(Referat auf der Bezirkskonferenz der SJ Wien/Alsergrund am 19.12.00)
1. Am 6.12.00 wurde im Nationalrat das nächste Budget beschlossen, das den Weg Richtung Nulldefizit ebnen sollte. Dieses Budget stellt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zum Umbau der Staatsfinanzen im Interesse des Kapitals dar. Auch wenn das angestrebte Ziel eines Nulldefizits vielleicht gar nicht erreicht werden sollte, was ja auch seitens der EU-Kommission kritisiert wurde, war dieser Herbst, der im Zeichen der „sozialen Treffsicherheit“ gestanden war, ein großer Erfolg für die Bürgerlichen.
2. Entscheidend war dabei unter Umständen gar nicht so sehr der ökonomische Nutzen dieser Budgetkonsolidierung als vielmehr der psychologische Effekt. Die Regierung geht eindeutig gestärkt aus diesem Herbst hervor. Die Gründe liegen auf der Hand: Es ist erstens gelungen, für die Zielsetzung Nulldefizit/Sanierung der Staatsfinanzen in breiten Schichten der Bevölkerung Akzeptanz zu erreichen. Es mag zwar an der einen oder anderen Maßnahme gemeckert werden, vor allem wenn man ein direkt Betroffener ist, das prinzipielle Ziel wurde jedoch nicht abgelehnt. Das gilt außerdem noch für die gesamte Opposition und, was noch wichtiger ist, auch für große Teile der Gewerkschaftsbewegung.
Dazu kommt das offensichtliche Versagen des ÖGB, der es nicht geschafft hat, diesem Kurs auch nur irgendwie ernst zu nehmenden Widerstand entgegenzusetzen. Dieses Budget war spätestens seit der Einigung bei den Gehaltsverhandlungen für die Beamten mit der „schwarzen“ Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) durch außerparlamentarischen Widerstand nie in Gefahr.
3. Es darf daher nicht verwundern, wenn diese Regierung voller Selbstbewußtsein ist. Schüssel und Grasser können ohne mit der Wimper zu zucken, bereits eine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters „andiskutieren“. Grasser gibt sich dabei ein wenig galanter und kündigt eine Wahlchance an – „länger arbeiten“ oder „weniger Geld in der Pension“. Und das alles bevor der letzte Einschnitt im öffentlichen Pensionssystem, der mit der Pensionsreform vom Juni beschlossen wurde, noch so richtig in Kraft getreten ist.
4. Diese Regierung sieht keine Hindernisse bei der Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, der Beseitigung all dessen, was für sie „30 Jahre Sozialismus“ darstellt. Sie fühlt sich (zu recht) stark, sie hat sich nach den anfänglichen Schwierigkeiten eindeutig stabilisiert. Und dieses neue bürgerliche Selbstbewußtsein dürfte ausreichen, um möglichst schnell weitere zentrale Brocken des sogenannten „Reformstaus“ der Großen Koalition aus dem Weg zu schaffen. Die Unternehmer werden diesbezüglich alle in ihrer Macht stehenden Hebel in Bewegung setzen und durch den nötigen Druck die Regierung daran erinnern, was die Aufgaben von „schwarz-blau“ sind.
5. Aus der Sicht des österreichischen Kapitals hat diese Regierung drei wirtschaftspolitische Ziele zu erfüllen. Das wären die Sanierung des Staatshaushaltes in ihrem Sinne, ein „schlanker“ Staat (weitere Angriffe auf den öffentlichen Dienst unter dem Deckmantel „Bürokratieabbau“ und Fortsetzung der Privatisierung) und weiters die weitere Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, wo Österreich noch sehr viel Nachholbedarf im Vergleich zu den anderen entwickelten kapitalistischen Industriestaaten hat.
6. Dies sind alles Aufgaben, die mit der Sozialdemokratie und ohne das Zurückdrängen des ÖGB nicht möglich gewesen wäre. ÖVP und FPÖ haben zur Erfüllung der ersten großen Aufgabe bereits einiges geleistet. Anders schaut es bei den beiden weiteren Punkten aus. Hier könnte es in den nächsten Jahren noch beträchtliche Konflikte geben.
