Anlässlich von Quentin Tarantions Film „Django unchained“ wirft Bruno Pegrowitsch einen Blick auf das Genre des Italo- oder Spaghettiwesterns.
Wer kennt sie nicht, die Spaghettiwestern? Zumindest meine Generation wuchs quasi mit den Abenteuern von Bud Spencer und Terence Hill im Wilden Westen auf. Meistens Sonntags klebten wir vor den (damals noch rein öffentlich-rechtlichen) Fernsehern, um uns coole Sprüche und das Watschenkino anzuschauen und dann im Hinterhof lautstark nachzuspielen. Wir konnten ja damals nicht ahnen, dass wir quasi unbewusst den letzten Ausläufern eines im sterben liegenden Genres, dem Italo- oder Spaghettiwestern huldigten.
Jedoch so ganz tot war diese Filmsparte eigentlich nie. Zu ihrer Zeit waren diese Filme sehr erfolgreich und erreichten hunderttausende von Kinobesuchern. Sie beeinflussten die weitere Geschichte des Films wie auch die Alltagskultur, obwohl oder gerade weil sie allgemein von der Kritik lange Zeit ignoriert und als Trivialkino abqualifiziert wurden. Doch wie so oft lebt das Triviale oft länger als dem Kritiker lieb ist. Einzelne Aspekte dieses Genres finden sich in Filmen, teilweise hielten sie sogar Einzug in Computerspielen. Auch Quentin Tarantinos Filme sind maßgeblich von ihnen beeinflusst. Besonders in Filmen wie „Kill Bill“ wie „Inglorious Basterds“ finden sich Elemente, die typisch für diese Art von Western sind. Nun erschien vor ein paar Monaten ein neuer Tarantino-Film, der eine Hommage an diesen Auswuchs des italienischen Genrekinos darstellt. Es wäre nicht ein Film von Tarantino, wenn es nur ein reines Wiederaufgreifen wäre. Vielmehr vermischt er verschiedene Genres, und geht damit weit über die doch engen Grenzen des Italowesterns hinaus. Um diese jedoch zu verstehen, muss man die Entstehungsbedingungen für diese Filme vor knapp 50 Jahren genauer unter die Lupe nehmen.
Once upon a time in Italy
Die Verbindung der ItalienerInnen mit dem Kino war schon immer sehr eng. Jedoch nach einem ersten Höhepunkt in der Stummfilmzeit spielte die italienische Filmindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr eine eigenständige Rolle. Ihr blieben nur die Nischen des Kunstfilms und der billigen Produktionen für den einheimischen Markt (vor allem Komödien). Auch war der Einfluss der USA auf den italienischen Filmmarkt nach dem 2. Weltkrieg schon sehr stark: Alleine 1976 wurden beispielsweise 600 Filme aus den Vereinigten Staaten nach Italien weiterverkauft.
Doch zurück zur eigentlichen Geschichte: Ab Mitte der 1950er Jahre änderte sich die Situation. In enger Kooperation mit der amerikanischen brummte die einheimische Filmindustrie wie noch nie. Der Grund war das damals populäre Genre der Sandalenfilme, wo gut geölte griechische oder römische Recken sich mit antiken Bösewichten prügelten und damit erstmals wieder für Arbeit, aber auch für die nötige Infrastruktur (Regisseure, Stuntmen wie Statisten, Ausstattung der Filmstudios etc.) sorgten, um eine weitere Entwicklung der einheimischen Filmindustrie zu ermöglichen.
Anfang der 1960er Jahre zeichnete sich aber auch schon wieder das Ende des Booms ab. Der Sandalenfilm war ausgelatscht und als Kassenmagnet Geschichte, einheimische Regisseure mussten sich nach einem neuen, vielversprechenden Genre umsehen. Dies fanden sie im amerikanischen Western, der in den 1950er Jahren zwar seinen Höhepunkt in den Vereinigten Staaten hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt schon als Ladenhüter galt. In Europa sorgte er aber dank Karl-May-Verfilmungen und auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs mit Westernfilmen, bei dehnen das klassische Gut-Böse-Schema einfach umgedreht wurde, für Furore. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, und folglich wurde das Thema dankbar übernommen. In Europa konnte man noch mit wenig Aufwand Filme drehen und eine Nachfrage bedienen, die von den großen Studios links liegen gelassen wurde. Anfangs noch nach klassischem, amerikanischem Muster gedreht, kam es nach und nach zu einer Umdeutung des Genres sowohl was den Inhalt als auch die Machart betrifft.
