Vom Nahen Osten bis nach Irland haben die historischen Verbrechen des britischen Imperialismus tiefe Narben hinterlassen. Ravi Mistry beschäftigt sich im folgenden Artikel mit einer der schrecklichsten dieser Gräueltaten: Der Teilung des indischen Subkontinents, die sich am 14. bzw. 15. August dieses Jahr zum 77. Mal jährt.
„Wenn die Uhren Mitternacht schlagen und die Welt schläft, wird Indien zu Leben und Freiheit erwachen.“ – Jawaharlal Nehru in seiner Rede Tryst with Destiny (Rendezvous mit dem Schicksal) am 14. August, 1947
Diese berühmten Worte von Jawaharlal Nehru hätten nicht weiter von der düsteren Realität entfernt sein können. Die Unabhängigkeit Indiens erfolgte durch die Abtrennung vom späteren Pakistan — ein Ereignis, welches bis zu 2 Millionen Menschen das Leben kostete und die Verschleppung von 80.000 Frauen, von denen viele vergewaltigt wurden, nach sich zog.
14,5 Millionen Menschen überquerten die neue Grenze, die größte Migrationswelle zu Friedenszeiten. Familien wurden auseinandergerissen. Menschen, die schon seit Jahrhunderten auf dem Land ihrer Vorfahren gelebt haben, wurden alleine aufgrund ihrer Religion vertrieben.
Die Teilung Indiens wurde nicht im Voraus geplant, sondern war das Produkt vieler Faktoren: Einerseits war da die britische Politik des Teilens und Herrschens. Hinzu kam aber auch die Unfähigkeit nationalistisch-bürgerlicher Parteien, einen revolutionären Kampf gegen den Kolonialismus zu führen; genauso wie das Versagen der Kommunistischen Partei Indiens, eine vorwärtstreibende Rolle im Verlauf der Ereignisse zu spielen.
Teile und herrsche
Auf der Suche nach Handelsmöglichkeiten und dem hoch profitablen Gewürzmarkt kamen die Briten nach Indien. 1600 wurde die sogenannte British East India Company (auch bekannt als die Britische Ostindien-Kompanie) gegründet. Sie wuchs zu einer unglaublich mächtigen und einflussreichen Handelsgesellschaft heran und begann bald, sich in die politischen Angelegenheiten Indiens einzumischen, um die britischen Handelsinteressen zu wahren. Dies führte zu militärischen und territorialen Ansprüchen Großbritanniens, die unter anderem mit dem Sieg von Baron Robert Clive in der bekannten Schlacht bei Plassey von 1757 durchgesetzt wurden.
Indiens heimische Industrie, ihre Exporte und Unabhängigkeit wurden im Namen der britischen Wirtschaftsinteressen vollkommen zerstört. Wie Karl Marx 1853 anmerkte:
„Es war der britische Eindringling, der den indischen Handwebstuhl zerstörte und das Spinnrad zerbrach. England begann damit, daß es den indischen Kattun [arab. Baumwolle] vom europäischen Markt verdrängte; dann führte es Maschinengarn nach Hindustan ein und überschwemmte schließlich das eigentliche Mutterland des Kattuns mit Kattunwaren. Von 1818 bis 1836 stieg die Garnausfuhr aus Großbritannien nach Indien im Verhältnis von 1 zu 5200.“ [Karl Marx (1853): Die britische Herrschaft in Indien, in MEW Bd. 9. Dietz Verlag, Berlin, S. 130.]
Doch mit dem Indischen Aufstand von 1857, der später als „Erster Indischer Unabhängigkeitskrieg“ bezeichnet wurde, erreichte die Situation einen Wendepunkt. Ausgelöst wurde der Aufstand durch die Einführung eines neuen Gewehr-Typs, dessen Papierpatronen aufgebissen werden mussten, um das Pulver freizusetzen. Gerüchten zufolge waren diese allerdings mit Rindertalg und Schweineschmalz behandelt, was sowohl für Hindus als auch für Muslime anstößig war.
Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen. Die East India Company wurde daraufhin aufgelöst und Indien wurde offiziell Teil des britischen Empires und damit nun direkt aus London regiert. Doch das Ereignis hatte einen nachhaltigen Effekt auf die Kolonialherrscher Indiens. Infolgedessen waren sie stets bedacht darauf, keine religiösen Gepflogenheiten mehr zu verletzen , und ihnen wurde vor allem bewusst, dass die Einheit der Hindus und Muslime das Ende ihrer Herrschaft bedeuten könnte.
Selbst 1940 argumentierte Winston Churchill noch folgendermaßen (Kriegskabinett-Protokoll, 2.2.1940):
“Er teilte nicht die Angst um eine mögliche Einheit zwischen den Hindus und den Moslems. Solch eine Einheit war de facto nämlich außerhalb des politisch Möglichen; doch wenn sie zustande käme, wäre das unmittelbare Ergebnis, dass diese vereinigten Gemeinschaften uns die Tür weisen würden. Er betrachtete die Zwietracht zwischen Hindus und Moslems als ein Bollwerk der britischen Herrschaft in Indien.”
Die Briten haben bei jeder Gelegenheit versucht, die Spaltung zwischen den beiden Gruppen zu fördern. Bei Volkszählungen teilten sie die Bevölkerung nach monolithischen Identitäten von Religion, Kaste und Stammeszugehörigkeit ein, wodurch Gemeinschaften einen Status und eine Hierarchie erhielten, die zuvor nicht existierten. Der Criminal Tribes Act von 1871 erklärte beispielsweise die meisten nomadisch lebenden Stämme von Geburt an zu Kriminellen.
Wo es zu Gewaltausbrüchen zwischen Volksgruppen kam, verschloss die Polizei ihre Augen davor; und wenn sie eingriff, dann nur sehr langsam. Wenn Inder sich allerdings zusammenschlossen, um gemeinsam gegen die Briten zu demonstrieren, dann wurde gnadenlos Gewalt angewandt, um die Proteste niederzuschlagen. Das berüchtigtste Beispiel dafür ist das Massaker von Amritsar, in dem 1919 bis zu 1.500 unschuldige Menschen ermordet wurden.
Angst vor einer Revolution
1909 wurden durch die sogenannten Morley-Minto-Reformen eine Reihe neuer Wahlkreise und reservierte Mandate für indische Muslime eingeführt. Dies geschah auf Wunsch einer kleinen muslimischen Elite, die sich dadurch erhoffte, ihre Privilegien und ihren Status zu sichern.
Der Government of India Act von 1935 entwickelte diese Formalisierung konfessioneller Spaltung noch weiter, indem er das Land nach religiösen Unterschieden in separate Wahlkreise aufteilte. Dadurch entstand die Illusion einer lokalen Demokratie, während die gesamte Macht hinsichtlich der Verteidigungs- und Außenpolitik in Wirklichkeit in britischer Hand blieb.
1937 fanden Wahlen statt. Sie repräsentierten jedoch nur zwischen 11 und 14 Prozent der Bevölkerung, da das Stimmrecht an den Nachweis von Grundeigentum gebunden war, was bedeutete, dass ländliche Gutsbesitzer ein proportional übergroßes Mitspracherecht hatten.
Die Partei des Indischen Nationalkongress gewann so fast die Hälfte der Mandate. Die Kongresspartei war die größte nationalistisch-bürgerliche Partei in Indien, deren Führer Mahatma Gandhi, Jawharalal Nehru, Maulanan Azad und Vallabhbhai Patel waren. Sie gab vor, für alle Inder zu sprechen. Doch während sie Zuspruch in den Massen fand, bestanden ihre wichtigsten Unterstützer aus wohlhabenden Hindu-Grundbesitzern und Geschäftsleute.
Die Muslimliga (Muslim League) war die andere große bürgerliche Partei. Sie wurde bei den Wahlen haushoch geschlagen und erhielt nur fünf Prozent der muslimischen Stimmen. Der Großteil ihrer Unterstützung kam aus Gebieten, die später nicht Teil des heutigen Pakistan werden sollten. Angeführt wurde sie von Muhammed Ali Jinnah und Liaquat Ali Khan.
