Laut Marx schwanken die Mittelschichten zwischen Kapital und ArbeiterInnenklasse hin und her. Sie schließen sich schlussendlich der Klasse an, die energischer und entschlossener auftritt. Wenn die Linke durch Kompromisse mit dem Kapital ihr gesellschaftsveränderndes Image verliert und als Systempartei wahrgenommen wird, spielt dies den Faschisten in die Hände. Treten Linke entschlossen für die soziale Revolution auf, können sie die Massen für sich gewinnen, und die Faschisten isolieren. (6)
Wir sehen also, dass die zwei verschiedenen Theorien, daher die Dimitroff-Theorie und die zu Ende gedachte Theorie der SJ Wien, zu völlig verschiedenen Resultaten in der Strategie führen. Einige GenossInnen sind der Meinung, wir würden keine Faschismustheorie benötigen. Sie denken: „Ersparen wir uns die müßige Debatte, streiten wir uns nicht! Wir alle sind uns einig, dass hinter dem Faschismus das Kapital steckt – das reicht! Wir können uns leicht einigen!, Wer so denkt, der hat nichts von der Bedeutung und der Kraft marxistischer Ideen verstanden. Nichts wäre schlimmer als ein Kompromiss, der in dieser wichtigen Frage die Antwort schuldig bleibt. Der Triumph des Faschismus gehört zu den traurigsten Kapiteln der ArbeiterInnenbewegung, und der wichtigste Grund für diese Niederlage waren theoretische Unklarheiten, Fehler in der Strategie der ArbeiterInnenbewegung. Wenn wir die markierten Differenzen in den Theorien verwässern, wenn wir unser Konzept auf den kleinsten gemeinsamen Nenner vereinfachen, machen wir neue und alte theoretische Unklarheiten unvermeidlich! Möge in der demokratischen Diskussion, in der ständigen Überprüfung durch die Praxis die bessere und klarere Theorie eine Mehrheit bekommen!
Was verstehen wir unter Austrofaschismus?
Ein Hauptargument der SJ Niederösterreich für ihren Antrag war, dass nach der Theorie der SJ Wien das Dollfussregime nicht mehr als Faschismus bezeichnet werden dürfe, weil ihm die Massenbasis gefehlt hätte. Das stimmt nicht. Dem Wesen nach war die Dollfußdiktatur kein Faschismus, der Form, dem Willen und dem Ziel nach war sie aber faschistisch. Nach dem Sieg des Faschismus in Deutschland, versuchten auch traditionelle bürgerliche Regimes dieses neue, für das Kapital so erfolgreiche Konzept, zu kopieren. So versuchte das Dollfußregime mit allen Mitteln einen österreichischen Faschismus aus dem Boden zu stampfen. Wenn es ihr nur mit mäßigem Erfolg gelang, lag das nicht an dem subjektiven Willen, sondern an der objektiven Schwäche des Dollfußregimes. Nachdem das Regime Dollfuß-Schuschnigg immer offensichtlicher an einer Faschismuseigenkreation scheiterten, suchte es mehr und mehr das Bündnis mit den Nazis, bis es den Anschluss einleitete. Dollfuß und Schuschnigg wollten die faschistische Diktatur, ihr Regime kann mit voller moralischer Berechtigung als Austrofaschismus (7) bezeichnet werden: Es handelt sich jedoch um einen wenig erfolgreichen, von oben künstlich geschaffenen Faschismus, dessen Schwäche letztlich für das österreichische Bürgertum den Anschluss an das Dritte Reich notwendig machte (8).
Die SJ Niederösterreich behauptet auch, dass laut SJ Wien Faschisten nur dann Faschisten sind, wenn sie eine Massenbasis hätten. Auch das ist eine Verfälschung. Ein Regime ist nur dann wirklich faschistisch, wenn es sich auf eine faschistische Massenbasis stützen kann – das ist wahr. Eine Organisation braucht aber keine Massenbasis um faschistisch zu sein. Eine Organisation ist dann faschistisch, wenn sie versucht mit Hilfe von organisierten Banden und jenseits der Legalität Terror gegen Linke, Ausländer, Demokraten und andere auszuüben. Es ist dabei egal ob es sich dabei um 10, 20 oder 100.000 Faschisten handelt.
