Über 900 BetriebsrätInnen der Metallindustrie versammelten sich am 30.5.2012 in Leonding bei Linz, um sich auf den Kampf für die Verteidigung des Metaller-KV einzustimmen. „Der Funke“ war dabei.
Die ersten Busse trudeln ein, BetriebsrätInnen aus ganz Österreich waren nach Leonding gekommen. Die KollegInnen aus Baden haben Gewerkschaftsfahnen mitgebracht. Ein Betriebsrat aus Oberösterreich trägt demonstrativ ein T-Shirt mit der Aufschrift „Gewerkschaftsmitglied – und stolz darauf“. Fast alle nehmen unser Flugblatt, viele nutzen noch die Zeit und lesen es sich durch. Aber kaum jemand wagt eine Einschätzung abzugeben, wie es nach der Ankündigung der einzelnen Arbeitgeberfachverbände, den KV aufzusplitten, weitergehen wird. Ein wenig bekommt man das Gefühl, dass vor allem Hauptamtliche bereits mit der Aufspaltung des Metaller-KVs rechnen. Ein Arbeiterbetriebsrat aus der Steiermark bringt aber auf den Punkt, was viele KollegInnen denken: „Das lassen wir uns sicher nicht gefallen!“
Auf den Sitzplätzen liegt bereits die von der Gewerkschaft vorbereitete Resolution. Diese ist betont gemäßigt formuliert. Sie beinhaltet keine Kampfstrategie, sondern ist vielmehr eine Petition an die Arbeitgeberseite. Man fordert „die Fachverbände auf, nicht weiter gegen den Willen der Beschäftigten, ihrer BetriebsrätInnen und der Gewerkschaften die Auflösung der gemeinsamen Herbstlohnrunde des Metallbereichs zu betreiben, sondern auch in Zukunft mit uns den sozialpartnerschaftlichen Weg zu gehen.“
Gewerkschaftsführung legt sich fest
Auf der Konferenz werden dann aber deutlich härtere Töne angestimmt. Die Kürnberghalle ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Nach den Begrüßungsworten kommt das Referat des Vorsitzenden der PRO-GE, Kollege Wimmer. Er betont, worum es in diesem Konflikt wirklich geht. Die Unternehmer wollen den KV zerstören und somit die Gewerkschaft massiv schwächen. Anhand von internationalen Beispielen (z.B. bei FIAT in Italien) zeigt er, welche Strategien das Kapital europaweit verfolgt. Den eigenen Arbeitskampf in solch einen internationalen Kontext zu setzen, ist durchaus ein Novum in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung. Kollege Wimmer macht auch deutlich, wie er das Verhältnis zu den Unternehmern sieht: „Erst die Kraft aus den Betrieben macht es möglich, dass wir am Verhandlungstisch etwas erreichen können. Die Herstellung der dafür notwendigen Kampagnenfähigkeit, darum geht es!“ Der Metallerstreik vom vergangenen Herbst habe die Gewerkschaft wieder greifbar gemacht. Er habe deshalb so viel Solidarität erfahren, weil „die Menschen von der boomenden Wirtschaft nicht mehr mitgenommen werden“. Den größten Applaus bekommt er, als er sagt: „Wer den Kollektivvertrag zerstören will, muss mit unserem Widerstand rechnen“. Anschließend zeigte Kollege Proyer, der Chefverhandler der Angestellten, wie es weitergehen könnte. Aus seiner Sicht gibt es zwei Wege. Der Gute sei, dass man gemeinsam rede und Probleme bespreche. Die Unternehmer können dabei ruhig ihre entsprechend den einzelnen Fachbereichen unterschiedlichen Interessen vortragen. Die Verhandlungsgemeinschaft und der gemeinsame KV müssen aber bleiben. Mit anderen Worten: Solange der KV aufrecht bleibt und die Gewerkschaft in ihrer Stellung nicht angegriffen wird, wird sie sich „verantwortungsbewusst“ gegenüber den Kapitalinteressen zeigen.
Aber wie es ausschaut, wird die Gewerkschaft zunächst den zweiten Weg einschlagen müssen, weil die Unternehmer sich derzeit fest entschlossen zeigen, den KV aufzuspalten. Sofern die anstehenden Gespräche mit den einzelnen Arbeitgeberfachverbänden scheitern, wird die Gewerkschaft in den Betrieben Druck aufbauen. Anders als in der Vergangenheit wird es dann einen „Arbeitskampf ab Beginn der Verhandlungen geben“.