7. Was wir bei den letzten Diskussionen zu den Österreich-Perspektiven stark vernachlässigt haben, war die Frage der ökonomischen Entwicklung. Das war aus heutiger Sicht ein schwerer Fehler. Wir haben in der Vergangenheit ein viel zu vereinfachtes Bild der gegenwärtigen ökonomischen Rahmenbedingungen gezeichnet. Vor allem mit der Finanzkrise in Südostasien haben wir uns darauf beschränkt, auf den großen Crash und eine weltweite Rezession zu warten. Das viel zu grobe Schema, der Kapitalismus befindet sich in der Krise, der Spielraum für das Kapital wird immer kleiner, Sozialabbau und weitere Angriffe auf die Arbeiterklasse sind der einzige Ausweg, unter einer Bürgerblockregierung passiert das alles noch in stark beschleunigter Form, es gibt somit keine Basis mehr für „sozialen Frieden“, hat bei der Charakterisierung des letzten Jahres viel zu kurz gegriffen.
8. In unseren letzten Diskussionen zu dieser Fragestellung fehlte eine Beleuchtung der günstigeren konjunkturellen Lage. Dieser Boom stellt sicher nicht den Beginn eines neuen „goldenen Zeitalters“ dar. Die Arbeiterklasse hat von diesem Boom absolut nicht profitieren können. Ganz im Gegenteil. Der Druck in den Betrieben, die Arbeitsintensität steigen weiter. Die Ware Arbeitskraft wird voll ausgepreßt. Der Wirtschaftsaufschwung führte aber zu Rahmenbedingungen, die für eine Verschärfung des Klassenkampfes nicht günstig waren.
9. Im Juni stellten wir die Perspektive auf, daß ein „heißer Herbst“ sehr wahrscheinlich sein, wobei wir auf zwei mögliche Fronten hinwiesen: die Sanierung des Budgets und die Lohn- und Gehaltsverhandlungen (vor allem bei den Metallern). Der Boom war insofern entscheidend, daß es rund um die Frage der Kollektivverträge zu keinem offenen Konflikt gekommen war. Unter den Bedingungen voller Auftragsbücher und einer voll laufenden Produktion konnten sich die Unternehmer keine Streiks leisten. Man war gezwungen, der Metallergewerkschaft am Verhandlungstisch mit den alten sozialpartnerschaftlichen Ritualen Zugeständnisse zu machen. Der Lohnabschluß in der Metallindustrie war besser als viele erwartet hatten. Auch wenn mehr möglich gewesen wäre, gelang es der Gewerkschaft diesen Kollektivvertrag der Basis zu verkaufen, ohne auf ernsthaften Widerstand in den Betrieben zu stoßen.
10. Die Stimmung in den Betrieben war noch nicht so weit gediehen, daß die Arbeiterklasse bereits dazu übergegangen war, angesichts des Aufschwungs ein größeres Stück vom Kuchen einzufordern. Dies mag vor allem daran liegen, daß dieser Boom erstens in Europa erst vor kurzem ins öffentliche Bewußtsein geraten ist, und die Arbeiterklasse noch sehr frische Erinnerungen an wirtschaftlich nicht so rosige Zeiten, wachsende Jobunsicherheit und steigende Arbeitslosigkeit im Kopf haben. Zu stark ist auch die Idee des Standortdenkens in der Gewerkschaftsbewegung verankert, als daß man bei den ersten Anzeichen einer günstigeren Konjunktur bereits in die Offensive geht.
11. So wichtig es ist, die Auswirkungen des gegenwärtigen Booms auf die Beziehungen zwischen den Klassen zu erkennen, so heißt aber nicht, daß wir an unseren grundlegenden Perspektiven bezüglich der strukturellen Krise des Kapitalismus rütteln sollten. Das Verhältnis Kapital und Regierung auf der einen Seite und Gewerkschaften auf der anderen Seite hat ein neues Stadium erreicht. Auch wenn sich dies nicht in einem „heißen Herbst“ entladen hat, so können wir doch zunehmend ein von offenen Konflikten bestimmtes Klima zwischen den einstigen „Sozialpartnern“ feststellen. Daß dieser Herbst kein heißer geworden ist, und die Regierung so leicht durchbringen konnte, liegt in erster Linie an der Politik des ÖGB.
