Ein Beitrag zur Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm der SJÖ. Die Sozialistische Jugend hat beschlossen ein Grundsatzprogramm zu verfassen. Bisherige Diskussionen machen deutlich: Das Programm soll auf marxistischen Analysen aufbauen und die sozialistische Umwälzung der Gesellschaft fordern.
Der Zeitpunkt für ein Programm kann besser nicht gewählt sein. Gerade im letzten Jahr hat die österreichische Arbeiterklasse nach Jahrzehnten des sozialen Friedens damit begonnen den Klassenkampf neu für sich zu entdecken. Der Weg der sozialpartnerschaftlichen Zähmung des Kapitalismus hat sich als Sackgasse erwiesen. Ein Bedürfnis entsteht nach anderen Ideen und Methoden. Im Folgenden wollen wir die Bedeutung der Weltlage für die Methodik eines sozialistisches Programm sowohl was die Analyse, die Forderungen und das Selbstbild der Organisation betrifft, heraus arbeiten.
Die Weltlage und das Programm
Ein Programm wird zu einer materiellen Gewalt, wenn seine Forderungen an den aktuellen Bedingungen anknüpfen. Ein Programm welches nicht in den politischen und wirtschaftlichen Zuständen seiner Zeit wurzelt schwebt im luftleeren Raum. Es ist ein Grundsatzprogramm für die Ewigkeit und damit auf Ewigkeit verurteilt nichts als Grundsatzprogramm zu bleiben.
In unserer Epoche der Weltwirtschaft und der Weltpolitik ist es nicht zweckmäßig unser Programm lediglich oder vorwiegend aus den Entwicklungstendenzen Österreichs abzuleiten. In einem nie dagewesenen Ausmaß bestimmen Weltwirtschaft und Weltpolitik die politische Entwicklung Österreichs. Ein sozialistisches Programm erhält seine wahrhafte Schlagkraft erst, wenn es unmittelbar aus der Analyse der Weltsituation als Ganzem hervor geht. Die Analyse darf jedoch nicht dabei stehen bleiben, die Funktionsweise des Kapitalismus in allgemeiner Art zu erklären. Es geht darum zu beleuchten wie die Widersprüche des Kapitalismus zur Zeit an die Oberfläche treten, wie die Weltlage mehr den je Schrittmacher für die politische Entwicklung Österreichs ist. Es genügt nicht, festzuhalten, daß der Kapitalismus konjunkturelle Krisen hervorbringt, die aktuelle Krise der Weltwirtschaft ist mehr als nur ein Konjunktureinbruch, sie reflektiert das Ende einer ganzen Ära relativer wirtschaftlicher Stabilität in der Nachkriegszeit. Unser Programm sollte veranschaulichen wie Irakkrieg und Afghanistankrieg das Kräftegleichgewicht zwischen den Staaten erschüttert haben, wie, die Krise der UNO und das Entstehen mehrerer imperialistischer Blöcke selbst kleine Staaten wie Österreich in eine Rüstungsspirale hineinzieht. Die Angst vor einem drohenden Einbruch Weltwirtschaft bildet gemeinsam mit immer höheren Rüstungsausgaben die Grundlage für den weltweiten erbarmungslosen Angriff auf den Wohlfahrtsstaat. In unserem Programm ist es zu wenig zu erklären, das es Klassenkämpfe gibt. Entscheidend ist es zu zeigen, wie sich der Klassenkampf zur Zeit entwickelt, die revolutionäre Krise in Lateinamerika genauso zu erklären, wie das Erwachen der Arbeiterklasse in Europa im Allgemeinen und in Österreich im Besonderen. Ein solches Unterfangen bringt es mit sich, daß das Programm umgearbeitet werden muß, nicht wenn sich das eine oder andere Detail, sondern wenn sich der Grundcharakter der Epoche ändert. Marxisten halten ewig gültige Grundsätze ganz gleich ob Gott gegeben oder dem kommunistischen Manifest entlehnt für Mystik. Sie leiten ihre Handlungen ab aus der konkreten Wirklichkeit, die immer wieder neu überprüft werden muß. Nicht daß wir eine Revolution für gut befinden, soll aus dem Programm hervorgehen, sondern daß die aktuelle Weltlage durch ihre Widersprüche geneigt ist Revolutionen hervorzubringen. Ewige Grundsätze, die sich nicht mit aktueller Wirklichkeit schmutzig machen wollen, müssen sich wohl oder übel auf das Reich der Werte beschränken, das Reich der schmutzigen Wirklichkeit müssen sie der sogenannten Realpolitik überlassen, die selbst zur Gänze im Schmutz zu Hause, bei den ersten Schwierigkeiten sämtliche Ideale über Bord wirft.