In den weiteren Referaten von Kollegen aus dem Verhandlungsteam wurde klar gemacht, welche Bedeutung der gemeinsame KV hat: „Der KV ist unsere heilige Erde, und somit unantastbar!“
Kritische Töne und Kampfbereitschaft
Dann waren die BetriebsrätInnen am Wort. Immer wieder wurde in den Diskussionsbeiträgen auf den Streik vom vergangenen Herbst eingegangen. Ein Kollege von Internorm sagte: „Die Belegschaft war stolz nach dem Streik, etwas getan zu haben. Aber es ist unerträglich, wenn man sehen muss, dass Betriebsräte, die sogar mitverhandeln, im eigenen Betrieb nix machen.“ Einer nach dem anderen betonte die wichtige Rolle der BetriebsrätInnen als Führung in einem Arbeitskampf. Kollege Armin Eberl, ein Betriebsrat aus Tirol: „Wir Betriebsräte sind nur Erste unter Gleichen und müssen den Kolleginnen und Kollegen vorangehen. Wir dürfen nicht bei jedem Wind gleich umfallen. Hosenscheißer können wir ned brauchen.“ Er machte auch klar, dass es in dieser Auseinandersetzung nicht ausreichen wird, dass man eine Unterschriftenliste macht, Plakate aufhängt und vielleicht den Kreisverkehr vorm Werk kurz mal sperrt. Auch andere Redner stießen in dieses Horn und kritisierten jene Betriebsräte, die im eigenen Betrieb keine Kampfmaßnahmen setzen.
Heidi Trost, Angestelltenbetriebrätin von Georg Fischer beschrieb, was das bedeutet: „Es kann auch nicht sein, dass man die Medien zu einer Streikaktion zum Werkstor holt, und hinten wird in der Zwischenzeit weiterproduziert. Ein Streik muss, wenn er erfolgreich sein will, Kraft entfalten, man darf keine Ausnahmen für diese oder jene Lieferung machen.“
In den einzelnen Redebeiträgen kam sehr gut zum Ausdruck, dass seit dem letzten Streik in den Betrieben ein rauer Wind bläst. Die Geschäftsleitungen machen enorm Druck. Das extremste Beispiel liefert die Firma Georg Fischer Rohrleitungssysteme in Herzogenburg. Dort wurde der sehr kämpferische Arbeiterbetriebsrat in den letzten Monaten bereits dreimal verwarnt, ihm wird das Benützen des privaten Handys und des Firmenparkplatzes untersagt. Doch auch KollegInnen, die im Herbst nicht streikten, bekommen die neue Strategie der Unternehmer zu spüren. So berichtete eine Betriebsrätin von Schöller-Bleckmann aus Niederösterreich: „Wir haben den Streik hinausgezögert. Ehrlich gesagt, waren wir ein bissl feig. Aber jetzt hat die Geschäftsführung die betriebsinternen Lohn- und Gehaltsverhandlungen, die sonst immer im Frühjahr stattfinden, von sich aus auf Herbst verschoben. Nur damit dann die Kolleginnen und Kollegen aus Angst etwas verlieren zu können, sich nicht kämpfen trauen. So will man uns spalten und schwächen.“
In diesem Sinne war die Wortmeldung von Kollegen Schaller aus der VOEST sehr wichtig. Er erteilte dem Vorschlag nach einem eigenen Konzern-KV für die Betriebe der VOEST eine klare Absage und bekannte sich voll und ganz zur Verteidigung des gemeinsamen KV. Auch er versuchte diesen Kampf in eine größere Perspektive einzubetten: „Überall sind die Retter unterwegs. Zuerst wurden die Banken gerettet, dann der Euro, dann ganze Staaten, und jetzt wollen sie die Betriebe retten. Aber bei jeder Rettung zahlen immer die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Zeche!“
Zwei Betriebsräte, darunter Rudi Baldinger von der Lenzing AG, sprachen offen aus, was angesichts der Umstände offensichtlich ist: Die Sozialpartnerschaft ist seit Jahren gekündigt, bei jeder KV-Runde, egal in welcher Branche, werden noch vor Verhandlungsbeginn werden von den Arbeitgebern Listen mit unzumutbaren Forderungen präsentiert. Gespräche auf Augenhöhe gebe es schon lange nicht mehr. Schon zuvor hatte Kollege Proyer aus Verhandlungsprotokollen zitiert, was die Arbeitgeber unter „neuer und innovativer Sozialpartnerschaft“ verstehen: Spalten, Anordnen, Verhandlungsergebnisse aufdrücken.
