Die Herbstlohnrunde beginnt heuer schon im Frühjahr. Der Verband der Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) und der Verband der Gießereiindustrie kündigten den Austritt aus dem Metaller-Kollektivvertrag an. Hier bahnt sich ein Arbeitskampf an, dessen Ausgang das Kräfteverhältnis von Arbeit und Kapital nachhaltig prägen wird. Folgendes Flugblatt werden Funke-UnterstützerInnen bei der morgigen bundesweiten BetriebsrätInnen-Konferenz der Metallindustrie verteilen.
Wenn die Pläne der Kapitalseite aufgehen, würden allein in der Maschinen- und Metallwarenindustrie 120.000 Metaller aus dem Kollektivvertrag (KV) der Metallindustrie abgespalten. Die 7000 Gießer würden sich dann wahrscheinlich schwer tun, überhaupt noch einen sinnvollen bundesweiten KV zustande zu bringen. Die traditionell für alle Branchen richtungsweisende Herbstlohnrunde der PRO-GE würde dann nur noch für in etwa 38.000 Metaller bestritten, anstatt wie derzeit für über 165.000 ArbeiterInnen und Angestellten.
„Defocusierung“ nennen Unternehmervertreter das und verfolgen damit eine ganz klare Absicht: Die Schwächung des Kollektivvertragswesens in allen Branchen.
Kollektivvertrag, na und?
Urlaubsgeld, Arbeitszeitregelungen, Lehrlingsentschädigung, Urlaubsanspruch und Lohnsteigerungen… – all das wird nicht „gesetzlich“ festgelegt, sondern in jährlichen Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern erstritten. Die jeweilige Stärke bzw. Schwäche, schlägt sich hier unmittelbar in unseren persönlichen Arbeitsverhältnissen und Lebensbedingungen nieder.
Den Unternehmern ist dies bewusst. Die Schwächung oder die völlige Zerstörung der KVs und somit der Gewerkschaften ist in allen Ländern ihr zentrales Ziel. In Österreich greifen sie nun den wichtigsten KV an. Dabei wollen sie die Aufspaltung der Verhandlungen entlang ihrer Bracheneinteilung in der Wirtschaftskammer. Im schlimmsten Fall könnte der heutige Metaller-KV in über 20 Brachenverträge aufgespaltet werden. Weitere Aufspaltungen in Bundesländer-KVs sind ebenso denkbar. Das kann so weit gehen, dass jeder von uns gezwungen ist einen Einzelvertrag mit seinem Arbeitgeber zu vereinbaren.
Und dabei gilt als Faustregel: Je schwächer die Einheit der ArbeiterInnen ist, desto stärker ist die Unternehmerseite in der Durchsetzung ihrer Interessen.
Um die Erinnerung an den Metaller-KV möglichst gleich ganz auszulöschen, schlägt der Verband der FMMI auch gleich vor ihre Lohnrunde in den Frühsommer zu verlegen. Ein durchsichtiges Unterfangen. Wenn die Betriebe im Sommer ihre Kapazitäten herunterfahren, Betriebsurlaub machen, Wartungsarbeiten durchführen und die Beschäftigten sich ihre zwei Wochen Sommerurlaub gönnen, lasst es sich für die Unternehmer einfacher diskutieren, denn Streiks sind in dieser Zeit viel schwerer umzusetzen.
Setzen sich die Unternehmer durch, dann ist klar, dass eine Spirale nach unten in Gang gesetzt wird. Eine Aufspaltung des KV bedeutet unter gegebenen Verhältnissen jedenfalls eine allgemeine Verschlechterung, und eine Tendenz sich den schwächeren Abschlüssen anzunähern. Dies auch dadurch, weil die Unternehmer einen gewissen Spielraum haben für unterschiedliche KVs zu optieren: Besonders in kleinen Betrieben kommt es dann vor, dass etwa Bauarbeiter als Keramiker angestellt werden. Ein gutes Beispiel liefert der hochspezialisierte Flugzeugbauer FACC in Ried, deren Arbeiter plötzlich als Holzarbeiter gelten.
Tritt eine solche Entwicklung ein, werden die Hauptamtlichen der PRO-GE unter den verschlechterten Bedingungen zig neue KVs verhandeln müssen. Die schlechteren Abschlüsse werden zu Mitgliederverlusten führen, was die Gewerkschaft weiter schwächt…
Genug Gründe zu kämpfen
Damit ist unser Kampfziel definiert: Die Aufspaltung des Metaller-KV muss mit allen Mitteln verhindert werden! Die ersten Reaktionen der Gewerkschaft und der Betriebsräte zeigen, dass man den Ernst der Lage erkennt. Die Einberufung einer bundesweiten Betriebsrätekonferenz für den 30. Mai ist ein guter Schritt. Die Debatte, wie man auf diese Provokation reagieren soll, verlangt eine offene und in der Gewerkschaft und den Betrieben breit geführte Diskussion und klare, bindende Beschlüsse. Nur so wird man eine Einheit zwischen den verschiedenen Betrieben und Sektoren herstellen können. Nur so kann man den KollegInnen in den Betrieben die Aussicht auf einen erfolgreichen Kampf vermitteln.
Mit ihrer Argumentationslinie lassen sich die Gewerkschaftsspitzen aber eine Flanke offen. In einer ersten Reaktion wurde der Kampf um die Beibehaltung des KV als „Kampf um die Sozialpartnerschaft“ deklariert. Man erklärt seine Bereitschaft sich weiter in den Dienst des Standortes zu stellen und unter Wahrung des gemeinsamen KV „innovative Lösungen“ anzustreben.