Wichtig ist es, diese Veränderungen vor dem Hintergrund des damaligen gesellschaftlichen wie politischen Hintergrundes zu begreifen. Der Nachkriegsboom begann Ende der 1960er Jahre zunehmend ins Wanken zu geraten. Durch Streiks wie auch den sich radikalisierenden, oft provokativ auftretenden Studentenbewegungen wurde er zunehmend in Frage gestellt. Der Vietnamkrieg wie auch die beginnende Aufarbeitung der Zeit des Faschismus trugen ihren Teil dazu bei, dass die schöne Welt von „Freiheit und Demokratie“ zunehmend in Zweifel gezogen wurde. Diese unruhige Zeit voller gesellschaftlicher Erschütterungen spiegelt sich letzten Endes in diesen Filmen wider, und sorgte sicherlich dafür, dass die Helden dieser Filme zu Idolen der rebellischen Jugend und die Filme auch in der Dritten Welt begeistert aufgenommen wurden. Selbst als Linker durfte man es nun wagen Western cool zu finden. Die Blütezeit des Genres überschneidet sich wohl nicht zufällig mit dem Höhepunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Von 1964 bis 1976 wurden rund 600 „Italowestern“ gedreht, das Genre musste aber seine Protagonisten immer übertriebener, schriller gestalten, bis das Ganze in (schon in einigen Filmen in Ansätzen vorhandenen) Klamauk à la Bud Spencer und Terence Hill umschlug.
Zugegeben, viele dieser Filme sind Schund unterster Schublade, in ein paar Tagen abgedreht, um schnell Kohle zu machen, und erregen heutzutage nur noch Amusement angesichts ihres absoluten Trashcharakters. Jedoch sind darunter auch einige Perlen zu finden, die maßgeblich zum Erfolg des Genres beigetragen haben. Den Anfang macht „Für eine Handvoll Dollar“ von Sergio Leone aus dem Jahr 1964. Man kann ihn quasi als Vorbild und Richtschnur für alle folgenden Western bezeichnen und verhalf Leone wie auch Hauptdarsteller Clint Eastwood zu einem rasanten Aufstieg in der Filmbranche. Inspiriert von japanischen Samuraifilmen (was Leone prompt Plagiatsvorwürfe einbrachte), ist hier schon alles vorhanden: ein einsamer Held, der mit List und Tücke zwei seit Ewigkeiten verfeindete Parteien gegeneinander ausspielt, jede Menge Dreck und Blei. In seinen folgenden Western „Für ein paar Dollar mehr“, „Zwei glorreiche Halunken“ sowie „Spiel mir das Lied vom Tod“ werden bildgewaltig vor allem die Mythen Amerikas sowie des goldenen Westens aufs Korn genommen. Ein weiterer wichtiger Regisseur des Genres ist Sergio Sollima. Seine drei Western „Die Gehetzten der Sierra Madre, „Von Angesicht zu Angesicht“ sowie „Lauf um dein Leben“ zeichnen sich vor allem durch die Übernahme sozialistischer und antifaschistischer Motive aus. Zu verstehen ist dies vor allem aus den Erlebnissen des Regisseurs während der Zeit des Faschismus, in der er verhaftet und gefoltert wurde. Sie spielen vor dem Hintergrund revolutionärer Erschütterungen in Mexiko, der Held ist oft Angehöriger einer unterdrückten bzw. ausgestoßenen Gesellschaftsschicht, der sich mit einfachsten Mitteln gegen die ausbeuterischen (amerikanischen) Oberschichten seiner Haut erwehren muss.
Last but not least von den „drei Sergios“ ist Sergio Corbucci zu nennen, der zutiefst ironische und pessimistische Western filmte und mit dem Original-Film „Django“ von 1966 letzten Endes die Vorlage für Tarantinos neuesten Film lieferte. Doch ist Tarantino viel zu sehr Liebhaber des Genrekinos, um sich nur auf eine direkte Vorlage als Quelle der Inspiration zu beschränken. Viel mehr spielt er mit Elementen von allen drei Sergios, um einen neuen Film daraus zu machen, der irgendwo zwischen allen drein zu verorten ist. Doch worin liegen die Unterschiede zum Original? Dazu muss man erstmals das Original und generell die Eigenheiten des Italowesterns unter die Lupe nehmen.
