Seit Jahren kämpft Präsident Macron, um politische Mehrheiten für seinen harten Sparkurs. Doch die Herrschenden können nicht ständig harte Einsparungen umsetzen, ohne die Wut der Massen auf sich zu ziehen. Und so überträgt sich die Krise des französischen Kapitalismus in die Politik und die staatlichen Institutionen.
Seit den Parlamentswahlen im Juli 2024 mussten drei Premierminister zurücktreten: Barnier hielt sich drei Monate, Bayrou neun Monate und Lecornu ganze 27 Tage, bevor er Anfang Oktober seinen Rücktritt bekannt gab. Doch nach nur wenigen Tagen hat Macron Lecornu kurzerhand erneut zum Premier ernannt.
Lecornu ist seit Anfang an verhasst, hat eine Zustimmungsrate von 16% und war kurz nach seinem zweiten Amtsantritt mit zwei Misstrauensanträgen im Parlament konfrontiert. Diese Abstimmungen überstand er nur, weil ihm die Sozialistischen Partei (PS) die Stange hielt.
Im Austausch für ihre Unterstützung haben die Sozialisten ausverhandelt, dass die Pensionsreform bis 2027 ausgesetzt wird. Aufrecht bleiben hingegen die massiven Einsparungen im Gesundheits- und Bildungssystem. Das bringt die Rolle des Reformismus in der Krise auf den Punkt: Angriffe abzumildern bzw. zu verlangsamen, ist das höchste der Gefühle.
Massenbewegung und Gewerkschaft
Die Regierungskrise ist damit aber nicht ausgestanden. Der entscheidende Faktor dabei ist der Druck der Massen. Die Vorgängerregierung (Bayrou) ist im September angesichts der sich entwickelnden Massenbewegung gefallen. Am 10. September gingen fast 500.000 Menschen unter dem Slogan „Blockieren wir alles“ auf die Straße. Die Gewerkschaftsführungen wurden von unten gezwungen, eine Woche später zu einem weiteren Aktionstag aufzurufen, an dem über 1 Millionen demonstrierten und hunderte Streiks im Nahverkehr, Bildungsbereich und öffentlichen Dienst stattfanden.
Doch die Gewerkschaftsführungen stoppten die Mobilisierungen und gaben dem Premier eine Schonfrist von einer Woche. Dadurch war die Dynamik vorerst gebrochen. Ein weiterer Aktionstag am 2.10. fiel deutlich kleiner aus. Weitere Mobilisierungen sind vorerst nicht geplant. Doch die Bewegung kann jederzeit wieder gegen den Willen der Führung ausbrechen.
Einheitsfront statt Volksfront
Die wichtigste linke Oppositionskraft ist La France Insoumise (LFI) angeführt von Jean-Luc Mélenchon. Dieser fordert den Sturz von Lecornu und Macron und kritisiert die verräterische Rolle der Sozialisten. Doch Mélenchon trägt Mitverantwortung an der jetzigen Situation: Bei den beiden letzten Wahlen ging die LFI ein Bündnis mit der PS, den Grünen und der Kommunistischen Partei (PCF) ein. Um diese „Volksfront“ zu ermöglichen, milderte die LFI ihr politisches Programm ab und ließ etwa die Forderung nach Verstaatlichung fallen. Die PS wäre bei den Wahlen massiv abgestraft worden, doch das Wahlbündnis rettete ihr die Sitze, mit denen sie nun die Regierung stützt.
Viele Aktivsten und Unterstützer der LFI fordern, dass Mélenchon endgültig mit diesen bankrotten Parteien bricht und eine unabhängige Klassenpolitik entwickelt. Das ist genau der richtige Weg, der in Wirklichkeit längst überfällig wäre.
Die einzige Kraft, mit der die LFI zusammenarbeiten sollte, sind die klassenkämpferischen Teile der Gewerkschaftsbewegung, allen voran Unité CGT, der in der Industrie verankerte, linke Flügel der traditionellen CGT-Gewerkschaft. Unité CGT kritisiert die passivierende Strategie der Gewerkschaftsführung und steht für eine Kampagne zur Vorbereitung eines unbefristeten Generalstreiks. Außerdem lehnen sie ausdrücklich eine Neuauflage der gescheiterten „Volksfront“ ab.
Eine Einheitsfront zwischen LFI und Unité CGT würde die Grundlage legen, um auf allen Ebenen – auf der Straße, in den Betrieben und im Parlament – einen erfolgreichen Kampf gegen die Regierung der Reichen zu führen. Dabei kann das Ziel nicht nur der Sturz von Macron sein, sondern eine Arbeiterregierung, die die Banken und Konzerne enteignet und die Schalthebel der Ökonomie unter Kontrolle und im Interesse der breiten Massen einsetzt.