Heute lodert Bangladesch in der glühenden Hitze der Revolution auf. Die Massen sind einmal mehr in die Arena des Kampfes eingetreten. Sie entdecken dabei eine reiche revolutionäre Tradition wieder, die Jahrzehnte zurückreicht. In Wirklichkeit sind die Aufgaben der heutigen Revolution die ungelösten Aufgaben einer unvollendeten Revolution, die vor mehr als fünfzig Jahren begann und im Unabhängigkeitskrieg gegen die Herrschaft Pakistans im Jahr 1971 gipfelte. Die Lehren aus dieser Periode zu verstehen, ist nicht nur zum Verständnis der gegenwärtigen Lage entscheidend, sondern auch damit der revolutionäre Kampf heute zum Sieg geführt werden kann.
Die Revolution und der darauffolgende Unabhängigkeitskrieg Bangladeschs von Pakistan waren weltbewegende Ereignisse. Aber sehr wenige wissen, was wirklich passiert ist.
Die wichtigsten politischen Parteien im heutigen Bangladesch hüllen den Krieg in einen Nebel aus Lügen. Sie überhäufen sich selbst mit Ruhm und übertreiben die Rolle ihrer Parteien im Unabhängigkeitskampf.
Aber die wahren Helden der Geschichte waren die Millionen von namenlosen Bangladescher, die gekämpft haben und bereit waren, für die Sache der Freiheit das allergrößte Opfer zu bringen. Es ist Zeit, die Dinge richtigzustellen.
Die Teilung des Subkontinents
Am 14. und 15. August 1947 wurde ein großes Verbrechen gegen die Menschheit begangen: In einem Rausch ziviler Gewalt, die von der Teilung Indiens freigesetzt worden war, wurden 2 Millionen Menschen getötet, 75.000 Frauen vergewaltigt und 10-20 Millionen Menschen vertrieben. Ted Grant erklärt den Hintergrund für dieses Verbrechen folgendermaßen:
„Die Teilung des Subkontinents in Pakistan und Indien war ein Verbrechen, das vom britischen Imperialismus verübt wurde. Zuerst wollte der britische Imperialismus die Kontrolle über den ganzen Subkontinent behalten, aber, von 1946-1947, brach auf dem indischen Subkontinent eine revolutionäre Situation aus. Der britische Imperialismus erkannte, dass er die Lage nicht länger kontrollieren konnte. Seine Truppen waren großteils indisch und würden die Drecksarbeit für die Imperialisten nicht zuverlässig genug erledigen.
Unter diesen Bedingungen brachten die Imperialisten die Forderung der Teilung auf. Da sie die Lage nicht mehr länger im Griff hatten, entschieden sie, dass sie besser Muslime und Hindus gegeneinander aufhetzen sollten. Mit dieser Methode wollten sie den Subkontinent leichter von außen kontrollierbar machen, nachdem sie gezwungen waren ihre militärische Präsenz aufzugeben. Sie taten all dies ohne jegliche Bedenken gegenüber dem schrecklichen Blutvergießen, das dadurch entfesselt werden würde.“ (Ted Grant (2001): Vorwort zu Lal Khans Crisis of the Subcontinent. Partition: Can it be undone? – eigene Übersetzung)
Es war ein vollkommen vermeidbares Ereignis. Nur ein Jahr zuvor standen Hindus, Sikhs und Muslime Seite an Seite auf den Barrikaden in einer Revolution gegen die britische Besatzung Indiens. Großbritannien konnte seine direkte Herrschaft nicht mehr aufrechterhalten und musste auf das Prinzip „teile und herrsche“ setzen. In Zusammenarbeit mit den herrschenden Eliten der Hindus und der Muslime wurde der Subkontinent anhand von religiösen Linien aufgeteilt.
Indien sollte die Mehrheit der Hindus und die neue Nation Pakistan die Mehrheit der Muslime beheimaten. Die Region Bengalen wurde in Ost und West geteilt. Der Westen, der mehrheitlich hinduistisch war, wurde Indien angegliedert, während der mehrheitlich muslimische Osten zu Ostpakistan (dem modernen Bangladesch) wurde.
Ostpakistan
Auch wenn die Menschen in West- und Ostpakistan überwiegend dieselbe Religion teilten, hatten sie eine völlig unterschiedliche Kultur entwickelt und sprachen völlig andere Sprachen, ganz zu schweigen davon, dass sie durch fast 2000 Kilometern fremden Staatsgebiets getrennt waren!
Von Anfang an stand Ostpakistan unter der vollkommenen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Vorherrschaft Westpakistans. Zweiundzwanzig westpakistanische Familien an Kapitalisten besaßen 1970 etwa 66% der Industrie und 80% des Bankenwesens in Ostpakistan. Karachi (im Westen des Landes) wurde zur Hauptstadt ernannt, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung im Osten lebte.
Außerdem lag der Durchschnittslohn für Arbeiter in Westpakistan bei 35 Pfund pro Monat gegenüber 15 Pfund im Osten. Während Westpakistan seine Waren im Westen verkaufte, strömte der Wohlstand in die andere Richtung, von Ost nach West.
90% der Armee waren aus Westpakistan und nur 16% der Spitzenbeamten im öffentlichen Dienst waren Ostpakistanis. Urdu wurde zur Landessprache erklärt, obwohl nur sieben Prozent der Menschen es sprechen konnten, im Vergleich zu 55%, die eine Form des Bengali sprachen.
Die herrschende Klasse Westpakistans unterdrückte die demokratischen Rechte der Bengalen, um ihre eigenen Privilegien zu schützen und ihre Profite zu maximieren. Auch wenn es jetzt formell frei von seinen britischen Kolonialherren war, war Ostpakistan nun eine Halbkolonie von Westpakistan und beheimatete eine Masse unterdrückter Bengalen.
Lenin bemerkte einmal, dass die nationale Frage in letzter Instanz eine Brotfrage ist. Die Frage der ökonomischen Eigenständigkeit stand im Mittelpunkt des Kampfes um die Unabhängigkeit. Der pakistanische Staat hatte Dynamit in sein Fundament einbetoniert.
Die Sprachbewegung
Die ersten Anzeichen von Unmut zeigten sich 1952 in einer Massenbewegung für die Anerkennung und Ausübung der bengalischen Sprache. Die Bewegung gewann Massenunterstützung, nachdem die Polizei ein Dutzend studentischer Aktivisten erschossen hatte.
Während dieser Bewegung tat sich ein junger Mann namens Mujibur Rahman hervor, der Vater der kürzlich gestürzten Tyrannin Sheikh Hasina. Er würde schließlich der Anführer der bengalisch nationalistischen Awami-Liga werden, die später eine Schlüsselrolle im Unabhängigkeitskampf spielen würde.
Mujib stammte aus einer mittelständischen Familie von Landbesitzern und war inspiriert von der „westlichen“ Demokratie. Er war äußerst charismatisch und gebildet – die perfekte Gallionsfigur für das aufstrebende bengalische Kleinbürgertum.
Die Parlamentswahlen 1954 brachten den Sieg der bengalischen nationalistischen Koalition, der Vereinigten Front (Jukta Front), die 65,5% der Stimmen erreichte. Entsetzt über den wachsenden Unmut mit dem westpakistanischen Nationalismus löste die westpakistanische Elite die Regierung nach nur 56 Tagen auf und war gezwungen, 1956 die offizielle Anerkennung der bengalischen Sprache zuzulassen. In den stürmischen Zeiten der 1950er formte sich das moderne Nationalbewusstsein Bangladeschs.
Diktatur
Pakistans „Demokratie“ ging 1958 zu Ende. Politischer, sozialer und wirtschaftlicher Aufruhr führte zum Verbot politischer Parteien und zu einer Pattsituation der sich gegenüberstehenden Klassen.
Im Jahr 1958 kam der Armeeoffizier Ayub Khan durch einen Militärputsch an die Macht und regierte als „starker Mann“, indem er zwischen den Klassen balancierte, „um das Land vor der Anarchie zu retten“. Der Kriegszustand wurde verhängt und alle politischen Versammlungen verboten.
Die bengalische Kultur wurde unterdrückt. Ayub Khan holte die US-Armee ins Land, um Militärbasen zu bauen und machte Pakistan zum Außenposten des US-Imperialismus in der Region.
Pakistan erlebte in den 1960ern unter der Militärdiktatur ein beispielloses Wirtschaftswachstum. Gewerkschaften waren defacto verboten und machten Pakistan so zu einem Paradies für ausländische Investments.
Die Industrialisierung hatte eine mächtige Arbeiterklasse in den Städten geschaffen, die zunehmend wütend auf das Regime wurde. Die Massen litten unter furchtbaren Arbeitsbedingungen, während die superreiche Bande an Kapitalisten, Großgrundbesitzern und Militäreliten mit ihrem Reichtum protzten.
Im Jahr 1965 führte Pakistan einen teuren und desaströsen Krieg mit Indien um Kaschmir, der die Inflation verschärfte und die Lebenskosten ansteigen ließ. Die Zensur der Presse und die Einschränkung politischer Meinungsäußerung verstärkte die nationale Unterdrückung für die Bengalen in Ostpakistan. Das schuf die Grundlage für eine mächtige Explosion des Klassenkampfes. Alles, was notwendig war, war ein Funke, der den tiefsitzenden Hass und die Wut auf das Regime entfachen konnte.