Das Wichtigste fehlt noch!
Leider ist bei diesem Mini-Verbandstag ein zusätzliches Programmkapitel der Funke-unterstützenden SJ-Gruppen nicht als Antrag zugelassen worden, das sich mit dem Weg zum Sozialismus befasst. Dieser Antrag wird erst beim wirklichen Verbandstag nach einer Diskussion in den Strukturen zugelassen.
Bei dem Punkt „Allfälliges, meldete sich ein Delegierter der SJ Floridsdorf zu Wort und bezeichnete das fehlende Kapitel „der Weg zum Sozialismus, als entscheidendes Kapitel.
Das können wir nur unterschreiben! Immer wieder lesen wir im Programmentwurf, dass erst im Sozialismus dieses oder jenes Problem wirklich gelöst werden könne. Nirgends lesen wir aber, wie dieser Sozialismus denn erreicht werden soll. Formal stehen der Kampf für Reformen und der Kampf für den Sozialismus gleichberechtigt nebeneinander. Da für den Weg zum Sozialismus kein Konzept vorliegt, droht die sozialistische Revolution zu einer Sonntagsfloskel zu verkommen.
MarxistInnen erarbeiteten das Konzept des Übergangsprogramms, in dem die Frage nach der Verbindung des Kampfes für Reformen mit dem Kampf für den Sozialismus gelöst werden sollte. Nach dem wir Otto Bauer gelesen haben, können wir nun von den Antitrotzkisten mit Recht einfordern, Trotzki zu lesen. Setzt euch unvoreingenommen mit diesem Konzept auseinander, bevor ihr es ablehnt! Die wichtigste These Trotzkis ist, dass die Welt an sich überreif für den Sozialismus ist. Das heißt, die dringlichsten Probleme der ArbeiterInnenklasse können nur durch Maßnahmen wirksam in Angriff genommen werden, die bereits die Frage nach der Macht im Staat stellen. Diese Maßnahmen müssen im alltäglichen Kampf für Reformen ins Zentrum gerückt werden. Auf diese Weise wird vom tatsächlichen Bewusstsein der Massen, welches beim Kampf für kleine Verbesserungen beginnt, eine Brücke geschlagen zum Kampf für die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft. Trotzkis Konzept ist nur eine Ausarbeitung von Ideen, die bereits bei Marx, Luxemburg und Lenin zu finden sind. Luxemburg meinte schon, dass der taktische Kampf um Reformen, dem strategischen Kampf um den Sozialismus untergeordnet werden muss.
Wir haben dieses Konzept ausführlich in mehreren Texten (9) und im Antrag selbst behandelt wo es studiert werden kann.
Neben uns TrotzkistInnen hat nur der Stamokap-Flügel ein Konzept, wie mit dieser Frage umzugehen ist. Seine Antwort auf die Frage der Verbindung ist jedoch rein negativ, das heißt es gibt keine Verbindung sondern eine Trennung und zeitliche Aneinanderreihung der beiden Kämpfe. Zuerst gibt es den reformerischen Kampf um eine gerechte Welt, für eine antimonopolistische Demokratie und für eine reformierte UNO, die den Weltfrieden garantiert. Dieser Kampf der ersten Etappe wird im Einklang mit allen fortschrittlichen Kräften der Gesellschaft geführt, worunter hauptsächlich das Kleinbürgertum und das „demokratische, Kapital gemeint sind, auch die fortschrittliche, „demokratische, Fraktion der Kirche soll nicht ausgenommen werden. (10)
Erst dann in der zweiten Etappe schreiten wir zum Sozialismus. Eine Frage muss sich hier jedem Marxisten stellen, der wie Marx selbst davon ausgeht, dass Widersprüche die Triebfedern der gesellschaftlichen Entwicklung sind, dass sich kolossale Widersprüche unter der Oberfläche ansammeln müssen, damit eine sozialistische Revolution möglich ist. Wenn es möglich ist die ernstesten, unmittelbarsten Probleme der Arbeiterschaft in einer sogenannten antimonopolistischen Demokratie zu lösen, die Friede, Wohlstand und Gerechtigkeit bringt, wo besteht dann noch die geschichtliche Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution?