Die bürgerlichen Führer Indiens waren aufgrund ihrer Angst vor der Arbeiterklasse und den armen Bauernschichten nicht in der Lage, eine erfolgreiche Revolution gegen den britischen Kolonialismus anzuführen. Tatsächlich waren die einheimischen Kapitalisten und Großgrundbesitzer vom britischen Kapital und der City of London abhängig.
Der Industrielle J. P. Srivastava berichtete Vizekönig Wavell, dass er und andere führende Industrielle (vor allem Hindus) 1937 damit begannen, die Muslimliga und die Hindu Mahasabha (eine rechte hinduistische Organisation der Erweckungsbewegung) zu finanzieren. Sie taten dies aus Angst, dass die Kongresspartei ihre Profite angreifen könnte, sollte sie durch die Massen unter Druck gesetzt werden.
Eine Revolution, die die Arbeiter und Bauern (der Großteil der Bevölkerung) gegen die britische Herrschaft mobilisieren könnte, würde natürlich das Privateigentum der indischen Kapitalisten und Grundbesitzer bedrohen. Und genau darin besteht auch die grundlegende Schwäche der indischen Nationalbewegung.
Die bürgerlichen indischen Führer haben sich stets der britischen Teile-und-Herrsche-Taktik angepasst. Sie nahmen Angebote zu Gesprächen am runden Tisch, Einladungen in das Haus des Vizekönigs in Delhi oder Shimla an und akzeptierten die sanftesten Reformen.
Die bürgerlichen Führer in Indien kämpften nicht für die Unabhängigkeit. Sie kämpften in den Hinterzimmern von Delhi, Shimla und London für eine Verhandlungslösung.
Die “Pakistan”-Forderung
Indien war ein Flickenteppich aus vielen unterschiedlichen religiösen Bewegungen, Ethnien und Kasten. Es gab keine klar definierten monolithischen religiösen und kulturellen Identitäten, obwohl die Briten alles daran setzten, das Volk zu spalten und so zu beherrschen.
Die Idee eines unabhängigen Staates Pakistans fand ihren Zuspruch zunächst bei elitären und wohlhabenden Muslimen, insbesondere nach den katastrophalen Wahlergebnissen der Muslimliga 1937.
Jinnahs reagierte darauf, indem er die Muslimliga reorganisierte, Lokalpatriotismus schürte und indische Muslime davor zu warnte, dass der Kongress eine totalitäre Hindu-Partei sei. Seine Verwandlung in einen Mullah war jedoch eine höchst ironische. Jinnah war nämlich der perfekte englische Gentleman, der Schweinefleisch aß, Whisky trank, zwar das Englisch eines Aristokraten sprach, dafür aber kaum ein Wort Urdu beherrschte.
Der wahre Grund, warum Jinnah nationale Gefühle derart schürte, bestand darin, die Interessen der Elitenschicht an indischen Muslimen zu wahren, welche so ihren Anspruch auf Land, Macht und Privilegien schützen konnten.
Im März 1940 verabschiedete die All-Indische Muslimliga die Lahore-Resolution, welche weithin als die “Pakistan-Forderung” bekannt ist.
1942: Der Anfang vom Ende
Was in den letzten Jahren Britisch-Indiens immer klarer wurde, war, dass Großbritannien nur dann Zugeständnisse Richtung Unabhängigkeit machte, wenn ihre unmittelbare Herrschaft vom Umsturz bedroht war.
1942 beispielsweise mussten die britischen Kolonien in ganz Südostasien aufgegeben werden. Hongkong, Singapur, Britisch-Malaya und Burma fielen allesamt in die Hände der Japaner. Die Kaiserlich Japanische Armee klopfte praktisch schon an die Tore Indiens.
Nach einigem Zögern sandte das Kriegskabinett in London letztlich Sir Stafford Cripps nach Indien, um dort das Angebot einer möglichen Unabhängigkeit in den Raum zu stellen, sollte der Krieg gegen die Japaner erfolgreich für das britische Reich ausgefochten werden.
