Die Regierung von ÖVP und Grünen wurde abgewählt, die FPÖ ist jetzt erstmals stärkste Partei, die SPÖ stagniert auf historisch schwachem Niveau, aber alle linken Parteien verzeichnen Stimmgewinne. Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zur NR-Wahl 2019 gestiegen.
Die Regierung wurde abgewählt, beide Regierungsparteien verloren massiv. Nur 1,28 Mio. Wahlberechtigte bzw. 26,3 % wählten noch die ÖVP, was bedeutet, dass die ÖVP gut eine halbe Million Wähler verloren hat. Und dies obwohl die Kernkompetenz der ÖVP – (korruptionsverdächtiges) Agieren zum Wohl der „eigenen Leute“ – defacto ganz aus dem Wahlkampf herausgehalten wurde. 402.000 Wahlberechtigte (8,2 %) haben noch die Grünen gewählt – das sind 250.000 weniger als 2019. Insgesamt 765.000 Wähler oder fast 17 % kehrten den Regierungsparteien damit den Rücken. Das ist keine leichte Verschiebung, sondern eine Generalabrechnung mit einer gescheiterten Regierungspolitik. Corona, Wirtschaftskrisen, Kriege, Teuerung, fallendes Einkommen, die Krise an den Schulen und Spitälern, Unwetterkatastrophen und zuletzt die steigende Arbeitslosigkeit – es herrscht Frust und Proteststimmung. Die Stimmung in Österreich ist schlecht, 57% sind der Meinung, dass sich das Land negativ entwickelt hat – ein Wert, der vor fünf Jahren noch bei 32% lag. Fast die Hälfte fühlt sich finanziell unter Druck und muss sich im Alltag einschränken (alle Daten aus der Wahlbefragung von FORESIGHT/ISA).
FPÖ nützt Unmut
Bei der Wahl 2019 steckte die Partei durch das Ibiza-Video in der Krise, aber mit einer demagogischen Anti-Eliten-Haltung brachte Kickl die Partei seither wieder nach vorne, die FPÖ gewann 636.000 Stimmen dazu. Wähler, die 2019 zur ÖVP von Sebastian Kurz wechselten, gingen jetzt wieder zurück zu den Blauen, 443.000 Stimmen laut Wählerstromanalyse. Die FPÖ erreichte dies, indem sie konsequent die Proteststimmung aufnahm und demagogisch ansprach, „gegen die Einheitspartei“ polemisierte, sich vor angebliche und wirkliche „Schwurbler“ stellte und nach Beginn des Ukraine-Krieges und der massiven Teuerung einen (richtigen) Zusammenhang zwischen beidem herstellte. Damit baute sie politisches Vertrauen bei Menschen in allen Schichten und Klassen der Gesellschaft auf. Die FPÖ stilisiert auch gleichzeitig seit Jahren verlogenerweise (muslimische) Migranten als zentrales soziales Problem. Im vergangenen Jahr (nach dem 7. Oktober) folgten ihr alle anderen Parteien auf dem Fuße, zuletzt die liberalen NEOS. Damit erlangte sie eine politische Themenführerschaft, die für die Herrschenden wie gerufen kommt, um eine Politik der sozialen Angriffe und des Militarismus voranzutreiben. Die Aufgabe der FPÖ – in Opposition wie Regierung – ist es letztlich die ständige Spaltung der Arbeiterklasse entlang von Herkunft, Nation, sexueller Orientierung und Religion voranzutreiben. Wir Kommunisten bekämpfen den Einfluss der FPÖ in der Arbeiterklasse, weil sie eine reaktionäre, organisch bürgerliche Partei ist, die die Arbeiter nur demagogisch anspricht, um sie im nächsten Moment eiskalt den Kapitalisten auszuliefern (siehe Pensionsreform 2003, 12-Studen-Tag 2018). Ihre systematisch rassistische, homo- und transphobe Spaltungsrhetorik und ihre Heimattümelei schwächt die Kampffähigkeit der Arbeiterklasse.