12. Der Boom scheint aber mittlerweile seinen Höhepunkt auch schon wieder erreicht oder vielleicht sogar schon überschritten haben. Aus Sicht der österreichischen Wirtschaft ist vor allem die internationale Entwicklung sehr beunruhigend. Der gegenwärtige Aufschwung war sehr stark von der positiven Entwicklung des Außenhandels geprägt. Nun dürfte aber der US-Wirtschaft, die in den letzten Jahren die Lokomotive der Weltwirtschaft darstellte, endgültig der Dampf ausgehen. Alle relevanten ökonomischen Indikatoren weisen klar nach unten. Doch auch in Österreich selbst rechnen die Prognosen mit einer wirtschaftlichen Abschwächung. Die internationalen Entwicklungen werden die österreichische Wirtschaft ganz entscheidend beeinflussen.
13. Ungünstigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen würden aber auch die politischen Perspektiven wesentlich verändern. Die Budgetkonsolidierung wäre wieder gefährdet. Neuerliche Angriffe wären eine ausgemachte Sache. Nicht zuletzt im öffentlichen Dienst. Die Unternehmer würden den Druck erhöhen, damit die Regierung schneller die Arbeitsmärkte flexibilisiert, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Der Ärger in den Betrieben ist ohnedies schon sehr groß. Die in einem Abschwung zu erwartenden Attacken auf die Arbeiterklasse würden das Potential für neue soziale Konflikte erhöhen. Die Stabilität der Regierung könnte dann schon bald der Vergangenheit angehören.
14. Die von der Führung der Sozialdemokratie genährten Hoffnungen auf ein Auseinanderbrechen dieser Koalition können wir aber nicht teilen. Für diese Regierung gibt es nur einen Stolperstein, und das sind gewaltige soziale Bewegungen. Der große Wunsch der Bürgerlichen, erstmals in der Zweiten Republik ohne die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften regieren zu können und endlich mit „30 Jahren Sozialismus“ aufzuräumen, ist mit „schwarz-blau“ in Erfüllung gegangen. Die konservative Gegenoffensive zeigt sich in allen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur in Form von offenem Sozialabbau. Bei der Besetzung wichtiger Posten werden bewußt „Rote“ gegen „Schwarz-Blaue“ ausgetauscht, wir sehen eine Beschleunigung des ideologischen Backlash (z.B. in der Debatte rund um die Aufweichung der Fristenlösung oder dem Hochleben der These, Österreich sei das erste Opfer der Nazis gewesen, durch den Kanzler). Die Freude über die neue politische Konstellation, die eine ungebremste bürgerliche Offensive ermöglicht, ist bei weitem größer als die prinzipiellen Widersprüche innerhalb der Koalition.
15. Spitzelaffären, Angriffe auf traditionelles ÖVP-Klientel (z.B. die LehrerInnen) und schon gar nicht unflätige Beschimpfungen des Bundespräsidenten durch besondere Blüten aus der Führungsriege der FPÖ werden diese Regierungen nicht in die Krise stützen. Solange es rechnerisch möglich ist, werden sich ÖVP und FPÖ aneinander klammern. Kräfte innerhalb der Regierungsparteien, die diese bürgerliche Einheit gefährden, werden an den Rand gestellt. Von besonderem Interesse dürfte da die Entwicklung in den Reihen der FPÖ sein.
16. Das Gerede von den beiden Flügeln in der FPÖ sollte genauer unter die Lupe genommen werden. Die alles entscheidende Figur bei den Freiheitlichen ist und bleibt Jörg Haider. Und gerade Haider ist sich den oben angesprochenen historischen Zielsetzungen dieser Koalition aus der Sicht des bürgerlichen Lagers bewußt. Er ist sogar dazu bereit, sich persönlich ins zweite Glied zu stellen, um dieses Projekt nicht zu stören, auch wenn das ein harter Kampf mit sich selbst zu sein scheint – man schaue sich diesbezüglich nur seine permanente Einflußnahme auf die Koalition oder sein Auftreten am FPÖ-Landesparteitag in Kärnten an. Er wird aber dafür sorgen, daß seine Leute in der FPÖ diesen Kurs halten (siehe Sozialminister Haupt). Wer nicht ins Konzept paßt, wird an Einfluß verlieren und abmontiert werden (dieses Los wird Leute wie Schnell und Kabas treffen).