Die Weltlage und der Charakter der Forderungen
Viele sozialistische Programme trennen ihre Forderungen in viele Minimalforderungen nach kleinen Verbesserungen auf der einen Seite und in eine Maximalforderung nach einer sozialistischen Gesellschaft auf der anderen Seite. Diese Trennung ist gefährlich. Die Forderung nach einer sozialistischen Gesellschaft ist zwar objektiv notwendig und zurecht den Widersprüchen in der Welt abgeleitet, sie besitzt jedoch wenig Bodenhaftung in der subjektiven Bedürfnispalette der Massen. Die Forderung nach Sozialismus droht wiederum wie ein Ballon ins Reich der ewigen Grundsätze, ins Reich der Feiertagsreden zu entschwinden, wenn sie nicht am Boden festgebunden wird. Die Minimalforderungen können für sich alleine gelassen unseren Ballon nicht am Boden halten. Sie drücken zwar Bedürfnisse aus und haften in der Wirklichkeit, aber sie führen nicht wie eine Schnur zu unserem Ballon, dem Sozialismus. Minimalforderungen können zwar die eine oder andere Verbesserung erreichen, da sie jedoch die grundlegenden wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse unangetastet lassen führen sie für sich alleine nicht zu einer sozialistischen Umwälzung der Gesellschaft.
Hinzukommt, daß auch die Minimalforderungen zwar Bedürfnisse zum Ausdruck bringen, jedoch durch die objektiven Entwicklungstendenzen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik immer schwerer durchsetzbar sind, Für sich allein sind sie als Bodenhaftung immer weniger verläßlich.
Der Ausbau des Wohlfahrtsstaats und der demokratischen Rechte, lag in der Nachkriegszeit des wirtschaftlichen Aufschwungs sowohl in den Möglichkeiten als auch zum Teil im Interesse des Kapitals. In einer Epoche, die mehr und mehr von der kapitalistischen Krise bestimmt ist, muß den Herrschenden jedes kleine Zugeständnis durch Klassenkampf abgerungen werden. Von systematischen Sozialreformen oder von einer dauerhaften Hebung des Lebensstandards der Massen kann im faulenden Kapitalismus keine Rede mehr sein. Nicht selten nehmen sich die bürgerlichen Regierungen mit der rechten Hand das Doppelte von dem, was sie mit der linken geben. Jede ernste Forderung der Arbeitnehmerschaft führt mehr und mehr über die Grenzen des kapitalistischen Eigentums und des bürgerlichen Staats hinaus. Marxisten lehnen den Kampf für Reformen, für Minmalforderungen nicht ab, denn jeder Klassenkampf beginnt als Kampf für bedingte Ziele. Die aktuelle Weltlage bringt es mit sich, daß Reformen, falls sie überhaupt durchgesetzt werden können, einen äußerst begrenzten und unsicheren Charakter haben.
