„Die Linke“ entstand 2007 als Produkt einer Massenbewegung gegen die Arbeitsmarktreform („Hartz 4“). Aus Protest verließen tausende Mitglieder die Regierungspartei SPD und fusionierten mit der im Osten verankerten reform-stalinistischen PDS zur Linkspartei. Von Sandro Tsipouras.
Dies war ein politischer Schritt nach vorne. Zum ersten Mal erreichte eine Partei, deren Führung nicht organisch mit dem deutschen Kapital verwoben ist, bundesweit Erfolge bei Landtags- und Bundestagswahlen. Die Mitgliedschaft der Linken wuchs, sie gab einer großen Schicht an Aktivisten aus der Linken und den Gewerkschaften die Möglichkeit, für fortschrittliche politische Veränderung zu kämpfen.
Auf die Wirtschaftskrise 2008/09 folgten die Eurokrise, die Migrationskrise, die Pandemie, der Krieg in der Ukraine mit der Energiekrise und Inflation – mit schweren Folgen für den Lebensstandard der Arbeiterklasse. Es stellte sich heraus, dass es nicht reichte, sich organisatorisch von der SPD zu trennen, ohne auch politisch mit dem Reformismus zu brechen. Aber die Linke wurde stattdessen immer zahmer und angepasster, je dringender die Arbeiterklasse eine kämpferische Partei gebraucht hätte. Wo die Linkspartei in Landesregierungen vertreten ist, unterstützt sie Privatisierungen, Abschiebungen, Kürzungen. Seit Mitte der 2010er Jahre sinken ihre Wahlergebnisse kontinuierlich.
Der mangelnde Erfolg und die immer angespanntere politische und ökonomische Situation Deutschlands führten jetzt schließlich zur Spaltung. Um ihre Wahlchancen zu retten, verlässt die ehemalige Bundestags-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht nun mit einigen Mitstreitern die Partei.
Wagenknecht legt Wert darauf, die Spaltung sei nötig gewesen, damit in Deutschland „vernünftige Politik“ gemacht und den vielen AfD-Wählern eine Alternative zum Rechtsextremismus geboten würde. Dies sehen auch Teile der Bourgeoisie so, was sich in medialer Berichterstattung niederschlägt. „Unvernünftig“ findet sie Sanktionen gegen Russland, Migration, Klima- und Identitätspolitik.
Spaltung ohne Fortschritt
An der Linkspartei kritisierte sie Identitätspolitik, akademischen Feminismus, Queer Theory, Öko-Ideologien und dergleichen – aber nicht, um deren Schädlichkeit für die Lösung der Probleme der Arbeiterklasse dazulegen und für Klassenkampfmethoden zu argumentieren, sondern aus einer rechts-sozialdemokratischen Perspektive. Sie will Nutzlosigkeit des Reformismus mit einem neuen Set kleinbürgerlicher Demagogie übertünchen.
Sofern sie von der Arbeiterklasse spricht, so meint sie damit die „heimische“, die sich nur unter ihres gleichen wohlfühle und deren soziale Standards durch Migranten untergraben würden. Zuwanderung müsse also bekämpft werden. Eine Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie, deren Passivität das Lohndumping erst ermöglicht, bleibt sie schuldig. Im „fleißigen und ehrlichen Unternehmer“ sieht sie hingegen einen natürlichen Bündnispartner, um gemeinsam eine Koalition des „Gemeinsinns und des Zusammenhaltes“ zu gestalten.
In ihrem Programm spricht „Die Linke“ davon, den Kapitalismus überwinden zu wollen – und verwaltet ihn dann, wo sie die Chance dazu hat, bereitwillig mit. Sahra Wagenknecht hat mit solchen Phrasen nichts mehr am Hut, sondern schwärmt von der „sozialen Marktwirtschaft“ und von Ludwig Erhard, dem man in Deutschland nachsagt, für das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich gewesen zu sein. Sie hat keinerlei Klassenanalyse, sondern schimpft demagogisch gegen Finanzheuschrecken und Konzerne, die die Welt beherrschen und den „Wettbewerb verzerren“. Wagenknecht bespielt die Spaltungslinien im Kapital selbst (Konzerne vs. Klein- und Mittelbetriebe, deutscher vs. US-amerikanischer Imperialismus) um sich ein „widerständiges“ Image zu geben, mit der Arbeiterklasse an sich hat sie aber gar nichts am Hut. In der Außenpolitik tritt sie für einen selbstbewussten deutschen Imperialismus ein, der sich nicht vor den Karren der USA spannen lässt: „Es schadet dem nationalen Interesse Deutschlands, auf das russische Gas zu verzichten.“ Die Linkspartei hingegen ist für anti-russische Sanktionen, aber gegen Waffenlieferungen – ja zur imperialischen Blockkonfrontation, aber bitte pazifistisch.
So zerfällt „Die Linke“ in zwei Hälften, die gleichermaßen nutzlos für die Arbeiterklasse sind. Sie teilt das Schicksal aller anderen linksreformistischen Projekte, die wir seit 2008 gesehen haben. Einmal an der Macht, spielen sie nach den Regeln des Kapitalismus und disqualifizieren sich als politische Alternative, Alexis Tsiparas tanzte es vor, und alle machen mit.
Es hätte nicht so sein müssen: Mit einem revolutionären Programm der Verstaatlichung der Banken und Schlüsselindustrien unter Arbeiterkontrolle, und mit einer praktischen Orientierung, den Klassenkampf auf der Straße und in den Betrieben zu organisieren, hätte die Partei den Zweck erfüllen können, zu dem sie gegründet wurde.
(Funke Nr. 219/06.12.2023)