oder wie ein Traditionsverein zu Grabe getragen wird
Die Kommerzialisierung des Fußballs schreitet seit den 70ern mit Riesenschritten voran. Österreich hat hier lange Zeit die internationale Entwicklung nur sehr schwach mitgemacht. Spätestens seit Anfang der 90er Jahre setzte diese aber auch in Österreich verstärkt ein. Dies führt zu immer größeren Spannungen zwischen den Vereinen und denjenigen die durch die negativen Auswirkungen am stärksten betroffen sind: den Fans.
Im November 1999 stieg Frank Stronachs MAGNA bei der Wiener Austria als „Partner“ ein. Dass das Wort „Partner“ aber nur reinster Zynismus ist, zeigt der Vertrag den die Austria mit MAGNA schloss. Das gesamte wirtschaftliche und sportliche Management der Kampfmannschaft, wird durch diesen Vertrag dem „Partner“ MAGNA übertragen. Laut Vertrag gehören die Spieler zwar weiterhin dem Verein, Frank Stronach hat trotzdem einen Ausweg für diesen Punkt gefunden: ein Teil der Spieler wurde von ihm und MAGNA gekauft und dem Verein nur vorübergehend zur Verfügung gestellt (etwa Michi Wagner, Ludwig Ernstson u.a.). Ausstiegmöglichkeiten aus dem Vertrag? Für MAGNA immer (zumindest nach den ersten 3 abgelaufenen Jahren, also ab 2002), für die Austria nur im Falle eines Abstieges!
Der Vorstand der Austria ist genießt zwar das „Vertrauen“ der MAGNA und darf weiterwerkeln, seine Aufgaben erstrecken sich aber rein auf die Jugendarbeit und die Amateurmannschaft. Seit seinem Eintritt hat Frank Stronach knapp 200 Millionen Schilling in den Verein gesteckt. Eine seiner ersten Aktionen war DIE Legende der Austria, nämlich „Schneckerl“ Herbert Prohaska als Trainer abzusägen. Als Prohaska ein ¾ Jahr zuvor als Trainer geholt wurde, ging ein unglaublicher Ruck durch die Fans des Vereines, Unmengen von „Schneck is back“-Produkten (Fahnen, CD´s, Schals usw.) durften gekauft werden. Doch irgendwie paßte dieses Idol dann doch nicht mehr ins Konzept, und ein neuer Trainer wurde installiert. Seit der Absetzung von Prohaska sah der Verein zwei weitere Trainerwechsel (Hochhauser, der international renommierte [und von den Fans lange Zeit gehaßte] Arie Haan). Nun dürfen wieder einmal zwei „Urgesteine“ werkeln, nämlich Anton Pfeffer und Walter Hörmann.
Der letzte nationale Meistertitel der Austria liegt mittlerweile 8 Jahre zurück, die letzte Teilnahme am UEFA-Cup 6 Jahre.
Was will ein Fan?
Natürlich will ein Fan guten Fußball und Erfolge (wenn möglich auch internationale) „seiner“ Mannschaft sehen. Doch für die Fans, die jedes Match der Mannschaft sehen, zählt auch etwas anderes. Für sie ist der Verein ein Bestandteil ihres Lebens, wenn nicht sogar jener Bestandteil, um den sich das ganze restliche Leben dreht (wobei dies sicher höchst hinterfragenswert ist). Und diese Fans kommen auch, wenn die Mannschaft gerade im Abstiegskampf steht, oder gar in einer niederen Liga spielt. Diese Fans wollen nicht nur Erfolge sehen, was für sie zählt ist vor allem auch Kontinuität und Perspektive.
Und genau dies fehlt bei der Austria seit längerem. Jedes Jahr (und manchmal auch mehrmals pro Jahr) wird die große „Klubstrategie“ geändert. Entdeckt man einmal Budgetlöcher, dann wird auf den „Wir setzen auf Junge“-Kurs eingeschwenkt, glaubt man wieder Geld zu haben, so werden irgendwelche abgehalfterten Stars gekauft. Diese Starkäufe entpuppen sich dann allzu oft als Fehlkäufe.
Und obwohl jeder Fan weiß, dass es im Fußball vor allem darum geht, kontinuierliche Arbeit zu leisten und sich entweder auf Jugendarbeit zu konzentrieren (und dadurch aber auch auf kurzfristigen Erfolg zu verzichten), oder sich Mannschaften zusammenzukaufen und diese relativ kurzfristig zu einem Team zusammen zu schweissen, handelt der Verein in eine andere Richtung.
Die Proteste
Die Proteste gingen wie sooft von den etablierten Organisationen der Fans (den Fanclubs) aus. Nachdem drei Spieler mit höchst fragwürdiger Argumentation über Nacht aus dem Kader entfernt wurden (der mittlerweile wieder rehabilitierte Mayrleb, Wagner, Varesanovic), hielten die Fans dies für den Zeitpunkt, diese Klubpolitik nicht mehr länger unhinterfragt hinzunehmen.
Bei einem Fantreffen sollte die Vorgehensweise für das nächste Heimmatch gegen den FC Tirol (den aktuellen Meister) besprochen werden. Dabei wurde eine Mischung aus „kreativen“ Protest und aktivem Boykott beschlossen. Die Fantribüne (die „West“) sollte 90 Minuten lang leer bleiben, den VIP´s sollte durch Sitzstreik vor ihren Eingängen der Zugang erschwert werden. Um auf die derzeitige Situation aufmerksam zu machen, sollte die Westtribüne als Bühne für kleinere Aktionen dienen. So wurde ein schwarzes Stoffkreuz aufgelegt und diverse Transparente wechselten während dem Spiel ab. Fans die trotzdem das Spiel sehen wollten, wurden durch Flugis auf die anderen Tribünen verwiesen. Jene Fans die trotzdem auf die West gingen (und dafür wohlgemerkt auch Eintritt zahlten!) nahmen links und rechts von der West auf kleinen Rasenstücken Platz.