Un uomo, un cavallo, una mitragliatrice
Django ist direkt beeinflusst von Leones „Für eine Handvoll Dollar“, ohne ihn direkt zu plagiieren. 1966 gedreht, spielt darin der erst 23jährige Franco Nero, der für die Rolle extra älter geschminkt werden musste, die Rolle des titelgebenden Protagonisten. Der Film hatte eine wahre „Djangomania“ zur Folge, sodass sehr viele mehr oder weniger gute Plagiate erschienen und Franco Nero, laut Eigenaussage, 10 Jahre in keinem Film mitspielen konnte, ohne dass von den Verleihfirmen der Titel in irgendwas mit Django umbenannt wurde. Wie schon erwähnt, ist Corbuccis Vorlage sehr düster und pessimistisch angelegt. Sie spielt kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, in dem der titelgebende Held auf Seiten der Nordstaatler gekämpft hat. Zur schmissigen Titelmelodie von Luis Bacalov stapft der Held, sofern man bei Italowestern noch davon sprechen kann, einen Sarg ziehend durch die Landschaft, die, wenn sie nicht nur aus Dreck bestehen würde, genauso gut auf dem Mond liegen könnte. Scheinbar mehr zufällig als gewollt stolpert er über eine Gruppe von Mexikanern, die eine Frau namens Maria misshandeln. Diese wird von den kapuzenbewehrten Helfershelfern eines gewissen Major Jackson zwar gerettet, jedoch nur um sie aufgrund ihrer mexikanischen Herkunft ans Kreuz zu nageln.
Ein paar markige Sprüche und 10 Tote später ist die Frau befreit, und Django zieht mit ihr in eine verwahrloste Stadt ein, wo der Saloon der einzige belebte Ort zu sein scheint. Sie werden dabei von einem Priester beobachtet, der nach einer kurzen Auseinandersetzung bei der Erpressung von Schutzgeld mit dem Titelhelden sofort zu Major Jackson (der Mexikaner aufgrund ihrer Minderwertigkeit als Zielscheiben benutzt) rennt, um ihm den unangenehmen Neuankömmling zu melden. Nach einem kurzen bleihaltigen Disput beschließt der Major am nächsten Tag mit all seinen Männern, die mit ihren brennenden Kreuzen und roten Kapuzen sehr an den Ku Klux Klan erinnern, in die Stadt zu reiten. Im ersten Höhepunkt des Films werden diese von Django mit einem im Sarg deponierten Maschinengewehr niedergemäht, der Major entkommt. Bei der anschließenden Beerdigungsszene offenbart der Schütze seine eigentlichen Beweggründe. Seine Frau wurde von Major Jackson umgebracht, er will nun Rache nehmen. Nun kommt die zweite Antagonistengruppe ins Spiel: Die Mexikaner reiten in die Stadt ein, schnappen sich den Priester, foltern und töten ihn. Beim Aufeinandertreffen von Django und den Mexikanern unter einem gewissen General Hugo wird klar, dass Django die Frau anfangs in seinem Auftrag befreit und in die Stadt zurückgebracht hat. Er überredet die Bande zu einem Goldraub in Mexiko, der dank einer List mit seinem Maschinengewehr auch gelingt. Lustigerweise ist Major Jackson im beraubten Fort der mexikanischen Behörden. Anscheinend kann dieser über die Minderwertigkeit der Ponchoträger hinwegsehen, sobald es um Institutionen zwecks des Schutzes von Eigentum und Macht geht. Über die Aufteilung der Beute gerät Django mit den Banditen in Streit. Er versucht mit dem Schatz das Weite zu suchen, verliert diesen jedoch im Treibsand und wird von ihnen gestellt. Aus dem Treibsand wird er von Maria gerettet, die einzige gute Tat im Film, die prompt damit belohnt wird, dass sie angeschossen wird. Dem Revolverhelden werden beide Hände daraufhin grausam zu zwei Klumpen blutigen Fleisches geschlagen, die Mexikaner sterben bei einer Schießerei mit Major Jackson und den Behörden. Beim anschließenden Finale schafft es Django trotz verstümmelter Hände den Major und seine restlichen Handlanger zu erschießen. Der Rache wurde somit genüge getan, der Held zieht von dannen, zurück bleibt ein blutverschmierter Colt an einem Grabkreuz. Anhand dieses fast schon klassischen Plots eines Italowesterns können unterschiedliche Handlungen und Motive ausgemacht werden, die typisch für diese Art des Genres sind.
