In den Diskussionen um das neue Grundsatzprogramm der Sozialistische Jugend spielt auch die Außenpolitik eine wichtige Rolle. Eine Frage lautet dabei: Welche Haltung soll eine sozialistische Jugendorganisation zu Institutionen wie der UNO einnehmen? Nun, die Beziehungen zwischen den Nationen sind mit dem gleichen nüchternen Blick zu analysieren wie die Beziehungen zwischen den Klassen.
Seit der Herausbildung von modernen kapitalistischen Nationalstaaten ab dem Ende des 17. Jahrhunderts, gibt es auch die Idee eines Bündnisses von gleichberechtigten Staaten zur Schaffung des Weltfriedens. Die konkrete Idee eines Völkerbundes geht auf den Philosophen Immanuel Kant zurück, der diese Vorstellungen zur Zeit der französischen Revolution in der Schrift „Zum ewigen Frieden“ entwickelte.
Eine erste Umsetzung erlebte die Idee kurz nach dem 1. Weltkrieg, als der erste Vorläufer der UNO gegründet wurde: Der Völkerbund. Die USA, deren Präsident Wilson die Rolle des Initiators bei der Gründung des Völkerbundes spielte, sahen in ihm nach dem Krieg auch ein Instrument zur Öffnung der Märkte für ihre Produkte. Außerdem sollten die Verlierer (die Mittelmächte) abrüsten.
Leo Trotzki und Lenin lehnten den Völkerbund und die Mitgliedschaft der jungen Sowjetunion auf schärfste ab. Lenin beschrieb das Bündnis damals als „Räuberhöhle“ und „Diebesküche, und eine der Aufnahmebedingungen der Kommunistischen Internationale war damals, „den Arbeitern systematisch vor Augen zu führen, dass ohne revolutionären Sturz des Kapitalismus keinerlei internationales Schiedsgericht, keinerlei Gerede von Einschränkung der Kriegsrüstungen, keinerlei ‚demokratische, Reorganisation des Völkerbundes imstande sein wird, die Menschheit vor neuen imperialistischen Kriegen zu bewahren.“
Doch in der Periode der Stalinisierung der Internationale und der Annäherung an die großen imperialistischen Mächte, wie Frankreich, ganz im Zeichen der Politik der „Volksfront“, trat die Sowjetunion 1934 sogar dem Völkerbund bei. Trotzki räumte damals mit allen Illusionen in dieses Bündnis auf: „Der Völkerbund zum Schutz des Status quo ist keine Organisation des ‚Friedens“, sondern eine Organisation der Gewalt der imperialistischen Minderheit über die erdrückende Mehrheit der Menschheit.“
Und obwohl er faktisch erst 1946 aufgelöst wurde, scheiterte der Völkerbund schon viel früher an den realen Widersprüchen der Interessen der Mitgliedsstaaten. Die USA, trotz ihrer zentralen Rolle bei der Gründung, traten dem Völkerbund erst gar nicht bei, da sie glaubten, ihre nationalen Ansprüche eher ohne ihn durchsetzen zu können. Und auch die anderen großen Siegerstaaten, die den Völkerbund organisatorisch dominierten, nutzten ihn für ihre Interessen aus, wo es ging, scherten sich aber überhaupt nicht um ihn, wenn er ihnen im Wege stand. So okkupierte Japan 1931 die Mandschurei und Italien 1935 Abessinien gegen die Satzungen des Völkerbundes.
Keinen Frieden…
Nach dem 2. Weltkrieg wurde auf Druck der USA und Großbritanniens (Motiv: eine Neuordnung der Weltwirtschaft: Öffnung der Märkte, freier Zugang zu Rohstoffquellen und die Etablierung eines festen Wechselkurssystems.) 1945 die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) gegründet. Diese Organisation hatte die Hauptaufgabe, als konfliktlösendes Element zwischen Nationalstaaten zu agieren. Auf Grundlage des langen wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem 2. Weltkrieg sollten nicht nur die Beziehungen zwischen den Klassen stabilisiert werden, sondern auch die Beziehungen zwischen den Staaten. Die Widersprüche zwischen den Interessen der einzelnen Nationen bleiben im Kapitalismus aber immer bestehen, sodass die UNO immer nur zweitrangige Konflikte lösen konnte, welche die grundlegenden Interessen der bestimmenden Mächte aber nicht berührten. In den letzten 30 Jahren haben die Konflikte so zugenommen, dass selbst bürgerliche Kommentatoren immer wieder vom Ende der UNO sprechen.