Ein Katalog von Übergangsforderungen
Der zentrale Widerspruch unserer Epoche besteht darin, dass einerseits die Zerfallstendenzen des Kapitalismus auf Weltebene objektiv eine sozialistische Umwälzung notwendig machen, dass aber andererseits das Bewusstsein der Masse der Lohnabhängigen und Jugendlichen hinter der Realität hinterherhinkt. Die Massen geraten zwar täglich in Konflikt mit der einen oder anderen Erscheinung der Lohnsklaverei, sie erkennen jedoch nicht die Notwendigkeit, die Lohnsklaverei selbst aufzuheben. Massenpsychologische Schocks, hervorgerufen von politischen und wirtschaftlichen Krisen, bringen das von Natur aus konservative Bewusstsein in Bewegung. Die Massen beginnen nach Phasen der Resignation, der Verarbeitung des Erlebten, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen. Trotz aller Schocks wird die sozialistische Umwälzung nur in den seltensten Fällen von selbst zur Tageslosung von Millionen. Deshalb liegt die wichtigste Aufgabe einer revolutionären Linken darin, den Massen im Verlauf ihres täglichen Kampfes, zu helfen, eine Brücke zwischen ihren augenblicklichen Forderungen und dem sozialistischen Programm der Revolution zu finden. Diese Brücke besteht aus einem System von Übergangsforderungen, die von den heutigen Bedingungen und dem heutigen Bewusstsein breiter Schichten der Arbeitnehmerschaft ausgehen und stets zu ein und demselben Schluss führen: zur Eroberung der Macht durch die Arbeitnehmerschaft und die Jugend.
Übergangsforderungen sind die Leine, die unseren sozialistischen Ballon fest im Boden der Wirklichkeit verankert. Die jetzige Epoche verlangt danach, dass Forderungen, die schon den Übergang in eine neue Gesellschaftsordnung einleiten ins Zentrum des Programms gestellt werden müssen
Unsere Forderungen sind wie unsere theoretischen Sätze nicht für die Ewigkeit gedacht, sie sind keine frommen Wünsche, sondern entspringen den Kämpfen der Arbeitnehmerschaft, wie sie vor unseren Augen vor sich gehen. Dementsprechend sind die Übergangsforderungen, die Trotzki in seinem „Übergangsprogramm, vorstellt keine Dogmen die unbesehen für jedes beliebige Land übernommen werden können. Trotzki selbst entwickelte seine Forderungen aus einer akribischen Analyse der Klassenkämpfe der 30er Jahre in den USA, Spanien und Frankreich. Diese Forderungen sind keine Einfälle irgend eines genialen Weltverbesserers, sondern Verallgemeinerungen der Erfahrungen aus den konkreten Kämpfen der Arbeitnehmerbewegung.
Ein Übergangsprogramm für Österreich
Auch wenn wir zur Zeit den Beginn des Wiedererwachens der österreichischen Arbeitnehmerschaft beobachten können, wissen wir noch nicht, entlang welcher Forderungen die revolutionären Kämpfe der Zukunft entflammen werden. Das Übergangsprogramm für Österreich bleibt deshalb bis dahin notwendigerweise ein unfertiger Torso. Wir können jedoch anhand einer Analyse der momentanen Verhältnisse Hypothesen aufstellen, die in einem Vergleich mit der Praxis ständig überdacht und ergänzt werden müssen. Beobachten wir die heutige Situation in Österreich, springen vorerst drei zentrale Problemstellungen für die organisierte Arbeitnehmerschaft ins Auge:
1. Die Frage nach dem Kampf gegen die Privatisierung Die Privatisierungsoffensive der Regierung, hat nach der in die Wege geleiteten Zerschlagung von ÖBB und VOEST, das Gesundheits- und Bildungssystem ins Visier genommen. Die Privatisierung wird schon jetzt von der Masse der Bevölkerung als Bedrohung für ihren Lebensstandard empfunden. Aber wie kann die Alternative zur Privatisierung aussehen ? Soll es die alte Verstaatlichte der 60er und 70er Jahre sein ? Der alten Verstaatlichten fehlte die Demokratie, die Kontrolle der Firmenleitung durch die Beschäftigten selbst. Deshalb kam es zu Korruption und Misswirtschaft seitens des Managements. Außerdem befand sich das Management von Anfang an in einem Kompromiss mit dem Kapital, welches die Verstaatlichte als Melkkuh für billige Rohstoffe benutzte und dadurch in eine vorprogrammierte Schuldenkrise stürzte. Eine Neuauflage der Verstaatlichten kann daher nur unter der demokratischen Leitung der Beschäftigten erfolgreich sein.
