Agenturmeldungen meldeten gestern die „Abrüstung der Arbeitgeber“ in den Metaller-Kollektivverträgen. Die Forderung nach der Flexibilisierung der Arbeitszeiten sei vom Tisch, jetzt ginge es nur noch um die Lohnentwicklung. Was hinter der Verhandlungsführung der Unternehmer steckt, analysiert Emanuel Tomaselli.
Die ersten „Verhandlungen“ scheiterten an einer neuen Sitzordnung, die die GewerkschafterInnen in die Position von ZuhörerInnen degradierte. Kollege Wimmer, Vorsitzender der PRO.GE, war so konstatiert, dass er mit seinem Team schnurstracks umkehrte und an den darauf folgenden Tagen für den Verhandlungsführer der Arbeitgeber Hinteregger nicht mal mehr telefonisch zu sprechen war.
Am gestrigen zweiten Termin entschieden sich die Unternehmer dann doch mit der Gewerkschaft auf Augenhöhe reden zu wollen, das Heft gaben sie jedoch nicht aus der Hand und präsentierten ein weiteres Überraschungsei. Diesmal zogen sie ihre Wünsche nach weiterer Arbeitszeitflexibilisierung vom Tisch – um die Materie einerseits an den Wirtschaftsminister für die Schaffung „verbesserter gesetzlicher Rahmenbestimmungen“ delegieren (wohlwissend, dass damit eine Regierung ins Boot geholt wird, in der trotz Koalition mit der SPÖ, die ArbeitnehmerInnen keine wirksame Lobby haben) und andererseits im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten diese Arbeitszeiten in jedem Betrieb einzeln umzusetzen. Wirtschaftsminister Mitterlehner (ÖVP) hat natürlich bereits seine Bereitschaft für neue gesetzliche Regelungen im Interesse der Wirtschaft bekundet.
Zur Erläuterung der gesetzlichen Rahmenbedingungen: diese ermöglichen eine Gesamtarbeitszeit von 60 Wochenstunden, bei einem Durchrechnungszeitraum von zwei Jahren, was hier im Sinne der Unternehmer noch verbessert werden soll, bleibt einstweilen deren Geheimnis und kann nur erraten werden: In Österreich nämlich ist die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Flexibilisierung Aufgabe der Kollektivverträge. Die Wirtschaft will nun eine Änderung dieser gesetzlichen Bestimmungen erreichen, um so auf Ebene der einzelnen Betriebe (angefangen bei den schlecht organisierten) diese gesetzlichen Schindbedingungen voll ausschöpfen zu können. Demgegenüber sieht der bestehende KV eine Arbeitszeit von wöchentlich 38,5 Stunden vor. Im betrieblichen Alltag wird diese Arbeitszeit momentan wieder deutlich überschritten, die anfallenden Überstundenregelungen kosten. Dass genau dies den Unternehmern ein Dorn im Auge ist, wird heute offen zugegeben. Die Industriellenvereinigung sagt offen, dass es ihr um eine Senkung der Lohnkosten durch mehr „Flexibilisierung“ geht.
Richtigerweise besteht die Gewerkschaft ihrerseits auf ihrer Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Denn bei den Verhandlungen um Zehntelprozentpunkte zu feilschen und sich dann durch gesetzliche Eingriffe in einem Betrieb nach dem andern zehn und mehr Prozent aus dem Geldbörsel ziehen zu lassen, ist ein freundlich vorgetragener aber beinharter Angriff auf die Interessen der Kollegen und Kolleginnen.
Und dafür ist Christian Hinteregger, Chef bei Doppelmayer in Wolford (Vorarlberg) ein Spezialist. Er selbst geht mit einer betriebsinternen Umfrage hausieren wie sehr seine Belegschaft seine im Betrieb herrschenden flexiblen Regeln schätzen würden. Jeder Arbeiter dort aber weiß zu berichten, dass diese Umfrageergebnisse wie auch alles andere im Betrieb nur unter massivem Druck erzielt wurden. Dieses neue Paradigma der lächelnden Diktatur soll ausgehend von einer gewerkschaftlich strukturell schwachen Region, wie Vorarlberg es ist, zum Vorbild für gesamtösterreichische Arbeitsverhältnisse werden. Allein die Auswahl des Verhandlungsführers Christian Hinteregger, zeigt, dass die Falken der Industriellenvereinigung auf Seiten der Wirtschaft den Ton angeben, und daher der weitere Verlauf der Auseinandersetzung um den KV kein Spaziergang werden wird.
Dabei sind die Verhandlungen über die Lohnentwicklung allein schon hart. 0,1% bewegen in etwa 10 Mio. Euro vom Firmenkonto zu den Kolleginnen und Kollegen an der Werkbank. Auch hier lässt die Arbeitgeberseite mit provokativen Tönen von sich hören. Zwar konnte man sich auf die Jahresinflationshöhe einigen, aber Veit Sorger ist der Meinung, dass 0,6 Prozent der heurigen Lohnerhöhung bereits im letzten Jahr, quasi als Vorleistung für die dann nicht erfolgte Flexibilisierung, bezahlt worden seien, und dementsprechend heuer abgezogen werden müssen. Womit er nichts anderes sagt, als dass die Lohnentwicklung hinter der Inflation zurückbleiben müsse.
Wie frech diese Ansage ist, belegen die Zahlen. Die PRO.GE hat berechnet, dass allein die 150 größten Stahlunternehmen im Land im Jahr 2009 – also zum Höhepunkt der Krise – 2,2 Mrd. Euro Gewinn an ihre EigentümerInnen und AktionärInnen ausschütteten.
Am 21. Oktober geht es mit den Verhandlungen weiter. Am Tag darauf werden die Betriebsräte und Betriebsrätinnen der Metallindustrie in regionalen Konferenzen informiert.
Es ist nun die Aufgabe der KollegInnen in den Betrieben sich in dieser Herbstlohnrunde eng hinter die Gewerkschaftsspitze zu stellen. Es ist klar, dass die Unternehmer Katz und Maus spielen wollen und ihre Ziele durchsetzen wollen. Die Betriebsratskonferenzen sollten genützt werden genau nach zu fragen, und dann sollten die Kollegen und Kolleginnen in den Betrieben aufrichtig über die Angriffe der Unternehmer informiert werden. Die Bereitschaft zu Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks muss zum Ausdruck gebracht werden. Konkrete Vorbereitungen müssen jetzt getroffen werden. Dazu sollten auch die Möglichkeiten, die gewerkschaftliche Aktionsgruppen in den Betrieben bieten, genutzt werden. Es ist klar, dass diese Auseinandersetzung weder von den Gewerkschaften noch von den BR-Vorsitzenden allein erfolgreich bestritten werden kann, sondern bereits jetzt alle kampfbereiten Kolleginnen und Kollegen in die Auseinandersetzung eingebunden werden müssen. Gleichzeitig muss der politische Einfluss, den wir in der SPÖ haben, genützt werden um in den Ortsparteien und Sektionen bereits jetzt klar zu stellen, dass die SPÖ-Minister keinesfalls gesetzliche Verschlechterungen in der Arbeitszeitfrage zulassen dürfen.