Die westpakistanischen Kapitalisten machten Extraprofite dadurch, dass sie riesige Landstriche besaßen und ethnische Minderheiten als billige Arbeitskräfte ausbeuteten. Daher erwies sich die pakistanische Bourgeoisie, mit Händen und Füßen an die Großgrundbesitzer und die amerikanischen Imperialisten gebunden, als unfähig, einen modernen demokratischen Staat zu schaffen, der die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen stillen konnte: Land für die Bauern und Freiheit für die unterdrückten ethnischen Gruppen.
1966 stellte Mujibur Rahman das „Sechspunkteprogramm“ vor, das größere Autonomie für Ostpakistan forderte sowie eine Restauration der parlamentarischen Demokratie innerhalb der Föderation Pakistans. Es forderte das Recht, ein unabhängiges Militär zu stellen und die Kontrolle über eigene Steuern und Einnahmen zu haben, einschließlich der Einführung von zwei getrennten Währungen.
Solch ein Programm, egal wie moderat die Forderungen ausgestaltet sein mochten, war der pakistanischen herrschenden Klasse ein Dorn im Auge. Ostpakistan war die Hauptquelle der Profite der herrschenden Klasse (die hauptsächlich in Westpakistan lebte) und zu der Zeit stellte seine Bevölkerung die Mehrheit der Gesamtbevölkerung Pakistans dar. Das allgemeine Wahlrecht einzuführen, bedeutete einen Kontrollverlust über die Situation (was auch letztlich passierte). Und Ostpakistan das Recht einzuräumen, eigene Steuern und seine eigene Währung aufzustellen, hätte den Verlust der Kontrolle der Wirtschaft für die westpakistanische herrschende Klasse bedeutet. Um dieses Programm bildete sich eine Massenbewegung, die die Unterstützung der Mehrheit der Massen in Ostpakistan hatte.
Revolution
Das Vorspiel der Revolution fing 1967 mit dem kämpferischen Bahnarbeiterstreik in Westpakistan und der Wahl einer „Einheitsfront“-Regierung, in der auch kommunistische und sozialistische Parteien waren, im indischen Bundesstaat Westbengalen an (an Ostpakistan angrenzend), die tausende in Unterstützung auf die Straßen von Kalkutta brachte.
Die Zeitung The Economist verkündete besorgt, dass „wenn irgendwo in Asien die Zeit für den Versuch einer urbanen Revolution gekommen ist, dann ist es in Kalkutta, und die Städte Ostpakistans sind nicht weit dahinter“. Damit hatte sie nicht Unrecht. In der westpakistanischen Stadt Rawalpindi eröffnete die Polizei am 7. November 1968 das Feuer auf Studenten, die gegen die aggressive Behandlung durch Zollbeamten demonstrierten, und töteten dabei eine Person. In der ganzen Stadt kam es zu Unruhen und Protesten, die sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreiteten, auch in Ostpakistan.
All die aufgestaute Wut auf das Regime brach an die Oberfläche. Zu diesem Zeitpunkt war die Führung der Bewegung hauptsächlich in den Händen von Mubijur Rahman von der Awami-Liga und Abdul Hamid Khan Bhashani, dem Präsidenten der maoistischen National Awami Party (NAP), einer Verschmelzung von auf China ausgerichteten Bauernorganisationen.
Bhashani war ein gebildeter Mann aus einer Bauernfamilie der Mittelklasse. Inspiriert von Mao und der Chinesischen Revolution glaubte er, dass der Kampf für Unabhängigkeit durch einen bewaffneten Guerillakrieg unter Führung der Bauernschaft gewonnen werden könne. Die Bauernaufstände in Naxalbari in Westbengalen im Jahr 1966 hatten einen gewaltigen Einfluss auf die politisch bewussten Bauernführer Ostpakistans. Er konnte eine große Basis in der Bauernschaft und der studentischen Jugend gewinnen.
Ab Ende November 1968 rief Bhashani die armen Bauern zum Gherao (Umzingeln) der Residenzen der korrupten Entwicklungsbeauftragten und Tehsil-Büros (die sich um Bodenertrag und Grundbesitz kümmerten). Dieser Gherao begann im Dezember in einigen Bezirken. Am 6. Dezember rief Bhashani zum Generalstreik auf. Die Regierung reagierte mit Repression und einem Verbot auf jegliche Versammlungen und Demonstrationen. Die Bewegung, zu diesem Zeitpunkt von Mujib und dem Studentenflügel der Awami-Liga und dem Darbadaliya Chhatra Sangram Parishad (allparteiisches Studenten-Aktionskomitee), rief am 13. Dezember zu einem weiteren Generalstreik auf.
Diese Agitation fiel mit den Gerichtsverhandlungen der Argatala-Verschwörung zusammen, bei denen Mujib und 34 andere angeklagt waren, sich mit Indien verschworen zu haben, um eine gewaltsame Revolution in Ostpakistan herbeizuführen. Je näher der letzte Verhandlungstermin rückte, desto lauter wurde die politische Forderung zur Freilassung aller Angeklagten erhoben.
Das Aktionskomitee der Studenten wurde am 4. Januar 1969 als ein Zusammenschluss der linken und nationalistischen Studentengruppen gegründet. Sie bildete die Sperrspitze der Revolution.
Das Sechs-Punkte-Programm von Mujib wurde durch ein weit radikaleres „11-Punkte-Programm“ ersetzt, das die Studenten aufstellten. Es forderte die völlige Autonomie von Ostpakistan, die Freilassung der politischen Gefangenen, die Wiederherstellung der parlamentarischen Demokratie, niedrigere Steuern für Bauern und die „Verstaatlichung der Banken, Versicherungsanstalten und der Großindustrie – einschließlich der Juteindustrie“. Durch ihre eigene Erfahrung zog die Bewegung immer radikalere Schlussfolgerungen, die sie mit demokratischen und sozialen Forderungen verknüpften und dadurch einen antikapitalistischen Charakter annahm.
Die Massendemonstrationen nahmen nach dem 20. Januar zu, nachdem der Studentenführer Amanullah Mohamad Asaduzzaman bei einer friedlichen Demonstration von der Polizei ermordet wurde. Sein Tod wird heute noch als heroisches Opfer für die Bewegung gefeiert. Die Studenten riefen am folgenden Tag zu einem weiteren Hartal (Generalstreik) auf, der weitgehend unterstützt wurde. Für jeden ermordeten Demonstranten traten tausende in die Bewegung ein, die von Tag zu Tag radikaler wurde.
„Der Kampf der Mittelklassen für eine demokratische Herrschaft unter der Führung der Bourgeoisie wurde in einen revolutionären Aufstand der Massen verwandelt. Die arbeitende Bevölkerung – die Rikscha-Zieher, Fahrer und andere Tagelöhner – der Stadt schloss sich den Studenten an und trotzte Hand in Hand mit den Studenten den Behörden. Der Volksaufstand ließ die Fassade der Stabilität des Regimes bersten und die Verwaltung brach zusammen. (Labour Movement in Bangladesh, Kamruddin Ahmad, 1978 – eigene Übersetzung)
Am 17. Februar 1969 gab es einen weiteren Wendepunkt. Ein Professor, Mohammad Shamsuzzoha von der Rajshahi-Universität in Ostpakistan, wurde von einem Soldaten bei einer Demonstration mit einem Bajonett erstochen. Als die Nachricht die Hauptstadt Dhaka erreichte, erreichte die Stimmung einen Kipppunkt.
Die Behörden verhängten eine Ausgangssperre, die ignoriert wurde. Die Studenten und Arbeiter lieferten sich Straßenschlachten mit dem Staatsapparat und über 100 Menschen wurden getötet. Aber scharfe Munition war keine Abschreckung mehr. Wenn die Massen ihre Angst verlieren, ist das der Todesstoß eines jeden Regimes. Die Tage von Ayub Khan waren gezählt.
Am 21. Februar verkündete er, dass er nicht bei den Wahlen 1970 antreten werde, welche die ersten Wahlen mit allgemeinem Stimmrecht in der Geschichte des Landes sein würden. Das Studenten-Aktionskomitee traf sich mit Staatsträgern und forderte ein Ende der Ausgangssperren und die Freilassung der politischen Gefangenen. Mujib wurde einen Tag später, am 22. Februar, vor einer jubelnden Masse freigelassen.
Was für ein Sieg! Anstatt die Massen zu beschwichtigen hatte die Freilassung von Mujib die genau gegenteiligen Wirkung: Sie wurden ermutigt und ihre Moral wurde massiv gestärkt. Es war ein Wendepunkt der Revolution. Die Massen der Arbeiter begannen nun in die Bewegung zu strömen, dicht gefolgt von den Bauern auf dem Land.
Die Times beschrieb die Lage im März: „Streikende aus allen Berufen und Branchen, von Ärzten über Eisenbahner bis hin zu staatliche Ingenieure, marschieren fast zu jeder Tageszeit durch die Straßen und fordern bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne… Seit zwei Wochen ist in den Straßen von Dhaka keine Polizeiuniform mehr zu sehen“.