2. Die Frage nach dem Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit: Massenarbeitslosigkeit beweist täglich aufs Neue die Ineffizienz und den parasitären Charakter unserer Wirtschaftsordnung, sie grenzt beträchtlichen Teil der Arbeitnehmerschaft auf brutalste Weise aus unserer Gesellschaft aus. Schlussendlich spaltet die Arbeitslosigkeit die Arbeitnehmerschaft in ihrem Kampf gegen die Offensive des Kapitals und erhöht den Druck auf die Beschäftigten massiv. Die vollständige Eingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozess bei gleichzeitiger Verteidigung des Lebensstandards der Beschäftigten und einer Verkürzung der Arbeitszeit muss daher das vordringliche Ziel der organisierten Arbeitnehmerschaft sein. Es wird jedoch nicht reichen, ein Gesetz zu verabschieden. Die Unternehmer werden die Arbeitszeitverkürzung sabotieren in dem sie die Arbeit intensivieren oder mit Überstundenregelungen das Gesetz umgehen. Es ist daher notwendig die Eingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozess unter die Leitung von demokratisch gewählten Organen der Beschäftigten zu stellen.
3. Die Frage nach der Wende zur Wende: Es ist eine wesentliche Frage für die österreichischen Lohnabhängigen, wie die Alternative zur schwarz-blauen Bürgerblockregierung aussehen könnte. Diese Frage ist entscheidend, weil sie am direktesten die Frage nach der Macht im Staat in sich birgt. Der Bürgerblockregierung muss die Forderung nach einer Arbeiterblockregierung entgegengesetzt werden. Wie könnte diese aussehen ? Keinesfalls dürften Koalitionen mit bürgerlichen Parteien eingegangen werden, die ein wirkliches Programm zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten ohnehin niemals mittragen würden. Das trifft auch auf die Grünen zu, sie spielen in Deutschland die Rolle eines Einpeitschers neoliberaler Politik, und sind auch in Österreich bereit, diese Rolle zu übernehmen, wenn Schüssel ihnen pfeift. Wir müssen eine SPÖ- Alleinregierung fordern, die am stärksten den Druck der Arbeitnehmerschaft spüren würde. Aber auch das ist nicht genug! Die Alleinregierung müsste sich auf eine mobilisierte Arbeiterschaft stützen, um dem Druck des bürgerlichen Beamtenapparats und des Kapitals standzuhalten. Eine mobilisierte Arbeitnehmerschaft würde ihre Arbeitnehmerregierung ständig vorantreiben und verhindern dass diese zu einem Instrument bürgerlicher Politik wird.
