Der Falter vom 20.2. zeigte sich extrem besorgt „dass die österreichische Justiz auf einmal bereit zu sein scheint, die Freiheit der Rede einzuschränken.“ Kolumnist D. Kehlmann ist entrüstet: „Der Stand der Rechtsprechung scheint ja der zu sein, dass das Gericht nun seiner Auslegung den schlimmstmöglichen überhaupt nur denkbaren Bedeutungsinhalt zugrunde legen kann. Darf ich überhaupt aussprechen, dass diese Logik die Türen für jede Art von Justizwillkür öffnet?“ Von Laura Höllhumer.
Werden hier endlich die ungesehenen staatlichen Eingriffe in die demokratischen Rechte im Zuge der Palästina-Bewegung thematisiert? Im Rahmen derer 13 Demonstrationen untersagt, 400 Anzeigen ausgesprochen und 10 Personen festgenommen wurden? (Laut Kanzler Nehammer weil „das Recht auf freie Meinungsäußerung missbraucht“ werden würde.) Wo 50 Strafanzeigen für die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ verhängt wurden und die Justiz jedem, der den Slogan skandiert, unterstellt, damit zu Terrorismus und antisemitischer Gewalt aufzurufen? Im Zuge derer unsere Genossen Sonja und Alex für das Teilen eines pro-palästinensischen Postings gemäß §282 „Aufruf zu terroristischen Straftaten“ mit 2 Jahren Haft bedroht wurden?
Wohl kaum. Der liberale Falter fuhr von Beginn an einen harten pro-Israel Kurs und in mehreren Kolumnen wurde die Polizei aufgefordert, auch ohne rechtliche Grundlage noch stärker in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit einzugreifen. Nein. „Das Gerichtsverfahren gegen den Kabarettisten Florian Scheuba (..) wird tatsächlich darüber entscheiden, wie es um die freie Meinungsäußerung in diesem Land steht.“ Dieser wurde wegen übler Nachrede gegen einen Spitzenpolizist verurteilt. Über die Palästina-Bewegung verlieren diese Demokraten natürlich kein Wort.
Aber das Geheul der Liberalen enthält doch einen Kern der Wahrheit, nämlich dass in den letzten Jahren ein Trend zur Einschränkung demokratischer Rechte erkennbar ist. Die Krise des Kapitalismus erzwingt ein härteres Vorgehen gegen gesellschaftliche Opposition. Die Palästina-Bewegung ist das krasseste, aber nicht das einzige Beispiel.
Die Isolation der Klimakleber wurde genutzt, um gegen sie wegen Bildung einer kriminellen Organisation zu ermitteln. Aber auch die Streikfreiheit wird immer öfter gerichtlich eingeschränkt. Beim Autozulieferer ZKW in Wieselburg organisierte das Management im Herbst eine einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts, um einen Arbeitskampf für illegal zu erklären. Das AUA-Management ging rechtlich mittels Unterlassungsklage gegen eine Betriebsversammlung vor und verweigerte der Gewerkschaft Räumlichkeiten zu deren Abhaltung. Die Hinnahme der Einschränkung von Versammlungs- und Meinungsfreiheit in der Palästinabewegung durch die organisierte Arbeiterbewegung setzt somit einen fatalen Präzedenzfall.
Die Antwort der Gewerkschaft auf den Angriff auf das Streikrecht bei ZKW in Wieselburg ist ein Lehrbeispiel, wie man den Kampf nicht führen sollte. Der Betriebsrat unter Anleitung der PRO-GE akzeptierte das Verbot und zog vor Gericht. Wenn die Arbeiter ihr Recht durch eine Streikdemonstration einfach eingefordert hätten, wer, welches Gericht, hätte sie aufhalten können?
Es gibt keinen Grund, zu glauben, dass der Staatsapparat neutrales Terrain wäre. Er wird von Klasseninteressen geleitet. Schon die Beschuldigung unserer Genossen sprach hierfür Bände: der Wortlaut wurde eins zu eins aus einer Presseaussendung der JVP übernommen. Soviel zur vielbeschworenen Unabhängigkeit der Justiz von der Politik. Die Bourgeoisie ist durch tausend Fäden mit ihrem Staatsapparat verbunden.
Die Arbeiterbewegung darf sich in der Verteidigung demokratischer Errungenschaften auch nicht auf die „Vernunft“ bürgerlicher Gerichte verlassen, sondern sollte auf möglichst breite Mobilisierungen setzen. Wir Kommunisten sind dabei die entschiedensten Kämpfer für demokratische Rechte. Aber nicht wie die liberalen Heuchler. Wir kämpfen mit unseren eigenen Methoden – jenen des Klassenkampfes – und unseren eigenen Zielen. Wir wissen, dass die Demokratie im Kapitalismus immer einen beschränkten Charakter hat, nämlich letztlich nur Demokratie für die Reichen bedeutet. Die Palästinabewegung war ein eindrückliches Lehrstück über die Pressefreiheit im Kapitalismus. Sie ist an und für sich ein schönes Prinzip, aber wer keinen Medienkonzern besitzt oder die Staatsmedien kontrolliert, wird es schwer haben, seinen Positionen Ausdruck zu verleihen, selbst wenn sie von der Mehrheit geteilt werden.
Die demokratischen Rechte sind für uns kein Ziel an und für sich, sondern mit ihnen können wir den Kampf für den Sozialismus besser führen. Aber erst eine Gesellschaft ohne Privateigentum an Produktionsmitteln und Profitprinzip kann echte Demokratie bringen. Wo jeder nicht nur das abstrakte Recht hat, seine Meinung zu äußern, sondern auch die tatsächlichen Möglichkeiten, wie Versammlungsräume, Druckereien, usw.
(Funke Nr. 223/24.04.2024)