Die Bilanz des Mini-Verbandstages
Allgemein geht aus der gesamten Diskussion innerhalb der Linken in der SJ – die in den letzten Jahren stark marginalisierte SJ-Rechte hat sich gar nicht beteiligt – hervor, dass der einst so stolze Stamokap-Flügel mittlerweile am rechten Rand der Linken zu finden ist. Er verkörpert dabei die Vergangenheit. Niemand verteidigt die UNO so vehement wie der Stamokap-Flügel, der sich dabei darauf stützt, dass einst auch die Sowjetunion im Sicherheitsrat zu finden gewesen ist. Der ganze Rest der Linken in der SJ hat Zweifel an der UNO. Zum Unverständnis vieler Delegierter bestand der Stamokap-Flügel darauf, explizit die fortschrittlichen Teile der Kirche als Bündnispartner zu erwähnen, während beispielsweise AnarchistInnen und linksradikale Gruppierungen nicht als BündnispartnerInnen in Erwägung gezogen werden. In der Faschismus-Debatte verteidigt der Stamokap-Flügel das Bündnis mit dem sogenannten demokratischen Kapital gegen das aggressive Kapital und geht über eine Analyse der faschistischen Bewegung selbst einfach hinweg. Insgesamt besteht er darauf, dass der Kampf gegen das Kapital durch den Kampf gegen die Monopole ersetzt werden muss, der Kampf für den Sozialismus durch den Kampf für die „antimonopolistische Demokratie“. Dazwischen wird immer wieder der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt nachgeweint, ohne sich einmal ernsthaft damit auseinander zu setzen, warum diese gescheitert ist. Im Gegenteil die Lehren werden bewusst verdrängt. Der Warschauer Pakt sei nicht gescheitert, er habe sich selbst aufgelöst. Was für ein kolossaler Realitätsverlust! Dass der Sozialismus international ist oder gar nicht, gehört mittlerweile in der SJ zur öffentlichen Meinung. Der Stamokap möchte aber noch die Möglichkeit des „Sozialismus in einem Land, erwähnt haben. Kurz, der Stamokap hat in dieser Debatte eine alles andere als fortschrittliche Seite gezeigt. Auch, wenn er in der Faschismus-Debatte den Sieg im Abstimmungsverhältnis davontragen konnte, ist er weit hinter das durchschnittliche Niveau der politisch denkenden SJ-AktivistInnen zurückgefallen (11).
Neben den Konzepten des Stamokap und des Trotzkismus gibt es noch den Austromarxismus. Der Austromarxismus stellt kein einheitliches, in sich geschlossenes Gedankensystem dar, sondern als österreichische Lösung des Marxismus, den Versuch alle Methoden und Gedankengänge in einen Hut zu stopfen (12). Er ist so etwas wie eine Sozialpartnerschaft der Gedankensysteme. Hinzu kommt, dass die sogenannten Austromarxisten in der SJ Niederösterreich oder der SJ Wien, selbst austomarxistische Klassiker wie Otto Bauer nur peripher studiert haben. Deshalb ist der austromarxistische Flügel, der am wenigsten geschlossene. In den Theoriedebatten am Verbandstag gingen beispielsweise niederösterreichische Austromarxisten wie Bernhard Wieland entschlossen mit den Ideen des Stamkaps, während die SJ Wien offen für neue Ideen ist und in der Frage des Faschismus zu Ideen des Trotzkismus tendiert. Auch in der Frage der UNO wurde der Antrag der den Funke unterstützenden SJ-Gruppen in der Antragsprüfungskommission der SJ Wien zuerst angenommen, bevor er später wieder verworfen worden ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in der Linken innerhalb SJ am Verbandstag mit dem Stamokap und dem Trotzkismus zwei Gedankensysteme als Gravitationszentren gezeigt haben, zwischen denen die Teile, die sich in einer austromarxistischen Tradition sehen, ins Schwanken gekommen sind, und sich in der Frage des Faschismus sogar spalteten. Betrachtet man die beiden Gravitationszentren in der SJÖ genauer und über den Zeitraum der letzten zehn Jahre hinweg kann schwer bestritten werden: Der Stamokap verkörpert in der theoretischen Diskussion die Vergangenheit, der Trotzkismus hingegen die Zukunft der Sozialistischen Jugend.