Zuerst muss erwähnt werden, dass Italowestern eine eigene Filmsprache entwickelten, die sich gewissen Techniken bedient. Die sogenannte „italienische Einstellung“, die den Blick auf verschiedene Teile des Körpers, Gesichter, hier besonders die Augen, richtet, ist zuerst zu nennen. Der klassische Western mit seinen Panoramalandschaften wird hier erweitert um eine eigene Art des Blickes auf ein Geschehen, das sich nicht damit begnügt nur einen bildlichen Übergang in der Erzählstruktur des Filmes zu sein. Zusammen mit anderen Stilmitteln, bspw. dem des hektischen Schnittes, der Kameraführung aus der Sicht eines Protagonisten des Filmes etc., handelt es sich vielmehr um einen eigenständigen Stilgriff, um Spannung zu erzeugen und den Zuseher quasi zu zwingen, sich nicht mit der reinen Beobachtung zufrieden zu geben, sondern sich in das Geschehen hineinzuversetzen bzw. sich mit ihm zu identifizieren. Ein weiteres Charakteristikum ist der Einsatz der Musik als ein identitätsstiftendes Mittel. Oft haben Personen, Gruppen, Orte, ihre eigene musikalische Signatur, die einen gewissen Charakterzug der Gruppe oder der Person aufgreifen bzw. diesen unterstreichen. Zusammen mit dem Bild wird hier eine spannungsgeladene Atmosphäre erzeugt.
Inhaltlich spielen diese Filme oft während oder nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, in revolutionären Unruhen oder quasi bürgerkriegsähnliche Zuständen. Hier gibt es keine heile Welt mehr, der Mythos der etwas rauen, aber doch sympathischen Gemeinschaft der Rancher und Siedler, die sich gegen eine feindliche Umwelt behaupten, ist in sich zusammengebrochen. Die Gesellschaft in diesen Filmen tritt meistens (außer in Italowestern, die offen revolutionäre Themen aufgreifen) in den Hintergrund, ist gescheitert oder spielt, wenn vorhanden, offen den Bösewichten in die Hände. Erwähnenswert ist auch, dass viele dieser Western oft von einer sehr ausgeprägten Feindschaft gegenüber allem Klerikalen geprägt sind, das als korrumpiert und Handlager des Bösen dargestellt wird. Eine Feindschaft, die sich bis in Lokalitäten und Filmtitel („Sein Colt war sein Gebetsbuch“) zieht. Ganz en vogue zu den Befreiungstheorien der 1960er Jahre ist hier die Gesellschaft böse, verdorben, der Held ein drangsalierter Außenseiter, der sich gegen sie behaupten muss.
Diese Feindschaft findet letzten Endes auch ihren Ausdruck in den Örtlichkeiten, in denen diese Filme spielen. Das satte Grün und die lieblich-nostalgischen Farmen sind einer dürren Landschaft gewichen, die oft nur aus Wüste, Dreck oder Schnee besteht, und damit schon alleine eine Herausforderung für die Existenz darstellt. Städte wie Farmen sind hier keine Inseln des Schutzes in der weiten Wildnis. Es gibt kein gutes Inneres und kein wildes Äußeres mehr, vielmehr ist dieses in die Zivilisation quasi eingebrochen. In den Ortschaften findet sich die Lebensfeindlichkeit der Umgebung konzentriert wieder, die sich gegen den Helden und seine meist sehr wenigen Helfer richtet. Diese sind oft überstarke Heroen und vollbringen übermenschliche Leistungen, denen ganze Horden von anonymen Handlangern zum Opfer fallen. Ihre Fertigkeiten verschaffen ihnen den Vorteil, der notwendig ist, um sich in dieser lebensfeindlichen Umwelt zu behaupten. Jedoch hat diese scheinbar übermenschliche Stärke oft einen sehr zerbrechlichen Hintergrund, der die generelle Unsicherheit, die in diesen Filmen vorherrscht, offenbart. Oft stecken hinter den dreckigen Klamotten und den Dreitagebärten gebrochene Menschen, deren Weltbild durch eine traumatische Vergangenheit in Scherben liegt, die den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht mehr kennen: Der klassische gute Held des Westerns wird hier quasi ad absurdum geführt. Hier sind die Helden getrieben von sogenannten niederen Beweggründen, die sie mittels exzessiver Gewalt oder List zu erreichen suchen. Beispielsweise kommt häufig das Motiv der Rache, das der kleine Mann so gut versteht, der Geldgier oder schlicht die Lust am Töten vor.