Das revolutionäre Potential der Betriebsräte
Alle drei Problemstellungen bringen die Notwendigkeit von demokratischen Organen der Arbeitnehmerschaft zum Ausdruck. Diese Organe sollen die Verstaatlichte leiten, die Arbeitslosen in den Produktionsprozess eingliedern und schlussendlich durch eine ständige Mobilisierung der Arbeitnehmerschaft, Druck auf eine Arbeiterregierung ausüben. Betrachten wir wiederum die österreichischen Verhältnisse eingehender, wird klar, dass diese Organe in embryonalen Zustand vorhanden sind. Es sind dies die Betriebsräte, die von der gesamten Belegschaft gewählt werden. Die Betriebsräte waren ursprünglich zur Zeit der österreichischen Revolution zwischen 1918 und 1923 und kurz nach dem zweiten Weltkrieg authentische Organe der Arbeitermacht. Sie haben jedoch in der Zeit des sozialen Friedens viel von ihrer ursprünglichen politischen und wirtschaftlichen Macht eingebüßt. Wahlen finden nur mehr alle 4 Jahre statt und es gibt keine jederzeitige Abwählbarkeit wie es bei Räten üblich war. Außerdem sind die Betriebsräte per Gesetz gezwungen für einen Interessensausgleich im Betrieb zu sorgen und dem Unternehmen nicht zu schaden. Damit dürfen sie ihren ureigensten Aufgabe, den Willen der Belegschaft bedingungslos zu vertreten, von Gesetzeswegen gar nicht nachkommen. Zusätzlich sind die Betriebsräte nicht mehr Österreichweit und regional vernetzt. Diese Vernetzungsrolle haben die Fraktionen in der Gewerkschaft eingenommen. Die Betriebsräte werden bei Zusammenkünften von den Fraktionen für Betriebe delegiert. Sie sind einem Fraktionszwang unterworfen und nicht dem Willen der Beschäftigten ihres Betriebes. Auf diese Weise wurden dem Betriebsrätesystem viele Zähne gezogen. Jedoch bergen die Betriebsräte sobald sie anfangen sich zu vernetzen, sobald sie sich vollständig demokratisieren das revolutionäre Potential wirklich demokratischer Organe der gesamten Arbeitnehmerschaft Österreichs. Daher fordern wir die Leitung der Verstaatlichten, die Eingliederung der Arbeitslosen in die Produktion durch die demokratisierten österreichweit und regional vernetzten Betriebsräte. Diese müssen auch eine Mobilisierung der Beschäftigten durchführen, um eine Arbeiterregierung zu stützen und zu kontrollieren. Der Witz an der Sache besteht darin, dass die Demokratisierung und Vernetzung der Betriebsräte einerseits die notwendige Antwort auf die drückendsten Fragen der österreichischen Arbeiterbewegung darstellt, andererseits aber bereits die Machtfrage stellt. Der nationale Ausschuss eines demokratisierten vernetzten Betriebsrätesystem wäre bereits eine parallele Regierung zur bürgerlichen Regierung, das Rätesystem müsste in einer revolutionären Situation nur die alte bürgerliche Staatsmaschinerie beiseiteschieben und die sozialistische Demokratie ausrufen.
Die Weltlage und das Selbstbild der SJ
Trotzki bezeichnete die Krise der Menschheit im 20sten Jahrhundert als Krise der revolutionären Führung. Diese These gilt um so mehr für das 21ste Jahrhundert. Die Weltlage ist überreif für eine sozialistische Veränderung, nur das Bewusstsein der Massen hinkt hinterher. Es sind die Führer der Massenorganisationen, der Gewerkschaften und Arbeitnehmerparteien, die mit ihrer marktorientierten Ideologie die Hauptverantwortung für den niedrigen Bewusstseinsstand der Massen tragen. Ihr Ziel ist es, die heimische Marktwirtschaft anzukurbeln um im Aufschwung Reformen für die Arbeitnehmer durchsetzen zu können. Was in der Nachkriegszeit funktioniert hat, ist jedoch in Zeiten der kapitalistischen Krise unmöglich. Um den Wirtschaftsstandort im eigenen Land abzusichern sind die Arbeitnehmerführer bereit, eine Errungenschaft der Arbeitnehmerbewegung nach der andere zu opfern. Ihre einzige Angst ist es, ihren Sessel am Verhandlungstisch der