Die Revolution schritt in einem unaufhaltsamen Tempo voran. Jeden Tag schlossen sich mehr Arbeiter den Streiks an. Bhashani griff auf immer radikalere Rhetorik zurück und ermutigte die Arbeiter auf die Straße zu gehen. Er regte sie zu den Belagerungstaktiken des Gherao an, was bedeutete, die Bosse als Geiseln zu halten, bis sie den Forderungen zustimmten. Die Taktik der Bauernbewegung hatte sich nun auf die Arbeiterklasse ausgebreitet.
Am 17. März wurde zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen, der erfolgreich sein würde und sogar dem Präsidentenpalast den Strom abdrehte. Der Streik dauerte bis zum 25. März an, als Ayub Khan zurücktrat. Sowohl in West- als auch in Ostpakistan hatten die Bauern begonnen, Land zu besetzen und Gerichte einzurichten, um die verhassten Grundbesitzer zur Verantwortung zu ziehen. Ihr Slogan lautete: „Wer das Land bestellt, soll auch die Ernte bekommen“, und: „Die Grundbesitzer sollen abtreten“. Es gab 24 Fälle von Gheraos in Ostpakistan, in denen Arbeiter die Kontrolle über große Fabriken und Regierungsgebäude übernahmen. Komitees der Arbeiterselbstverwaltung wurden an den meisten Arbeitsplätzen gebildet.
Panisch meinte Ayub Khan: „Die Institutionen der Verwaltung sind gelähmt. Die Mobs stützen sich nach Belieben auf Gheraos (Belagerungen) und setzen ihre Forderungen unter Zwang durch. (…) Die Lage ist nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung. Alle staatlichen Institutionen sind Opfer von Nötigung, Angst und Einschüchterung geworden (…) Jedes Problem des Landes wird auf der Straße entschieden.“ Er hatte Recht! In der Gesellschaft gab nun es eine zweite Macht, die mehr Autorität hatte als der Staat. Das war die Macht der Arbeiterklasse, organisiert durch ihre Komitees an den Arbeitsplätzen.
Eine ähnliche Lage entwickelte sich in ganz Pakistan. Ayub Khan sah sich gezwungen, am 25. März zurückzutreten, was die Stärke der Revolution bewies. In Westpakistan bildete der Linkspopulist Zulfikar Ali Bhutto von der Pakistanisches Volkspartei (PPP) die Führung der Bewegung. Wenn Bhashani und Bhutto einen Aufstand angeführt hätten, die Macht zu ergreifen, hätte es einen friedlichen Machtwechsel geben und eine Arbeiterregierung hätte sich auf der Grundlage der Arbeiterkomitees bilden können, die über ganz Pakistan verteilt gewesen wären.
In diesem Szenario hätte das Volk Bangladeschs die freie, demokratische Wahl zwischen dem Beitritt zu einer freiwilligen Union mit einem von den Arbeitern geführten Westpakistan oder der vollständigen Abspaltung gehabt. Ein freiwilliger Zusammenschluss auf der Grundlage eines Arbeiterstaates hätte es der Bewegung ermöglicht, sich auf Westbengalen und den Rest von Indien auszubreiten und in letzter Instanz die Gründung einer sozialistischen Föderation des Subkontinents ermöglicht, in der das Recht auf Selbstbestimmung der unterdrückten Minderheiten voll anerkannt worden wäre. Aber Bhutto stellte sich entschlossen gegen den bengalischen Nationalismus und war entschlossen die erzwungene Einheit Pakistans um jeden Preis aufrechtzuerhalten.
Verrat des Stalinismus und Maoismus
Bhashani beabsichtigte aber nie, tatsächlich die Macht zu übernehmen. Er glaubte, dass zuerst die Unabhängigkeit erlangt werden müsse, und erst dann der Sozialismus aufgebaut werden könnte. Anstatt die Arbeiterkomitees als Keim einer neuen Gesellschaft und als Waffe zur Erlangung der Unabhängigkeit zu sehen, betrachtete er sie lediglich als Mittel, um grundlegende demokratische Zugeständnisse von der westpakistanischen herrschenden Klasse zu erzwingen. Demagogische Reden, die mit „Bürgerkrieg“ drohten, waren daher nichts als heiße Luft, während er verzweifelt versuchte, die Führung der Bewegung zu behalten.
Dies ergab sich aus seiner Orientierung auf Maos China. 1965 kollidierten die engen Interessen der Bürokratie in China mit denen der Sowjetunion, was zum sino-sowjetischen Bruch führte. Dies verursachte Spaltungen in den meisten kommunistischen Parteien weltweit.
Anstatt zu einer internationalen Revolution aufzurufen und ihre Bemühungen in einem weltweiten Kampf gegen den Kapitalismus zu bündeln, kämpften sie stattdessen um Einfluss auf der Weltbühne und kollaborierten sogar mit kapitalistischen Regimen, um einander zu schwächen.
Um also dem sowjetischen Einfluss auf dem Subkontinent entgegenzuwirken, ging die chinesische Bürokratie daher ein prinzipienloses Bündnis mit dem US-Imperialismus ein, und damit auch mit der herrschenden Klasse Westpakistans.
Ein wesentlicher Aspekt der Strategie dieser zwei Länder bestand darin, die mit ihnen verbündeten kommunistischen Parteien als Werkzeuge ihrer jeweiligen Außenpolitik zu nutzen. Bhashanis NAP und das Volk von Bangladesch waren in ihren zynischen Spielen lediglich Schachfiguren.
Dies brachte Bhashani in eine schwierige Position. Er sollte den Kampf um die Unabhängigkeit anführen, gleichzeitig aber die Unterdrücker unterstützen, da Ayub Khan ein Freund von Mao und China war. Eine damalige Mitarbeiterin Bhashanis erinnert sich an seinen Besuch bei Mao: Anstatt gestärkt und politisch gerüstet zurückzukehren, um die Macht zu übernehmen, sei er in einer ernsten und deprimierten Stimmung zurückgekehrt und nie wieder derselbe gewesen.
Alle linken Parteien unter dem Einfluss des Stalinismus verstrickten sich in Widersprüche durch die falsche Theorie der „zwei Etappen“. Diese Theorie besagte, dass die Aufgaben der Revolution bürgerlicher Natur seien und dass daher eine sozialistische Revolution nicht auf der Tagesordnung stünde und erst nach einer langen Periode der bürgerlichen Demokratie möglich wäre. In einer verrückten Jagd nach einer nicht existierenden „progressiven Bourgeoisie“ gingen sogenannte Kommunisten alle möglichen bizarren und prinzipienlosen Allianzen ein.
Beispielsweise ignorierten mehrere maoistische Gruppierungen in Ostpakistan entweder die bengalische Nationalfrage oder lehnten sie aktiv ab. Einige linke Parteien stellten das Ayub-Regime sogar als progressiv dar, aufgrund der zu jener Zeit durchgeführten Industrialisierung. Daher bezeichneten sie auch die revolutionäre Bewegung gegen ihn als eine von der CIA angezettelte US-Verschwörung! Dieses völlige politische Versagen der stalinistischen und maoistischen „kommunistischen“ Parteien war genau das, was es Bhutto und Mujib ermöglichte, die Führung der revolutionären Bewegungen in West- und Ostpakistan zu übernehmen.
Zuckerbrot und Peitsche
Das ganze Land war zum Stillstand gekommen, und die herrschende Klasse versuchte durch die Aussetzung der Verfassung und die Verhängung des Kriegsrechts die Ordnung wieder herzustellen. Doch Ayub selbst konnte dies nicht durchsetzen – er war völlig diskreditiert. Daher wurde die Macht an den militärischen Oberbefehlshaber Yahya Khan übergeben. Immer wenn Ayub die Peitsche schwang, hielt Yahya das Zuckerbrot hin. Er kündigte eine neue allgemeine Wahl auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und einige kleinere Gewerkschaftsreformen an. Ihre Hoffnung war, die Bewegung in sichere Bahnen zu lenken.
Dies hatte den gewünschten Effekt, da viele Bengalen eine politische Vertretung dieser Art noch nie erlebt hatten. Ohne ein klares Verständnis davon, wie eine Revolution durchzuführen sei, begann Bhashani seine Autorität zu verlieren. Zu dieser Zeit wurde eine heftige Diskussion unter dem Motto „Stimmzettel oder Kugel“ geführt – also Wahlen oder Revolution? Doch Bhashanis Vorstellung von Revolution war vollständig auf die maoistische Sicht des bäuerlichen Guerillakriegs beschränkt.
Tatsächlich erzählte eine seiner engen Mitarbeiterinnen, die Gewerkschafterin und Parteiführerin Kaniz Fatima, viele Jahre später einem unserer Genossen von einem Besuch Bhashanis in Karatschi. Diese Stadt war und ist die am stärksten industrialisierte und proletarische Stadt des Landes. Während seines Aufenthalts fragte er seine Parteimitglieder, ob es in der Nähe von Karatschi Berge gäbe. Als sie die Frage verneinten, verwarf er die Idee, dass es möglich wäre, in diesem Gebiet eine Revolution durchzuführen!