17. Relativieren sollte man dementsprechend auch die Idee, eine verheerende Wahlniederlage der FPÖ bei den Wahlen in Wien könnte das Ende der Regierung bringen. Ganz im Gegenteil, eine solche Niederlage wäre wahrscheinlich das Ende für Leute wie Kabas, die mit ihren dummen Sprüchen bestenfalls die Aufgabe erfüllen können, von der sozialen Frage abzulenken.
18. Für Teile der FPÖ könnte das alles bedeuten, daß sie sich bewußt werden, daß sie unter den Bedingungen einer bürgerlichen Demokratie ihr Programm nicht durchsetzen werden können. Da es den Freiheitlichen nicht gelingt, zu einer Massenpartei mit einer stabilen sozialen Basis zu werden, könnten manche zu dem Schluß kommen, einen Ausweg in einer bonapartistischen Entwicklung zu sehen. Klar muß aber sein, daß dies unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht zu realisieren ist.
19. In diesem Zusammenhang ist es aber durchaus Zeit, eine allgemeine Tendenz im bürgerliche Lager aufzuzeigen. Sowohl die FPÖ wie auch die ÖVP haben beide nicht nur sehr schwache demokratische Wurzeln sondern auch eine autoritäre Vergangenheit. Dies gilt für das österreichische Bürgertum als Ganzes. Die parlamentarische Demokratie ging hierzulande nie durch Initiativen aus den Chefetagen aus. Die Phasen bürgerlicher Demokratie waren mit Ausnahme der 70er und der 80er nie durch gesellschaftliche Modernisierung geprägt – und das de facto nur gegen den konsequenten Widerstand seitens des bürgerlichen Lagers. Diese Regierung ist deshalb auch bemüht, alle Poren, in denen sich eine demokratische Entwicklung ergeben könnte, dicht zu machen. Demonstrationsverbote, der Einsatz der Medienmonopole gegen jegliche Opposition, das Herunterspielen der Spitzelaffäre, ein gewisser Rechtsruck bei der Polizei, autoritärere Strukturen in Schule und Uni sowie das Aushungern von potentiell regierungskritischen Institutionen zeigen wohin der Weg führt. Rund um ideologischen Fragestellungen werden wir in der Zukunft viele Konfliktfelder haben. MarxistInnen müssen hier klar Flagge zeigen und Gegenwehr organisieren.
20. Entscheidend wird aber sein, ob es zu einem neuerlichen Aufschwung von sozialen Bewegungen und gewerkschaftlichen Kämpfen kommen wird, womit wir bei der Frage der Gewerkschaften angelangt sind. Das Fehlen einer wirklichen Demokratie innerhalb des ÖGB war bis jetzt der entscheidende Faktor, warum es noch zu keinem ernst zu nehmenden gewerkschaftlichen Widerstand gegen diese Regierung gekommen ist. Es gibt im ÖGB keine Kanäle, wo sich die Stimmung der Basis und der Betriebsräte ausdrücken könnte. Hilf- und Perspektivlosigkeit machen sich unter diesen Bedingungen zusehends breit. Streiks sind deshalb bisweilen mit Ausnahme der LehrerInnen noch keine Perspektive gewesen.
21. Die ÖGB-Bürokratie hält weiterhin am alten sozialpartnerschaftlichen Modell fest und ist unfähig die veränderten Realitäten zu akzeptieren. Jeder Strohhalm wird ergriffen, um die Sozialpartnerschaft irgendwie am Leben zu erhalten. Dies nimmt zusehends reaktionäre Ausmaße an. Man akzeptiert vielfach die Vorgaben der Regierung, die an ihrem Sozialabbau nicht zu rütteln bereit ist, und man beschränkt sich darauf, die Details auszuverhandeln. Ständig beschwert man sich über den „Wechseln in der Kultur“, daß eben die Sozialpartner nicht mehr ernst genommen werden, ohne aber die vom Sparmythos geprägte Politik der Regierung prinzipiell in Frage zu stellen. Die Gewerkschaftsbürokratie bietet der Arbeiterklasse keine politische Alternative.