Ein weiteres wichtiges Organ der UNO ist der Wirtschafts- und Sozialrat ECOSOC, die Drehscheibe zu den Sonder- und Spezialorganisationen. Währen die 14 Spezialorganisationen (etwa das Kinderhilfswerk UNICEF) dem ECOSOC direkt unterstellt (und somit meist schlecht finanziert) sind, sind die 16 Sonderorganisationen nur lose angebunden und verfügen über eigene Strukturen und finanzielle Mittel. Hierzu gehören etwa die Bretton-Woods-Organisationen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF), die durch eine besondere Art des Stimmrechts glänzen: Die Anzahl der Stimmen, die jedes Land hat, hängt proportional vom Finanzierungsbeitrag ab, was zu einer absoluten Dominanz der imperialistischen Länder führt.
Der Charakter der UNO zeigte sich im Vorfeld des letzten Irakkriegs erneut mit aller Eindeutigkeit: Die UNO stimmte für die Resolution 1441, die in Wirklichkeit einer aggressiven Militäraktion gegen den Irak den Weg ebnete und den USA eine Legitimation für zukünftige Angriffe verschaffte. Als die UNO allerdings aufgrund der unterschiedlichen Interessen zwischen den bestimmenden Staaten die aggressive Politik der USA nicht mehr mit einem Feigenblatt versehen konnte, griffen diese trotzdem an. Das Muster ist dabei seit 50 Jahre das immer gleiche: Mit der UNO so weit es eben geht, ohne UNO, wenn nötig. Verabschiedet die UNO Resolutionen gegen die Interesse der USA (z. B. Resolutionen gegen das US-Embargo über Kuba oder die israelische Besatzungspolitik), sind diese faktisch ohne jede Bedeutung. Die Liste der historischen Beispiele aber, bei denen die UNO offen auf der Seite des Imperialismus intervenierte, ist lang, und ließe sich bereits mit Korea 1950-53 oder dem Kongo 1962-64 beginnen und zuletzt mit Ost-Timor 1999 abschließen.
Auch eine Demokratisierung der UNO, was de facto die Abschaffung des Sicherheitsrates bedeuten würde, könnte den eindeutigen Charakter nicht ändern. Denn selbst wenn die Staaten, die jetzt den Sicherheitsrat kontrollieren auf einer Ebene mit allen Mitgliedern agierten, würde sich deren wirtschaftliche und militärische Überlegenheit immer durchsetzen – oder die UNO versänke in völliger Bedeutungslosigkeit. Außerdem wenn es den Sicherheitsrat nicht geben würde oder es sich in ihm doch einmal spießt, haben die zentralen imperialistischen Staaten auch noch andere Möglichkeiten. Sie können die Entscheidungen in Sonderorganisationen mit anderem Stimmrecht (wie Weltbank oder IWF), oder ganz aus dem UNO System verlagern: Es gibt ja auch noch die WTO oder gar die G7/G8, da gibt es dann keine lästigen 3.Welt-Staaten mehr, die mitreden wollen. Die Lehren daraus sollten unmissverständlich sein: So wie es auch zwischen den Klassen keine neutralen Schiedsrichter geben kann, so kann es so etwas auch nicht auf der Ebene der Nationen geben, was nebenbei gesagt auch für jedweden internationalen Gerichtshof gilt. Es ist daher für SozialistInnen unzulässig, irgendwelche Illusionen in die UNO zu schüren und an sie zu appellieren.
…mit dem Kapitalismus!
Die Bewegung gegen den Irakkrieg hat uns eine Alternative für eine Friedenssicherung gezeigt. Durch die internationale Solidarität vieler ArbeiterInnen konnten viele Waffentransporte verhindert werden. Man erinnere sich nur an die kämpferischen Aktionen der schottischen EisenbahnerInnen, die keine Waffen transportierten, den Streik belgischer und italienischer Hafenarbeiter, sowie den vierstündigen Generalstreik in Spanien. Auch in Österreich wurden derartige Aktionen im Eisenbahnbereich vorbereitet.
Wenn wir aber glauben, dass eh beides gleichzeitig vertretbar ist, nämlich die Friedensicherung durch internationale Solidarität und durch die UNO, kann man sich leicht täuschen. Wenn sich die Speerspitze der ArbeiterInnenklasse, die SozialistInnen, Hoffnungen in die UNO steckt, könnten leicht Illusionen der ArbeiterInnenschaft in dieses Bündnis entstehen. Um die ganze Kraft der internationalen Solidarität der ArbeiterInnen für die Schaffung von Frieden bündeln zu können, müssen wir reinen Tisch mit den Illusionen in die UNO machen. Dabei sollte uns immer bewusst sein: Jeder Kampf gegen Krieg muss auch einen Kampf gegen den Kapitalismus bedeuten!