Seine Unfähigkeit, eine klare Strategie für die Unabhängigkeit zu entwickeln, führte dazu, dass er und die NAP ankündigte, die Wahlen zu boykottieren. Er behauptete, dass die Wahlen Pakistan stärken würden und dass die Fragen von Hunger und Unabhängigkeit zuerst gelöst werden müssten. Zu diesem Zeitpunkt flaute die Massenbewegung jedoch ab, und die Illusionen in die Wahlen nahmen zu. Ohne eine brauchbare revolutionäre Alternative vor sich zu haben, war der Boykott der Wahlen eine nutzlose Taktik. Das politische Feld wurde somit für Mujibs Awami-Liga weit geöffnet.
Dies kam einem Verzicht auf den Kampf gleich und schuf ein enormes politisches Vakuum, das Mujib nur allzu bereitwillig füllte. Die grundlegende Frage in diesem Moment war, welchen Charakter die Revolution annehmen würde. Bhashani wollte nicht akzeptieren, dass die Revolution einen sozialistischen Charakter annehmen würde, auch wenn ihm die Realität andauernd Schläge in diese Richtung versetzte. Alle ihre Taktiken und Manöver gingen von der falschen Idee der zwei Etappen aus.
Wahlen
Die nationale Unterdrückung der Bengalen hatte eine revolutionäre Bewegung entlang von Klassenlinien hervorgebracht. Diese konnte nur gelöst werden, wenn die Arbeiterklasse an der Spitze der gesamten Nation die Macht übernahm. Da jedoch die Führung der Arbeiterklasse sich weigerte, dies zu tun, wurde die bengalische Arbeiterklasse in die Arme der mittelständischen Nationalisten getrieben.
Die Awami-Liga unter Mujib war die Partei der aufstrebenden bengalischen Mittelklasse. Die Mehrheit der Führung der Awami-Liga bestand aus klein- und mittelgroßen Landbesitzern sowie Geschäftsinhabern, und die Partei stützte sich fest auf diese Gesellschaftsschicht. Sie waren bereit, sich auf den Aufschwung der Massen zu stützen, um Druck auf die westpakistanische herrschenden Elite auszuüben und Zugeständnisse zu erlangen. Obwohl ihre Sprache sehr radikal wurde und die Stimmung der Bewegung widerspiegelte, waren sie weder bereit noch in der Lage, den ganzen Weg zu gehen. Ihre gesamte Strategie basierte auf dem Versuch, eine Verhandlungslösung zu finden.
In Wirklichkeit war die Massenbewegung für nationale Befreiung untrennbar mit der Eigentumsfrage verknüpft. Die Bauern besetzten das Land und die Arbeiter besetzten die Fabriken. Dies erschreckte die mittelständischen Führer der Awami-Liga, die (zu Recht) befürchteten, dass ein unabhängiges Bangladesch von Klassenkämpfen überwältigt werden könnte und der gesamte Prozess möglicherweise mit der Abschaffung des Kapitalismus enden würde.
Die pakistanische herrschende Elite setzte ihre Hoffnungen darauf, dass die Stimmen im Osten zwischen mehreren nationalistischen, islamischen und bäuerlichen Parteien gespalten würden. Dies würde ihnen ermöglichen, die Bevölkerung zu spalten und darauf zu warten, dass die Massen entmutigt würden. Sie hatten sich allerdings gewaltig verkalkuliert. Sie unterschätzten den glühenden Hass der Bengalen gegenüber der westpakistanischen Herrschenden, die sie über Jahrzehnte hinweg extremer Armut und nationaler Unterdrückung ausgesetzt hatten.
Ohne eine politische Alternative gewann die Awami-Liga unter Mujib am 7. Dezember 1970 160 von 162 Sitzen in Ostpakistan. Dies verschaffte den bengalischen Nationalisten nicht nur eine überwältigende Mehrheit im Osten, sondern auch eine Mehrheit über das gesamte Pakistan hinweg mit 39,2% der abgegebenen Stimmen! Die herrschende Elite war über dieses Ergebnis entsetzt, das de facto ein Mandat für die Unabhängigkeit und die Auflösung Pakistans darstellte. Mujib forderte die sofortige Einberufung der Nationalversammlung, in der die Awami-Liga eine absolute Mehrheit hatte.
Die Revolution wurde neu entfacht
Die westpakistanische Bourgeoisie und die Grundbesitzer konnten der Forderung einer unabhängigen bengalischen Nation niemals zustimmen. Das würde bedeuten, das Recht zu verlieren, Bangladesch als Kolonie auszubeuten und die Extraprofite, die sie dort erzielten, zu verlieren. Es würde auch den anderen unterdrückten Nationalitäten in Pakistan Auftrieb geben. Darüber hinaus würde ein bengalischer Staat, der mit Indien verbündet ist und über ein eigenes Militär verfügt, ihre Position in der Region erheblich schwächen. Die Überausbeutung der Bengalen war daher eng mit ihrer nationalen Unterdrückung durch die reicheren Westpakistaner verbunden, sodass die einzige Lösung darin bestand, die Ausbeuter – die Kapitalisten – zu stürzen.
Mujib jedoch war nicht bereit, mit dem Kapitalismus zu brechen und über die engen Grenzen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen. Er war entsetzt, dass die kriegerische westpakistanische herrschende Elite keine Zugeständnisse machen wollte, und stellte sogar fest: „Verstehen sie nicht, dass ich der Einzige bin, der die Kommunisten stoppen kann?“ (Bangladesh: The Unfinished Revolution, Lawrence Lifschultz. Zed Press. London. 1979, eigene Übersetzung)
Mit anderen Worten, Mujib hatte keine Perspektive für einen Kampf gegen die herrschenden Klasse in Westpakistan. Vielmehr hoffte er auf einen faulen Kompromiss, der nicht die vollständige Unabhängigkeit beinhaltete, bei dem die lokale bengalische Bourgeoisie etwas Autonomie gewinnen und sich an der Ausbeutung der lokalen Arbeiter und Bauern beteiligen könnte. Die Bourgeoisie wird immer mehr Angst vor der Arbeiterklasse haben als vor einem bürgerlichen Rivalen. Sie sind bereit, sich von einer anderen Bourgeoisie unterwerfen zu lassen, wenn es bedeutet, dass sie einige ihrer Privilegien behalten können, anstatt sie alle in einer sozialistischen Revolution zu verlieren.
Am 1. März 1971 verschob Yahya Khan die Einberufung der Nationalversammlung, was eine heftige Reaktion der bengalischen Massen auslöste. Ein Augenzeuge beschreibt die Szene bei einem Cricket-Match, als die Nachricht bekannt wurde:
„Viele Zuschauer hatten ihre Transistorradios dabei, und als sie von der Verschiebung der Parlamentssitzung erfuhren, brach die Hölle los. 40-50.000 Menschen verließen das Stadion und gingen auf die Straßen, riefen Parolen wie ‚joi bangla‘ – ein nationalistischer Slogan aus Westbengalen, der ‚Sieg für Bengal‘ bedeutet.“
„Alle drei Straßen vor dem Hotel waren voll mit Menschen, die mit Eisenstangen und Bambusstöcken bewaffnet waren… es gab ein Lagerfeuer, bei dem pakistanischen Flaggen und Porträts von Jinnah [dem Gründer Pakistans] verbrannt wurden.“
Die Peitsche der Konterrevolution hatte der Revolution neuen Aufschwung verschafft. Unter Druck der radikalen linksgerichteten Studentenorganisationen wurde von der Awami-Liga ein Generalstreik ausgerufen.
„Der Straßenverkehr, die Geschäfte, die Fabriken und Büros waren geschlossen. Jeder folgte geschlossen dem Aufruf zum öffentlichen Streik… selbst der Fisch- und Gemüsemarkt war geschlossen.“ (Of Blood and Fire: The Untold Story of Bangladesh’s War of Independence 1989, Jahanara Imam, eigene Übersetzung)
Als Reaktion darauf wurde eine Ausgangssperre und das Kriegsrecht verhängt, wobei die Veröffentlichung aller Nachrichten, die der Regierung feindlich gegenüberstanden, verboten wurde. Doch die Ausgangssperre wurde ignoriert. Barrikaden wurden errichtet, während die Massen Tag und Nacht mit der Polizei zusammenstießen. Die linksgerichteten Studentenführer drängten Mujib dazu, am 3. März die Unabhängigkeit zu erklären. Er hielt eine Pressekonferenz ab, bei der alle eine entsprechende Ankündigung erwarteten. Sie wurden jedoch enttäuscht. Stattdessen rief er zu „gewaltfreier Nichtkooperation“ auf.