22. Entscheidend für das Verständnis der Psychologie der Bürokratie vor allem der österreichischen Arbeiterbewegung ist das Konzept, in erster Linie die eigenen Organisationen zu stärken und die Kampffähigkeit zu erhalten. Diese Ausrichtung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung. Diese Bürokratie hat eine unvorstellbare Angst vor Niederlagen, weil dies für die Zukunft eine noch schlechtere Ausgangsposition bedeuten würde. Und natürlich hat sie Angst davor, eine Bewegung los zu treten, die sie dann nicht mehr kontrollieren könnte. Ihre Politik ist geprägt durch ständiges Herumlavieren, dem Ausnützen der restlichen Spielräume für sozialpartnerschaftliches Handeln und einigen Drohgebärden, die teilweise sogar wirksam sind. Im großen und ganzen geht sie vor den Angriffen der Regierung aber in die Knie. Mit diesem Vorgehen verschlechtert sie somit Schritt für Schritt die eigenen Kampfbedingungen, nicht zuletzt indem sie die Arbeiterklasse entmutigt. Der anfängliche Widerstandswillen (siehe die gewerkschaftlichen Mobilisierungen am 19.2., am 1.Mai oder bei den diversen Betriebsrätekonferenzen im Frühjahr) ist weitgehend wieder verpufft. Desillusionierung hat sich wieder breitgemacht, da die Hoffnungen auf kollektive Gegenwehr im ÖGB keinen organisierten Ausdruck gefunden haben. Die Gewerkschaftsbürokratie ist einer der wichtigsten Faktoren dafür, daß es diese Regierung überhaupt noch gibt.
23. Das ist ein weiterer Beweis, daß sich das Bewußtsein der Arbeiterklasse nicht linear entwickelt, sondern vielmehr Sprünge macht, aber auch wieder Rückschläge erfahren kann. Die Passivität der Gewerkschaften, der Mangel an ernst zu nehmenden politischen Alternativen hat sich in einer steigenden Passivität der Arbeiterklasse ausgedrückt. Und dies bestärkt wiederum die Passivität der Bürokratie, die es natürlich immer schon gewußt haben will, daß man keine Massenmobilisierungen machen könne. Die Arbeiterklasse hat in den letzten Jahren schon eine Reihe von Rückschlägen erleiden müssen, was sich durch die Tatsache, daß diese Angriffe von ihren eigenen Vertretern noch mitgetragen wurden, noch schlimmer auf das Klassenbewußtsein auswirkt. Der Zwang zu individuellen Lösungen (Überstunden, Pfusch, das Akzeptieren von Mitarbeiterbeteiligungen in den Betrieben“…) wird da immer offensichtlicher, was durch ein verändertes ökonomisches Umfeld noch bestärkt wird. Die politischen Auswirkungen des Zusammenbruchs des Stalinismus und der damit auch verbundene Rechtsruck der traditionellen Massenorganisationen verstärken diesen Trend weiter.
24. Auch die restlichen Widerstandsherde gegen die schwarz-blaue Wende glühen langsam aber sich aus. Auf den Unis ist es trotz eines historischen Angriffs auf den freien Hochschulzugang zu keinem wirklichen Widerstand gekommen. Was wir vorher über die ÖGB-Bürokratie gesagt haben, gilt hier auf niedrigerem Niveau für die gesamte Uni-Linke. Auch der „zivilgesellschaftliche“ Protest steckt in der Krise. Aktionen wie Checkpoint Austria sind ein letzter verzweifelter Ausdruck dieser Konzepte. Man kann damit rechnen, daß rund um den Jahrestag des Antritts der Regierung es zu weiteren größeren Protesten kommen kann, der allgemeine Trend ist aber, daß die Widerstandsbewegung kaum noch Schwung hat, was um so schwerer wiegt, da es nicht gelungen ist, dem Widerstand eine organisierte Form zu geben.
25. Für MarxistInnen kann das nur bedeutet, daß wir Zeit gewinnen, die wir nutzen sollten, um unsere bisher aufgebauten Positionen zu festigen, uns in den Schulen und Unis und nicht zuletzt in den Gewerkschaften zu verankern, die politische Bildung zu forcieren und unser theoretisches Profil zu stärken.