Zu den niederen Motiven gesellt sich noch eine weitere Vorgehensweise, die sich ein klassischer Westernheld nie erlauben würde. Der Gegensatz zwischen Gut und Böse fällt hier weg, vielmehr spielt die Sympathie für den Titelhelden gegenüber den Bösewichten die ausschlaggebende Rolle. Letztere sind wirklich, wirklich, wirklich böse. Ihre sadistischen Bosheiten werden oft genüsslich auf der Leinwand präsentiert. Ihre Bosheit wird oft nur noch durch ihren gesellschaftlichen Status übertroffen. Hier sind oft Biedermann und Brandstifter die gleiche Person, sind Gutsherren, hohe Militärs, Bankiers etc., die ihre Stellung in der Gesellschaft nutzen, um ihre egoistischen Interessen zu verfolgen und um Menschen zu drangsalieren. Die gesellschaftliche Position ist hier nur Fassade, hinter der sich das Böse in Form eines mächtigen Gegenspielers befindet, es kommt aus der Mitte der Gesellschaft, und sickert nicht wie in Original-Western quasi von außen in die heile Welt des goldenen Westen ein. Ihre Macht jedoch nutzt ihnen am Ende jedoch wenig. Meist gehen sie nach einem finalen Showdown den sehr bleihaltigen Weg alles Irdischen. Jedoch lässt der Held nach dem Ritt in den Sonnenuntergang keine geordnete Welt zurück. Vielmehr bleiben nur Chaos und Unordnung, die keinen Platz für ein Happy End im klassischen Sinne lassen.
Django, Black Power – faccia a faccia
Tarantino – typisch für seine Art der Regie – greift die oben beschriebenen Merkmale auf, verbindet sie jedoch mit eigenen Elementen zu einer Mischform, erweitert sozusagen Corbuccis düstere Version des Rächers. Zwar bleibt er in vielen Aspekten klassisch, doch greift er durch seine Neukomposition weit über die pessimistische Weltsicht des Originals hinaus und schafft etwas, das im positiven Sinne zwischen den Stühlen steht. Ich werde hier nicht die Handlung offenbaren, um keinem die Freude an dem Film zu verderben, sondern nur einige Aspekte aufgreifen, um dies zu verdeutlichen.
Der neue Django spielt vor der Zeit (ca. 2 Jahre) des amerikanischen Bürgerkrieges. Abgesehen von ihrer tiefen Inhumanität, ist diese Welt noch intakt. Der Held stapft hier nicht durch einen Tryptichon des Todes, sondern durch eine Gesellschaft, die durch tiefe Zerwürfnisse gezeichnet ist, die die kommende große Auseinandersetzung des Krieges schon vorwegnimmt. Hier gibt es noch Menschen und Tarantino kann seiner Vorliebe für krude Gespräche frönen. Als Beispiel sei hier nur der Dialog einer Reitergruppe, der Vorgänger des Ku Klux Klans, erwähnt. Im Original höchstens bedrohlich durchs Bild wandelnde Zielscheiben, werden sie hier durch einen langen Disput über den Nutzen ihrer Kapuzen quasi demaskiert und offenbaren sich auf eine sehr amüsante Weise als die Bande engstirniger, kleinlicher Hinterwäldler, die sie eigentlich immer waren, und gibt sie somit der Lächerlichkeit preis. Der Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass der Auftritt der Truppe durch epische Reitszenen, untermalt mit klassischer Musik, erfolgt.