SP, KP, Wandel und Gaza
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums tun die Reformisten nichts, um die Spannkraft der Arbeiterbewegung zu stärken. Die größte Oppositionspartei SPÖ konnte vom herrschenden gesellschaftlichen Unmut daher kaum profitieren. Sie erreichte 1,03 Million Stimmen, 20.000 Stimmen mehr als beim bisher historisch schlechtesten Ergebnis 2019. Aufgrund der gestiegenen Wahlbeteiligung ergibt dies trotzdem ein leichtes Minus im Stimmanteil (21,1%). Der Hauptverlust der SPÖ ging nicht zur FPÖ (-65.000), sondern zu den Nichtwählern (-180.000). Die wichtigsten Zugewinne flossen der SPÖ von ehemaligen Grünwählern zu (+148.000).
SP-Chef Andi Babler wurde im Wahlkampf nicht müde, seinen Aufstieg vom Arbeiterkind zum SPÖ-Chef zu erzählen, Rechte der Armen zu betonen und Reichensteuern einzufordern. Die Glaubwürdigkeit der „Expertenkonzepte“ für eine bessere Welt nach Andi Babler wurde aber selbst von den Machtzentren der eigenen Partei offen in Frage gestellt, so konnte die Partei kein breites Vertrauen erzeugen. Zurecht, wie sich unmittelbar nach den Wahlen in den SPÖ-Reaktionen zeigte: panische Bereitschaft, ihr Wahlprogramm über Bord zu werfen, um dem abgewählten Nehammer den Steigbügel für fünf weitere Jahre zu machen. Ein wichtiges Wahlmotiv für die SPÖ, vor allem unter Jugendlichen, war es aber sich als Bollwerk gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu positionieren. Ein Freibrief, um stattdessen eine rassistische Sparregierung mit der ÖVP zu machen – so interpretiert die Parteispitze den Wahlausgang jetzt – ist dies aber nicht.
Wir gaben eine kritische Wahlempfehlung für die KPÖ aus, welche in der Woche vor der Wahl eine breite mediale Resonanz erfuhr. Menschen, die einen linkeren Ausweg aus der Krise stärken wollten, tendierten zur KPÖ. Wir merkten auch an, dass es der KPÖ-Spitze an Mut fehlt, die heißen Eisen der gesellschaftlichen Debatte anzugreifen und kommunistisch zu beantworten: Krieg, Unterdrückung, Rassismus, die Krise des Kapitalismus, die unweigerlich kommenden sozialen Angriffe, gegen die man sich zum Kampf organisieren muss. Über all das schwieg die Partei, soweit es nur ging. Die Parteispitze hielt stattdessen eisern daran fest, sich als Partei der karitativen Wohn- und Alltagsprofis zu inszenieren. Dieser Opportunismus gegenüber den liberalen Medien schwächte die Wahlchancen der Partei. Die unabhängige Kandidatur der Liste Gaza ist das direkte Resultat dieses politischen Unwillens der Parteiführung, sich in direkten Widerspruch mit den Bürgerlichen zu begeben. Generell konnte die Partei einen geringeren Wähleranteil als noch bei den EU-Wahlen ansprechen (2,4% statt 3%), als man zumindest den Zusammenhang von Aufrüstung und der sozialen Frage („Wohnen statt Kanonen“) plakatierte.
Polarisierung
Wenn man die Parteien in die politischen Lager Rechts-konservativ (FPÖ, ÖVP, MFG), Liberal-Mitte (NEOS, Grüne, Bier) und Arbeiterbewegung-links (SPÖ, KPÖ, KEINE, Liste Gaza) gruppiert, zeigt sich bei diesen Wahlen eine zunehmende Polarisierung nach rechts (+148.950) und links (+129.559). Die Liberalen hingegen verloren Stimmen.
Ein Wort nur zum selbstdeklarierten „zweiten Wahlsieger“ NEOS. Sie gewannen nur 59.000 Stimmen dazu, weniger als die KPÖ (+84.000). Obwohl mit der BIER-Partei eine neue liberale Kraft hochgeschrieben wurde, deren zugedachte Rolle es war, Stimmen von der SPÖ und KPÖ wegzunehmen, sind die drei aktivsten pro-westlichen Kriegshetzerparteien um 104.299 Stimmen geschrumpft.
Demgegenüber sind alle vier Parteien der Linken und der Arbeiterbewegung gewachsen, trotz ihrer lauwarmen Politik. Dies zeigt an, dass Österreich gar nicht vor einer reaktionären Periode, oder dem Ende der Demokratie steht. Solche Einschätzungen schieben das Problem auf die Einstellungen der Arbeiter und der Jugendlichen. Das Problem ist aber nicht die Arbeiterklasse und die Jugend, sondern die Politik der Reformisten. •