Ein Augenzeuge der Konferenz sagte: „Er sagte nichts. Aber er wirkte ziemlich düster.“ (Of Blood and Fire: The Untold Story of Bangladesh’s War of Independence 1989, Jahanara Imam, eigene Übersetzung)
Die Studentenführer riefen daraufhin ihre eigene Großdemonstration auf dem Paltan Maidan aus und verkündeten das „Programm der Unabhängigkeit“. Einer der führenden Studenten, A. S. M. Abdur Rab, entfaltete die neue Bangladesch-Flagge vor der jubelnden Menge. Mujib verlor schnell die Kontrolle über die Situation und wurde weiter gedrängt, als er ursprünglich bereit war zu gehen. Die Straßenkämpfe gingen unvermindert weiter. Eine mit großer Erwartung verbundene Ankündigung von Mujib am 7. März zog 300.000 Menschen aus allen Teilen des Landes an. Doch „Sheikh (Mujib) enttäuschte wieder alle.“ (Of Blood and Fire: The Untold Story of Bangladesh’s War of Independence 1989, Jahanara Imam, eigene Übersetzung)
An jedem Arbeitsplatz, in jeder Universität, bei jeder Massenversammlung und sogar in den Haushalten wurde Tag und Nacht heftig darüber diskutiere, wies mit der Unabhängigkeitsbewegung weitergehen sollte. Revolutionäre nationalistische Gedichte, Lieder, Karikaturen und Aufkleber wurden produziert und weit verbreitet. Neue, frische revolutionäre Kunst wurde stündlich vom TV-Sender in Dhaka gezeigt, nachdem er von den Mitarbeitern besetzt worden war, und inspirierte Tausende dazu, sich der Revolution für die Unabhängigkeit anzuschließen.
Innerhalb von zwei Wochen hatten die Massen die engen Grenzen des Nationalismus der Awami-Liga weit hinter sich gelassen und wollten die Aufgabe durch revolutionäre Mittel zu Ende bringen. Die Bewegung schien unaufhaltbar. Alle politischen Parteien, Studentenorganisationen, Gewerkschaften, Berufsverbände und Künstlerkollektive riefen am 23. März zu einer großen Demonstration unter dem Titel „Widerstandstag“ auf.
Dies war der Moment. Die Zeit war gekommen für einen entschiedenen Schritt und die Machtübernahme. Genau das erhofften sich die Massen an diesem Tag. Es war mittlerweile offensichtlich, dass ohne die Entmachtung der westpakistanischen Kapitalisten und Grundbesitzer das 11-Punkte-Programm nicht verwirklicht werden konnte. Die reichen Westpakistaner würden niemals freiwillig ihr Eigentum an Banken, Industrie und Land aufgeben und die Entfaltung einer liberalen Demokratie zulassen.
Hätte es eine echte kommunistische Partei gegeben, die in jedem Arbeitsplatz, jeder Gemeinde und jedem Dorf verwurzelt war, hätte sie den Generalstreik in eine Enteignung der westpakistanischen Grundbesitzer und Kapitalisten verwandeln, die Banken und Schlüsselindustrien unter Arbeiterkontrolle verstaatlichen und eine echte Unabhängigkeit mit sehr wenig Blutvergießen erreichen können. Ohne klare Richtung endete der Tag, der so viel Potenzial hatte, jedoch als eine Art große Feierlichkeit, die keine der Probleme löste. Wieder einmal verpasste man die Gelegenheit zur Machtübernahme. Dies würde katastrophale Folgen haben.
Die Schwarze Nacht
Am 25. März 1971 erwachte die Bevölkerung Ostpakistans zu „ohrenbetäubendem Lärm schwerer Gewehre, dem stoßweisen Geräusch von Maschinenpistolen, dem Zischen von Kugeln“. „Es gab Angstschreie und ohrenbetäubende Rufe von Verletzten“. (Of Blood and Fire: The Untold Story of Bangladesh’s War of Independence 1989, Jahanara Imam) Die pakistanische Armee marschierte ein, um die Revolution in Blut zu ertränken, was später als die „Schwarze Nacht“ bezeichnet werden sollte. Die pakistanischen Behörden verhängten eine unbefristete Ausgangssperre, verboten politische Parteien und verhafteten Mujib und andere führende Persönlichkeiten – ein brutales militärisches Vorgehen gegen eine unbewaffnete Zivilbevölkerung.
Die islamisch-fundamentalistische Partei Jamaat-e-Islami versorgte die westpakistanische Armee mit Truppen, um ein konterrevolutionäres Paramilitär aufzubauen. Zusammen mit der westpakistanischen Armee führten diese Gruppen eine systematische Kampagne brutaler Morde und sexueller Gewalt durch und begingen einen Völkermord an der bengalischen Bevölkerung. Die Zahl der Todesopfer ist nicht bekannt, die offiziellen Schätzungen liegen aber zwischen 300.000 und 3 Millionen. Tausende von bengalischen Frauen wurden vergewaltigt, und 8,9 Millionen Menschen wurden gezwungen, als Flüchtlinge das Land zu verlassen. Dies war der Preis, den das bengalische Volk für die Unentschlossenheit seiner feigen Führung zahlen musste. Die schwache und unentschlossene Politik Mujibs lud die Aggression der westpakistanischen herrschenden Elite ein.
Solange die Macht nicht in die Hände der Arbeiterklasse und der Bauernschaft gelangt, ist die Gewalt einer verrotteten und skrupellosen herrschenden Klasse, die in die Enge getrieben wird, unvermeidlich.
Mujibs Politik, die Massen aufzufordern, ihre Forderungen innerhalb der Grenzen der bürgerlichen Demokratie zu stellen, hat die Massen völlig verwirrt, ohne sie auf dieses unvermeidliche Ereignis vorzubereiten: Die Massen waren unbewaffnet, und infolgedessen starben Millionen unter brutalsten Umständen. Noch nie hat eine herrschende Klasse oder Kaste ihre Macht und ihre Privilegien kampflos aufgegeben.
Mujib hatte sich von den westpakistanischen Behörden gefangen nehmen lassen. Selbst bis zu seiner Gefangennahme bat er Yayha noch um einen Kompromiss. Er war sogar bereit, ein verwässertes Unabhängigkeitsprogramm zu akzeptieren, das in der Praxis immer noch die Unterwerfung durch Pakistan bedeutet hätte. Die kleinbürgerliche Führung wird angesichts der Bewegung der Massen immer dann Verrat begehen, wenn diese beginnt, über ihre engen Interessen hinauszuwachsen, wenn das Privateigentum selbst bedroht ist. Um es mit den Worten von Henry Joy McCracken, einem der Anführer der irischen Rebellion von 1798, zu sagen: „Die Reichen verraten immer die Armen.“
Die Gründung der Mukti Bahini
Die Invasion traf den revolutionären Aufschwung mitten ins Herz. Um Salz in die Wunden zu streuen, schrieb der Premierminister Chinas, Zhou Enlai, am 13. April 1971 an Yayha Khan:
„Die chinesische Regierung und das chinesische Volk werden wie stets die pakistanische Regierung und das pakistanische Volk in ihrem gerechten Kampf für den Schutz der staatlichen Souveränität und der nationalen Unabhängigkeit fest unterstützen.“
Sie halfen auch dabei, Westpakistan mit Waffen und finanzieller Hilfe zu versorgen, was für viele, die Maos China als Inspirationsquelle betrachteten, einen erschütternden Verrat darstellte. Hinter den Kulissen radikalisierte sich jedoch ein großer Teil der jungen Offiziere und einfachen Soldaten angesichts der brutalen Gewalt, die die westpakistanische Armee dem eigenen Volk antat.
Ein solcher Offizier war Abu Taher, der von der westpakistanischen Armee überlief, sich dem Widerstand anschloss und Kommandant des Armeesektor 11 wurde. Sie flohen aufs Land und gründeten die Mukti Bahini (Befreiungsarmee) mit den härtesten und aufopferungsvollsten Teilen der Jugend, die einen Guerillakrieg führten.
Viele Frauen schlossen sich den Mukti Bahini in Fraueneinheiten an und kämpften mutig Seite an Seite mit den Männern. Frauen riskierten auch ihr Leben als Spione, transportierten Nachschub, pflegten die Verwundeten und funktionierten sogar ihre Häuser zu provisorischen Krankenhäusern um. Frauen spielten eine entscheidende Rolle in der Revolution und im Unabhängigkeitskrieg!
Radikale Offiziere
Am 10. April 1971 wurde in Kalkutta, Westbengalen, eine Exilregierung von Bangladesch (Mujibnagar-Regierung) gebildet, an der sich eine Schicht von Staatsfunktionären, Intellektuellen und militärischen Befehlshabern beteiligten. Sie koordinierten das „offizielle“ Kommando der Mukti Bahini mit Unterstützung des indischen Staates, das sich aus der bengalischen Militärelite zusammensetzte, die von der Exilregierung der Awami-Liga unterstützt wurde und einen konventionellen Krieg mit einer regulären Offiziersstruktur führen wollte.
Der indische Staat bekannte sich zwar in Worten zur bengalischen Unabhängigkeit, hatte aber ein eigenes materielles Interesse in dieser Situation militärisch einzugreifen. Die indischen Machthaber befürchteten, dass die Bewegung schnell auf Westbengalen und dann auf ganz Indien übergreifen könnte. Sie wollten diese Bewegung kontrollieren, da sie das Potenzial hatte, das kapitalistische System in ganz Südasien zu stürzen.