Bürgerlichen verlieren. Dabei wollen sie nicht sehen, dass die Standortlogik am Ende dazu führt, dass die Arbeitnehmer eines Landes gegen die Arbeitnehmer des anderen Landes ausgespielt werden und am Ende beide schlechter dastehen als vorher. Mit diesem Konzept des Reformismus ohne Reformen muss auch in SPÖ und ÖGB gebrochen werden. Davon hängt das Abschneiden der österreichischen Arbeitnehmerbewegung in ihren zukünftigen Kämpfen ab. Davon hängt aber auch die Zukunft jeder kämpferischen Jugendendorganisation ab, weil die Jugend für sich alleine ohne die Kraft der organisierten Arbeitnehmerschaft nichts erreichen kann. In Phasen der Erneuerung der traditionellen Arbeitnehmerorganisationen spielt die Jugend jedoch immer eine bedeutende Rolle. Karl Liebknecht, der Gründer der sozialistischen Jugendinternationale bezeichnete die Jugend als Flamme der Revolution. Für die Sozialistische Jugend ist es nicht zweckmäßig, sich in ihrem Selbstbild auf Aufgaben der unmittelbaren Jugendarbeit zu beschränken. Sie muss die Jugendarbeit im Kontext des österreichischen Klassenkampfs betrachten und ihre Politik dementsprechend ausrichten. Es ist ureigenste und geschichtliche Aufgabe der SJ in dem Erneuerungsprozess von Gewerkschaft und Partei eine führende Rolle zu spielen. Es ist ihre Aufgabe die Gründung von linken Flügeln in ÖGB und SPÖ zu unterstützen und voranzutreiben. Das Grundsatzprogramm muss der erste Schritt für die Sozialistische Jugend sein, kämpferische Ideen in die organisierte Arbeitnehmerschaft hineinzutragen und das Konzept der Standortlogik und des Reformismus ohne Reformen herauszufordern. Andernfalls wird nicht nur das revolutionärste Grundsatzprogramm der SJ, sondern auch jeder andere Forderungskatalog der SJ nur ein Fetzen Papier sein. Denn die Sozialistische Jugend kann unter den heutigen Bedingungen keine einzige ihrer kleinsten Forderungen ohne den kämpferischen Druck der organisierten Arbeitnehmerschaft erreichen. Die Realisierbarkeit des Grundsatzprogramms, hängt fast vollständig von der zukünftigen Entwicklung in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung und der Sozialdemokratie ab. Wenn die Sozialistische Jugend nicht ernsthaft versucht, das Entstehen kämpferischer Strömungen in diesen Massenorganisationen voranzutreiben, kann ihr Grundsatzprogramm von vornherein nicht ernstgenommen werden.
Da die Weltsituation heute allen nationalen Entwicklungen mehr den je den Stempel aufdrückt, ist der Internationalismus für die österreichische Jugend und die Arbeitnehmerbewegung zu einer praktischen Anforderung geworden. Der Internationalismus braucht mehr als nur die Mitgliedschaft der Sozialistischen Jugend in der Jugendinternationale, er will gelebt werden. In der Sozialistischen Jugendinternationale wird momentan nicht viel an kämpferischer internationalistischer Politik geboten. Die meisten sozialistischen Jugendorganisationen anderer Länder sind Karrieresprungbretter für Jungfunktionäre. Die Sozialistische Jugend Österreichs, die dem Marxismus nicht abgeschworen hat, bildet in der Jugendinternationale fast eine Ausnahme. Das bedeutet aber nicht dass internationale Solidarität zur Zeit nicht möglich ist. Die SJ sollte zu sämtlichen marxistischen Strömungen in der internationalen Arbeiterbewegung ob in der Sozialdemokratie oder in den Kommunistischen Parteien einen möglichst engen Kontakt herstellen. Die internationale Solidarität sollte aus gegenseitiger Unterstützung, aus einem von einander Lernen, und dem Organisieren gemeinsamer Kampagnen und Aktionstage bestehen. Daneben sollte die Weltsituation, die politische Situation in den Schlüsselländern des Klassenkampfs und die politischen Entwicklung in Regionen, die direkt mit Österreich verknüpft sind, genauestens studiert, beobachtet und diskutiert werden.