Der vergessene Aufstand

Vor 500 Jahren begehrten in Tirol, Salzburg und der Steiermark Bauern, Bergknappen und die armen Stadtbewohner gegen die Obrigkeit auf. Diese Aufstandsbewegung wird aber weitgehend totgeschwiegen. Von Konstantin Korn.
Die offizielle Gedenkpolitik hat vor allem einen Zweck: Sie soll die herrschende Ordnung legitimieren. Revolutionäre Bewegungen haben da in den seltensten Fällen Platz. So darf es auch nicht verwundern, dass der Jahrestag des Bauernaufstands von 1525 weder im ORF noch in den großen Zeitungen Erwähnung fand. Die Staatsspitzen verloren über dieses erste große Aufbegehren des „gemainen Mannes“ in der österreichischen Geschichte, wenig überraschend, ebenfalls kein Wort.
Das große Schweigen zum Tiroler Bauernkrieg durchbrach der Tiroler Historiker Robert Rebitsch mit seinem äußerst spannenden Buch „Rebellion 1525“. Darin geht er den ökonomischen, politischen und rechtlichen Verschiebungen an der Zeitenwende vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit nach, die die Bedingungen für eine bis dahin undenkbare soziale Explosion schufen.
Die Empörung der Bauern richtete sich gegen die Feudalherren und vor allem gegen die katholische Kirche, die über eine Vielzahl von Abgaben ihre Untertanen skrupellos ausbeuteten, einen obszönen Lebenswandel pflegten und mit drakonischen Mitteln herrschten. Dazu kamen Fischerei- und Jagdverbote gegen die Bauern.
Das von den Habsburgern regierte Tirol und das angrenzende Fürsterzbistum Salzburg waren damals zu Zentren des Silber- und Kupferbergbaus geworden und spülten gewaltige Summen in die Staatskassen. Mit der Entwicklung des Bergbaus stieg inmitten der alten Feudalgesellschaft, in der der Adel und die Kirche das Sagen hatten, eine neue soziale Kraft auf: das Handels- und Bankkapital. Von Schwaz über Sterzing bis Trient zeugen bis heute die prächtigen Häuser der Fugger von der einstigen Macht dieser ersten Großkapitalisten, die durch ihre Geschäfte mit dem Kaiser und dem Papst unvorstellbar reich geworden waren und die Bergarbeiter immer mehr ausbeuteten.
Wo Unrecht zu Recht wird, da entwickelt sich Widerstand. Anfangs waren es Bittgesuche der Knappen, einzelne Bauern, die auf ihre alten Rechte pochen und rebellieren, und Prediger, die die Ideen der Reformation verbreiten und gewaltigen Zulauf erhalten. Die Obrigkeit reagierte meist mit Repression, wo das nicht fruchtete, machte sie Zugeständnisse. Im Mai 1525 brachten zwei geplante Hinrichtungen in Tirol und Salzburg das Fass zum Überlaufen. Geheimbünden der Bauern gelang es, die Todgeweihten zu befreien. Das war der Startschuss zum bewaffneten Aufstand.
In Tirol ist der Bauernkrieg anfangs eine weitgehend unblutige Angelegenheit. Unter der Führung von Michael Gaismair, einen großartigen Strategen, gelingt den Aufständischen im südlichen Tirol die Machtübernahme ohne Blutvergießen. In Salzburg und der Obersteiermark kommt es zu Kämpfen, in denen die Bauern und Bergknappen einen Sieg nach dem anderen einfahren.
Landauf landab formulierten die Untertanen ihre Forderungen, und der Landesfürst Erzherzog Ferdinand, der Bruder des Kaisers, musste reagieren. Ihm fehlten die militärischen Kräfte, um den Aufstand niederzuschlagen, also setzte er auf Verhandlungen. Erstmals tagte ein Landtag, von dem der Klerus ausgeschlossen war und die Bauern und Knappen die Mehrheit hatten. Mit einer Reihe von Zugeständnissen und Versprechen gelang es dem Landesfürsten die Untertanen zu spalten und die Mehrheit ruhigzustellen.
Sobald er wieder die Kontrolle über das Land hatte, folgte jedoch eine Welle brutaler Repression gegen die radikalen Teile der Bewegung. Gaismair gelang die Flucht in die Schweiz, von wo er ein revolutionäres Programm (die „Tiroler Landesordnung“) ausarbeitete, das ein Ende der Feudalordnung und der sozialen Ungleichheit anstrebte. Sein Ziel war eine demokratische Republik des einfachen Volkes, in der es keinen Landesfürsten und Klerus mehr geben würde. Die Bergwerksindustrie sollte verstaatlicht, die großen Bankhäuser mit ihren Wuchergeschäften verboten, Märkte nur unter staatlicher Kontrolle abgehalten werden, der Handel keinen Gewinn abwerfen. Klöster sollten in Spitäler umgewandelt und ein System der sozialen Fürsorge aufgebaut werden. Das „Wohl des gemeinen Mannes“ wurde zum obersten Ziel des Gemeinwesens erhoben.
Dieses Programm sollten ihm die Herrschenden nicht verzeihen. Gaismair wurde von den Habsburgern gejagt und schlussendlich ermordet. Bis heute wird dieser beeindruckende Revolutionär bei uns totgeschwiegen. Selbst Historiker wie Rebitsch, die sich um eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Bauernkriegs bemühen, fühlen sich bemüßigt, Gaismair zu diskreditieren, damit ja niemand auf den Gedanken kommt, einen revolutionären Umsturz der herrschenden Ordnung zu wollen. So sind es wir Revolutionäre Kommunistinnen und Kommunisten, die als einzige das Erbe des Tiroler und Salzburger Bauernaufstands hochhalten.
(Funke Nr. 234/28.05.2025)