Dieses Flugblatt verteilen die GenossInnen unserer spanischen Schwesterzeitung „Lucha de Clases“ in Solidarität mit dem Kampf der Bergarbeiter und gegen das jüngste Bankenrettungspaket.
Wir zahlen eure Schulden nicht –
Die ArbeiterInnen retten, nicht die Banken
Der Kampf der Bergarbeiter geht auch nach dem erfolgreichen Generalstreik vom 18. Juni weiter. In den letzten Wochen haben sich ganze Landstriche in Asturien und Leon in Schlachtfelder verwandelt, in denen sich die Bergarbeiter und ihre Familien tägliche Schlachten mit den Spezialeinheiten der Polizei liefern. Es ist eine unvorstellbar zynische Heuchelei, wenn die Regierung von einem Übermaß an Subventionen für den Bergbau redet (es handelt sich um 300 Mio. € im Jahr), wenn gleichzeitig das Schicksal des gesamten spanischen Staates in die Waagschale geworfen wird, um die Funktionsfähigkeit der kapitalistischen Banken sicher zu stellen. Kein einziger Arbeitsplatz im Bergbau darf verloren gehen. Jeder Arbeitsplatz, der heute abgebaut wird, ist für allemal dahin. Das Ende des Bergbaus bedeutet auch das Ende der Industrie und die Verwüstung ganzer Regionen. Dabei gibt es genügend gesellschaftliche Ressourcen, um den Bergbauregionen eine Zukunft zu bieten.
Im vergangen Februar haben die Profite und Vermögenszuwächse in Spanien erstmals seit 35 Jahren die Summe der Lohneinkommen überstiegen. Die Kapitalisten aber investieren ihren Reichtum nicht zur Schaffung von wettbewerbsfähigen Industrien und von Arbeitsplätzen. Allein im letzen Monat wurden Milliarden Euros aus Spanien abgezogen (die spanische Zentralbank weißt einen negativen Saldo im Kapitalverkehr in der EU von 42 Mrd. für Mai 2012 aus, Anm.). Es sind nicht nur internationale Kapitalbesitzer die ihre Vermögen aus Spanien abziehen, sondern die spanischen Kapitalisten selbst, jene Damen und Herren, die uns soviel Opfer abverlangen und gleichzeitig ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen!
Für eine politische Alternative
Vor allem anderen müssen wir festhalten, dass ein Sieg der Bergarbeiter einen enormen Rückenwind für die allgemeine Bewegung gegen die Spar- und Kürzungspolitik bedeuten würde. Die Informationsblockade, die die Medienkonzerne über die Bergarbeiter verhängt haben, müssen die Gewerkschaftsbewegung und die Vereinigte Linke (IU) mit einer landesweiten Solidaritätskampagne durchbrechen: Öffentliche Kundgebungen, Spendensammlungen und Informationsveranstaltungen mit Repräsentanten der kämpfenden Bergarbeiter etc.
Neben den Bergarbeitern begannen in den letzten Tagen auch die Beschäftigten anderer Sektoren zu kämpfen, angefangen von den Werftarbeitern bis hin zu allen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Das bietet einen Ansatz für eine generalisierte Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Demontage unserer sozialen Rechte, die derzeit zur Rettung der Banken geopfert werden.
Die Mobilisierung für den Generalstreik am 29. März (M-29) hat dazu geführt, dass die konservative Regierung in der Gesellschaft völlig isoliert ist. Aber unmittelbar nach dem M-29 setzten die Gewerkschaftsführungen der UGT und der CCOO keine Schritte mehr zur Verallgemeinerung und Ausweitung der Kämpfe. Dadurch verpuffte wieder die Energie des Generalstreiks. In den vergangen Wochen gab es keine öffentlichen Auftritte der Gewerkschaftsvorsitzenden Toxo und Mèndez, obwohl das Land in der tiefsten Krise seiner jüngsten Geschichte steckt und alle sozialen Errungenschaften der vergangen 40 Jahre in Frage gestellt werden. Mit dem Generalstreik haben wir das Vertrauen in breiten Teilen der Bevölkerung geweckt, dass die konservative Regierung von Mariano Rajoy nicht das Ende der Legislaturperiode erleben wird.
Der Sturz der Regierung muss das primäre Ziel unseres Kampfes sein. Wir sind nicht bereit, die nächsten dreieinhalb Jahre ohne Hoffnung leben zu müssen. Griechenland zeigt uns, dass in einer solchen Zeitspanne auch 48-stündige Generalstreiks die Spardiktate und Angriffe der Finanzkonzerne nicht zurückschlagen können, wenn die Kämpfe isoliert von einander geführt werden. Wir brauchen eine zusammenhängende Strategie von Mobilisierungen in den Strassen.
Die Frage des Programms
Wenn die Vereinigte Linke (IU) nach dem Vorbild der SYRIZA in Griechenland gegen alle Kürzungen bei den Sozialausgaben eintritt (und nicht wie in Andalusien einem regionalen Sparpaket zustimmt, Anm.), dann kann sie in kurzer Zeit zum wichtigsten politischen Referenzpunkt für die Lohnabhängigen werden.
Unter den Bedingungen dieser tiefen Krise funktioniert das sozialdemokratische Konzept der Sozialpartnerschaft nicht mehr. Die Politik in den Parlamenten und Gemeinderäten muss einzig und allein der kompromisslosen Verteidigung des Lebensstandards auf der Straße dienen.