Wichtig ist, dass eine Bestimmung gefällt wurde, die besagte, dass jede Provinz, die sich abspalten wollte, dies auch offiziell tun konnte. Es lässt sich daher sagen, dass die Briten schon 1942 über eine Teilung und Balkanisierung Indiens mehr als nur nachdachten.
Die Gespräche scheiterten jedoch, da das Kriegskabinett und Cripps widersprüchliche Stellungnahmen übermittelten.
Die zynische Cripps-Mission verschärfte die schwelenden Unruhen in Indien nur. Es gab große Preiserhöhungen, die Japaner standen an der Grenze und Flüchtlinge aus den gefallenen britischen Kolonien erzählten Geschichten von Gräuel und Zerstörung.
Die indischen Kapitalisten gerieten ins Schwanken, da sie spürten, dass die britische Vorherrschaft kollabieren könnte. Dies war der Moment, als Gandhi zum ersten Mal in seiner politischen Laufbahn zu einem landesweiten Aufstand (unter dem Motto “Do or Die” – “Jetzt oder Nie”) aufrief, dessen Ziel es war, dass die Briten “Indien verlassen” (Quit-India-Bewegung).
Der Aufstand, der im August 1942 begann, war die schwerste Bedrohung für das Empire seit 1857. Bis zu 100 Armee-Bataillone waren nötig, um den Aufstand mit roher Gewalt niederzuschlagen. Folter, Vergewaltigung und Massenstrafen standen allesamt auf der Tagesordnung. Offizielle Statistiken verzeichneten 91.836 Verhaftungen und 1.060 Tote. 208 Polizeistationen, 332 Bahnhöfe und 945 Postämter (allesamt Symbole kolonialer Macht) wurden entweder vollkommen zerstört oder schwer beschädigt. 216 Polizeibeamte liefen über.
Die Hungersnot in Bengalen 1943 kostete drei Millionen Menschen das Leben, da das Kriegskabinett in London sich geweigert hatte, Nahrungsmittelhilfe zu schicken.
Subash Chundra Bose, der ehemalige Kongresspräsident, gründete aus 60.000 indischen Kriegsgefangenen die I. N. A, (Indische Nationalarmee). Unter dem Motto “Delhi chalo” (“Auf nach Dehli”) kämpften sie an der Seite der Japaner in Burma gegen die Briten.
Britisch-Indien stand unter Belagerung. Es war der Anfang vom Ende.
Hierbei sollte jedoch auch die Kommunistische Partei Indiens Erwähnung finden, die die Briten während dieser turbulenten und historischen Ereignisse bedingungslos unterstützte. Die Partei, die sich ursprünglich gegen den Krieg positionierte, machte nach Hitlers Einmarsch in die Sowjetunion eine Kehrtwende und unterstützte von nun an den Krieg.
Die britischen Herrscher legalisierten die Partei 1942 aufgrund dieser Positionsänderung sogar, jedoch galt sie in der nationalistischen Presse nun als Verräterin. Ihre Kehrtwendungen und Appelle für eine Volksfront mit der Muslimliga und der Kongresspartei verwirrte ihre Basis. Die Partei versagte darin, den indischen Arbeitern eine unabhängige Klassenposition zu bieten.
Teilen und Rückzug
Am Ende des Zweiten Weltkriegs erkannte Großbritannien, dass es unmöglich sein würde, Indien zu halten. Der britische Königreich war bankrott, schuldete Indien Geld, die Soldaten wollten nach Hause zurückkehren, auf die indische Armee und Polizei war kein Verlass mehr, und Unruhen breiteten sich über den gesamten Subkontinent aus. Diese neue Realität musste mit der Verteidigung der kurzfristigen imperialistischen Interessen Großbritanniens in Einklang gebracht werden.
Ein geheimer Bericht über die Nachkriegspläne, der 1945 von Churchills gemeinsamen Generalstabschef für das Kriegskabinett geschrieben wurde, veranschaulicht ihre Überlegungen zu der Zeit. Der Bericht teilt die Befürchtungen vor dem Kalten Krieg, in dem die Sowjetunion möglicherweise Indien besetzen und den kommunistischen Einfluss, insbesondere im Nordwesten, ausweiten könnte. Sie betonen die Notwendigkeit einer „imperialen strategischen Reserve“, d.h. britische Militärbasen und Flugplätze. Die Abspaltung Belutschistans vom Rest Indiens wird im Bericht ernsthaft in Betracht gezogen.
