Am Sonntag, dem 30. März 2008, fand die Wiener Landeskonferenz der Sozialistischen Jugend statt. Eine wichtige Gelegenheit Bilanz über die Große Koalition, die Politik der SPÖ aber auch die Rolle der SJ im letzten Jahr zu ziehen. Bericht eines Konferenzteilnehmers.
Die SJ Wien hat unter den Ereignissen und Handlungen des letzten Jahres eindeutig gelitten: Nur 101 von 133 Delegierten waren laut Mandatsprüfungskommission anwesend, was einen gewissen Abschwung auch der AktivistInnenzahl in der Gesamtorganisation repräsentiert. Dieser Abschwung wurde vom „Funke“ prophezeit, als die Führung der SJ-Wien im Frühling letzten Jahres zu bürokratischen Mitteln (Gruppenauflösungen etc.) griff, um den revolutionären Marxismus zurückzudrängen. Leider ist diese Voraussage tatsächlich eingetreten weil sich viele ehemalige UnterstützerInnen der Mehrheitslinie in der SJ Wien in die Passivität zurückzogen. Die letztjährige Prognose der Führung der SJ Wien, dass man die Organisation nach der „Reinigung“ von den „Funke“-UnterstützerInnen rasch aufbauen könne, versank in der Langweiligkeit der linksreformistischen Politik.
Im ersten Teil der Konferenz kam – unter den heutigen Umständen nicht überraschend – vor allem die Unzufriedenheit mit der Politik der SPÖ und insbesondere ihrer Regierungsfraktion zum Ausdruck. Besonders heftig diskutiert wurde auch über die Aufgaben der Linken, um den trostlosen Zustand, in dem sich die Partei heute befindet, zu beenden. Die Verantwortlichen von „Wir sind SPÖ“ – darunter auch die Wiener Landesvorsitzende Sandra Breiteneder – mussten das Scheitern dieser Plattform eingestehen. Der Hinweis der Funke-UnterstützerInnen, dass dieses Scheitern wesentlich mit den fehlenden Partizipationsmöglichkeiten und fehlender Demokratie zusammenhängt, wurde nicht weiter kommentiert.
In der Debatte um den nun einzuschlagenden Weg standen sich zum wiederholten Male zwei Ansätze gegenüber: Einerseits die von den Funke-UnterstützerInnen vorgeschlagene Strategie zur Bildung eines linken Parteiflügels auf organisierter Grundlage inklusive eines grundsätzlichen Bruches mit der Politik der gewerkschaftlichen und politischen Sozialpartnerschaft durch die SPÖ. Andrerseits die Strategie des Weiterwurstelns in den Parteigremien und ohne strategische Ausrichtung auf Verankerung in Schule, Uni und Betrieb wie bisher, was nun mit dem großem Wort eines „hegemonialen Projekts“ betitelt wird. Die versteckte Berufung auf Gramsci ist erstens inhaltlich unbegründet (siehe dazu unsere Kritik an den Neo-GramscianerInnen in der aktuellen Funke-Ausgabe Nr. 80), und zweitens – wesentlich wichtiger – bringt sie uns keinen Schritt weiter.
In den Debattenbeiträgen wurde aber dann doch manchmal Tacheles und Richtiges gesprochen: Der Bezirksvorsitzende der Sozialistischen Jugend Wieden Armin Puller analysierte die Krise der SPÖ klar als eine ideologische, was der Grund für die starke Stellung der ÖVP in der Gesellschaft sei: während Gusenbauer&Co keine klare Konzeption oder Weltanschauung bieten können, ist die ÖVP glasklar im Vertreten der Interessen der bürgerlichen Klasse. Auf den Punkt brachte es dann der Satz: „Sie sind stark – weil wir schwach sind“.
Umso betrüblicher, dass sich derselbe Debattenredner gegen die Bildung eines organisierten linken Flügels aussprach. Dieser würde oppositionelle Kräfte in direkten Gegensatz zum Parteiapparat bringen und so die Herausbildung linker Ideen und Konzeptionen behindern. „Der Funke“ antwortete: Ohne die Parteilinke in größtmöglichen, geradezu diametralen Gegensatz zur Parteiführung zu bringen und ohne einen auf eine reale gesellschaftliche Verankerung gestützten Kampf gegen diese Parteiführung zu beginnen, wird die ideologische Krise der SPÖ nicht beendet werden können, weil die Herrschaft der rechten Sozialdemokraten an der Parteispitze dann nicht gestürzt werden könne.
Die diktatorische Herrschaft des Parteiapparats war dann ein weiteres Thema in dieser Debatte. Hier fiel die denkwürdige – und von vielen Parteimitgliedern wahrscheinlich insgeheim geteilte Analyse durch Gen. Puller: „Die Organisationsstruktur der SPÖ ist jener der Mafia ähnlich“. Wir können nichts hinzufügen. Die innerparteiliche Demokratie in der SPÖ ist genauso wenig vorhanden wie in der katholischen Kirche oder der Mafia. Einige „Clans“ (Zitat Gen. Puller) beherrschen die Entscheidungsprozesse, während die Basis staunend daneben steht. Wie weit Reden und Handeln bei den „kritischen“ Nachwuchsfunktionären aber auseinanderfallen, demonstrierte das Abstimmungsverhalten der Führung der SJ Wien bei einem Antrag, der sich gegen den undemokratischen Akt der Auflösung zweier SJ-Gruppen in Floridsdorf richtete: Dieser wurde gegen den Widerstand eines nicht unbeträchtlichen Teils der Konferenz niedergestimmt. Nun, liebe Führung der Sozialistischen Jugend Wien: wollen wir innerparteiliche Demokratie nur in der SPÖ oder sollten wir sie – quasi als „Hausaufgabe“ – nicht auch in unserer eigenen Organisation hochhalten?