Allerdings wollten sie Bangladesch nie besetzen und an Indien angliedern. Das Beste, was sie sich erhofften, war ein Staat Bangladesch, der den indischen Kapitalisten freundlich gesinnt war und ein wichtiger Bestandteil ihrer regionalen Strategie zur Schwächung ihres Erzrivalen sein würde.
1971 hatte Indien die Möglichkeit, Pakistan eine vernichtende Niederlage zuzufügen. Aber die indische herrschende Klasse brauchte das Schreckgespenst eines durch religiöse Differenzen definierten Erzrivalen an ihrer Grenze, um die Massenkämpfe zu schwächen. Dies entsprach ganz dem ursprünglichen Plan des britischen Imperialismus, der Indien 1947 nach religiösen Gesichtspunkten geteilt hatte. Innerhalb der Mukti Bahini kristallisierten sich gegensätzliche Tendenzen über die Methoden und Taktiken des Widerstands heraus.
Die Hauptkräfte des „offiziellen“ Kommandos, das mit der indischen Armee zusammenarbeitete, wurden von dem pensionierten pakistanischen Armeeoffizier General M.A.G. Osmany angeführt. Das operative Kommando auf dem indischen Territorium in Tripura wurde von Khaled Musharraf geleitet, die Brigade Nord stand unter dem Kommando von Ziaur Rahman, der nach der Unabhängigkeit eine konterrevolutionäre Rolle spielen sollte. Auf der anderen Seite standen radikale Offiziere wie Abu Taher, die die Unterstützung Indiens ablehnten und den Krieg in einen revolutionären Unabhängigkeitskrieg auf der Grundlage von Dorfkommunen umwandeln wollten. Dies war die Position des extrem linken Flügels der nationalistischen Bewegung, aus der später die Jatiya Samajtantrik Dal (Nationale Sozialistische Partei, JSD) hervorging, die bewusst Parteikader aufs Land und in die Städte schickte, um Bauern und Jugendliche für die Mukti Bahini zu gewinnen.
Taher baute durch seinen militärischen Sachverstsand und seine politische Überzeugung eine enorme Autorität innerhalb der Reihen der Mukti Bahini auf. Mitte September führte er einen erfolgreichen Feldzug in Chilmari an, der die militärische Kontrolle Pakistans über Nordbengalen brach, und nahm dann eine weitere strategisch wichtige Eroberung ins Visier: die Belagerung von Kamalpur am 24. Oktober, das schließlich am 14. November erobert wurde – wobei Taher ein Bein verlor.
Der nächste Schritt in Tahers Strategie war ein finaler Angriff auf Dakha mit einer revolutionären Armee aus Bauern und Jugendlichen. Beim bengalischen Oberkommando, der Exilregierung der Awami-Liga und der indischen herrschenden Klasse läuteten die Alarmglocken: Wenn Taher mit 100.000 revolutionären Kämpfern die Stadt erreichte, würden sie ähnlich wie die kubanischen Rebellen und die chinesische Rote Armee als Befreier auftreten. Dies wäre eine Katastrophe für den indischen Kapitalismus, der sich selbst in einer Wirtschaftskrise befand. Auch dort versuchte die herrschende Klasse, den Klassenkampf unter Kontrolle zu halten, insbesondere in Westbengalen.
Eine vorrückende revolutionäre Armee hätte auf dem gesamten Subkontinent eine Revolution ausgelöst. Dies konnte die indische herrschende Klasse nicht dulden, weshalb Indien am 3. Dezember 1971 150.000 Soldaten entsandte, die Dhaka noch vor den Mukhti Bahini erreichten. Indien griff ein und rettete die Situation für die herrschende Klasse. Mit einem Schlag konnten sie das Ende des Krieges herbeiführen: Auflösung der Dorfkommunen und Entwaffnung der linken Guerillas.
Zweitens bewahrten sie die pakistanische Armee vor dem Zorn der lokalen Bevölkerung, die sie für die schrecklichen Verbrechen, die sie während des Krieges begangen hatte, bestraft hätte. Stattdessen speisten indische und pakistanische Generäle gemeinsam und erinnerten sich lachend an die „gute alte Zeit“, als sie gemeinsam als Kollegen in der britischen Armee dienten. Rund 90.000 Angehörige der pakistanischen Armee und ihre Familien wurden als Kriegsgefangene nach Indien gebracht. Am 16. Dezember kapitulierte die pakistanische Armee, und die Menschen strömten auf die Straßen, riefen bengalische Parolen und hissten die Unabhängigkeitsflagge.
Die indische Armee wurde in Dhaka mit Jubelschreien begrüßt. Die von der pakistanischen Armee begangenen Gräueltaten und die unerträglichen Kriegsbedingungen führten dazu, dass die Massen jedes Mittel akzeptierten, um den Krieg zu beenden, selbst wenn es die Invasion einer ausländischen Armee bedeutete!
Nachwirkungen
In ihrem Buch, das die Ereignisse des Befreiungskriegs aus erster Hand schildert, fasst Jahanara Imam die Nachkriegsstimmung folgendermaßen zusammen:
„Die Telefon- und Stromleitungen sind noch nicht wieder instand gesetzt worden. Wer wird es tun? Die ganze Stadt lacht und weint zugleich. Die Menschen sind glücklich, weil sie endlich frei sind, aber der Preis, der mit Blut bezahlt werden musste, war immens.“
Tausende gaben ihr Leben für den Kampf um die Unabhängigkeit. Mujib wurde von den indischen Behörden als Premierminister des gerade unabhängig gewordenen Bangladesch eingesetzt, in der Hoffnung, dass er die Wirtschaft in ihrem Sinne führen würde. In den Augen der Mehrheit der bengalischen Bevölkerung hatte er immer noch Autorität, und die indische Führungsschicht konnte sich darauf verlassen, dass er ihre Interessen durchsetzen würde. Mujib hatte bekommen, was er wollte. Er versprach, „Recht und Ordnung“ wiederherzustellen und eine „Demokratie nach Westminster-Art“ einzuführen, doch das unabhängige Bangladesch befand sich in einem Zustand der Barbarei. Die Wirtschaft war völlig am Boden.
Die Infrastruktur des Landes war ruiniert. Mehr als 300 Eisenbahn- und 270 Straßenbrücken waren beschädigt, rund 10 Millionen Menschen evakuiert worden, so dass Fabriken und Bauernhöfe leer standen, während das Land von Überschwemmungen und Hungersnöten heimgesucht wurde.
Die Besonderheit des Krieges bestand darin, dass die wenigen mächtigen westpakistanischen Großgrundbesitzer und Kapitalisten gewaltsam vertrieben wurden, so dass große Teile des Landes und der Fabriken leer standen, auch wenn das Ende des Krieges weitgehend von der indischen Armee herbeigeführt wurde. Die bengalische Bourgeoisie war als Klasse viel zu schwach, um die von ihnen hinterlassene Lücke zu füllen, und so war das Awami-Liga-Regime unter Mujib gezwungen, 93% der Industrie, 80% des internationalen Handels und alle lokalen Geschäftsbanken zu verstaatlichen.
Nur auf der Grundlage der Vertreibung der westpakistanischen Großgrundbesitzer und Kapitalisten konnte die formale Unabhängigkeit errungen werden. Hätte es eine revolutionäre kommunistische Partei gegeben, so hätte dies mit revolutionären, fortschrittlichen Mitteln und minimalem Blutvergießen geschehen können, doch selbst die „radikalsten“ kleinbürgerlichen Demokraten wie Mujib bewiesen, dass sie dazu nicht willens und nicht in der Lage waren, bis sie keine andere Wahl mehr hatten. Sie haben die Bewegung ständig ausgebremst.
Die Unabhängigkeit wurde trotz Mujib und der Awami-Liga errungen, nur durch die aktive Beteiligung der Massen in jeder Phase wurde die Bewegung vorangetrieben. Sie waren ihren Führern weit voraus und setzten die Unabhängigkeit durch die schiere Kraft ihres revolutionären Willens durch.
Doch gerade wegen der Feigheit und den Ausflüchten von Mujib und der Awami-Liga musste die Vertreibung der westpakistanischen Elite in einem langwierigen, blutigen Konflikt erreicht werden, der Millionen von Menschen das Leben kostete.
Die JSD
Mujib kehrte in ein anderes Land zurück als das, welches er zuvor verlassen hatte. Das Land war durch Krieg und Hungersnot verwüstet. Während der größte Teil der Industrie verstaatlicht wurde, bestand das Hauptziel von Mujib und der herrschenden Elite darin, die Ordnung wiederherzustellen und eine einheimische bengalische Kapitalistenklasse zu schaffen.
Er befahl den Mukti Bahini, ihre Waffen abzugeben, und stellte viele alte Bürokraten des vorherigen Regimes wieder ein, von denen skandalöserweise 80% mit dem pakistanischen Regime kollaboriert hatten! Im Februar 1972 wurde Taher im Rahmen einer Säuberungsaktion von radikalen Offizieren seines Militärpostens enthoben. Mujib konnte sich nicht auf das Militär verlassen, da es entweder mit Pakistan kollaborierte oder linksradikal war. Deshalb gründete er die Jatiya Rakkhi Bahini (JRB), die Nationale Verteidigungsarmee, eine paramilitärische Truppe, die ihm persönlich treu ergeben war. Die JRB verübte zahlreiche abscheuliche Gräueltaten. Offiziell sollten sie den Schmuggel und die Schwarzhändler bekämpfen, doch der Großteil ihrer Arbeit bestand in der Zerschlagung der linken Organisationen durch Gewalt, Vergewaltigung und Folter.