Bezüglich zukünftiger Kriege heißt es: „Es ist von größter Bedeutung, dass Indien nicht aus dem Empire austritt oder im Krieg neutral bleibt.“ (Bericht über die Sicherheit in Indien und dem Indischen Ozean; IOR/L/WS/1/983. Folie 84)
Dies erklärt die Unabhängigkeitsangebote Großbritanniens an die indische Führung.
Im Juli 1946 wurde der „Plan A“ verhandelt, der einen schwachen Zentralstaat vorsah, der sich nur mit Kommunikation, Verteidigung und Außenpolitik befasste (de facto unter britischer Kontrolle). Des Weiteren sollten drei autonome Regionen entstehen, aufgeteilt in zwei kleinere Gebiete mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung und einem größeren Gebiet mit hinduistischer Mehrheitsbevölkerung. Zudem sollten gewissen Provinzen ebenfalls Autonomierecht zugesprochen werden.
Der Zweck des Angebots war klar: Indien durch Religion zu teilen und Großbritannien würde weiterhin durch seine überlegene Industrie, seine Banken und sein Militär regieren.
Aber die Teile-und-Herrsche-Taktik, die Großbritannien über ein Jahrhundert betrieben hatte, fiel ihnen nun auf die Füße. Es kam zu keiner Einigung. Es waren die Ereignisse vor Ort, die den Verlauf der Ereignisse änderten und die Briten dazu brachten, „Plan B“ durchzusetzen: die Teilung.
Unruhe
Die britischen Machthaber und die bürgerlichen Führer in Indien mussten eine Einigung aushandeln, sonst drohte der Bürgerkrieg.
Am 18. Februar 1946 breitete sich eine Meuterei indischer Soldaten ausgehend von der Marinebasis HMIS Talwar im ganzen Land aus. Auf ihrem Höhepunkt meuterten 78 Schiffe, 20 Landstationen und 20.000 Matrosen und überwanden die religiösen Spaltungen.
Das Seestreikkomitee wählte bewusst sowohl einen muslimischen als auch einen sikhischen Führer. In Karatschi unterstützten hinduistische und muslimische Studenten und Arbeiter die Meuterei und kämpften gemeinsam gegen Polizei und Armee.
In Bombay führte die Kommunistische Partei einen Generalstreik von 300.000 Arbeitern zur Unterstützung der Meuterei an. Die britischen Machthaber, die Kongresspartei und die Muslimliga schlossen sich zusammen, um den Aufstand zu unterdrücken. Vallabhbhai Patel, der den rechten Flügel des hinduistischen Kongresses vertrat, und Jinnah plädierten für ein Ende des Streiks.
Gandhi verurteilte die Streikaktion ebenso und erklärte: „Ein Zusammenschluss von Hindus, Muslimen und anderen zum Zweck gewaltsamer Aktionen ist unheilig.“ (Sumit Sarkar, Modern India (1989) S. 425)
Diese Meuterei veranlasste die Labour-Regierung von Attlee direkt, eine Kabinettsdelegation nach Indien zu schicken, um die Unabhängigkeit in Form ihres Plans A anzubieten.
Noch während den Verhandlungen in den Hinterzimmern kam es zu massiven Unruhen. Im April kam es in Delhi, Bihar, Malabar, Dakha und den Andamanen zu Polizeistreiks. Der Sommer brachte landesweite Bahnstreiks und Poststreiks. Insgesamt traten 1946 zwei Millionen Arbeiter in den Streik und 12.717.762 Arbeitstage gingen verloren.
Die Ereignisse zeigten deutlich, dass die religiösen Spaltungen in einer revolutionären Bewegung auf den Barrikaden überwunden werden konnten, um die britischen Machthaber endgültig zu stürzen. Doch die bürgerlichen Führer Indiens lehnten dies ab.