Die offene Intervention der Gläubiger in die spanische Ökonomie und Politik muss von der Arbeiterbewegung als Wendepunkt verstanden werden. Die Gewerkschaften und die IU brauchen ein Programm, das für die zentralen Probleme konkrete Lösungen anbietet.
Angesichts der massiven Kapitalflucht reicht es nicht, wenn der Staat ein paar Kontrollmaßnahmen ergreift. Es muss entschieden werden, wer über diese Finanzmittel verfügen darf, wer sie zu welchem Zweck investieren darf: Fließen sie in die Finanzspekulation, die sich rund um die spanischen Staatschulden entwickelt hat (wie es die spanischen Banken gerade machen) oder werden sie in den Dienst der großen Mehrheit in der Gesellschaft gestellt, um neuen Reichtum zu produzieren und unsere Bedürfnisse zu befriedigen?
Wir sehen heute eine stetig steigende Arbeitslosigkeit und einen Investitionsstreik der Unternehmen, der seine Ursache in der massiven Überproduktion hat. Es droht unmittelbar der Bankrott wichtiger Industriezweige und Banken. Die Regierung und das Kapital haben dafür keine Lösung anzubieten. Ihr einziges Interesse ist es die Wucherschulden auf Kosten des realen Reichtums der Gesellschaft, den nur wir ArbeiterInnen erzeugen, zu bedienen. Unserer Arbeit Früchte werden in die Hände der Banker und Finanzinvestoren umgeleitet. Dies geschieht im Namen des „Rechtsstaates“, des Privateigentums und der „freien Marktwirtschaft“. Anstatt in Beschäftigung zu investieren, pumpen die Bürgerlichen nochmals 100 Milliarden in die Banken. Wir fordern, dass diese 100 Milliarden genützt werden, um uns Lohnabhängige zu retten.
Lucha de clases steht für folgendes Programm:
– Sofortige Aussetzung der Zinszahlungen für die Staatsschuld, die uns heuer allein 30 Mrd. € kosten (das ist der zweitgrößte Ausgabeposten im Budget). Die Staatsschulden müssen gestrichen werden. Nur Kleinanleger sollen im Fall erwiesener Bedürftigkeit entschädigt werden.
– Nein zu Betriebsschließungen. Jedes Unternehmen, das schließt, wird umgehend enteignet und unter demokratischer Kontrolle der Belegschaft wiedereröffnet.
– Der gesamte Bankensektor muss verstaatlicht und zu einer einzigen Staatsbank zusammengefasst werden. Es geht aber nicht um die Verstaatlichung der Verluste, sondern darum, die Kontrolle über alle Vermögenswerte zu bekommen und sie im Sinne der Mehrheit einsetzen zu können.
– Zu Unrecht besitzen die Banken eine riesige Anzahl an leerstehenden Wohnungen. Diese Wohnungen müssen verstaatlicht werden und den Grundstock für einen sozialen Wohnbau bilden. Sie sollen zu einem Mietpreis, der 10% des Familieneinkommens nicht übersteigt, vermietet werden. Auch die Rückzahlung von Wohnbaukrediten darf nicht mehr als 10% des Familieneinkommens betragen. Im Falle von Arbeitslosigkeit darf die Rückzahlung ausgesetzt werden. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass das Recht auf Wohnen ein Grundrecht ist.
– Die Belegschaften müssen das Recht auf Öffnung der Geschäftsbücher bekommen. Wir wollen JETZT sofort wissen, wo die Profite aus der Immobilienspekulation hingeflossen sind. Alle Personen, die in Finanzierungsskandale, Korruptionsfälle und in illegale Parteienfinanzierung involviert sind, müssen vor Gericht gestellt werden. Die Untersuchung dieser Skandale muss von VertreterInnen der Vereinigungen der Opfer der Immobilenkrise, der Angestellten im Bankensektor und der Gewerkschaften durchgeführt werden. In jene Parteien, die selbst in die Immobilienspekulation verwickelt sind, können wir kein Vertrauen setzen, dass sie diese kriminellen Machenschaften aufdecken.
– Angesichts der Unfähigkeit und der Verantwortungslosigkeit der Großkonzerne und Großbanken befürworten wir die Vergesellschaftung der Schaltzentralen der Ökonomie. Beginnen wollen wir mit den Aktiengesellschaften, die Teil des Börsenindex IBEX-35 sind. Entschädigungszahlungen soll es nur für Kleinaktionäre im Falle erwiesener Bedürftigkeit geben. Nur so können wir diese gewaltigen wirtschaftlichen Ressourcen kontrollieren. Die Kontrolle dieser Unternehmen soll durch die ArbeiterInnen und ihren gewählten VertreterInnen ausgeübt werden. Das wäre die Grundlage für die Ausarbeitung eines demokratischen Produktionsplans. Begleitet muss dies werden durch eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und einen ambitionierten Investitionsplan zur Finanzierung öffentlicher Arbeiten. So können wir die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen und gleichzeitig bessere öffentliche Dienstleistungen schaffen.
– Nein zum Europa der Banken und der Reichen. Ein anderes Europa ist möglich. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas, die einzige Lösung für die Probleme Europas.