Die SPÖ fordert das Ende der allgemeinen Wehrpflicht und die Einführung eines Berufsheers. Die Sozialistische Jugend muss gegen dieses Vorhaben ohne Wenn und Aber auftreten, fordert Martin Gutlederer.
Die GegnerInnen der Wehrpflicht betonen vor allem, dass die Wehrpflicht nicht mehr zeitgemäß sei und den jungen Männern wertvolle Zeit ihres Leben stiehlt, die sie besser verwerten könnten. Dies alles wäre zum Nutzen der Gesellschaft, der Wirtschaft und natürlich der Jugendlichen. Natürlich ist die Wehrpflicht unpopulär. Wer unterbricht schon gerne seine Ausbildung bzw. seine Arbeit und lässt sich gerne 6 Monate lang als Grundwehrdiener herumkommandieren und schikanieren? Wer wäre nicht froh, wenn man sich diesen Dienst ersparen könnte? Aber nicht alle verstecken sich wie die SPÖ-Spitze hinter diesem populistischen Argument.
Hannes Androsch, der ein Personenkomitee für ein Berufsheer ins Leben gerufen hat, bekennt freimütig, was das tatsächliche Ziel eines Berufsheers ist: „[…] Die Verteidigung ist heute nicht ein Problem mit Slowenien, sondern es geht darum, im europäischen Verbund in Zusammenarbeit mit der NATO einsatzbereit zu sein, die Rohstoff- und Energiequellen zu verteidigen, die Transportwege, Seewege und Pipelines. Dazu kommen das Flüchtlingsproblem, Terrorismus und Cyberwar.“ Sein Mitstreiter, der Militärexperte Gerald Karner, sagt es auch offen: „Das ist jetzt die letzte Chance, aus dem Bundesheer etwas Vernünftiges zu machen, nämlich eine zukunftsträchtige Streitkraft für Europa“. Sie formulieren klar, worum es bei der Einführung eines Berufsheeres geht, um die Verteidigung und Durchsetzung der strategischen und wirtschaftlichen Interessen des österreichischen Kapitalismus als Teil der EU auch im Ausland. Das von Darabos schöngefärbte „Profi-Heer“ ist also nichts anderes als eine „nett verpackte“ Söldnerarmee, die es einer etwaigen Regierung leichter macht diese in Auslandseinsätzen vor allem im Rahmen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU einzusetzen um deren imperialistische Interessen zu vertreten. Es geht v.a. um kleinere militärische Missionen am Rand oder außerhalb Europas zur Durchsetzung. Dazu werden kaum große gepanzerte Truppenverbände benötigt, sondern kleinere, flexibel einsetzbare und schnell über den Luft- oder den Seeweg verlegbare Spezialverbände. Die bisherige Struktur mit relativ vielen Wehrpflichtigen ist aus dieser Sicht nicht notwendig. Dafür braucht es aus der Sicht des Kapitals besser ausgebildete Profisoldaten.
Was bringen Profis?
Eine der ersten Folgen der Einführung eines Profi-Heeres wäre eine negative Auslese in den Reihen der Armee. Besonders deklassierte Elemente und Nationalisten in allen Schattierungen würden von einem Berufsheer angezogen. Die Folge wäre eine Armee mit einer ähnlichen Zusammensetzung, wie wir sie bereits in den verschiedenen Exekutivkräften, besonders in den Spezialeinheiten der Polizei, wiederfinden, wo wir eine Überhandnahme an FPÖ-Anhängern und anderen rechtsextremen Personen haben. Berufssoldaten haben eine ganz andere Beziehung zur Armee als Wehrpflichtige. Sie sind materiell abhängig und ideologisch viel stärker mit den reaktionären Zielen dieser Armee verbunden. Ein Berufssoldat verbringt einen viel größeren Anteil seines Lebens in der Armee. Dies hat selbstverständlich einen Einfluss auf seine Anschauungen und seinen Charakter. Und somit sind Berufssoldaten natürlich auch viel zuverlässiger bei der Durchsetzung dieser Ziele als einfache Grundwehrdiener, die nach wenigen Monaten wieder abrüsten.
Unsere Haltung zur Frage „Berufsheer oder allgemeine Wehrpflicht“ kann nur auf der Grundlage der Perspektiven des Klassenkampfes entschieden werden. Eine Söldnerarmee in den Händen der Regierung wäre ein viel geeigneteres Instrument, um eine rebellierende Bevölkerung mit Gewalt zu unterdrücken. Ein Berufssoldat wird eine niedrigere Hemmschwelle haben, wenn es darum geht, auf streikende ArbeiterInnen zu schießen, als ein Wehrpflichtiger, der in diesem Zusammenhang eventuell auf seine Verwandten, ehemaligen ArbeitskollegInnen oder FreundInnen schießen würde. Denn der Wehrpflichtige wäre weiterhin in seinem sonstigen sozialen Umfeld weitgehend verankert, gegen das er plötzlich mit der Waffe in der Hand eingesetzt werden soll. In einer Armee mit allgemeiner Wehrpflicht werden die Widersprüche zwischen der Armeeführung und dem Offizierskorps und den gewöhnlichen Soldaten viel leichter aufbrechen als bei einem Berufsheer. Es ist aus den genannten Gründen viel schwieriger Berufssoldaten zur Befehlsverweigerung oder gar zur offenen Unterstützung von Protesten zu gewinnen.
