Die heurigen Gedenkveranstaltungen zu den Februarkämpfen 1934 wurden stark unter das Motto „Demokratie verteidigen“ gestellt. Warum sich bei dieser Gedenkkultur die einstigen Schutzbündler im Grab umdrehen würden, zeigt Konstantin Korn.
Von denen, die im Februar 1934 Widerstand gegen den Faschismus leisteten und bereit waren, ihr Leben zu opfern, lebt heute niemand mehr. Doch ihr Kampf lebt bis heute in den Traditionen der Arbeiterbewegung und der Linken weiter. Die Tatsache, dass sich erstmals Arbeiterinnen und Arbeiter bewaffnet dem Faschismus entgegenstellten, ließ den Februar 1934 zum Mythos werden, der im „Februar-Bataillon“ der österreichischen Spanienkämpfer im Spanischen Bürgerkrieg genauso weiterlebte wie im Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Doch wie es Mythen so an sich haben, sie werden meist zu einem bestimmten Zweck gewoben und gern in fremde Dienste gestellt. Die österreichische Arbeiterbewegung der Zweiten Republik war eine andere als die der jungen Arbeitslosen, der klassenkämpferischen Betriebsarbeiter und der linken Teile des Schutzbunds, die angesichts von Faschismus und Krisenkapitalismus revolutionäre Lösungen suchten und deshalb im Februar 34 oder später (die meisten als Kommunisten) in Spanien kämpften. SPÖ und auch KPÖ waren von ihrem ganzen Selbstverständnis staatstragende Parteien, ohne deren tatkräftige Mitwirkung es nach dem Krieg keinen kapitalistischen Wiederaufbau gegeben hätte. Die Sozialdemokratie hatte mit dem Kapitalismus ihren Frieden geschlossen, den man im Rahmen der bürgerlichen Demokratie besser verwalten und stabiler machen will.
Das Gedenken an den Februar 34 wurde jahrzehntelang dafür instrumentalisiert. Deshalb liest man auf allen Gedenktafeln für die Opfer der Februarkämpfe „gestorben für Freiheit und Demokratie“. Dass die parlamentarische Demokratie schon Monate zuvor durch die Regierung Dollfuß ausgeschaltet worden war und dass sich die Führung der Sozialdemokratie damals geweigert hatte, dagegen Widerstand zu organisieren und vor dem Faschismus kapituliert hat, bleibt bis heute unerwähnt.
Diese zum Ritual verkommene Gedenkkultur wurde zum 90. Jahrestag für die aktuellen politischen Ziele der SPÖ-Führung eingespannt. Aus der historischen Niederlage Anfang der 1930er Jahre hat die Sozialdemokratie den Schluss gezogen, sie müsse unter allen Umständen mitregieren. Genau diese Idee treibt die SPÖ auch heute an. Und zu diesem Zweck ist sie wieder bereit, sich mit der ÖVP ins Bett zu legen. In den Gedenkreden von Babler & Co. wurde gezielt die ÖVP ausgespart, obwohl die Schwarzen bis heute nichts über Dollfuß kommen lassen. „Demokratie verteidigen“ reduziert sich bei ihnen auf die Formel, gemeinsam mit Schwarz, Grün und Pink einen Kanzler Kickl zu verhindern.
Diese Politik ist völlig blutleer. Denn dort, wo tatsächlich demokratische Grundrechte unter Beschuss sind, da schweigt man und trägt die mediale Propagandawalze offen mit. Übrig bleibt die Hoffnung des SPÖ- und Gewerkschaftsapparats, bald wieder mitregieren zu können. Und zu diesem Zweck wird das eigene Programm in allen Punkten verwässert.
Mit moralischen Appellen gegen „Hass, Hetze und Spaltung“, die rund um den 12. Februar so inflationär wie die Preise im Supermarkt waren, kann man niemanden hinter dem Ofen hervorlocken, der angesichts der Krise des Kapitalismus Existenzängste hat. Diese ganze Strategie narkotisiert weiterhin die Arbeiterklasse. Damit wurde schon vor 90 Jahren der Weg in den Untergang der Arbeiterbewegung geebnet. Die Sozialdemokratie wollte damals auch dem Klassenkampf aus dem Weg gehen, hat angesichts der noch größeren Gefahr des Nationalsozialismus auf einen Kompromiss mit dem „kleineren Übel“ des Austrofaschismus abgezielt. Sie war nie bereit, für die Demokratie zu kämpfen, und hätte sich auch nach der Einführung von Versammlungsverboten, der Zensur, der Todesstrafe mit kleinen Nischen in der Dollfuß-Diktatur zufriedengegeben. Ihre Politik bedeutete Kapitulation.
Das große Verdienst der Februarkämpferinnen und -kämpfer lag darin, dass sie trotz alledem Widerstand geleistet haben. Weil sie nicht länger zuschauen wollten, wie alles zerstört wurde, was die Arbeiterbewegung erkämpft hat. Weil sie nicht kampflos hinnehmen wollten, wie ihre Organisationen zerschlagen werden. Die meisten von ihnen brachen nach der Niederlage mit der alten Sozialdemokratie und wurden Kommunisten.
Sie sind bis heute Inspiration für all jene, die den Kapitalismus stürzen wollen. Ihr Erbe hochzuhalten, heißt, mit den Mitteln des Klassenkampfs überall dort Widerstand zu leisten, wo unsere sozialen und demokratischen Rechte bedroht werden.
(Funke Nr. 221/27.02.2024)