——————–Fußnoten—————–
(1) Otto Bauer schrieb selbstkritisch kurz bevor er starb über seine Fehler in der Arbeit, Der Faschismus, aus: Zwischen Zwei Weltkriegen? Die Krise der Weltwirtschaft, der Demokratie und des Sozialismus, Bratislava 1936.:
„Diese Erfahrung ( Anm. d. A.: des Faschismus) zerstört die Illusion des reformistischen Sozialismus, dass die Arbeiterklasse friedlich und allmählich durch bloße Ausnützung der demokratischen Institutionen, ohne revolutionären Sprung die Formen der Demokratie mit sozialistischem Inhalt erfüllen, die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu einer sozialistischen entwickeln könne. …..Hat sie ( Anm. d. A.: Die ArbeiterInnenklasse) gehofft, durch Ausnützung der Demokratie eine sozialistische Gesellschaftsordnung erringen zu können, so muss sie jetzt erkennen, dass sie zuerst ihre eigene Herrschaft erkämpfen und durch sie eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufbauen muss, ehe eine vollkommene und dauerhafte Demokratie möglich wird.“
(2) Der Stamokap- Flügel ist, wie man beim Verbandstag sehen konnte, stolz auf seine Belesenheit betreffend marxistisch-leninistischer Klassiker, gleichzeitig ist er ein vehementer Verteidiger einer reformierten UNO. Das ist ein Widerspruch, denn Lenin kritisierte unversöhnlich die Idee, dass durch eine Vermittlung zwischen kapitalistischen Nationen Frieden geschaffen werden kann. Den Völkerbund bezeichnete er als „Räuberhöhle, und „Diebesküche“. Zweck solcher Vereinigungen kapitalistischer Staaten sei es, die Aufteilung der Welt unter die Imperialisten zu legitimieren und zu konservieren. Wer Illusionen in solche Vereinigungen schürt, der streue den ArbeiterInnen Sand in die Augen. Nebenbei besaß der Völkerbund keinen Sicherheitsrat und ähnelte damit der reformierten UNO des Stamokap-Flügels sogar mehr als der heutigen UNO. Lenins Werke lassen grüßen.
(3) Genosse Reisenbichler hat natürlich keine Machtinteressen zu verteidigen. Seine Frömmigkeit was die Kirche und die UNO anbelangt, ist ehrlich gemeint, deshalb aber um nichts weniger gefährlich.
(4) Der Stamokap- Flügel leitet sich ab von der Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus ab, die auch eine eigene Methode für die praktische Politik entwickelt hat. Diese Theorie wurde in den 1950er Jahren in der DDR und der UDSSR entwickelt und baut auf Stalins Volksfronttaktik zwischen 1933 und 1939 auf.
(5) Streng genommen ist die Faschismustheorie von Dimitroff, auf die sich die Stamokap-Strömung stützt, gar keine Faschismustheorie. Warum? Weil sie an dem Phänomen des Faschismus selbst, das heißt den faschistischen Banden, vorbeigeht. In dem Begriff der Herrschaft der aggressivsten Teile des Finanzkapitals spielen diese faschistischen Banden und der Faschismus als Massenbewegung gar keine Rolle. Die Kommunistische Partei Deutschlands war in den 1930er Jahren nicht zuletzt deshalb unfähig, den Faschismus zu bekämpfen, weil sie den Faschismus eben nicht als Massenbewegung verstand. Sie setzte schon die Polizeidiktaturen 1930 -33 von Brüning, Schleicher und Pappen mit Faschismus gleich. Sie ließ die Machtübernahme Hitlers kampflos geschehen, weil sie auf Grund der falschen Theorie in ihr keine schwerwiegende Veränderung sehen konnte. Wer die Bedeutung der faschistischen Banden, der faschistischen Massenbewegung nicht zur Kenntnis nimmt, kann diese Banden nicht wirksam bekämpfen.
(6) Wir würden uns am Verbandstag freuen vom Genossen Wenninger zu hören, was er von unseren Argumenten hält. Er soll sich für uns erklären oder aber begründen warum er unsere Schlüsse nicht teilt. Am Miniverbandstag hat er sich darüber leider in Schweigen gehüllt.