Sackgasse
Die Marionetten der britischen Machthaber, Nehru und Jinnah, förderten stattdessen ethnische Gewalt, als die Frustration am Verhandlungstisch wuchs.
Nehru wurde Kongresspräsident und verwarf den britischen Plan A für einen schwachen Zentralstaat. Jinnah, der im Großen und Ganzen mit Großbritanniens Teilungsplan zufrieden gewesen war, reagierte wütend und rief am 16. August 1946 zum “Direkten Aktionstag” für indische Muslime auf.
Dieser Aufruf zu den Waffen löste massenhafte ethnische Gewalt in Kalkutta aus, die sich dann im ganzen Land ausbreitete. Mindestens 10.000 Menschen wurden in den Ereignissen getötet, die sich als Vorspiel für die Teilung erweisen sollten. Was als die ‚Kalkutta-Morde‘ von 1946 bekannt wurde, zementierte den Hass zwischen der Muslimliga und dem Kongress ein. Sie hassten einander mehr als ihre britischen Machthaber. Doch gemeinsam fürchteten sie die Massen und einen revolutionären Aufstand noch mehr. Dies bedeutete eine politische Sackgasse.
1947 hatten die britischen Herrscher genug von den indischen Führern und verstanden, dass sie die Kontrolle über die Situation verloren, da sich sowohl Arbeiterunruhen als auch ethnische Gewalt ausbreiteten. Um die revolutionäre Stimmung zu brechen und die britischen Interessen zu schützen, wurden drastische Maßnahmen ergriffen.
Teilung
Im Februar 1947 kündigte Clement Attlee an, dass Großbritannien spätestens im Juni 1948 Indien verlassen würde, und Vizekönig Wavell wurde entlasse und durch Lord Louis Mountbatten, den Cousin des Königs, ersetzt, der freie Hand erhielt, diese Aufgabe zu erledigen.
Nachdem Plan A gescheitert war, griffen die Briten auf die Umsetzung von Plan B zurück. Zunächst bot Mountbatten die vollständige Balkanisierung Indiens an, wobei jede Provinz und jedes Fürstentum austreten und unabhängig werden konnte. Dies wurde sowohl von Jinnah als auch von Nehru heftig abgelehnt.
Die zweite Option, die angeboten wurde, war die einzige verbleibende: die Teilung. Am 3. Juni 1947 besiegelten Nehru und Jinnah den Deal.
Die Briten wollten für das, was kommen sollte, nicht verantwortlich gemacht werden; daher wurde im Juni 1947 die Machtübergabe um ein Jahr auf den 15. August vorverlegt, also nur wenige Wochen später. Sir Cyril Radcliffe, ein Mann, der noch nie in Indien gewesen war, wurde eingeflogen, um die Teilungslinie zu ziehen. Ihm wurden nur fünf Wochen Zeit dafür gegeben.
Pakistan wurde am 14. August unabhängig, Indien am 15. August. Doch die Grenze wurde erst zwei Tage später bekannt gegeben!
Das Ergebnis war ein regelrechtes Blutbad. Die Ungewissheit, wo die neue Grenze verlaufen würde, führte zu extremer religiöser Gewalt und ethnischen Säuberungen durch bewaffnete kommunale Banden, um die Grenzziehung zum Vorteil der jeweils eigenen Nation ausschließlich auf der Grundlage der Religion zu sichern. Diese Ungewissheit, die sich aus dem verpfuschten Rückzug Großbritanniens ergab, verschärfte alle religiösen Spannungen bis zum Äußersten.
Großbritannien trägt die Schuld
Indien, wie die ehemalige britische Kolonie Irland, wurde entlang ethnischer Linien geteilt, die durch den britischen Kolonialismus geschaffen und befeuert wurden. Wie in Irland entfesselte Großbritannien ein Frankenstein’sches Monster des religiösen Hasses unter Menschen, die zuvor relativ harmonisch zusammengelebt hatten.
Seit der Teilung haben die beiden atomar bewaffneten Nationen drei Kriege geführt, mit mehreren militärischen Gefechten und Terroranschlägen. In beiden Ländern wurden religiöse Minderheiten verfolgt und als Bürger zweiter Klasse behandelt.