Der Zentralbetriebsrat der Pewag Herbert Grasser schilderte sehr eindrücklich wie hart die Umsetzung des Streiks im vergangenen Herbst war. In 14 obersteirischen Betrieben wurde bis zu drei Schichten lang gestreikt und die Unternehmer reagierten mit Drohungen, Rechtsanwälten etc. Er, sowie auch der Betriebsrat der oberösterreichischen Powertrain berichteten, wie sehr die Geschäftsführungen den Druck auf die Betriebsräte und Belegschaften steigern, wenn die Nachbarbetriebe nicht streiken.
Er schloss: „Die Kollegen werden tagtäglich unterdrückt und ausgepresst, wenn man da ernsthaft dagegenhält dann gehen sie mit, weil sie die Nase voll haben, immer nur als Objekt der Gewinnmaximierung behandelt zu werden. Aber wenn man als Betriebsrat mit der Mentalität ‚der Nachbarbetrieb oder die Gewerkschaft wird’s schon richten’ darauf reagiert, da werden wir alle verlieren. In dieser neuen Situation muss es heißen: Alle gemeinsam!“
Wie geht es weiter?
Im Anschluss an die Diskussion wurde die Resolution einstimmig beschlossen. Wie der Kampf im Herbst geführt werden soll, blieb noch völlig unbeantwortet. Zumindest hätte man in die Resolution die Aussage von Karl Proyer einfügen müssen, dass der Arbeitskampf mit Verhandlungsstart beginnen wird, wenn die Arbeitgeber nicht einlenken. Die in der Diskussion aufgeworfene Frage nach der Besetzung des Verhandlungsteams blieb ebenfalls offen. Aus unserer Sicht muss dieses auf einer Betriebsrätekonferenz demokratisch gewählt werden. Das Verhandlungsergebnis muss ebenfalls zumindest von einer solchen Konferenz abgesegnet werden. Besser wäre noch eine Urabstimmung in den Betrieben. Je demokratischer die Gewerkschaft ihre Entscheidungsfindung gestaltet, desto eher wird sie kampffähig werden.
In den Gesprächen nach der Konferenz sagten viele KollegInnen, dass sie sich auf einen harten Arbeitskampf und einen heißen Herbst einstellen. Ein Betriebsrat aus Oberösterreich sagte zu uns: „Ein Streik muss ihnen weh tun. Das fängt aber erst dann an, wenn der Streik zumindest mehrere Tage lang geht.“ Die Zeit bis zum Herbst muss genutzt werden, um in den Betrieben die Grundlage für solch einen Streik zu legen. In nicht wenigen Betrieben scheuen die BetriebsrätInnen aber solch eine harte Auseinandersetzung. In solchen Betrieben liegt es in der Hand der Kolleginnen und Kollegen eine Stimmung zu erzeugen, die garantiert, dass man als Kollektiv handlungsfähig wird. Ein wichtiger Schritt dazu wäre die Bildung einer gewerkschaftlichen Aktivgruppe im Betrieb, die den Druck der Geschäftsführung mit dem notwendigen Gegendruck beantworten kann. Beim Streik im Herbst gab es Beispiele, wo die ArbeiterInnen den Betriebsrat spontan zwangen aktiv zu werden. Es geht jetzt darum, in möglichst allen Betrieben kampffähig zu werden. Eine aktive Basis ist auch der beste Garant, dass der Kampf nicht von kurzerhand abgedreht werden kann, sondern tatsächlich bis zum Sieg geführt wird. Und wir können uns sicher sein, dass bei einer drohenden Eskalation des Kampfes die Hundstorfers, Leitls, Foglars & Co. alles unternehmen werden, damit ein Streik möglichst kurz nur dauert und den Unternehmen nicht weh tut.
Der Kampf um den Metaller-KV wird von entscheidender Bedeutung für die gesamte Arbeiterbewegung sein. „Der Funke“ wird diesen Arbeitskampf von Anfang an begleiten und aktiv unterstützen. Wie ein Kollege völlig richtig gesagt hat: „Wer Verteilungsgerechtigkeit will, soll im Herbst bei uns aktiv dabei sein.“