(7) Der Begriff Austrofaschismus ist keinesfalls falsch, er hat sich in der ArbeiterInnenbewegung etabliert und sollte von uns weiter verwendet werden: Wir müssen uns aber klar darüber sein was wir damit meinen. Die Wahrheit ist immer konkret: An sich ist nur die Heimwehrbewegung faschistisch. Die Vaterländische Front schaffte es nie zur Schlagkraft faschistischer Organisationen zu gelangen, selbst wenn sie eine solche ohne Zweifel sein wollte. Dollfuß und Schuschnigg waren persönlich Faschisten, begeisterte Schüler von Mussolini. Ihr Regime kam auf Grund seiner Schwäche nicht über einen klassischen Polizeistaat mit faschistischen Elementen, repräsentiert durch die Heimwehren, hinaus. Dem Willen, der Moral, der Geisteshaltung und dem Ziel nach ist der Ständestaat durch und durch faschistisch, er konnte den Faschismus jedoch erst im Anschluss an Deutschland vollständig machen. In diesem Sinn muss der Begriff Austrofaschismus verstanden werden.
(8)Wir werden in diesem Zusammenhang wieder Otto Bauer zitieren, dessen Position wir in dieser Frage ausnahmsweise teilen können: „Sie (Anm.: die österreichische Bourgeoisie ) ahmte dabei äußerlich die Methoden des Faschismus nach. Sie knüpfte an die faschistische Ideologie an und verknüpfte sie mit katholischem Klerikalismus. Aber in Wirklichkeit ist ihre „Vaterländische Front, nicht, wie die faschistische Partei Italiens und die nationalsozialistische Partei Deutschlands, aus einer volkstümlichen Massenbewegung hervorgegangen, sondern von der Regierung erfunden und gegründet, mit den Gewaltmitteln des Staates den Volksmassen aufgezwungen worden. In Wirklichkeit ist der Faschismus hier nicht das Naturprodukt elementarer Massenbewegungen und Klassenkämpfe, sondern ein Artefakt, das die gesetzliche Staatsgewalt dem Volke auferlegt hat., Zitiert, wie oben, aus, Der Faschismus“. Der Austrofaschismus ist Artefakt, also Kunstprodukt, kein echter, sondern ein künstlicher, nachgemachter Faschismus. So muss der Austrofaschismus verstanden werden.
(9) „Grundsatzprogramm und Weltlage, : www.derfunke.at/jugend
(10) Die Frage stellt sich, warum wir in Österreich, wo die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Lohnabhängige sind, dem Kleinbürgertum eine dermaßen prominente Rolle in unserem Bündnis einräumen sollten, dass wir uns von ihm dreinreden lassen, welche Maßnahmen wir für notwendig halten und welche nicht.
(11) Auffallend und interessant ist das Bündnis zwischen dem Stamokap-Flügel und der Führung der SJ Niederösterreich, die eigentlich theoretisch dem Austromarxismus zugerechnet werden muss. Der materielle Kern des Bündnis besteht darin, dass die SJ Niederösterreich dem Stamokap theoretisch die Führung überlässt, trägt der Stamokap die praktische Politik der SJ Niederösterreich mit, die eine Tendenz in Richtung reine Parteijugend und Freizeitorganisation aufweist. Während sich in der Verbandsorganisation und in der SJ Wien Tendenzen der Politisierung verstärken, während dort eine sehr politische Antifakampagne organisiert wird, bleibt die SJ Niederösterreich bei ihrer unpolitischen Wahlaltersenken-Kampagne, bei Skate-Contests und plant für den Herbst den Schwerpunkt auf die Wahlkampfunterstützung der SPÖ Niederösterreich zu legen.
Der Stamokap verkörpert in der Linken also theoretisch und praktisch die opportunistische Strömung.
(12) Otto Bauer entwickelte nie ein einheitliches Konzept, sondern lavierte zwischen dem rechten und linken Parteiflügel hin und her. Seine Schriften von 1934 – 38 widersprechen den alten Schriften vor 1934 teilweise diametral. Verurteilte er später zum Beispiel in „Der Faschismus, die reformistische Illusion in die Legalität, war er früher beispielsweise im Linzer Programm der bedingungslose Verteidiger ausschließlich legaler Methoden. Teilweise ging sein Lavieren soweit, dass er in strittigen Debatten sowohl den Antrag der Linken als auch den der Rechten schrieb.