Wie unterschiedlich die beiden Djangos sind, wird auch schon beim Intro deutlich. Schnitt, Musik (jedoch durch Peitschenhiebe „angereichert“), selbst Farbgebung folgt hier dem düsteren Original. Doch während dort der Held alleine, seinen Sarg hinter sich herziehend, durch das Nichts seinem Weg folgt, ist er hier anfangs Teil eines Sklaventransportes. Einer von vielen, nichts Besonderes. Erst durch seinen Companion, einen auf Kopfgeldjäger umgeschulten Zahnarzt, der eigentlich die Hauptrolle im ersten Teil des Films spielt, wird er befreit. Er macht ihn erst zum Helden dieses Filmes. Untypisch für ein Genre, in dem der Held meistens als fertiger, wortkarger Racheengel die Szenerie betritt. Er kommt aus der Gesellschaft, entwächst ihr und stellt sich dieser im Laufe des Filmgeschehens.
Eben diese sehr gewalttätige Auseinandersetzung wird von Kritikern des Films immer wieder als Kritikpunkt angeführt, ebenso wie der latent vorkommende Rassismus. Es stellt sich jedoch die Frage, wie ein Bild der damaligen Gesellschaft im Süden der USA gezeigt werden sollte, ohne die damalige omnipräsente rassistische Gewalt aufzugreifen. Tarantino meinte selbst dazu, dass es „[…]unvorstellbar [sei], sich die Schmerzen und das Leid auszumalen, die in diesem Land durchlebt wurden. Dies in der Interpretation eines Spaghetti-Westerns darzustellen, bot sich regelrecht an.“ Auf gut deutsch: Die Geschichte des Südens ist für die Schwarzen in Amerika nichts Anderes als ein Alptraum, der seiner Ansicht mit einem Genre gezeigt werden musste, der die darin vorkommende Sklaverei und den Rassismus adäquat darstellen könne. Das alleine spricht schon Bände über die Geschichte des Südens der USA. Auch im Film selbst wird schnell klar, dass Tarantino sehr wohl zwischen Gewalt und Gewalt unterscheiden kann. Während bei den Bösewichten die üblichen Blutfontänen spritzen, wird die Gewalt gegenüber den Sklaven zwar brutal und grausam, dennoch mit dem nötigen Respekt dargestellt. Die damalige Realität ist in diesem Falle eben schon bitter genug, und braucht hier keine Übertreibungen.
Letztlich konzentriert sich die bigotte Grausamkeit der Sklaverei in der Figur des Bösewichtes Calvin Candie, einem typischen Plantagenbesitzer des Südens, hinter dessen dandyhafter, europäisierter Fassade nichts als die dümmliche, bittere Barbarei der 300.000 sklavenbesitzenden Hassardeure des südens der USA lauert, die schon Marx und Engels in ihren Schriften zum amerikanischen Bürgerkrieg einer vernichtenden Kritik unterzogen. Was man Tarantino noch zugutehalten muss, ist, dass sein Film nicht (nur) auf eine reine schwarz-weiß, „gute Schwarze“ versus „böse Weiße“-Geschichte hinausläuft. Samuel L. Jackson spielt hier quasi als wahre Antipode zu Django den Haussklaven Stephen, der vordergründig den gütigen Onkel Tom mimt, sich hinterrücks jedoch als gerissene und eiskalte Stütze des unmenschlichen Systems erweist. Wie schon angedeutet, ist der Titelheld selbst schwarz, und weiß, was diese Gesellschaft für seinesgleichen bedeutet. Im Gegensatz zu etlichen Protagonisten des Genres zerbricht er jedoch nicht an den Umständen, sondern geht gestärkt aus ihnen hervor und überwindet sie schließlich mit der Befreiung seiner Frau Broomhilda aus den Fängen der Südstaatenkamarilla. Am Schluss löst sich Tara aka Candyland buchstäblich in Luft auf. Der Held hinterlässt Chaos, aber doch mit einem glücklichen Ende. Der Vorhang fällt, und es stellt sich die Frage, was von diesem Film bleibt. Unterm Strich trotz des Hypes ein sehr guter Italowestern mit gesellschaftskritischem Background, der zwar seine Längen hat, jedoch aufgrund der Machart wie auch der hervorragenden Schauspieler zu überzeugen weiß.