Die Vergangenheit ist voller Beispiele, die dies eindrucksvoll beweisen. Bereits die „christdemokratische“ Regierung von Engelberts Dollfuß hat 1934, als die ArbeiterInnen sich gegen den kalten Putsch des von der ÖVP-noch heute verehrten Kanzlers erhoben, das Bundesheer (damals ein Berufsheer) auf die Bevölkerung schießen lassen und den Karl-Marx-Hof mit Artilleriewaffen angegriffen.
Ein aktuelleres Beispiel stellt Ägypten dar. Als am Tahrir-Platz die Massen gegen das Regime von Mubarak protestierten, war der Armeeführung und der Regierung völlig klar, dass es unmöglich war, mit den Streitkräften gegen die Proteste vorzugehen, da die Wehrpflichtigen wohl kaum gegen Ihresgleichen geschossen hätten. Deswegen muss sich das ägyptische Regime auf andere Repressionsmittel, die Polizei und bezahlte Schlägertrupps, stützen. Die soziale Zusammensetzung der Armee, die aufgrund der Wehrpflicht in etwa derjenigen der Bevölkerung entspricht, war eine wesentliche Voraussetzung, dass die revolutionäre Bewegung die Armee neutralisieren konnte Erst dadurch wurde der Weg frei zum Sturz von Mubarak.
Wer meint, für Österreich sind diese Szenarien von Ägypten und den Februar 1934 völlig aus der Luft gegriffen und dementsprechend irrelevant, der sei auf den jüngsten Entscheid des deutschen Bundesverfassungsgerichtshof verwiesen. Die Bundeswehr ist seit kurzem ebenfalls ein Berufsheer und kann nun auch im Inneren eingesetzt werden. Diese Einsatzmöglichkeit ist zwar scheinbar noch eng begrenzt, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis aufgrund von „Terrorgefahr“ und ähnlichen vorgeschobenen Gründen die Kompetenzen der Armee erweitert werden. Bereits der Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heiligendamm zeigt, dass auch sogenannte Regierungen im demokratischen Westen nicht zurückscheuen, ihre Armee auch im Inland einzusetzen. Die Bundesregierung investiert jetzt auch 100 Millionen Euro für den Bau einer Phantomstadt, wo sie den Häuserkampf für Inlandseinsätze speziell üben kann. In dieser Stadt soll es auch eine Hochhaussiedlung und ein Industrieviertel bzw. Elendsquartiere geben. In diesem Zusammenhang erscheint auch das Werben von Angela Merkel für das Berufsheer in Österreich während ihres Staatsbesuches in einem völlig anderen Licht. Darüber hinaus zeigt das Beispiel Griechenland in einer Wirtschaftskrise, dass es jederzeit auch in Europa zu massiven Umbrüchen und Verwerfungen in der Gesellschaft kommen kann. Dann wird diese Frage äußerst aktuell sein.
Eine klare Position
Aus all diesen Gründen müssen die SozialistInnen klar für die Wehrpflicht einzutreten und sich nicht hinter einer dritten Position, wie z.B. der Abschaffung des Bundesheeres, verstecken. Abgestimmt wird zwischen Wehrpflicht und Berufsheer. In dieser Frage gilt es die politischen Interessen der Arbeiterbewegung zum Ausdruck zu bringen. Eine besondere Verantwortung hat dabei die Sozialistische Jugend. Sie muss die lauteste Stimme im Kampf für die Wehrpflicht und gegen eine Söldnerarmee bilden. Die Voraussetzungen dafür sind auch gegeben: Im Grundsatzprogramm der SJÖ steht klipp und klar, dass die Wehrpflicht einem Berufsheer vorzuziehen ist. Daran gibt es nichts zu deuteln. Es wäre ein fataler Fehler aus Angst, dass diese Position bei Teilen der Jugend schwer zu argumentieren ist, herumzulavieren.
Mit der Forderung nach „Abschaffung des Bundesheeres“ würde man sich in dieser zentralen politischen Auseinandersetzung um eine Antwort drücken. Im Kapitalismus ist dies ohnedies ein völlig utopisches Programm. Wie im Ausschuss der SJ Wien ein Genosse völlig korrekt gesagt hat, bräuchte selbst ein demokratischer Arbeiterstaat zur Verteidigung gegen einen Angriff durch ein imperialistisches Land, eine Armee.
Wenn wir die Wehrpflicht verteidigen, dann tun wir das aber aus ganz anderen Argumenten als die ÖVP und viele in der Sozialdemokratie. Uns ist klar, dass der Grundwehrdienst eine wichtige ideologische Funktion für die Bürgerlichen hat. In der Kaserne werden die Grundwehrdiener zu „Männern“ gemacht, lernen Disziplin und Gehorsam. Wir setzen uns für volle demokratische und soziale Rechte für Grundwehrdiener ein.
Die Befürworter der Wehrpflicht bringen außerdem vor, dass der Katastrophenschutz und das Sozialsystem ohne Grundwehrdiener bzw. Zivildiener nicht mehr gewährleistet wären. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Diese äußerst wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben müssen tatsächlich von Profis ausgeübt werden. Und zwar zu ordentlichen Löhnen und Arbeitsbedingungen. Dafür muss die öffentliche Hand das Geld in die Hand nehmen. Wir lehnen einen Zivildienst oder ein „freiwilliges soziales Jahr“ ab, wo junge Menschen unter dem Kollektivvertrag bezahlt werden und die Löcher im Sozialsystem stopfen.
Der Autor ist Mitglied der SJ Krumnußnaum/NÖ
Zum Weiterlesen:
* Anträge an die SJ Wien Landeskonferenz und den SJ OÖ Ausschuss