Dieser Frühling ist in Venzeuela einer der großen Verstaatlichungen: Am 15. März verkündete Chávez die Verstaatlichung einer Großmolkerei und einer riesigen Schlachthofkette. Die gesamte Zementindustrie war am 3. April dran. Nun kann Nahrungsmittelknappheit gezielter bekämpft werden und das Material für soziale Wohnbauprojekte geplant hergestellt werden. SIDOR, das größte Stahlwerk Venezuelas, wurde am 9. April reverstaatlicht, nachdem der argentinisch-italienische Multi Techint Zugeständnisse im Kampf um einen Kollektivvertrag verweigerte.
SIDOR war 1997 privatisiert worden. Damals wurden Tausende Jobs vernichtet, es wurde kaum noch investiert, der Arbeitsschutz fiel dem Sparstift zum Opfer, 18 Arbeiter kamen seither durch Unfälle ums Leben.
Seit 15 Monaten kämpft die Belegschaft von SIDOR bereits für einen neuen Kollektivvertrag, welcher 30% Lohnerhöhung, bessere Arbeitsbedingungen, Erhöhung der winzigen Pensionen und die vertragliche Anstellung aller Beschäftigten beinhalten sollte.
Am 14. März wurden die Streikenden von der Nationalgarde angegriffen, es kam zu Verhaftungen, Dutzende wurden verletzt. Diese Repression ging einher mit dem Versuch des Arbeitsministeriums eine Abstimmung über einen Vorschlag der Firmenleitung zu organisieren. Die Arbeiter lehnten diesen jedoch ab und organisierten am 3.April ihre eigene Wahl: 3338 waren für die Fortsetzung des Kampfes, nur 65 wollten den Vorschlag des Managements akzeptieren. Mit einer Großdemo appellierten die SIDOR-Arbeiter direkt an Chávez, das Werk zu verstaatlichen – mit Erfolg.
Die Verstaatlichung bedeutet eine Ohrfeige sowohl für den Gouverneur des Bundesstaates Bolivar als auch für Arbeitsminister Rivero. Chávez hat sich hier auf die Seite der ArbeiterInnen und gegen die Regierung in Buenos Aires gestellt. Der Kampf ist damit aber noch nicht zu Ende. Jetzt geht es in einem ersten Schritt um die Verhinderung von Sabotageakten durch das alte Management und gegen Pläne einer Beteiligung von venezolanischem Kapital. Ob die Verstaatlichung ein Erfolg wird, hängt nun letztlich davon ab, ob die Belegschaft (einschließlich jener 9000 KollegInnen in Zulieferbetrieben und ausgelagerten Einheiten) SIDOR unter ArbeiterInnenkontrolle weiterführen kann.
Verena Stross, Lateinamerika-Unigruppe
Eine ausführlichere Analyse des Arbeitskampfes bei SIDOR bieten folgende Artikel von Jorge Martin (In Defence of Marxism):
Chavez re-nationalises SIDOR – historic victory for the workers
SIDOR: multinational resists nationalisation – workforce moves towards workers‘ control
Allgemeine Einschätzung zur aktuellen Lage in Venezuela:
Venezuela – 6 Jahre nach dem Putsch
Sechs Jahre, nachdem der Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung von Hugo Chávez durch die großartige Mobilisierung der Massen niedergeschlagen wurde, sind die Widersprüche innerhalb der venezolanischen Revolution schärfer als je zuvor.
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