Die Reaktion der Austria
Die Verantwortlichen der Austria reagierten auf die Proteste mit der Anforderung eines verstärkten Polizeiaufgebotes. Das Horr-Stadion glich einer Festung, wobei die WEGA mit ihren Bluthunden natürlich nicht fehlen durfte. Jedes Anstimmen von „Rudas raus!“ und „Vorstand raus!“-Rufen, wurde von Seiten der Polizei mit dem Aufziehen neuer Kontingente beantwortet.
Um den Abend nicht tatenlos vergehen zu lassen, bekamen zuerst einmal die Tirol-Fans ihr Fett ab. Sowohl während dem Spiel wurden „Vergehen“, wie Füße auf die Sitzflächen zu geben, als auch das Unterstützen des Vereines als gewalttätige Ausschreitungen notiert (mindestens ein Tirol-Fan wurde abgeführt). Und als die Tirol-Fans das Stadion verließen, ließen sich die WEGA-Beamten den Spaß nicht nehmen und schlugen einmal kurz rein.
Das Match ging 0:1 verloren und die Austria-Fans forderten lautstark, wie auch während des Matchs, das Abdanken des derzeitigen Vorstandes, allen voran den von Rudas. Als sich rund 1000 Fans nach dem Match wieder am VIP-Eingang einfanden, um mit „Vorstand raus“-Rufen gegen die derzeitige Situation zu protestieren, schritt die WEGA mit Schlagstöcken, Schildern und ihrer Hundestaffel ein.
So sieht es also aus, wenn Fans aufbegehren und verlangen, dass sie nicht nur brav ihr Geld am Eingang hinterlassen dürfen, sondern auch in der Klubpolitik mitbestimmen wollen.
Is this, what democracy looks like?
Um die Fans zu beruhigen, zeigte sich Frank Stronach gesprächsbereit, und lud Fanvertreter zur großen Aussprache. Auch er wolle mit dem „Sauhaufen“ (der angeblich die letzten 15 Jahre im Verein herrschte) aufräumen. Als Sofortmaßnahme schlug er die Schaffung eines Beirates vor, in den bis zu 10 Austria-„Legenden“ einberufen werden sollten, welcher ihn in sportlichen Dingen beraten sollte. (im Gespräch: Stürmerlegende Andi Ogris, der schon genannte Herbert Prohaska, und andere)
Doch viele Fans in den diversen Diskussionsforen entlarvten diesen Beirat bereits als das, was er ist: eine reine Beruhigungsinstitution für die erregten Massen. Auch der als reine Marionette agierende (und durch den MAGNA-Vertrag in diese Position verdammte) Austria-Präsident meldete sich zu Wort. Sein Fernsehinterview war an Radikalität wohl kaum zu überbieten. Was er zur derzeitigen Situation sage? „Scheisse“ und „diese Scheisse gehöre bereinigt“. Oho, hat er denn eine Lösung parat? JA, die MAGNA müsse doch mehr und besser mit ihm und dem Präsidium kommunizieren, und es nicht immer vor vollendete Tatsachen stellen. Toll!
Die Lösung kennt nur einen Weg
Man sieht also, dass zwischen den verschiedenen Proponenten des Trauerspieles ein wahrer Kampf um die Gunst der Fans eingesetzt hat. Stronach, der Starke, der natürlich nicht will, dass es bald keine Fans mehr im Stadion gibt. (auch wenn die Einnahmenverluste zu verschmerzen wären, TV-Rechte für Spiele ohne Stimmung im Stadion wären sicher nicht so teuer zu verkaufen)
Und auf der anderen Seite der Präsident, der absolut keine Befugnisse hat, und nun auch noch um seinen immerhin gut bezahlten Job fürchten muss.
Keine dieser beiden hat den Fans eine Lösung anzubieten. Und daher müssen die Forderungen für eine „andere Austria“ auch diese beiden über Bord werfen. Weg mit Stronach und weg mit Sattler! Eine Lösung kann nur von Seiten der Fans kommen.
Was bei der Austria mit dem MAGNA-Vertrag anfängt und dem Klub keinen Spielraum lässt, geht auf europäischer Ebene mit der UEFA weiter, und hört international mit der FIFA auf. Hat der Verein Austria keine Verfügungsgewalt über die eigenen Spieler und Gelder, so ist es die UEFA, die nur mehr daran arbeitet die Verwertungsbedingungen der europäischen Bewerbe und ihrer Hauptakteure (der sogenannten G-14 im Fußball, unter anderem mit Bayern München, Manchester United, Real Madrid etc.) zu verbessern.
Ihr ist es zu verdanken, dass in Stadien keine bengalischen Feuerwerkskörper mehr brennen dürfen. Sie verbietet das Überhängen von Werbebotschaften durch Fantransparente. Sie setzt die Spiele zu Zeiten an, wo die Fans nicht mehr mitkönnen.
Ein Kampf gegen die Misstände im Fußball kann daher nicht an einzelnen Personen und deren Charaktereigenschaften festgemacht werden. Er muss sich ebenfalls gegen das System in dem wir leben richten.
Wer ständig nur Symptome bekämpft wird in diesem Kampf untergehen.
Für eine Klub- und Grenzenüberschreitende Organisation aller Fans!
Gegen die Kommerzialisierung des Sportes!
Für Mitbestimmung der Fans im Fußball!
Fans aller Stadien vereinigt euch! Holt euch das Spiel zurück!