Im April 1972 spalteten sich der linke Flügel der nationalistischen Bewegung und die Mukti Bahini endgültig von der Awami-Liga ab und gründeten eine neue Partei, die Jatiya Samajtantrik Dal (JSD), die gezwungen war, im Untergrund zu arbeiten.
Ihre Kader rekrutierten sich hauptsächlich aus den radikalen Studentenführern der Revolutionszeit Ende der 1960er Jahre, deren Generalsekretär A. S. M Abdur Rab war, ein prominenter Führer des studentischen Aktionskomitees. Nach ihrer Entlassung schlossen sich Abu Taher und andere radikale Offiziere der JSD an, wo sie den bewaffnet-militärischen Flügel der Partei, die Biplopi Gono Bahini (Revolutionäre Volksarmee), befehligten.
Taher zog sogar noch radikalere Schlussfolgerungen und bezeichnete sich selbst als Marxist. Er war angewidert von der Korruption der militärischen Eliten und der Rehabilitierung von Kriegsverbrechern und kam zu dem Schluss, dass die wahre Unabhängigkeit Bangladeschs nur durch eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft erreicht werden könne – Ideen, für die er später sein Leben geben sollte.
Wirtschaftliche Lage nach der Unabhängigkeit
Die Awami-Liga setzte sich hauptsächlich aus kleinen und mittleren Land- und Geschäftsbesitzern zusammen. Diese Bürokraten aus der Mittelschicht waren sehr ehrgeizig und strebten danach, die einheimische bengalische Kapitalistenklasse zu werden. Sie nutzten den Staatsapparat, um beträchtlichen Reichtum anzuhäufen. In den verstaatlichten Industrien gab es ein enormes Maß an Verschwendung, Korruption und Vetternwirtschaft. CEOs großer Unternehmen wurden einfach wieder eingestellt, um die staatlich geführten Industrien zu leiten.
Der größte Teil der finanziellen Hilfe aus dem Ausland steckten sich die Führer der Awami-Liga in die eigene Tasche. Der Präsident der Awami-Liga und Vorsitzende des Roten Halbmonds in Dhaka, Gazi Gulam Mustafa, baute zum Beispiel ein millionenschweres Schwarzmarktgeschäft auf. Die Rationierung wurde eingeführt, was bedeutete, dass Staatsbeamte mit dem Verkauf von überteuerten Waren an verzweifelte, hungernde Menschen viel Geld verdienen konnten, und der Schmuggel wurde zu einem millionenschweren Geschäft.
Die Regierung der Awami-Liga bot „Freiheitskämpfer-Zertifikate“ an, mit denen die Menschen vergünstigten Zugang zu Rationen erhielten. Diese wurden jedoch auf dem Schwarzmarkt an den Meistbietenden verkauft. Sogar pakistanische Kollaborateure (razakars) kamen in den Besitz einiger dieser Zertifikate.
Zu der vom Krieg verwüsteten Wirtschaft kamen 1974 die schlimmsten Überschwemmungen in der Geschichte des Landes, die zu einer Hungersnot führten, der schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. 1974-75 betrug die Inflation 51%. Die Reispreise stiegen drastisch an und die Lebenshaltungskosten vervierfachten sich, während sich die Löhne nur verdoppelten. Die offene Korruption der Awami-Liga-Führung empörte die Massen, die unvorstellbares Leid erfuhren. Mujib wurde vom Nationalhelden zum meistgehassten Mann des Landes.
Das Regime war vom ersten Tag an in der Krise. Innerhalb der Awami-Liga und des Staatsapparats kam es zu Fraktionskämpfen, und schon bald regte sich Widerstand gegen das Regime. Im Dezember 1973 organisierte die JSD eine Demonstration von 100.000 Menschen und im Januar und Februar zwei Generalstreiks. Im März schließlich organisierten sie einen Hungermarsch vor dem Haus des Innenministers. Die Polizei eröffnete das Feuer und tötete 30 Menschen. Ein blutiges Ereignis, das heute als Minto Road Massacre bekannt ist.
Im Dezember 1974 wurde während der Feierlichkeiten zum Zuckerfest ein Parlamentsabgeordneter ermordet. Das Regime nahm dies zum Anlass, den Ausnahmezustand auszurufen. Politische Parteien wurden verboten, die Presse- und Versammlungsfreiheit abgeschafft und das Parlament wurde in die politische Front BAKSAL abgelöst, eine Koalition von „Pro-Unabhängigkeits“-Parteien, die sich im Parlament zusammenschlossen. Dieses Parlament gehorchte jedoch im Wesentlichen einzig und allein Mujib. Er hatte die Möglichkeit, gegen jedes Gesetz im Parlament ein Veto einzulegen. Eine demokratische, moderne, bürgerliche Demokratie war so verunmöglich.
Die Widersprüche im neuen unabhängigen Bangladesch waren zu explosiv, um sie zu kontrollieren, das Wirtschaftsleben und die Rechtsstaatlichkeit existierten kaum mehr. Die aufstrebende einheimische bengalische Bourgeoisie war zu diesem Zeitpunkt eine viel zu schwache Klasse, um dem Land ihren Stempel aufzudrücken. Sie hatten große Angst vor den Massen. Anstatt der Arbeiterklasse durch demokratische Wahlen eine Stimme zu geben, mussten sie sich hinter einem starken Mann verstecken, dem sie die Verteidigung ihrer Interessen anvertrauten.
Die Arbeiterklasse war 1970/71 aufgrund der Feigheit ihrer Führung nicht in der Lage gewesen, die Macht zu übernehmen, was zu einem vorübergehenden Patt im Klassenkampf führte. Mujib begann, zwischen den Klassen zu balancieren und immer mehr Macht in seinen Händen zu konzentrieren. Er versuchte, die BAKSAL als eine „zweite Revolution“ darzustellen. Dies war keine Revolution, sondern vielmehr ein Versuch, seine Unterstützerbasis neu zu beleben, um der immer mächtiger werdenden Klasse der Schmuggler, Schwarzhändler, rebellischen Armeeoffiziere und staatlichen Bürokraten einen Schlag zu versetzen.
Schändlicherweise war an dieser Koalition auch die Kommunistische Partei von Bangladesch unter der Führung von Moni Singh beteiligt, der die Partei in die BAKSAL auflöste und die Parteilinie vollständig Mujib unterordnete. Allerdings existierte Mujibs Unterstützungsbasis in den Mittelschichten nicht mehr. Sie waren durch Krieg, Hungersnot und Armut völlig ruiniert worden. Er war nicht mehr ihr Retter. An der Spitze kam es zu Spaltungen, insbesondere innerhalb des Militärs. Der pro-pakistanische, pro-US-Flügel war zunehmend unglücklich über den Verlust seiner Macht und Privilegien.
Für Mujib war sein politisches Ende absehbar. Er hing in der Luft und wartete darauf, aus dem Amt entfernt zu werden. Am 15. August 1975 brach eine Gruppe verärgerter Armeeoffiziere mit pro-pakistanischer und US-amerikanischer Gesinnung in Mujibs Wohnsitz ein und tötete ihn und seine Familie. Khondaker Mostaq Ahmed übernahm das Amt des Präsidenten. Allerdings schenkte ihm kaum jemand Vertrauen. Diese Bürokraten und Armeeoffiziere, die während des Unabhängigkeitskrieges hauptsächlich als „razakars“ tätig gewesen waren, wurden von den Massen völlig verachtet. Da er in der Bevölkerung so gut wie keinen Rückhalt hatte, wurde er bald durch Brigadegeneral Khaled Musharraff ersetzt, der am 3. November in einem Gegenputsch an die Macht kam.
Dieser wurde von einem kleinen Teil der Awami-Liga und des Offizierskorps gestützt, die Mujib gegenüber loyal und mit Indien verbündet waren. Auch diese Leute hatten keinen Rückhalt in der Bevölkerung oder in den Reihen des Militärs – da sie ebenso in der Bevölkerung als die Verantwortlichen für Hungernot und Korruption gesehen wurden. Die herrschende Clique war tief gespalten in der Frage, wie die Situation zu stabilisieren sei.
Letztlich ließen die Spaltungen an der Spitze der Gesellschaft eine Lücke, in die die Massen eingreifen konnten. Es bestand die Angst vor einem Bürgerkrieg zwischen den Fraktionen. Die Offiziere, die Mujib unterstützten, wurden im Gefängnis umgebracht, so dass die Situation außer Kontrolle zu geraten drohte. Ziaur Rahman, ein ehrgeiziger Offizier, wurde als Generalstabschef der Armee abgesetzt und von den Putschisten verhaftet. Da es keine klare politische Alternative gab, fanden die Massen ihren Ausdruck in der JSD-Partei. Zum Zeitpunkt des Putsches hatte die JSD eine beträchtliche Basis in der Jugend, der Bauernschaft und Teilen der Arbeiterklasse aufgebaut. Da die Spitze tief gespalten war, sahen sie die Gelegenheit, einzugreifen und die Macht zu übernehmen. Am 7. November 1975 umzingelten sie Musharraf und seine Männer, befreiten General Zia aus dem Gefängnis und riefen die Arbeiterklasse, die Bauern und die Jugend auf, auf die Straße zu gehen.