Der britische Imperialismus trägt letztendlich die Schuld für diese Katastrophe. Überall förderte Großbritannien religiöse Spaltungen, die, einmal entfesselt, eine eigene Logik entwickelten.
Die heuchlerischen Aussagen der Imperialisten über Minderheitenrechte waren im Wesentlichen ein Feigenblatt, um ihre wahren Absichten zu verbergen: die Aufrechterhaltung der kolonialen Herrschaft. Jede noch so kleine Autorität, die den Indern übertragen wurde, war im Grunde auf religiöse Spaltung ausgerichtet.
Die Geschichte der Teilung veranschaulicht anschaulich, wie diese Spaltungen an den Barrikaden durch militante Klassenkämpfe, Meutereien und Massenaufstände des Volkes gegen ihre gemeinsamen Unterdrücker überwunden werden können.
Revolutionärer Klassenkampf respektiert keine Grenzen; er durchbricht alle religiösen und konfessionellen Schranken. Deshalb müssen wir für die Revolution und für eine sozialistische Föderation Südasiens kämpfen – als einzigen Weg, das Verbrechen der Teilung rückgängig zu machen.
Zeitachse
1600 – Gründung der Britischen Ostindien-Kompanie
1757 – Schlacht von Plassey, bei der Robert Clive die Truppen der Ostindien-Kompanie zu einem entscheidenden Sieg führte und die Kontrolle über Bengalen erlangte.
1857 – Erster Unabhängigkeitskrieg Indiens. Dies führt zum Ende der Herrschaft der Ostindien-Kompanie und zur formellen Eingliederung Indiens in das Britische Empire.
1909 – Separate muslimische Wahlkreise werden im Rahmen der Minto-Moreley-Reformen geschaffen.
1919 – Massaker von Jallianwala Bagh
1920 – Kampagne der Nichtkooperation
1925 – Gründung der Kommunistischen Partei Indiens
1928 – Proteste gegen die Simon-Kommission
1935 – Government of India Act führt die Übertragung lokaler Angelegenheiten an Inder ein.
1937 – Provinzwahlen. Der Kongress gewinnt eine Mehrheit, während die Muslimliga und Jinnah nur 5% der muslimischen Stimmen gewinnen.
1939 – Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die absolute britische Herrschaft wird ein letztes Mal wiederhergestellt.
1940 – Jinnahs Lahore-Resolution
1941 – Die Kommunistische Partei Indiens ändert ihre Politik von der Ablehnung des Kriegs zur Unterstützung der britischen Kriegsanstrengungen.
1942 – Cripps-Mission, Quit-India-Bewegung, Gründung der Indischen Nationalarmee
1943 – Bengalische Hungersnot, die schätzungsweise drei Millionen Menschen das Leben kostete
1945 – Die Labour-Regierung kommt an die Macht. Kongressführer werden aus dem Gefängnis entlassen. Prozesse gegen die Indian National Army wegen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg.
1945/6 – Provinzwahlen, bei denen die Muslimliga große Teile der muslimischen Stimmen gewinnt
Feb-März 1946 – Indische Matrosen meutern, Massenstreiks in Bombay
1946 – Plan A-Vereinbarung zwischen Kongress und Muslimliga für eine lose vereinigte Föderation Indiens mit schwachem Zentrum
August 1946 – Muslimliga “Direkter Aktionstag” (Kalkutta-Morde)
Februar 1947 – Clement Attlee kündigt an, dass Großbritannien spätestens bis Juni 1948 Indien verlassen wird, und Louis Mountbatten wird zum Vizekönig von Indien ernannt.
Juni 1947 – Kongress- und Muslimliga-Führer einigen sich auf den endgültigen Plan zur Teilung, und Mountbatten zieht das Datum der Teilung von Juni 1948 auf den 15. August 1947 vor.
8. Juli 1947 – Sir Cyril Radcliffe kommt in Indien an, um die Teilungslinie zu ziehen
9. August 1947 – Pakistan wird unabhängig
8. August 1947 – Indien wird unabhängig
8. August 1947 – Die Teilungsgrenze wird öffentlich bekannt gegeben