Das Feingefühl für die Bedürfnisse der Unternehmen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, kann die Gewerkschaft und die Betriebsräte gerade unter den Bedingungen der gegenwärtigen Krise des Kapitalismus schnell zu einem Punkt bringen, wo man den Unternehmern inhaltlich recht geben muss. Dieses in den Gewerkschaften weit verbreitete Standortdenken führt immer wieder zur Unterordnung der ArbeiterInnen unter die Logik des Kapitals und ebnet den Weg in schmerzliche Niederlagen.
Rund um zwei Fragen droht ein Ausverkauf durch die Gewerkschaft:
Einerseits haben die Lohnkosten in den unterschiedlichen Branchen der Metallindustrie einen deutlich unterschiedlichen Anteil an der Gesamtkostenstruktur. Tatsächlich ist es so, dass der Anteil der Lohnkosten in der Gießereiindustrie deutlich höher ist als im Durchschnitt der gesamten Metallindustrie.
Noch wichtiger scheint den Unternehmern jedoch die Forderung nach einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit zu sein. Erinnern wir uns an die KV-Runde 2010. Ein Abschluss kam damals nur zustande, weil man die Frage der Neuregelung der Arbeitszeit (oder besser: den Wegfall von Überstundenzuschlägen durch längere Durchrechnungszeiten übers Jahr) auf Sozialpartnergespräche auf höchster Ebene und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlagerte. Obwohl die Verhandlungen losgelöst von der Emotionalität der Herbstlohnrunde und unter Ausschluss der (gewerkschaftlichen) Öffentlichkeit stattfanden, scheiterte dieses Vorhaben im Frühjahr 2011. Diese Frage ist so brenzlig, dass sie auch in der letztjährigen Herbstlohnrunde ausgeklammert wurde. Doch dieses Anliegen ist damit nicht vom Tisch, und viele Aussagen deuten daraufhin, dass diese Frage das zentrale Motiv für die „Defocusierungsstrategie“ der Industriellen ist. Mit diesem Hebel könnten sie die Lohnkosten um hunderte Euros pro Beschäftigtem drücken, und das werden sie auch versuchen.
Wie kämpfen?
Die Betriebsrätekonferenz am 30. Mai muss dafür genutzt werden, unsere Abwehrfront möglichst breit aufzustellen und ein klares Kampfziel zu definieren.
Die Ansage des PRO-GE-Vorsitzenden, Koll. Wimmer, dass weder eine Spaltung des KV noch ein längerer Durchrechnungszeitraum akzeptiert werden darf, sollte am besten in Form einer Resolution auf der Konferenz verabschiedet werden. Wenn die Gewerkschaftsführung eine solche Resolution nicht einbringt, dann muss aus den Reihen der KonferenzteilnehmerInnen die Initiative kommen. Die Delegierten sollen sich zu Wort melden und die aus ihrer Sicht notwendigen Schritte und Maßnahmen in Form von Anträgen einbringen. Eine solche Konferenz ist für sich schon eine Machtdemonstration, ohne konkrete Beschlüsse kann sie aber leicht zu einer reinen Dampfablassaktion verkommen. Ein für die Gewerkschaftsspitze bindender Beschluss signalisiert sowohl den eigenen KollegInnen als auch der Gegenseite, dass wir es ernst meinen. Die Unternehmer haben einen Plan und wollen den durchziehen. Dem muss ein klarer Kampfplan unserer Seite entgegengestellt werden, sonst ist der KV Geschichte.
Der Metallerstreik im Herbst hat gezeigt, welche Macht die Metaller haben. Der Streik weitete sich viel schneller aus, als die Gewerkschaft eigentlich geplant hätte. Damals haben wir aber auch gesehen, dass man sein Kampfziel nur zur Gänze erreichen kann, wenn man sicherstellt, dass einem die Initiative nicht entgleitet. Der Kampf zur Verteidigung des KV ist von größter Bedeutung. Will sich die Gewerkschaft durchsetzen, läuft alles auf einen heißen Herbst hinaus. Wir können jetzt schon vermuten, dass in der Regierung und auch im ÖGB dann alles versucht wird, um den Kampf nicht eskalieren zu lassen. Nur zu oft wurden Arbeitskämpfe von oben einfach abgedreht. Deshalb gilt es schon jetzt Vorbereitungen zu treffen, damit so etwas in diesem Kampf nicht passieren kann. In den Betrieben können wir jetzt mit Resolution oder Unterschriftenaktionen der Gewerkschaftsführung zeigen, dass wir kampfbereit sind. Die Durchsetzung gelebter Gewerkschaftsdemokratie lautet das Gebot der Stunde. Dazu zählt vor allem, dass es bei einem Verhandlungsergebnis eine Urabstimmung geben muss, deren Ergebnis für das Verhandlungsteam bindend sein muss. Die Basis für einen erfolgreichen Kampf zur Verteidigung des Metaller-KV muss jetzt in den Betrieben gelegt werden.
Dieser Kampf verdient die volle Solidarität der gesamten Arbeiterbewegung!
Gemeinsam mit den Metallern für einen starken KV!
Wenn Du mit uns diskutieren möchtest, schreib an redaktion@derfunke.at
Das Flugblatt gibt’s auch als PDF hier zum downloaden.