Der Aufstand wurde hauptsächlich von Offizieren getragen, die durch die revolutionäre Bewegung und den Unabhängigkeitskrieg radikalisiert worden waren. Sie hatten eine Organisation namens Biplobi Shainik Sangstha (Organisation der revolutionären Soldaten) gegründet. Tahereven erklärte: „Unsere Revolution besteht nicht einfach darin, eine Führung durch eine andere zu ersetzen. Diese Revolution dient einem einzigen Zweck – dem Interesse der unterdrückten Klassen.“
Die Organisierung eines Aufstandes war völlig richtig. Die Spaltungen an der Spitze der Gesellschaft hatten ein enormes Machtvakuum hinterlassen, das gefüllt werden musste. Wäre dies nicht geschehen, so wäre der Bürgerkrieg oder eine Militärdiktatur unvermeidlich gewesen. Die Macht lag für die JSD, die an der Spitze der Massen stand, auf dem Präsentierteller. Leider hatte die JSD, die sich selbst als marxistisch bezeichnete, ein widersprüchliches Programm: Statt eines unabhängigen Klassenprogramms mit Enteignungen und Arbeiterdemokratie forderten sie eine Regierung der so genannten „fortschrittlichen Kräfte“, die mit der nationalen Unabhängigkeit sympathisierten. Sie zogen daraus den Schluss, dass die Arbeiterklasse noch nicht das Bewusstsein besaß, das erforderlich war, um die Gesellschaft selbst zu kontrollieren, und die Macht daher einem „neutralen Akteur“ übergeben werden sollte. Die Macht wurde an Zia übergeben. Innerhalb einer Woche verhaftete er alle Führer der JSD, einschließlich Taher, der einige Monate später, am 21. Juli 1976, hingerichtet wurde.
Die JSD-Führung war der Meinung, dass Zia „für die Sache der Politik der Werktätigen genutzt werden könnte“. (Politischer und organisatorischer Bericht: 7. November und nachfolgende Ereignisse, 4. Ausgabe, 23. Februar 1976, S. 14)
Dies war eindeutig nicht der Fall. In Wirklichkeit hatte Zia hinter den Kulissen abgewartet, um zu sehen, aus welcher Richtung der Wind wehen würde, um einen günstigen Moment zum Zuschlagen zu finden. Klassenkollaboration endet immer im Ruin. Die Arbeiterklasse kann immer nur auf ihre eigene Stärke vertrauen. Da keine Klasse in der Gesellschaft in der Lage war, ihre Vorherrschaft zu behaupten, gab es nur ein mögliches Ergebnis: eine rücksichtslose bonapartistische Diktatur, die die revolutionären Arbeiter, Jugendlichen und Bauern niederschlug.
Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Dies war der letzte Nagel im Sarg, der die Sturm-und-Drang-Zeit der Revolution beendete. Die JSD war nicht in der Lage, sich richtig zu orientieren und aus ihren fatalen Fehlern zu lernen. Dies war der Beginn ihrer Degeneration. Heute ist die JSD nur noch ein Schatten ihres Selbst. Sie haben jeglichen Anschein einer revolutionären Klassenpolitik aufgegeben und haben sich dem despotischen Awami-Liga-Regime von Sheikh Hasina untergeordnet, um das „größere Übel“ der BNP zu verhindern. Zia und die von ihm gegründete Partei, die BNP, regierten das Land mit eiserner Faust, privatisierten das Staatsvermögen, verbündeten sich mit dem US-Imperialismus und ermutigten rechtsgerichtete islamische Fundamentalisten. Die Konterrevolution hatte das Ruder wieder fest in der Hand.
Die historische Aufgabe stellt sich aufs Neue
Die nationale Frage wurde für die Bengalen im ehemaligen Ostpakistan formell gelöst. Heute jedoch ist Bangladesch eines der ärmsten Länder der Welt. Es wird vollständig von ausländischen multinationalen Konzernen beherrscht, die in Zusammenarbeit mit dem korrupten Staat katastrophale Arbeitsbedingungen erzwingen. In den letzten 53 Jahren hatte das bangladeschische Volk die Wahl zwischen zwei korrupten Gangsterbanden, die es regieren sollten: der BNP oder der Awami-Liga. Wie James Connolly einmal bemerkte:
„Wenn ihr morgen die englische Armee vertreibt und die grüne Flagge über dem Dubliner Schloss hisst, werden eure Bemühungen vergeblich sein, wenn ihr nicht die Organisation der sozialistischen Republik in Angriff nehmt. England wird euch immer noch beherrschen. Es würde das Land durch ihre Kapitalisten, durch ihre Grundbesitzer, durch ihre Finanziers, durch eine ganze Reihe Institutionen regieren, die sie in diesem Land aufgebaut und mit den Tränen unserer Mütter und dem Blut unserer Märtyrer getränkt hat.“
Ersetzt man die Namen der Länder und die Farben der jeweiligen Flaggen, erhält man eine prophetische Beschreibung des Ablaufs der Ereignisse in Bangladesch.
Heute ist die Revolution in Bangladesch noch immer nicht vollendet. Während diese Zeilen geschrieben werden, beginnt jedoch ein neues Kapitel unter weitaus günstigeren Bedingungen: Die Industrialisierung nach der Unabhängigkeit Bangladeschs hat eine extrem starke Arbeiterklasse, die inzwischen 73,69 Millionen zählt, hervorgebracht. Das ist mehr als die gesamte Bevölkerung Ostpakistans im Jahr 1970! Das Gleichgewicht der Kräfte hat sich drastisch zu Gunsten der Arbeiterklasse verschoben.
Am 8. August dieses Jahres haben die heldenhafte Studentenbewegung und die schweren Bataillone der Arbeiterklasse das mörderische Regime von Hasina gestürzt. Hasinas sechzehnjährige Schreckensherrschaft hat das gleiche Schicksal erlitten wie die von Ayub Khan – sie wurde durch eine Volksrevolution von Studenten und Arbeitern beendet. Die Studenten gingen tapfer voran. Aber erst als die Masse der Arbeiter, insbesondere die mächtigen Textilarbeiter, sich zu bewegen begannen, brach das Regime wie ein Kartenhaus zusammen. Die Arbeiterklasse in Bangladesch, die Diaspora in aller Welt und insbesondere die Studenten entdecken ihr reiches revolutionäres Erbe wieder.
Die historische Aufgabe stellt sich aufs Neue, um aber den Sieg zu erringen, müssen die Massen in Bangladesch aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und dort ansetzen, wo die letzte Revolution aufgehört hat. Die Geschichte der Revolution in Bangladesch zeigt, dass eine echte Demokratie und nationale Befreiung nur durch das Brechen der Macht des Kapitals erreicht werden kann – ansonsten bleiben diese Hoffnungen utopisch.
Jetzt ist die Diktatur Hasinas weggefegt, doch die Situation birgt große Gefahren. Die Revolution ist unvollendet. Während dieser Artikel geschrieben wird, bildet sich eine neue Regierung. Die Liberalen werden versuchen, den kapitalistischen Staat mit neuer Legitimität auszustatten. Hinter ihnen lauern die Generäle, Offiziere, Polizeichefs, Richter usw. und warten nur auf die nächste Gelegenheit, um zum reaktionären Gegenschlag auszuholen.
Als Kommunisten warnen wir also: Die Revolution wird unvollendet bleiben, wenn der alte kapitalistische Staat nicht komplett zerschlagen wird! Die Arbeiter, Studenten und unterdrückten Massen müssen die Macht in ihre eigenen Hände nehmen. Die Komitees der Arbeiter und Studenten müssen sich ausweiten und zusammenschließen, um die Macht zu übernehmen!
In den 1970er Jahren führte die Unterordnung der Führung der Bewegung unter die Bürgerlichen die Revolution in eine Sackgasse. Die Generäle konnten abwarten und der Bewegung dann einen tödlichen Schlag versetzen. Damit sich dieser fatale Ausgang nicht wiederholen kann, müssen die revolutionärsten Teile der Studenten damit beginnen, eine kommunistische Massenpartei auf Basis eines klaren marxistischen Programms aufzubauen.
Eine solche Partei muss danach streben, sich mit der Avantgarde der Arbeiterklasse zu verbinden und die Machtübernahme der Arbeiter und die Zerschlagung der kapitalistischen Herrschaft auf die Tagesordnung setzen. Wir rufen alle Revolutionäre Bangladeschs, die dies lesen und mit unserer Analyse übereinstimmen, dazu auf uns – der Revolutionären Kommunistischen Internationale – beizutreten, um diese historische Aufgabe in Angriff zu nehmen.